Radfahrstreifen und Überholabstand

  • Antwort der Bundesregierung: Ist doch alles easy, denn Radfahrstreifen sollen ja mindestens 1,85 Meter breit sein. Aber dafür wäre eh nicht der Bund zuständig, sondern die Länder.

    Übrigens: Selbst bei einem regelmaßigen Radfahrstreifen von 1,85 Meter fahre ich mit der linken Seite meines Lenkers schon auf der Fahrbahn, wenn ich nach rechts anderthalb Meter Abstand zu parkenden Kraftfahrzeugen halten muss.

    Außerdem ist das Mindestmaß eines Radfahrstreifens nur 1,50m, inkl. Breite des Zeichens 295 (in der Regel als Breitstrich mit 0,25m). Wo Radfahrstreifen mit Mindestmaß ohne Sicherheitsraum zu parkenden Fahrzeugen am rechten Rand markiert sind, muss man also mit dem Fahrrad auf der Linie fahren, um alleine 1m Seitenabstand zwischen rechtem Lenkerende und den Kraftstehzeugen zu halten.

  • Das kommt dabei heraus, wenn die selben Leute, die vorher vermutlich die Gehwege mit [Zeichen 240] zum benutzungspflichtigen "Radweg" erklärt haben, versuchen, eine formal rechtskonforme Regelung umzusetzen, aber weiterhin ihre oberste Sorge die Flüssigkeit des Kfz-Verkehrs ist.

    Es hat sich leider noch nicht durchgesetzt, dass die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer Vorrang vor der Flüssigkeit des Verkehrs hat. Faktisch hat die Flüssigkeit des Kfz-Verkehrs vielerorts weiterhin Vorrang vor der Verkehrssicherheit von Fußgängern und Radfahrern.

  • Es hat sich leider noch nicht durchgesetzt, dass die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer Vorrang vor der Flüssigkeit des Verkehrs hat. Faktisch hat die Flüssigkeit des Kfz-Verkehrs vielerorts weiterhin Vorrang vor der Verkehrssicherheit von Fußgängern und Radfahrern.

    Du hast die "Leichtigkeit des ruhenden Verkehrs" als Kriterium vergessen, dessen Bedeutung offenbar in der Hierarchie in der Mitte zwischen Flüssigkeit des KFZ-Verkehrs und Verkehrssicherheit liegt: ohne Längsparkstände wäre der Streifen vollkommen unkritisch (ja, die Abstände wären dann kleiner als 150cm, aber nein, das würde keine Unfallrisiken verursachen).

  • Dann bleibt ja nur noch die Frage, wie groß der Abstand zu sein hat, wenn der Radweg auf dem Hochbord direkt an der Bordsteinkante verläuft ...

    Die Antwort auf die Frage lautet: es macht keinen Unterschied, ob garnix/Schutzstreifen/Radfahrstreifen/PBL/Hochbord. Wegen der Analogie gilt der Abstand angeblich immer, unabhängig von dem Kriterium, dass ein Überholvorgang auf dem gleichen Straßenteil stattfinden muss. 150 cm sind und bleiben immer 150 cm - da beißt jetzt die Maus keinen Faden mehr vom Stoff der Warnweste ab. Wer hier auf der rechten Fahrspur an einem Hochbord-Radler vorbeifährt, begeht einen Verkehrsverstoß:

  • Dann bleibt ja nur noch die Frage, wie groß der Abstand zu sein hat, wenn der Radweg auf dem Hochbord direkt an der Bordsteinkante verläuft ...

    Und was ist, wenn der benutzungspflichtige gemeinsame Geh- und Hochbordradweg in beiden Richtungen benutzt werden muss? Muss ich als "Geisterradler" dann 1,5 Meter vom Bordstein Abstand halten oder der entgegenkommende Kraftverkehr auf der Fahrbahn? Es ist ja kein Überholen, sondern ein Entgegenkommen.

    Einmal editiert, zuletzt von Alf (3. März 2020 um 20:00)

  • Ich kann einfach nicht verstehen, wie man so etwas absichtlich "bauen" kann.

    Bad Nenndorf. Und ja, es ist kein Radfahrstreifen.

    Auf dem Bild zu sehen: der Mindestabstand zu den rechts parkenden Kraftfahrzeugen markiert durch eine weiße gestrichelte Linie. Sollte die Ampel mal rot sein und einige Autos dort warten, dürfen sie die Linie nicht überfahren, da Bedarf nur bei Gegenverkehr vorkommt und hier faktisch unmöglich ist - also kann man mit dem Rad vorsichtig bei ausreichendem lichten Raum von ca. einem Meter an den Wartenden vorbeifahren und vorne an der Ampel wieder zurück auf die Mitte der Spur wechseln. Zudem keine nervigen Benutzungspflichten und keine teuren Schilder, ein Gewinn für alle außer Autofahrer.

