Woche 21 vom 20. bis 26. Mai

  • Ich hab gestern eine der Kontrollstellen gesehen. Die Polizistin stand ca. 30 Meter hinter der Kreuzung in einer Einfahrt und hat die rauszuziehenden Verkehrsteilnehmer per Funk an ihre weiter weg stehenden Kollegen durchgegeben. Von ihrem Blickwinkel konnte sie allerdings nicht sehen, wann die Ampel umschaltet, denn beide Richtungen haben verschieden lange Grünphasen (was sie hoffentlich wusste). Von einer echten Zeitmessung mal abgesehen.

    Ich kapier nicht, wieso man da nicht wenigstens ein Kamerastativ aufstellt. So taugt das doch nur zu einer mündlichen Verwarnung.

  • Statistik ist halt so... Natürlich sind da während der Kontrolle insgesamt 15000 Autofahrer und 25 Radfahrer durchgefahren. Kann ja gar nicht anders sein...

    Ich argumentiere bei so etwas immer mit dem Modal-Split, und da steht es in Hamburg nun mal 7:1 und nicht 100:1.

    Natürlich war die Autofahrerin schuld. Mir selbst hätte das aber wohl nich geholfen, wenn etwas Schlimmeres passiert wäre. Und K2 natürlich auch nicht.

    Hatte die Sache für irgendwen irgendwelche Folgen oder seid ihr alle einfach weitergefahren?

  • Wenn ich es richtig verstanden habe, fuhr der Vater vor und das folgende Kind kam unter die Räder. Ich mag mir gar nicht vorstellen, welche Vorwürfe sich der Vater für den Rest seines Lebens machen wird.

    Genau aus diesem Grund halte ich IMMER vor wartenden Fahrzeugen an, bis meine Kinder aus dem Gefahrenbereich raus sind.

    Nein, das ist keine Schuldzuweisung. Nur ein Tipp für andere Eltern.

    Man muss halt plötzlich für eine Person mehr mitdenken. Mir selber hängt es noch nach, dass ich das einmal nicht geschafft habe. Da war ich mit K1 beschäftigt, während K2 etwas weiter vorne über die grüne Fußgängerampel fuhr und prompt von einem Abbieger angefahren wurde. Zum Glück ist außer einem dicken Schreck nichts passiert.

    Natürlich war die Autofahrerin schuld. Mir selbst hätte das aber wohl nich geholfen, wenn etwas Schlimmeres passiert wäre. Und K2 natürlich auch nicht.

    Und dann ist da noch §2 StVO:

    Zitat

    Kinder bis zum vollendeten achten Lebensjahr müssen, Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr dürfen mit Fahrrädern Gehwege benutzen. ... Vor dem Überqueren einer Fahrbahn müssen die Kinder und die diese begleitende Aufsichtsperson absteigen.

    In meiner Straße müsste man eigentlich an jedem Tag mindestens zehnmal kleine Kinder mit und ohne Eltern, die fröhlich vom Gehweg aus quer über die Einmündung radeln (natürlich auch linksseitig entgegen der Fahrtrichtung), anbrüllen: »Absteigen, verdammt noch mal! Wollt ihr draufgehen?«

  • Das steht da ernsthaft drin. Will man den Kindern das Radfahren so madig wie möglich machen? Damit sie schön brav mit 17 den Führerschein machen und mit 18 nur noch Auto fahren?

    Mir gefällt dieser absolutismus überhaupt nicht. Es gibt hier sehr viele Gehwege mit Rad Frei, da muss ich alleine überhaupt nichts machen. Und Hochbordradwege, die meines Wissens ja auch benutzt werden dürfen. Da muss ich auch nicht absteigen, wenn da eine Nebenstraße einmündet.


    Wer aus einer Querstraße auf eine Vorfahrtsstraße fährt, hat gefälligst jeden Querverkehr zu beachten. Mit genau sowas erzieht man auch die Autofahrer dazu, aus Prinzip bis an die Fahrbahn ranzufahren, bevor man das erste Mal schaut.

  • Ich hätte nach heutigem Recht gar nicht mit 5 Jahren Fahrradfahren lernen dürfen, weil es in dem Dorf bei meinen Eltern gar keinen Gehweg gab.

