Beiträge von Th(oma)s

    Wenn der TÜV 100 Brücken oder 100 Achterbahnen prüft. Wie viele davon dürfen in den nächsten Jahren einstürzen bzw. einen (potentiell) tödlichen Unfall haben?

    Das hängt unter anderem davon ab, ob der TÜV-Test zuverlässig das Einsturzpotential ansagen kann, so dass im Endeffekt weniger Brücken einstürzen als wenn man nicht testen würde. Im vom Senioren-Checkup übertragenen Sinne vermag er genau das aber leider gar nicht. Die Testerei entpuppt sich als lediglich symbolischer Aktivismus und dient letzlich nur der mehrwertvernichtenden Alimentierung von Prüfpersonal.

    Das Jahr ist zwar noch nicht vorbei, aber die Zeit versucht schon mal eine Analyse zum Thema Verkehrssicherheit und Tote Radfahrer in Hamburg.

    Es scheint so, das die Zahl der Toten stärker steigt, als der Radverkehr.

    Rätsel: was zeigt die folgende Abbildung?

    Auflösung: die Grafik zeigt die Summe der schweren Unfälle jährlich zwischen Fahrrädern und KFZ im Destatis Unfallatlas für Hamburg. Wenn man jetzt noch bedenkt, wie stark der Radverkehr in HH in den letzten Jahren gewachsen ist, entpuppt sich das Ergebnis der (hüstel) "Analyse" als spekulative Kaffeesatzleserei und die daraus abgeleiteten Forderungen als verkehrspolitisch motiviertes Kampaigning ohne Korrelat zur Realität.

    Ergänzung: es gibt auch keinen Unfalltyp, der isoliert eine steigende Entwicklung aufweisen würde. Insbesondere der Rückgang der schweren Einbiegen/Kreuzen-Unfälle (wir erinnern uns: im Artikel wurde explizit angeprangert, dass die Stadt beim prophylaktischen Umbau der Kreuzungen versage...) trägt zum insgesamt sinkenden Trend bei:

    Genau, wenn dann muss diese Maßnahme ja auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgen, also

    • geeignet und
    • erforderlich und
    • angemessen

    sein.

    „Geeignet“ bedeutet insbesondere, dass die Quote der unfallverursachenden Senioren unter den Ausgeschlossenen signifikant größer sein muss, als unter den gleich alten Testbestehern. In diesem Sinn war der Senioren-Checkup, den die Schweiz vor einigen Jahren (ab 70 alle 2 Jahre) eingeführt hat, *un*geeignet, denn beim Vergleich der Schweizer Senioren (getestet) gegen die Senioren in D und AT (ungeteste Kontrolle) zeigte sich, dass kein nachweisbarer Effekt der Tests zu verzeichnen war. Das Testalter wurde daraufhin um zunächst 5 Jahre auf 75 angehoben. Ebenso wurde beschlossen, dass die Durchfaller u.U. eine auf bestimmte Zeiten und Flächen begrenzte Fahrerlaubnis erteilt bekommen können. Das klingt ganz so, als wolle man ohne Gesichtsverlust aus der Testerei wieder aussteigen.

    Einer der Nebeneffekte von strengeren Gesundheitstests für die Fahrerlaubnis eines tötungsfähigen Fahrzeugs wäre auch, dass...

    ...der Staat durch PKW-Führverbote netto mehr Menschen tötet, weil dadurch die Anzahl fataler Alleinstürze mit Zweirädern zunähme. Aus der übergeordneten staatlichen Perspektive ist die Frage von Schuld und Unschuld für den Verkehrstod ohnehin eher zweitrangig, aber selbst wenn man da sensibel wäre, bleibt zu berücksichtigen, dass ja auch unter den Toten von Unfällen mit PKW-Schuld im Verhältnis ca. 500:900 die unbescholtenen Dritten nur eine Minderheit der Opfer stellen.

    Autofahrende sind ja immer in einer Situation wo sie Leib und Leben Anderer gefährden, da besteht also im Prinzip kaum ein Unterschied beim Fremdgefährdungspotential.

