Frage zu "protected Intersections" / "geschützten Kreuzungen"

  • Wenn man den Radweg vor der Kreuzung zu weit von der Fahrbahn absetzt, dann handelt es sich möglicherweise nicht mehr um einen fahrbahnbegleitenden Radweg, mit der Folge dass die Vorfahrtsregelung für die Fahrbahn nicht für den Radverkehr gilt. Wenn in eine solchen Fall der Radverkehr ganz klar untergeordnet wird, z.B. durch einseitiges Vz 205 für den Radverkehr, dann ist es auch hinreichend sicher.

    Warum soll das sicher sein (im Sinne von "Überleben")? Oder war das nicht so gemeint?

  • Das ist vermutlich Deiner selektiven Wahrnehmung geschuldet, die bei emotionaler Befangenheit stets entsteht.

    Bei rationaler Betrachtung des Videos würde man sehen, dass auf dem Radweg gleichfalls die Dreiecksmarkierungen aufgebracht sind, deren Spitzen auf die Radfahrer zeigen.

    Im Übrigen: Was glaubst Du, was das Vz 205, dass die Radfahrer vor der Nase haben (ab min. 1:35) bedeutet?

    Das würde bedeuten, dass der rechtsabbiegende Pkw direkt nach dem Rechtsabbiegen Vorfahrt achten müsste. Das wird einfach nicht funktionieren.

    Das Vorfahrt Achten Schild bei 1:35 steht an der Stelle, weil der Querverkehr Vorrang hat (bei abgeschalteter Ampel), nicht weil der abbiegende Verkehr Vorrang hätte.

    Externer Inhalt youtu.be
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

    Bei 2:06 steht da kein Schild "Vorfahrt achten", das man so interpretieren könnte, dass es den Radverkehr bei abgeschalteter Ampel ausbremst. Vermutlich weil hier die Filmaufnahme aus Richtung Vorfahrtsstraße aufgenommen wurde. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass auch das von dir erkannte Vorfahrt Achten Schild in 1:35 nicht bedeutet, dass der Radverkehr Vorrang gewähren müsste gegenüber abbiegenden Fahrzeugen.

    Dass der rechtsabbiegende Verkehr unmittelbar nach dem Rechtsabbiegen Vorfahrt gewähren muss, würde in Deutschland vermutlich nicht so einfach funktionieren. In den Niederlanden dagegen scheint das sehr gut zu funktionierten.

    Schau dir mal diese streetview-Aufnahme von der holländischen Insel Terschelling an:

    https://www.google.com/maps/@53.36823…!7i16384!8i8192

    Und dann klicke dich dort ein wenig weiter, dann bewegst du dich auf einen weit von der Fahrbahn abgesetzten Radweg zu, der vorrangberechtigt ist. Das erkennt man nur an der Reihe spitzer Dreiecke.

    https://www.google.com/maps/@53.36813…!7i13312!8i6656

    Ich war dort über eine Woche im Urlaub und hatte mehrfach Möglichkeit mir das anzusehen, ob das auch wirklich so funktioniert, dass der PKW-Verkehr dort stoppt um den radfahrern Vorrang zu gewähren. Tut er. In Deutschland dachte ich mir, wäre das vermutlich anders.

    Hier ist nur ca. 200 m weiter noch so eine Stelle:

    https://www.google.com/maps/@53.36928…!7i13312!8i6656

    Und hier beide Stellen auf dem Satellitenfoto:

    https://www.google.com/maps/@53.36898…t/data=!3m1!1e3

  • Ja, wo sich Fuchs und Hase "gute Nacht" sagen, mag das funktionieren.

    Im übrigen bin ich der Meinung, dass die deutsche StVO das nicht hergibt, denn nach § 10 StVO ist der Radfahrer ja untergeordnet, wenn er von einem anderen Straßenteil (Radweg) auf die Fahrbahn einfährt.

  • Ja, wo sich Fuchs und Hase "gute Nacht" sagen, mag das funktionieren.

    Im übrigen bin ich der Meinung, dass die deutsche StVO das nicht hergibt, denn nach § 10 StVO ist der Radfahrer ja untergeordnet, wenn er von einem anderen Straßenteil (Radweg) auf die Fahrbahn einfährt.