    Warum streicht man den ersten Teil von §2(5) nicht einfach, dass Kinder bis zum 8. Lebensjahr auf dem Gehweg fahren müssen, sondern lässt nur den zweiten Teil, dass es Kinder bis zum 10. Lebensjahr dürfen?

    Erst erzieht man Kinder zum Gehwegradeln und muss es ihnen hinterher wieder abgewöhnen? Dabei gibt es genug Straßen, in denen auch Kinder auf der Fahrbahn fahren können.

  • Es wurde keine Fahrbahn überquert! Das war ein VBB!

    Das Kind ist trotzdem tot. Und da man von Fünf-, Sechs- oder Siebenjährigen nicht erwarten kann, die Feinheiten zwischen Nebenstraße, VBB, Tankstellenzufahrt, durchgezogener Bordsteinkante oder nicht zu begreifen, kann die Parole für die Eltern doch nur heißen: »Wenn Du Dich auf den Fußgängerflächen bewegst, dann musst Du dort, wo Autos queren, Dich auch so bewegen wie ein Fußgänger.«

  • Hatte die Sache für irgendwen irgendwelche Folgen oder seid ihr alle einfach weitergefahren?

    Ich habe es dabei belassen. Die Fahrerin stand nach dem Zusammenstoß vollkommen unter Schock. Sie hatte selbst ein Kind im Auto. Und da mir §2 Abs. 5 Satz 7 sehr wohl geläufig ist, habe ich es dabei belassen.

    Es war auch wirklich eine blöde Situation:

    Zuerst einmal hat es geregnet und war dunkel. Dann war die reguläre Ampel außer Betrieb und durch Baustellenampeln ersetzt, die auf dem Gehweg in der Mitte der Verlängerung der Fußgängerfurt standen. Der Fuß bestand aus diesen "Baustellenschildergewichten". Aber so hoch gestapelt, dass ein Kind praktisch komplett verdeckt wird.

    Und so kam es dann: Das Kind stand hinter diesen Gewichten und fuhr los.

    Ganz ehrlich: Hätte mir im Auto auch passieren können.

    In der konkreten Situation das Fahrrad wohl sogar eher hilfreich: Ein losrennendes Kind wäre wohl sogar schneller gewesen. Und es wäre nicht das Vorderrad gegen das Auto gestoßen, sondern das Kind von der Autoflanke umgerissen worden.

    Zu §2 Abs. 5 Satz 7 StVO (Absteigen bei jeder Straßenquerung):

    Wir haben uns entschieden, die Absteigeregelung nicht einzuführen, wohl aber den Nachrang.

    Ich halte die Gesetzgebung für einen "Hotfix". Irgendwo in der Entstehung der Regelung hat wohl jemand bemerkt, dass auf dem Gehweg radelnde Kinder grundsätzlich die gleichen Rechte hätten, wie Radfahrer auf der Fahrbahn. Das hat wohl nicht gefallen und die "Absteigeregelung" war wohl einfach die schnellste Lösung für das Problem.

    Auf unseren 900m Weg zur Kita sind insgesamt 8 Fahrbahnen zu queren. Würden wir an jeder Kreuzung absteigen, könnten wir das Radfahren auch gleich ganz lassen. Daher haben wir nur die Vorfahrtsregelung beigebracht, nicht aber das Absteigen. Der einzige Nachteil davon ist ein reduzierter Impuls, an jedem Bordstein anzuhalten. Allerdings sind meine Kinder Stadtkinder": die ersten Jahre wird quasi jede freie Minute auf dem Gehweg darauf verwendet, die Regel "An der Bordsteinkante halt" beizubringen. Das sitzt jetzt. Die halten sogar an jeder Einfahrt an und gucken. Die haben dadurch vor fahrenden Autos genauso viel Angst, wie unsere Vorfahren vor Löwen.

    Ampeln sind aber ein anderes Problem:

    Durch den externen Trigger "grün", ist es verdammt schwer, hier ein wirklich sicheres Verhalten beizubringen. Wir reden hier über 4-5 jährige Kinder. Die sind einfach nicht in der Lage, das Verhalten von Autofahrern einzuschätzen. Keine Chance. Diese ganzen Nuancen, ob ein Autofahrer nun anhält oder nicht, kapieren die einfach noch nicht. Also müssen klare und einfache Regelungen her.

