Nachdem in Bayern nun schon vor einiger Zeit gut 100.000 Bürger mit ihrer Unterschrift für einen geplanten Radentscheid gestimmt haben, entscheidet am 7. Juni nun der Verfassungsgerichtshof, ob das Volksbegehren tatsächlich zugelassen wird oder nicht, nachdem das Innenministerium den Inhalt des Zulassungsantrags aufgrund angeblicher Formfehler für unzulässig ansieht. Gleichzeitig wurde als Reaktion auf die Vorbereitungen des Volksbegehrens durch die Bayerische Staatsregierung am 22. Mai ein alternativer Radgesetzentwurf vorgestellt, welcher im Juli beschlossen werden soll. Hierin wird unter anderem der Bau von Radwegen auch auf Kosten von Parkplätzen und schmaleren Straßen angekündigt. Auch soll die Bauordnung dahingehend verändert werden, dass Bauherren weniger Parkplätze für Autos nachweisen müssen, wenn dafür eine größere Anzahl von Fahrrad-Abstellplätzen gebaut werden. Außerdem sollen viele weitere Einzelmaßnahmen mit dem Ziel der Radverkehrsförderung enthalten sein.
Ging die erste Stufe des Volksbegehrens mit der Sammlung der Unterschriften vielleicht noch relativ unspektakulär und für das breite Volk fast unbemerkt über die Bühne, so erfährt der ahnungslose Bürger nun in der Tagespresse, was die Regierung ihrerseits als Alternativmaßnahme mit dem vorhandenen Verkehrsraum nun vorhat, um mehr Verkehrsteilnehmer auf das Fahrrad umsteigen zu lassen. Dabei kann man auf den Leserbriefseiten der bayerischen Tageszeitungen teils sehr aufschlussreiche Reaktionen nachlesen, in denen sich ganz klar offenbart, welche Ansichten man gegenüber Radfahrern bis heute offenbar pflegt. So wird Radfahrern vorgeworfen, absichtlich auf Hauptverkehrsstraßen zu fahren und damit die Autoschlange immer länger werden zu lassen. Auch wird der gesetzlich vorgeschriebene Überholabstand grundsätzlich in Frage gestellt, weil dieser eine Gefahr für Autofahrer darstelle. Schließlich gäbe es ja Gegenverkehr! Aber auch der Bau von weiteren Radwegen wird angeprangert, weil dies dem Steuerzahler schließlich viel Geld koste. Die Neuaufteilung des Verkehrsraums wird als "Radl-Hammer" beschrieben, weil durch den Bau weiterer Radwege die Sicherheit in Frage gestellt wird. Überhaupt sei Radfahren sowieso nur mit Gefahren verbunden und es sei unverantwortlich, dass so viele Radfahrer keine Helme tragen. Und überhaupt würden Radfahrer sowieso immer nur fahren, wo und wie sie wollen: an wartenden Autos vorbei, über Gehwege und Fußgängerampeln, natürlich immer über Rot und dann auch noch bei Sturm, Regen, Schnee und Eis.
Einerseits bin ich wieder einmal erstaunt, wie tief sich der Graben zwischen Auto- und Radverkehr in die Gesellschaft gegraben hat, um selbst einschlägige StVO-Vorschriften zulasten des Kraftverkehrs als irrsinnig oder überflüssig zu betrachten. Andererseits erweist ein nicht geringer Anteil von Radfahrern der restlichen Radfahr-Liga einen Bärendienst. Denn durch das Ignorieren der Regeln im Straßenverkehr fallen vor allem solche Radfahrer auf, die eben wie selbstverständlich auf Gehwegen, über Rot, in die falsche Richtung oder im Dunkeln ohne Licht fahren und damit tagtäglich massenweise Öl ins Feuer gießen, wofür sich die Kontra-Radverkehr-Fraktion natürlich fleißig bedankt. Die in geringer Anzahl noch vorhandenen Radfahrer, welche regelkonform unterwegs sind, werden damit praktisch unsichtbar. Und das teilweise sogar im wahrsten Sinne des Wortes, wenn in einschlägigen Polizei-Unfallberichten oder Presseartikeln beschrieben wird, wie der einspurige Unfallgegner aus völlig unerklärlichen Gründen einfach nur "übersehen" wurde.
Leider ist in unserer Gesellschaft noch immer kein Umkehrpunkt erkennbar, welcher zweifelsfrei belegt, dass der Besitz bzw. die Verwendung von Kraftfahrzeugen ökologisch und auch ökonomisch in einer Vielzahl von Mobilitätsfällen einfach nur völliger Irrsinn sind. Die aktuellen Zulassungszahlen von Kraftfahrzeugen besagen nicht nur, dass das Auto noch nie so beliebt war wie heute. Auch die anteilmäßige Verteilung auf die einzelnen Fahrzeugarten spiegelt wieder, dass der vorhandene Verkehrsraum anscheinend noch immer genug Platz für massenhaft völlig überdimensionierte 2-Tonnen-Fahrzeuge bieten muss. Und der Kraftstoff, der ja schließlich auch bezahlt werden will, tut dem ganzen Wahnsinn offenbar ebenfalls keinen Abbruch. Dann weint man lieber über die vielen Steuergelder, die für Radinfrastruktur (ob nun sinnvoll oder nicht...) ausgegeben wird, übersieht dabei aber völlig, wie viele Milliarden bereits in Form von Splitt-Bitumen-Mischungen bereits landauf landab in der Landschaft ausgebreitet worden sind, damit man auch überall ordentlich aufs Gas drücken kann. Diese Ausgaben sind dann allerdings natürlich völlig in Ordnung.
Es ist aus meiner Sicht leider nicht absehbar, in welche Richtung die weitere Entwicklung noch geht. Ein Großteil sieht im Fahrradfahren offensichtlich überhaupt keinen Sinn, sieht Fahrräder teils nur als Spaßgeräte an, die man wohl zum Zeitvertreib bewegt oder man spricht den Fahrradfahrern generell deren Existenzberechtigung gleich völlig ab. Ich weiß nicht, wo man solche Leute eigentlich abholen muss. Vielmehr kann man ja wohl noch froh sein, dass es noch keinen Bürgerentscheid darüber gibt, ob der Besitz und die Verwendung von Fahrrädern nicht verboten und unter Strafe gestellt wird. Ob dann die Regierung dem ebenfalls zuvorkommt und ganz schnell ein eigenes Gesetz zur Eindämmung des Radverkehrs erlässt?