Ich sehe das nicht als Kernfrage.
Wenn es um die Verkehrswende geht, geht es darum, möglichst viele Menschen auf's Rad zu bekommen. Und bei diesem Ziel sind gute Radwege der Führung auf der Fahrbahn überlegen. Keine Aufklärungskampagne der Welt wird dafür sorgen, dass die Mehrheit der Menschen die Führung auf der Fahrbahn besser finden als auf einem Radweg. So ist die Mehrheit nunmal einfach nicht gestrickt.
Ich merke es an mir selbst: Früher hat mir der Verkehr von hinten nicht viel ausgemacht. Hunderte Nahüberholer später ist das anders. Der Kopf weiß, dass der Radweg gefährlicher ist. Und trotzdem finde ich es unangenehmer, wenn die Gefahr ständig von hinten lauert.
Aufklärungskampagnen in Verbindung mit guten Gesetzen können das schaffen, zwei Beispiele:
- In Spanien (also auch im 17. Bundesland, auf Mallorca) muss zum Überholen von Radfahrern die komplette Gegenspur benutzt werden, bei empfindlichen Geldstrafen. Von dem, was ich lese, halten sich die Leute auch daran, was dann für deutsche Radfahrer ein bisschen wie der Kulturschock ist, den man in Ländern mit Tempolimit auf der Autobahn hat - entspanntes Fahren unabhängig von der Straße oder dem Fahrzeug ist möglich. Das bei uns einzuführen wäre ein leichtes, da es faktisch durch die bestehenden Regeln sowieso schon gilt, aber viel leichter zu ahnden ist und dadurch auch eher befolgt würde.
- Seit im Dezember die Diskussion über die neue StVO angefangen hat, habe ich eine stetige Verbesserung bei den Überholabständen feststellen können. Spürbar waren bereits die Nachrichten, Zeitungsartikel etc. zur Sache zu bemerken, und das hat sich bei der Gesetzesänderung dann nochmal verstärkt. Hat vorher vielleicht einer von zehn zu eng überholt, habe ich mittlerweile Situationen, wo über mehrere Stunden Fahrtzeit kein einziger zu eng überholt - wirklich ein spürbarer Unterschied. Die meisten Leute sind nicht bösartig, sondern unwissend, und können durch Aufklärung zu gutem Verhalten gebracht werden. Für die wenigen, die resistent sind, gibt es dann entsprechende Strafen, die wirken.
Natürlich passiert das nicht von heute auf morgen, immerhin sind Jahrzehnte falsche Entwicklung zu korrigieren, und die bisherigen Änderungen seit 1998 wurden nicht wirklich eindeutig kommuniziert. Aber mit einer Kombination aus öffentlicher Aufklärung ("Der 7. Sinn" in modern nach der Tagesschau, Social-Media-Kampagnen für die jüngere Zielgruppe, entsprechende Schilder und Plakate in "Brennpunktregionen"), Durchsetzung der Gesetze (Gefährderansprachen durch die Polizei, viel mehr Kontrollen, Halterhaftung bei Ordnungswidrigkeiten) und Bildung (modernisierte Radfahrprüfung in den Schulen, regelmäßige Auffrischung der Führerscheine mit theoretischem Test) könnte das gelingen.
Außerdem schadet es natürlich nicht, wenn Autofahren unattraktiver und Radfahren attraktiver wird - dann sind mehr Radler unterwegs und die Radwege automatisch unbrauchbar bzw. die Straße automatisch sicher. Einen Vorgeschmack hat man ja in den letzten Monaten bekommen, als Autofahren nur noch in Ausnahmefällen erlaubt war, Radfahren aber immer.