    Wenn die Welt nur Schwarz und Weiß kennen würde, sind auch Radfahrer "immer in einer Situation wo sie Leib und Leben Anderer gefährden": in 2023 verursachten Radfahrer 9x den Tod unbescholtener anderer Personen. Wir sollten daher im Interesse von VisionZero dringend verpflichtende Checkups für Radfahrer einführen. Jedes Opfer ist eins zu viel! Wo es um Leben und Tod geht, darf uns keine Mühe zu groß sein!!:evil:

    Ich weiß nicht, ob ich hier schonmal darauf hingewiesen habe: die Gefährdung durch KFZ-Führer betrifft eben nicht nur einen kleinen überschaubaren Personenkreis von Hochrisiko-Unfallverursachern. Es kann jeden jederzeit erwischen. Wenn das Tötungsrisiko pro Fahrt insgesamt der Wahrscheinlichkeit für 6 Richtige beim Lotto gleicht, dann ist es eben keineswegs so, dass man davon ausgehen kann, dass bestimmte prädestinierte Senioren quasi die Zahlen schon vor der Ziehung kannten und daher sicher gewonnen haben. Es ist real stattdessen eher so, dass vor der großen "Unfall-Ziehung" jedes Mitglied der Senioren-Kohorte quasi anderthalb statt einen Tippschein abgibt - mit einer sehr fließenden Grenze von einem Schein zu anderthalb.

    Wir haben 2.800 Verkehrstote im Jahr. Hier tun viele so, als wären das weitgehend alles unbescholtene Opfer von senil-debilen Greisen. Richtig ist, dass überhaupt nur 500 unbescholtene Dritte durch die Schuld eines PKW-Führers starben. Wie klein mag daran der Anteil von Opfern von Senioren sein, die so aus der Norm fallen, dass sie einen Routine-Checkup versemmeln würden?

    Zunächst ja. Eine Entlastung könnte sich langfristig einstellen, wenn Gesundheitsprobleme dadurch frühzeitiger erkannt werden und behandelt werden, bevor es schlimm wird.

    Die großen Killer sind gleichzeitig aufgrund einer oft Jahrzehntelangen Vorgeschichte auch die dicken Fische im Teich der Gesundheitskosten: Krebs, Diabetes, Bluthochdruck/Arteriosklerose. In einem Fahrerlaubnis-Checkup würde man aber wohl weder eine vorsorgliche Darmspiegelung machen noch eine Ernährungsberatung zur Verhinderung des zu Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen führenden "metabolischen Syndroms".

    Viele Nichtautofahrer*innen oder "Nur bei sehr seltenen Gelegenheiten Autofahrer*innen" haben einen Führerschein.

    Ein weiterer Aspekt beim "andere großzügig mit Auflagen Beglücken"-Spielchen ist natürlich auch die Gewissheit, dass man selber den Test ja sicher schaffen wird. Inwieweit beim Test ggf. andere Personen aussortiert werden könnten, obwohl sie ihr Lebtag nie einen schweren Unfall bauen würden, juckt dann den vermeintlich fitten Führerscheininhaber in seiner Selbstgerechtigkeit genau so wenig wie die von Anderen zu tragenden Kosten den Nichtautofahrer.

    "Der Bestand der Führerscheine in Deutschland wächst. Anfang 2024 gab es mit etwa 22,5 Millionen Pkw-Führerscheinen fast eine Million mehr als noch 2023."

    Das kann irgendwie nicht stimmen, denn dann entfielen auf jeden PKW-Führerscheininhaber zwei PKW. Möglicherweise ist bei der von dir zitierten Zahl nicht berücksichtigt, dass Inhaber der LKW-Erlaubnisse auch PKW führen dürfen. Ein weiteres Missverständnis könnte sein, dass die Zahl lediglich die Inhaber der neuen Kartenführerscheine betrifft und Personen mit den alten grauen "Fleppen" nicht erfasst sind. Für Letzteres spräche auch das rasante Wachstum von 1 Million/Jahr. Statista selbst nennt jedenfalls in einer anderen Statistik für 2021 eine Summe von knapp 58 Millionen PKW-Fahrerlaubnissen.

    Anstatt darin eine Zusatzbelastung des Gesundheitssystems zu sehen, könnte das sogar zu einer Entlastung beitragen.

    Angenommen, wir schicken 20 Millionen Personen jährlich zum Fahrerlaubnis-Gesundheitscheck zu den ca. 100.000 niedergelassenen Ärzten. Damit entfallen auf jeden Arzt im Mittel 200 Untersuchungen/Jahr. Das wäre ungefähr ein ganzer Arbeitsmonat je Arzt (bei der gebotenen Gründlichkeit...) und definitiv *keine* Entlastung. Das muss man auch dann im Auge haben, wenn man (s.u.) als nicht direkt betroffener Autogegner den enormen Aufwand nicht direkt selber zu leisten hat.