    Und genau deshalb ist es wichtig zu schauen, was andernorts so geht. Das heißt ja auch nicht, dass man unbedingt alles übernimmt. Aber es ist eben auch nicht so, dass man das einfach ignorieren kann, was zum Beispiel in den Niederlanden an Radverkehrsinfrastruktur existiert.

    Und das nicht nur dort, wo sich Fuchs- und Hase Gute Nacht sagen. Im Gegenteil: Man könnte das auch so sehen: Selbst da wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, gibt es in den Niederlanden deutlich abgesetzte Fahrradwege mit Vorfahrtsberechtigung gegenüber dem abbiegenden Autoverkehr. Warum sollte das nicht auch in Deutschland möglich sein?

    Irre ich mich oder wird vielleicht in Deutschland zu oft darüber geklagt, dass eine gute Radverkehrsinfrastruktur aufgrund der gesetzlichen Vorgaben angeblich gar nicht möglich sei und dass es deshalb besser ist, auf jegliche Form von Fahrradverkehrsinfrastruktur grundsätzlich zu verzichten?

  • auf jegliche Form von Fahrradverkehrsinfrastruktur grundsätzlich zu verzichten

    Die beste Form von Fahrradverkehrsinfrastruktur habe ich bei den Cyclassics und der alljährlichen Fahrradsternfahrt erlebt: Was für ein erhebendes Gefühl, auf einer 12 Meter breiten Fahrbahn zusammen mit vielen anderen Radfahrern dahinfahren zu können. Endlich mal glatter Asphalt ohne Scherben und Mülltonnen, aber dafür mit eindeutiger Erkennbarkeit, wo es lang geht.

  • Irre ich mich oder wird vielleicht in Deutschland zu oft darüber geklagt, dass eine gute Radverkehrsinfrastruktur aufgrund der gesetzlichen Vorgaben angeblich gar nicht möglich sei und dass es deshalb besser ist, auf jegliche Form von Fahrradverkehrsinfrastruktur grundsätzlich zu verzichten?

    So eine Argumentation ist mir gänzlich unbekannt.

    Wenn, dann ist es vielleicht so wie bei den Berliner Flughäfen: offiziell ist die Begründung dafür, dass Schönefeld nicht schon längst eröffnet worden ist, der Verstoß gegen irgendwelche Brandschutzrichtlinien. Tatsächlich ist der wahre Grund, dass Tegel eigentlich auch ganz ordentlich funktioniert.:evil:

    In den letzten Jahrzehnten gab es wechselnde Moden im Radwegebau, und je nach Bauphase und Platz entstand der inhomogene Mix an Führungsformen, der für die deutschen Wegelchen so typisch ist. Wie in vielen anderen Bereichen auch ("3G zugunsten von 5G einfach abschalten? Kommt gar nicht in die Tüte!", haben wir uns mit diesem Altbestand inzwischen gut arrangiert und deswegen wenig Neigung, von Grund auf alles abzureißen und dann komplett schön und neu zu machen.

    Geld und Hirnschmalz wird in den Altbestand nur dann investiert, wenn andere äußere Einflüsse dies handfest triggern (zB Straßenquerschnitt muss sowieso geändert werden, weil Mulitmillionen-Fördermittel für separate Straßenbahngleise verbuddelt werden müssen, Straße wird von Grund auf saniert, weil die 100 Jahre alte Kanalisation marode geworden ist, etc.).

    Was dagegen an verkehrsreicheren Strecken innerorts auch Anno 2020 noch ohne Fahrradfirlefanz ist, ist dies nicht deswegen, weil die *gesetzlichen* Vorgaben das nicht zulassen würden, sondern weil *physikalische* Gesetze das Unterbringen von zusätzlichen Wegen einfach nicht hergeben. Irgendwann ist eben Schluss mit der Abtrennung weiterer exklusiver Spuren auf einem endlichen Straßenquerschnitt...

    Quintessenz: an den Altbestand geht man ohne Not nicht ran. Bleibt eigentlich nur noch der Bau von Radwegen bei der Anlage vollkommen neuer Straßen. AFAICS wird dort aber mittlerweile brav die Radinfra obligatorisch (und richtlinienkonform) mitgeplant.

