Die dreistesten Unfallursachenausreden

  • Sturzhelme kenne ich nur als Integralhelm aus dem Motorradbereich. Die können auch was.

    Was sie eher nicht können: von KFZ-Lenkern "übersehen" zu werden, der Standardunfall beim Motorradfahren, wie auch im Radlerbereich.

    Deswegen kommen auch immer wieder Forderungen nach Vollprotektorenkombis womöglich mit Airbags auf.

    Anstatt durch zu setzten das alle Menschen Verkehrteilnehmer sind, unabhängig davon wie sie unterwegs sind.

  • Aber das Schlagwort "Toter Winkel" wurde schon mal subtil in Stellung gebracht und die Frage gestellt, ob der Junge vielleicht schneller lief (-> und damit für den Fahrer quasi aus dem Nichts auftauchte und überhaupt besser hätte aufpassen müssen).

    Genauso gut hätte man auch schreiben können, dass auf dem vorliegenden Videomaterial nicht zu erkennen gewesen sei, ob der LKW-Fahrer vor dem Abbiegen sorgsam in alle Spiegel geschaut hätte, oder dass man derzeit noch auswerten würde, wie schnell der LKW-Fahrer abgebogen ist. Das schreibt man lieber nicht, damit es nicht wie eine Vorverurteilung des LKW-Fahrers klingt. Dafür, dass diese unberechenbaren Kinder manchmal einfach losrennen, ohne auf den Verkehr zu achten, haben die Leser aber sicherlich Verständnis.

  • "wie es zu dem Unfall kam, ist noch unklar"

    Ich finde das überhaupt nicht unklar: der LKW-Fahrer hat seine Pflichten verletzt und ein Kind überfahren.

    Über Details des Hergangs kann man diskutieren. Die Ursache finde ich jetzt aber nicht weiter schwer festzustellen.

  • Der Verweis auf den tödlichen Unfall vorher, ein Kind wird von einem rechtsabbiegenden Müllfahrzeug vor den Augen des Vaters überfahren, darf natürlich auch nicht fehlen. Dort wurde das Verfahren gegen den Fahrer eingestellt. Es war ein "tragischer Unfall", so die Richterin.

  • Tja, da kann man wohl nichts machen:

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    Geschult werden natürlich nur die Kinder, nicht die lieben Kraftfahrer.

  • Die Polizeimeldung zu einem Unfall im nordfriesischen Leer ist ja mal abenteuerlich:

    Leer - Gestern Morgen gegen 09:00 Uhr wurden Kräfte des Rettungsdienstes und der Polizei zu einem schweren Verkehrsunfall in der Bürgermeister-Ehrlenholtz-Straße gerufen. Eine 44-jährige Frau aus Nortmoor befuhr mit ihrem Ford Ka die Bürgermeister-Ehrlenholtz-Straße in Richtung Friesenstraße und beabsichtige nach rechts auf einen dortigen Parkplatz zu fahren. Eine 25-jährige Leeranerin fuhr zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Fahrrad auf dem Radweg der Bürgermeister-Ehrlenholtz-Straße in Richtung Ostersteg. Nach derzeitigen Erkenntnissen übersah die Radfahrerin den abbiegenden Ford und kollidierte mit der Fahrerseite des Pkw. Durch den Sturz erlitt die 25-Jährige schwere Beinverletzungen. Sie wurde umgehend einem Krankenhaus zugeführt. An beiden Fahrzeugen entstand Sachschaden.

    Kein Wort zu § 9 Abs. 3 StVO. Klingt ja fast so, als wäre die Radfahrerin an allem schuld.

    Dafür fehlen ganz andere Informationen: Wenn ich mir die Örtlichkeit ansehe, handelt es sich um eine Einbahnstraße mit unterschiedlicher Radverkehrsinfrastruktur auf beiden Seiten. Wenn die Kraftfahrerin rechts in einen Parkplatz abgebogen ist, muss ihr die Radfahrerin als Geisterradlerin entgegengekommen sein. Das ändert zwar grundsätzlich nichts an der Vorfahrtssituation, ist im Zusammenhang mit einer Pressemitteilung der Polizei zu einem Verkehrsunfall vielleicht nicht so ganz unerheblich.

  • Tja: Kontrolle verloren und gestürzt

    Selbst schuld, wer sein Fahrrad nicht unter Kontrolle halten kann, oder? Die Überschrift ist natürlich absolutes Kraftfahrer-Candyland, denn offenbar hat sich die Sache doch etwas anders zugetragen:

    Zitat

    Nach Angaben des Jungen habe sich ein weißer VW Bully von hinten genähert und mehrfach gehupt. Anschließend sei er so dicht aufgefahren, dass er mit seiner Stoßstange das Rad des Kindes berührt habe. Der Zwölfjährige sei daraufhin auf den Grünstreifen geraten, habe die Kontrolle verloren und sei mit seinem Fahrrad hingefallen.

    Oh, und Unfallflucht gibt’s auch noch:

    Zitat

    Der Autofahrer habe kurz angehalten und sich danach in Richtung der Straße Landwehr entfernt.

    Wenn ich zugrunde lege, dass eine Überschrift bei solchen Meldungen einen ungefähren Rückschluss auf das wesentliche Ereignis beinhalten sollte, dann war es aber wohl wichtiger zu betonen, dass der junge Radling sein Fahrzeug nicht unter Kontrolle hatte.

  • Am 1. Oktober wurde in Wuppertal ein Radfahrer von einem Lastkraftwagen überrollt. Beide fuhren in die gleiche Richtung, es kam aus ungeklärer Ursache zu einer Kollision, dann wurde der Radfahrer überrollt.