    Das einzige, was die Verwaltung vergessen hat: den nach alter deutscher (Un-)Tugend scharrrf rrrechts fahrenden Rentnern und Gelegenheitsradlern einen passenden Informationsflyer in die Hand zu drücken, wie man sich hier richtig und verkehrssicher verhält (siehe abschreckendes Beispiel im Foto).

    Und was ist, wenn der benutzungspflichtige gemeinsame Geh- und Hochbordradweg in beiden Richtungen benutzt werden muss? Muss ich als "Geisterradler" dann 1,5 Meter vom Bordstein Abstand halten oder der entgegenkommende Kraftverkehr auf der Fahrbahn? Es ist ja kein Überholen, sondern ein Entgegenkommen.

    Beim Entgegenkommen reicht ein Meter, bei langsamerer Geschwindigkeit und äußerster Vorsicht (also faktisch einer bleibt stehen und der andere fährt maximal Schritttempo) reichen auch wenige Zentimeter. Bei LKWs in voller Fahrt und evtl. Seitenwind ist aber selbst die Fahrbahn rechts im Bild schon eher schmal, aus Sicherheitsgründen (Schwanken, Ausgleichsbewegungen) ist der Radweg im gezeigten Bild bei entgegenkommendem Radverkehr nicht sicher befahrbar, ergo das Schild ignorierbar.

    Dass es genug Leute gibt, die das nicht wissen und sich dann in Gefahr begeben, ist natürlich wieder eine andere Sache. Linksseitige Radstreifen sind ja explizit verboten, dabei würde ich dieses Konstrukt als genau das gleiche einordnen, ja sogar noch schlimmer, da mit weniger Sicherheitsraum und mit Fußverkehr. Was lohnt da mehr, wegklagen oder einfach ignorieren?

  • Auf dem Bild zu sehen: der Mindestabstand zu den rechts parkenden Kraftfahrzeugen markiert durch eine weiße gestrichelte Linie. Sollte die Ampel mal rot sein und einige Autos dort warten, dürfen sie die Linie nicht überfahren, da Bedarf nur bei Gegenverkehr vorkommt und hier faktisch unmöglich ist - also kann man mit dem Rad vorsichtig bei ausreichendem lichten Raum von ca. einem Meter an den Wartenden vorbeifahren und vorne an der Ampel wieder zurück auf die Mitte der Spur wechseln. Zudem keine nervigen Benutzungspflichten und keine teuren Schilder, ein Gewinn für alle außer Autofahrer.

    Sehe es genauso: Der Dooring-Bereich wird hier korrekt gekennzeichnet: Da das Befahren der Linie eben ruckelig ist, fährt man links davon. Da offenbar wenig Gegenverkehr dort herrscht, ist ein weiträumiges Überholen möglich.

  • Linksseitige Radstreifen sind ja explizit verboten, dabei würde ich dieses Konstrukt als genau das gleiche einordnen, ja sogar noch schlimmer, da mit weniger Sicherheitsraum und mit Fußverkehr.

    Interessanter Punkt. Hier ist ein ähnliches Konstrukt: 2-Richtungs-Geh-und-Radweg ohne bauliche Trennung von der Fahrbahn (kein Bordstein, kein Puffer, nur ein weißer Strich), dazu noch eine Bushaltestelle und bei Regen eine große Pfütze. Zudem wenig Bebauung, d.h. das 50er Tempolimit wird eher als "Empfehlung" gesehen.

    https://goo.gl/maps/JFbXuWcF8eCUW5Yw8

  • Der Sinn des definierten StVO-Abstandes? Die Festschreibung bestätigt jetzt auch "amtlich", dass alles unter 150/200cm lebensgefährlich ist. Sie weckt und bestärkt damit irrationale Ängste vor überholenden KFZ in der Radfahrerschaft und erleichtert dadurch den Behörden die Durchsetzung der reinen "Autofahrbahn". Einerseits, weil die geschürte Angst die Nachfrage für neue Radwegebauten in der Bevölkerung massiv verstärkt, und andererseits, weil sie den Behörden die (Wieder-)Anordnung und Beibehaltung von Benutzungspflichten oder gar vollständigen Fahrradverboten aus angeblichen Sicherheitsgründen massiv erleichtern wird. Würde das kraftfahrende Establishment nicht dieses in der neuen Regel schlummernde Potential erkannt haben, wäre sie nie und nimmer in die StVO gekommen.


    Zu pessimistisch? Wir werden sehen.

    Die Befürchtung teile ich. Umso mehr, da mir unsere StVB schon Zweifel an der Umsetzung eines gefassten Beschlusses mit 1,50 m RFS + 3,25 m KfZ-Streifen verlauten lies. Weil an etlichen Stellen der Kfz-Streifen zum Überholen nicht verlassen werden darf bzw. kann. Der Trend geht wieder zu [Zeichen 240]. :(

  • Warum bin ich auf diesen Thread gekommen?