  • Was dagegen an verkehrsreicheren Strecken innerorts auch Anno 2020 noch ohne Fahrradfirlefanz ist, ist dies nicht deswegen, weil die *gesetzlichen* Vorgaben das nicht zulassen würden, sondern weil *physikalische* Gesetze das Unterbringen von zusätzlichen Wegen einfach nicht hergeben. Irgendwann ist eben Schluss mit der Abtrennung weiterer exklusiver Spuren auf einem endlichen Straßenquerschnitt...

    Es sind nicht "pysikalische Gesetze", die den Bau einer guten Radverkehrsinfrastruktur verhindern. Vielmehr ist es eine jahrzehntelang einseitig auf den Autoverkehr und die Bedürfnisse des Autoverkehrs ausgerichtete Verkehrspolitik.

    Kreisel das ist so was wie Omnibushaltestellen mit Haltebuchten. Hauptsache der Autoverkehr wird schnell abgewickelt.

    Und dann gibt es halt die Radfahrer, die sich sagen ich kenne mich aus, ich bin fit und ich bin selbstbewusst. Die stürzen sich dann rein in den Autoverkehr und finden das toll. Aber es ist ja nun beileibe nicht immer so, wie Fahrbahnradler das von den Cyclassics berichtet.

    Vielmehr dominieren der Regel die Autos das Verkehrsgeschehen. Und das gefällt vielen Radfahrern so wenig, dass sie eine eigene Radverkehrsinfrastruktur bevorzugen. Und das ist nicht durch die Bank "Fahrradfirlefanz".

  • Es sind nicht "pysikalische Gesetze", die den Bau einer guten Radverkehrsinfrastruktur verhindern. Vielmehr ist es eine jahrzehntelang einseitig auf den Autoverkehr und die Bedürfnisse des Autoverkehrs ausgerichtete Verkehrspolitik.

    Du machst dir hier das Framing der Radwegefreunde zu eigen. Eine Straße ohne Fahrradfirlefanz ist gerade nicht "einseitig auf Bedürfnisse des Autoverkehrs ausgerichtet". Dazu wird sie erst, sobald man den allfälligen Fahrradfirlefanz an den Rand rotzt.

  • [Neubauten] Wird da dann die Fahrbahn auch so geplant, das dort eine besondere Gefahr für Radfahrer entsteht ?:evil:

    Zumindest dann, wenn mit der Freigabe der Straße die Benutzungspflicht für die Radwege angeordnet werden "muss", handelt es sich mE um einen offensichtlichen schweren Kunstfehler der Verkehrsplaner.

  • Ganz sicher wurden zahlreiche solche Radwege angelegt, die vor allem die Funktion hatten, den Autoverkehr zu beschleunigen. Es ist halt sehr leicht mit relativ wenigen Autos sehr viel Verkehrsfläche zu beanspruchen. Und es kamen nicht nur wenige sondern viele Autos, die von vielen gewünscht wurden.

    Bis 1957 gab es noch kein Tempolimit innerorts in der Bundesrepublik. Das heißt man lies die Autofahrer ganz offiziell rasen. Da freuten sich viel Fahrradfahrer schon über zu kleine und zu enge Radwege.

    Und auch als Tempo 50 kam. Das ist immer noch eine sehr hohe Geschwindigkeit für Mischverkehr von Autos + Fahrradfahrern.

    Fakt ist, dass der Radverkehr sehr stark zurückging. Und dieser Rückgang begann bereits, als viele Radwege noch gar nicht gebaut waren.

    Ich vermute es hätte den Rückgang des Radverkehrs noch zusätzlich beschleunigt, wenn man auf den Bau von Radwegen verzichtet hätte.

    Hier ein Filmausschnitt aus Kuhle Wampe von 1932 als noch viele Menschen mit dem Fahrrad mobil waren - OHNE Radwege! Aber eben auch nur mit ganz wenigen Autos auf den Straßen.

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

  • Zumindest dann, wenn mit der Freigabe der Straße die Benutzungspflicht für die Radwege angeordnet werden "muss", handelt es sich mE um einen offensichtlichen schweren Kunstfehler der Verkehrsplaner.

    Na dann haben die Verkehrsplaner hier ja alles richtig

    https://streetmix.net/-/1265126

    Das ist ein Link zu Streetmix. Ein interessantes Zeichenprogramm zur Gestaltung von Straßenquerschnitten.

  • Vielmehr dominieren der Regel die Autos das Verkehrsgeschehen.