    Bei der WDR-Lokalzeit wissen natürlich wieder alle Bescheid, dass natürlich der Radfahrer bei rot gefahren wäre. Von einer roten Ampel war zwar gar nicht die Rede, aber dem Stammtisch war wohl gleich wieder der Kragen geplatzt und es mussten die obligatorischen Argumente aufgefahren werden.

    Die Critical Mass Wuppertal rief darum am 2. Oktober zu einer Schweigeminute auf — mit der recht deutlichen Formulierung, dass der Lkw-Fahrer den Radfahrer getötet hat. Das kam bei der Wuppertaler Fahrradblase nicht so gut an, es wurde zum Boykott der Critical Mass aufgerufen, justiziable Beschimpfungen ausgetauscht und die Facebook-Seite als „Hassrede“ gemeldet. Auch unter Radfahrern schätzt man wohl eher die weichgespülte Formulierung, dass der Radfahrer den Lastkraftwagen „touchierte“, unter dem Auflieger „zu liegen geriet“ und „aus ungeklärter Ursache am Unfallort verstarb“. Für viele Mitstreiter scheint die Formulierung „jemanden zu töten“ quasi automatisch den Mordvorwurf zu implizieren, obwohl es eigentlich eher den Unfallhergang nüchtern darstellt. Selbst wenn sich ein Radfahrer im lebensmüden Vollbesitz seiner geistigen Kräfte vor einen Lastkraftwagen wirft, tötet der Lkw-Fahrer den Radfahrer, auch wenn er diesen Unfall objektiv gesehen nicht verursacht hat.

    Und natürlich sollten wir zunächst das Ergebnis der Ermittlungen abwarten, aber grundsätzlich kann man ja an der bisherigen Beschreibung des Vorfalls so etwa ablesen, was wohl so ungefähr passiert sein wird.

    Die Facebook-Seite der Critical Mass Wuppertal hat dann noch einen längeren Beitrag veröffentlicht, warum man diese Formulierung gewählt hat.

  • Natürlich ist es richtig, dass die Polizei einen Unfallhergang erst einmal ermitteln und mit Zeugenaussagen stützen muss, gar keine Frage.

    Aber manchmal klingt das „stürzte aus ungeklärter Ursache“ wegen Baucontainern, die die „Fahrbahnbreite verengten“, doch sehr nach: Der in der Engstelle entgegenkommende „Klein-Lkw oder Wohnmobil“ war auf gar keinen Fall in irgendeiner Form beteiligt:

    Polizei Vorsfelde sucht Zeugen zu Fahrradunfall

  • Am 1. Oktober wurde in Wuppertal ein Radfahrer von einem Lastkraftwagen überrollt. Beide fuhren in die gleiche Richtung, es kam aus ungeklärer Ursache zu einer Kollision, dann wurde der Radfahrer überrollt.

    Bei der WDR-Lokalzeit wissen natürlich wieder alle Bescheid, dass natürlich der Radfahrer bei rot gefahren wäre. Von einer roten Ampel war zwar gar nicht die Rede, aber dem Stammtisch war wohl gleich wieder der Kragen geplatzt und es mussten die obligatorischen Argumente aufgefahren werden.

    Die Kollisionsstelle befindet sich unmittelbar (20m) hinter der Haltlinie an einer beampelten Einmündung von links. Bis zur Haltlinie besitzt die Straße einen Schutzstreifen, ab der Kreuzung wird die Markierung nicht mehr fortgeführt, da sich der Straßenquerschnitt wegen der örtlichen Topografie merklich verjüngt.

    Mapillary-Track der Unfallstelle

    Es handelt sich nach Lage der Dinge um eine besondere Spielart vom "Toter Winkel"-Typ, da der LKW-Fahrer offensichtlich nicht mit Radverkehr rechts von ihm gerechnet hat und durchgezogen ist, und der Radfahrer wiederum nicht damit gerechnet hat, dass der LKW-Fahrer nebenan ihm am "Flaschenhals" den Weg abschneidet, und ebenfalls einfach weitergefahren ist.

    Wie immer sitzen die Schuldigen für solche Tragödien sich in Rathäusern und Verkehrsplanungsbüros den Hintern breit, während der von Fakten unbedarfte Stammtisch sich trotz aller Anfeindungen ebenfalls wie immer in einem Punkt bemerkenswert einig ist: "wir brauchen unbedingt noch viiiel mehr von dem gefährlichen Separationsfirlefanz!":cursing:

    2 Mal editiert, zuletzt von Th(oma)s (13. Oktober 2020 um 13:44)

  • Es ist eines der wichtigsten Naturgesetze. Wenn die Sonne tief steht, dann müssen Kraftfahrer andere Verkehrsteilnehmer übersehen.

    Das klingt dann so: Weil Sonne tief stand: Autofahrer verletzt Radlerin in Essen

    Weiter unten folgt dann noch der obligatorische Absatz mit Handlungsempfehlungen der Polizei, der zwar irgendwie neutral formuliert ist, also sich sowohl an nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer als auch an Kraftfahrer wendet, aber sicherheitshalber allzu starke Reizphrasen wie „Geschwindigkeit reduzieren“ oder „langsam fahren“ vermeidet und sich dann im Endeffekt doch nur wieder an nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer und deren soziale Pflicht zum Tragen einer Warnweste wendet.

    Wobei ich mich ja echt frage: Wo steht denn Anfang November die Sonne um 13:50 Uhr schon so tief, dass man die Übersehen-Karte spielen kann?

  • Das war vermutlich ein Standard-Textbaustein für Fahrradunfälle an einem sonnigen Novembertag. Offenbar hatte die Radfahrerin aber einen Helm auf, so dass jener Textbaustein keine Anwendung finden konnte.