    Was nicht funktioniert: "Alle Abbieger durchfahren lassen". Zum einen dauert es dann oft mehrere Ampelphasen, um rüberzukommen. Aber viel gravierender: Die bekommen es noch gar nicht hin, aus welcher Richtung die Abbieger eigentlich kommen können.

    Was auch nicht klappt: "Ignoriere die Ampel! Ich bestimme, wann es losgeht". Die Kinder sind ja nicht blöd. Die sehen auch, dass der eigentliche Trigger "Grün" ist.

    Normalerweise passe ich deshalb einfach auf wie ein Schießhund, wenn meine Kinder bei Grün die Fahrbahn betreten, um sie zur Not noch stoppen zu können.

    Und dann kommt halt der blöde Moment, in dem im Dunkeln bei Regen das eine Kind anfängt zu brüllen, während das andere Kind durch Ampelgewichte verdeckt von einem Abbieger angefahren wird.

    Straßenverkehr mit Kindern ist einfach verdammt anstrengend.

    Und auf der Meta-Ebene ist es einfach nur deprimierend: Wir bilden uns ein, zivilisiert zu sein. Aber bereits direkt vor der Haustür befindet sich ein Kind in unmittelbarer Lebensgefahr. Erst durch eine sehr stringente, nicht-triviale mehrjährige intensive Verkehrserziehung wird diese Gefahr auf ein halbwegs erträgliches Maß gesenkt. Und der ganze Aufwand nur dafür, dass das Kind das Haus verlassen kann.

  • Ich kann das nur nur bestätigt und handhabe das mit meinem Sohn genauso. An jeder Fahrbahn absteigen und schieben ist sinnfrei. Es ist frustrierend und wenn das Kind jedes mal absteigen muss um dann umständlich über die Straße zu schieben während ihm die Pedalen in die Hacke knallen.

    Fahrradfahren mit Kind in der Stadt ist verdammt nervenaufreibend. Während ich allein gerne die Fahrbahn nutze, bin ich mit Kind froh über jeden Meter Hochbordradweg. Da kann ich wenigstens etwas Einfluss nehmen indem ich ihn dazu anhalte extrem defensiv zu fahren. Das nervt dann aber auch wieder die Radfahrer hinter einem und verleitet manch Einen zu recht gewagten Überholmanövern.

    Allerdings ist das Nichts gegen die Überholmanöver, die ich mit ihm schon auf der Fahrbahn oder auf Schutzstreifen erlebt habe.

    Verkehrserziehung ist extrem schwierig.

    Ich arbeite mit Kindern zwischen 2 und 6 Jahren. Gerade weil Kinder noch nicht in der Lage sind das ganze Verkehrsgeschehen zu erfassen, bringen wir Ihnen bei am Zebrastreifen stehen zu bleiben bis die Autos vollständig stehen(bis die Reifen sich nicht mehr bewegen).

    Die Kinder sind einfach noch nicht in der Lage Entfernung und vor allem Geschwindigkeit von herannahenden Objekten richtig einzuschätzen.

    In der Realität sieht das dann folgendermaßen aus:

    Die Kinder stehen am Zebrastreifen und im günstigsten Fall bremst ein herannahendes Fahrzeug ab. Aber es bleibt nicht stehen, sondern lässt sich ausrollen um nach den Fussgängern direkt wieder Gas geben zu können und nicht erst anfahren zu müssen.

    Die Kinder bleiben noch stehen.

    Der Fahrer fängt an zu gestikulieren.

    Die Kinder bleiben stehen.

    Der Fahrer betätigt ungeduldig die Lichthupe, während er mittlerweile im Schritttempo auf den Zebrastreifen zugerollt kommt.

    Die Kinder bleiben stehen.

    Mittlerweile rollt der Wagen nur noch im Schneckentempo auf den Zebrastreifen zu und der Fahrer gestikuliert zunehmend wütender.

    Die Kinder bleiben stehen.

    Der Fahrer entscheidet, dass es ihm nun zu blöd ist und wenn die Scheissblagen einfach nicht gehen wollen halt selbst Schuld sind.

    Er gibt Gas und fährt durch und wenn alles gut geht, hat eines der Kinder am Straßenrand nicht genau in diesem Moment die Idee, dass das Auto ja eigentlich schon so gut wie steht und es jetzt loslaufen kann.