    Autos dominieren das Verkehrsgeschehen, wenn sie auf zwei bis acht Spuren innerstädtisch dahinbrettern können, weil man die Störenfriede per [Zeichen 237] und Konsorten aus dem Weg geräumt hat. Radwege zementieren im wahrsten Sinne des Wortes diese Dominanz.

  • Autos dominieren das Verkehrsgeschehen, wenn sie auf zwei bis acht Spuren innerstädtisch dahinbrettern können, weil man die Störenfriede per [Zeichen 237] und Konsorten aus dem Weg geräumt hat. Radwege zementieren im wahrsten Sinne des Wortes diese Dominanz.

    Vermutlich hat man es einmal für erstrebenswert gehalten, Wege außer haus mit dem Auto zurück zu legen. Für viele Menschen ist das heute noch sehr erstrebenswert. Und es lässt sich damit sehr viel Geld verdienen. Ich vermute der Radwegebau spielte bei der Ausbreitung des Autos eine untergeordnete Rolle.

    Es ist einfach nicht möglich, mit dem Fahrrad so viel Präsenz zu zeigen wie das mit dem Auto möglich ist.

    Und für Fußgänger ist es noch weniger möglich, diese Präsenz zu zeigen. Das wurde ja immer mal wieder mit dem "Gehzeug" gezeigt.

    Mir ist das mal besonders krass aufgefallen als es in Hannover eine Taxifahrer-Demo gab gegen Scheuers Initiative Uber und Co auf die Straße zu bringen. Obwohl das rein zahlenmäßig gar nicht so viele Teilnehmer waren, legten die ruckzuck alle Straßen lahm.

    Die Radfahrer sind nicht verschwunden, weil es keine Radwege gab. Sondern die Radfahrer sind verschwunden, weil sie sich ein Auto leisten konnten und fürderhin damit die Straßen unsicher machten.

    Der Wohlstand ist die Quelle vieler Übel. Wenn man versuchte, die Autofahrerei in die Kategorie der Sieben Todsünden einzuordnen, dann würde ich auf Völlerei (Fresserei), Hoffart und Trägheit tippen:

    https://img.welt.de/img/geschichte…cut-Baldung.jpg

  • Vermutlich hat man es einmal für erstrebenswert gehalten, Wege außer haus mit dem Auto zurück zu legen. Für viele Menschen ist das heute noch sehr erstrebenswert.

    Für mich ist die (übermäßige) Präsenz von Kfzs in geschlossenen Ortschaften einfach ein "historischer Werdegang".

    Aber: Wäre das aus irgendeinem Grunde nicht passiert - weil man z.B. vor 50 Jahren gesagt hätte, Autos haben in Städten wg. Abgasen und Lärm nichts verloren -, würde heute keiner mehr auf die Idee kommen, das neu einzuführen. Allein die Idee würde pures Entsetzen hervorrufen. Das ist m.M.n. der springende Punkt: Der Mensch hat vor Nichts soviel Abneigung wie vor Veränderung. Was ist, soll auch so bleiben. Egal, wie "kirre" es ist und auch egal, wie absurd es zukünftigen Generationen erscheinen wird.

    Veränderungen müssen offenbar immer mit einem "Tschingderassabum" (Roman Herzog, Bundespräsi 1994-1999) einhergehen.

  • Der Wohlstand ist die Quelle vieler Übel.

    Nein, es ist die Bequemlichkeit. Der Wohlstand ermöglicht uns lediglich, es uns bequem zu machen und wir gebrauchen den Wohlstand für kaum etwas anderes als dafür, unsere Bequemlichkeit zu erhöhen. Daher haben wir Luxusprobleme wie Übergewicht, Diabetes, mit Autos verstopfte Städte, Umweltzerstörung und Containerschiffe voller Dinge aus China, die eigentlich niemand braucht.

    Bequemlichkeit war mal lebensnotwendig: Nicht mehr zu jagen als man braucht, um Kräfte zu schonen und die Ressourcen zu bewahren, von denen man abhängig ist. Es ist bezeichnend, wie schnell die Menschen zu Veränderungen fähig sind, wenn es der Bequemlichkeit dient. Aber umgekehrt scheint es fast unmöglich, Gewohnheiten zu verändern, die zunächst unbequem erscheinen.