    In beiden Fällen hat man Kriterien definiert, die vom Arzt abgeprüft werden. Warum sollte das für Autofahrer nicht gehen?

    Die Menschen sind immer sehr großzügig, wenn sie für jemand Fremdes Maßnahmen vorschreiben dürfen, um zu dessen Lasten mit gewaltigem Aufwand und enormen Kosten minimale Restrisiken für sich selber dämpfen zu lassen (siehe auch andere Auswüchse im Brand-/Strahlen-/Arbeits-/Emissions-/etc.-Schutz; auch die verbreitete Forderung nach Abbiege-Assistenten für LKW gehört in diese Aufzählung). Wenn es hingegen darum geht, auf eigene Kosten kleine Restrisiken zu bekämpfen, behält die Sparsamkeit die Oberhand.

    Auch die nicht-bürgerlichen Fahrradbubble-nahen Redakteure bei Tagesspiegel, TAZ und neuerdings auch BZ wissen, dass gute Nachrichten nicht geklickt werden und schreiben entsprechend.

    Gestern aus Frankreich neues Beispiel fürs Bedienen des "Radfahren gefährlich"-Narrativs.

    Man beachte den düsteren Unterton in Schlagzeile und Text:

    "schon wieder" Fahrerflucht - was gar nicht stimmt, denn der SUV-Fahrer von Paris blieb am Ort des Geschehenes.

    "Erneut" Radfahrer getötet - was denn sonst; in einem Land mit 65 Mio Einwohnern und knapp 10% Radverkehrsanteil stirbt jeden 2. Tag jemand irgendwo beim Radfahren, da ist ein Abstand von paar Wochen zwischen zwei willkürlich ausgewählten Ereignissen ohne jede Aussagekraft. Zumal die beiden vermeintlich miteinander verknüpften Ereignisse vom Hergang offenbar auch nichts weiter miteinander zu tun hatten: im ersten Fall eskalierende Straßenwut in der zugestauten Pariser Innenstadt, im anderen Fall war es wohl eher Augenblicksversagen auf der Landstraße bei Dunkelheit mit anschließender Flucht.

    Konkret benennen und Statistik schließt sich natürlich gegenseitig aus. Aber es gibt Faktoren, die die Unfallwahrscheinlichkeit einer Gesamtgruppe nennenswert steigern. Alkohol und (andere) Drogen gehören zum Beispiel dazu, aber auch Faktoren wie Müdigkeit, die sich nicht so ohne weiteres einer Bevölkerungsgruppe zuordnen lassen. Wir haben uns als Gesellschaft deshalb entschieden, 15-jährigen keinen B-Führerschein zu geben, obwohl genug Jugendliche in der Lage wären, ein Fahrzeug sicher zu führen.

    Eben: die Altersgrenze gilt pauschal. Aber wir testen die Kids nicht, und vergeben dann Führerscheine an anhand Tests mit fragwürdiger Trefferquote ermittelte "frühreife" Jugendliche. Dementsprechend könnte man auch am anderen Ende der Lebensspanne allen Senioren ab 80 das Autofahren verbieten. Die ganze Testerei ist aber gemessen am gewünschten Ziel Voodoo pur.

    Das eigentliche Problem ist doch, dass die Autofahrerei an sich nicht infrage gestellt wird.

    Umgekehrt ist die Infragesstellung des Autoverkehrs aber auch keine Rechtfertigung für skrupelloses Ausschließen vom KFZ-Verkehr auf der Basis von Tests mit allenfalls zufallsbasierter Trefferquote.

    Da bräuchte es eher Reflex-Tests und Tests, die das Überblicken einer komplexen Verkehrssituation testen. Wenn ich so sehe, wie langsam und schwerfällig (offensichtlich teils unter Schmerzen) viele in ihre Fahrzeuge einsteigen, dann bin ich mir sicher, dass so ein Test zu massiv vielen Führerscheinentzügen führen würde.

    Die ganze Testerei fußt auf der irrigen Ansicht, dass die Verkehrsteilnehmer sich sauber in Unfäller und Nichtunfäller trennen ließen. Das ist für Laien so naheliegend wie nach Ansicht der Unfallforschung falsch. Unfallrisiko ist ein sttistisches Phänomen. Wer behauptet, er könne in einer unfallfreien Stichprobe diejenigen konkret nominieren, die später einen Unfall gehabt haben werden, der lügt sich selber in die Tasche.