    Das habe ich nicht erst einmal sondern schon viel zu oft erlebt.

    Oft fehlt leider das Verständnis für die Sicht der Kinder.

    Auf dem Fahrrad ist es dann auch schwierig. Eigentlich bringe ich meinem Sohn bei genügend Seitenabstand zu parkenden Autos zu halten. Auf bestimmten Strecken mit Schutzstreifen wiederum, lass ich ihn aber viel zu weit rechts fahren, damit ich ihn gegen von hinten kommende Nahüberholer abschirmen kann. Er ganz rechts auf dem Schutzstreifen und ich dahinter ganz links.

    Das ist natürlich total inkonsequent aber nach einigen wirklich haarsträubenden Manövern einiger Autofahrer für mich die beste Weise.

    Die Lebensqualität einer Sadt erkennt man daran, wie selbstständig sich Kinder durch sie bewegen können.

  • Fahrradfahren mit Kind in der Stadt ist verdammt nervenaufreibend. Während ich allein gerne die Fahrbahn nutze, bin ich mit Kind froh über jeden Meter Hochbordradweg. Da kann ich wenigstens etwas Einfluss nehmen indem ich ihn dazu anhalte extrem defensiv zu fahren.

    Mein Großer war 5, als wir zusammen auf der Fahrbahn des Rungwisch gefahren sind. Papa hat das immer gemacht, also wollte er auch unbedingt. Er etwa rechte Reifenspur, ich schräg links dahinter als Schirm. Ging ganz gut. Da war der gleiche Bengel, der mir mit 3 gesagt hat, mit Helm glaubte man, auf den Kopf fallen zu dürfen. Ein Dreijähriger erklärt die Risikokompensation, die jede Menge Erwachsene nicht wahr haben möchten.


    Die Lebensqualität einer Sadt erkennt man daran, wie selbstständig sich Kinder durch sie bewegen können.

    Ob eine Stadt zivilisiert ist, hängt nicht von der Zahl ihrer Autobahnen und Schnellstraßen ob, sondern davon, ob ein Kind auf dem Dreirad unbeschwert und sicher überall hinkommt.

  • Du bleibst auch an einer Kreuzung ohne Ampel stehen, wenn nicht Grün ist?

    Ja OK, es steht im §2, dass Kinder bis 8 Jahre Gehwege benutzen müssen und nicht, dass sie nur auf Gehwegen fahren dürfen, touché.

    Um dennoch bei dem Beispiel meiner Kindheit zu bleiben: Wir sind als Kinder selbstverständlich im Dorf auf der Fahrbahn Fahrrad gefahren. Wir haben auch auf der Straße gespielt und wenn ein Auto kam, sind wir zur Seite gegangen, so what? Wir sind auch am Fahrbahnrand zur Bushaltestelle gegangen. Es war ja keine vielbefahrene Bundesstraße und keine Hauptverkehrsstraße einer Großstadt sondern eine Dorfstraße. Aber auch in Städten gibt es genügend Straßen, in denen auch Kinder auf der Fahrbahn fahren können.

    Später wurden im Dorf auch Gehwege gebaut. Die 1,20m wären jedenfalls zu schmal gewesen, um darauf das Radfahren zu lernen. Wir haben jedenfalls schon als Kinder gelernt, uns im Straßenverkehr zurecht zu finden und sind nicht bis zum Abitur von den Eltern im SUV zur Schule gekarrt worden. Man hat uns nicht erst beigebracht, dass Radfahren nur auf Gehwegen sicher ist und uns hinterher erklärt, doch auf der "gefährlichen" Fahrbahn zu fahren.

  • Wenn ein vorher mit [Zeichen 237] beschilderter Radfahrstreifen direkt auf den Fußweg geführt wird? Kenne ich. Besonders, weil das [Zeichen 239][Zusatzzeichen 1022-10] bereits weit vor dem Ende des Radstreifens auf dem Fußweg steht. Da muss man schon sehr rechtzeitig die Spur verlassen und den Unmut des 'richtigen' Verkehrs ignorieren. Sonst steckt man plötzlich in einer Straßenbahnhaltestelle und ist haftbar, falls man nicht nachweislich Schritttempo gefahren ist und mit jemandem kollidiert.

    Natürlich wird das Fußwegzeichen an der eigentlich geeigneten Stelle nicht wiederholt.