    Um herauszufinden, ob ein Rf zum Überholen anderer Rf einen RFS verlassen darf.

    Es gibt natürlich auch so schmale RFS in unserem Land, dass man schon auf der Linie fahren muss, um Dooring-Unfällen vorzubeugen, z.B. in Leipzig in der Eisenbahnstraße. Da kann man gleich auf der KfZ-Spur fahren solange man einigermaßen schnell ist. Aber wie ist die rechtliche Lage

    a) bei Hindernissen auf dem RFS?

    b) beim Überholen anderer Rf, wenn dies innerhalb des RFS nicht möglich ist?

  • Zur Umfahrung von Hindernissen darf man vom Radfahrstreifen auf die Fahrbahn ausweichen, zum Überholen meines Wissens nach nicht.

    Denn ein Radfahrstreifen ist wie ein Radweg auch ein Sonderweg für Radfahrer. Und bei Zeichen 237 gilt hier Fahrbahnverbot (also bei Radfahrstreifen immer). Das wird nicht durch das Bedürfnis des schnelleren Vorankommens aufgehoben. Weder beim einen, noch beim anderen.

  • zum Überholen meines Wissens nach nicht

    Dann hat mich die weiße Linie, die sehr eindrücklich am Anfang des Films The Scarlet and the Black gezeigt wird, zu recht an die Begrenzung von RFS erinnert. Während die SS-Offiziere behaupteten: "Hinter dieser Linie seid ihr sicher. Die werden wir nicht überschreiten." sagte man sich im Vatikan: "Sie wollen uns mit dieser Linie vor allem zeigen, wie weit wir gehen dürfen."

  • Hier der Feststellungsentwurf:

    Also ich meine: Wenn schon nur 1,50 m, dann darf es kein RFS sein. Leider liebt es unsere Stadt, jede Form von (beabsichtigter) Radverkehrsinfrastruktur höher zu labeln als sie in Wirklichkeit ist. Ihr kennt das bestimmt auch:

    Gehweg -> [Zeichen 240]

    [Zeichen 240] -> [Zeichen 244]

    Sicherheitstrennstreifen -> Schutzstreifen

    Schutzstreifen -> RFS

    Vielleicht bringt dieses Vorgehen mehr Fördergelder?

  • die Prio ist offensichtlich: Straßenbahn hat Vorrang und soll auf keinen Fall von Linksabbiegern aufgehalten werden.

    Ich bleib dabei: wenns DA schon kacke wird, wo massig Platz ist, wird der Rest der Planung nicht besser sein.

    Wie soll denn vermutlich sogar stärker frequentierte Kreuzung vorm Netto/Pflegeheim dann aussehen? LSA? pfffffft.

    theoretische Lösungsansätze:

    Verzicht auf etwas Gehwegbreite - eher nein

    Verzicht auf Radfahrstreifen - eher nein

    praktisch:

    Grunderwerb vom nördl. Flurstück. Hätte man damals bei Planung schon auf "Vorrat" kaufen können.

    Verzicht Fahrbeziehung Naumburger -> links in Nietzschestraße, stattdessen Vollausbau Knoten Carl-Orff-Straße und Anbindung der Wohngebiete für Verkehr aus nördlicher Richtung dort. Nietzschestraße dann nur als Ausfahrt (re/li) in Naumburger oder Naumburger nur rechts ab...

  • Wie soll denn vermutlich sogar stärker frequentierte Kreuzung vorm Netto/Pflegeheim dann aussehen? LSA? pfffffft.

    Nein, genauso wie an der Nietzschestr.! Südlich davon wird alles untermaßig. Bis auf die Fahrbahn. Im Seitenraum dann [Zeichen 240] mit Fahrleitungsmasten drauf.

    Einmal editiert, zuletzt von CKO (25. März 2022 um 08:57) aus folgendem Grund: Präzisierung

  • Würde man das Ziel "Verkehrswende" ernst nehmen, dann würden von 12 Metern Fahrbahn selbstverständlich 6 Meter dem Fahrrad gehören. Denn dann gäbs kein Problem beim Überholen Lasten-Fahrrad/Lasten-Fahrrad UND es gäbe einen natürlichen Evolutionsdruck, möglichst kleine Autos zu fahren. Eigentlich total easy.

  • Am Ende kommen wir dann wohl wieder bei § 1 StVO raus, aus dessen zweiten Absatz sich auch noch ein gewisser Überholabstand herleiten lässt:

    Das sieht auch Prof. Dr. jur. Dieter Müller so: Der Sicherheitsabstand soll einen Radfahrer vor Kraftfahrzeugen schützen und den Sicherheitsabstand interessiert es nicht, ob es sich um einen Überholvorgang auf dem selben Straßenteil oder um bloßes Vorbeifahren auf zwei unterschiedlichen Straßenteilen handelt: Überholen von/ Vorbeifahren an Radfahrern, die auf Schutzstreifen oder Radfahrstreifen fahren (ab Seite 12)