    Gedankenexperiment: 10.000 zufällig ausgewählte Senioren testen und anhand des Ergebnisses die 100 benennen, die aufgrund der Testkriterien am wahrscheinlichsten einen Unfall haben werden. Danach die Stichprobe die folgenden drei Jahre nur beobachten. Ich wette, die Unfallquote unter den Nominierten wird nicht größer sein als beim Rest.

    ich hab da keine andere Idee als "gestürzt". Welche hast du?

    Die Idee betrifft den Sturzgrund. Ist natürlich immer möglich, dass es bauliche Defizite gab. Ebenso könnte es spontan zu einer Lenkbewegung in Richtung Bordsteinkante gekommen sein, evtl. bedingt durch die fatale Addition der beiden Pendelamplituden beim Nebeneinanderfahren.

    Viel wahrscheinlicher aber ist, dass die beiden auf dem Heimweg von einer feuchtfröhlichen (Halloween?)Feier waren.

    Die Fuzzis könnten sehen, dass die Welt nicht zusammenbricht, wenn man sein Auto nicht auf der Fahrbahn vor der eigenen Haustür parken kann.

    Dafür ist Paris gerade kein Beispiel. Anwohner dürfen dort ungehindert parken und ein-/durchfahren, soweit sie nicht ohnehin mehrheitlich noch nie ein Auto besaßen. Paris hatte auch schon lange vor Mme Hidalgo einen MIV-Binnen-Modal-Split von ca. 10%. Von sowas können die etablierten Fahrradstädte in NL, D und DK nur träumen.

    Man sollte den Wandsbeker Gartenstädtern mal eine Reise nach Paris spendieren:

    Wozu soll das gut sein? Wandsbek Gartenstadt ist vergleichbar mit den Vororten außerhalb des Bvd. Peripherique. Das liegt weit außerhalb des Machtbereiches von Mme Hidalgo. Der jetzt für den Durchgangsverkehr gesperrte Bereich entspricht von der Größe der Fläche zwischen Kennedybrücke und Elbe - und da willst du auch in HH auch ohne Sperrung schon nicht mit dem Auto freiwillig durchfahren.

    Thomas wird es sicher gleich sagen können, aber sind da die Alleinunfälle von Radfahrern mit dabei?

    Natürlich sind sie dabei. Die Anzahl tödlich verunglückter Personen ist mit 31 bis Ende Oktober recht hoch, davon waren aber nur 8 als Radfahrer betroffen. IOW: 23 Opfer waren *keine* Radfahrer. Zudem waren bei den gestorbenen Radfahrern ja auch noch 2 Fälle dabei, wo gar keine KFZ beteiligt waren (ein Alleinopfer, eine Kollision unter Radlern). Die radelnden Opfer sind gemessen am Trend zwar auch ein Ausreißer nach oben, aber dennoch ist es unplausibel, warum man sich ausgerechnet auf Radverkehr kapriziert, wenn man die Opferzahl senken möchte.

    Schließlich nutzen Rückspiegel wenn überhaupt dann ausschließlich bei Konflikten mit dem rückwärtigen Verkehr - und diese Konflikte wiederum sind ziemliche Exoten, gerade im innerörtlichen Geschehen. Von insgesamt 19802 zwischen 2017 und 2023 in HH registrierten Fahrradunfällen waren nur 1304 vom Typ "Längsverkehr von hinten" (6,6%), wobei nur 923 (4,7%) auf Kollisionen mit KFZ entfielen. Wie viele davon wiederum noch auf Auffahrunfälle von Fahrrädern auf langsamere KFZ entfielen, kann man den Rohdaten des Unfallatlas-Bestandes leider nicht entnehmen. Es ist übrigens auch keineswegs so, dass die "von hinten mit KFZ angefahren"-Unfälle in HH schwerer wären als der Rest des Geschehens. Der Anteil der Auffahrunfälle mit KFZ-Beteiligten innerhalb der Gruppe der Unfälle mit schweren bzw. tödlichen Folgen liegt bei 3,6% (66 von 1820). Die Rückspiegel-Kandidaten unter den Unfällen sind also nicht nur außergewöhnlich selten, sie sind zudem auch noch unterdurchschnittlich schwer.