Tatütata, die neue StVO ist da

  • Welche STVO auch immer, in der gelebten Praxis gilt noch immer die von 1937. Was vieles erklärt...

    Zitat

    § 27 Benutzung der Radwege und Seitenstreifen

    (1) Radfahrer müssen vorhandene Radwege benutzen. Rad­we­ge die­nen dem Ver­kehr in bei­den Rich­tun­gen, wenn nur ein Rad­weg vor­han­den ist und die Brei­te die­ses We­ges einen Ver­kehr in bei­de Rich­tun­gen zu­läßt. Auf Stra­ßen ohne Rad­we­ge ha­ben Rad­fah­rer die äu­ßerst rech­te Sei­te der Fahr­bahn ein­zu­hal­ten.

    (2) Außerhalb geschlossener Ortschaften dürfen Rad­fah­rer die ne­ben der Fahr­bahn lie­gen­den Sei­ten­strei­fen (Ban­ket­te) in der Fahrt­rich­tung nut­zen, wenn sie den Fuß­gän­ger­ver­kehr nicht be­hin­dern. Die in der Fahrt­rich­tung links lie­gen­den Sei­ten­strei­fen dür­fen au­ßer­halb ge­schlos­se­ner Ort­schaf­ten be­fah­ren wer­den, wenn rechts ein Sei­ten­strei­fen fehlt und der Zu­stand der Fahr­bahn de­ren Be­nut­zung er­heb­lich er­schwert.

    (3) Biegen Radfahrer von Radwegen oder Sei­ten­strei­fen auf die Fahr­bahn ein, so ha­ben sie be­son­de­re Rück­sicht auf den übri­gen Ver­kehr zu neh­men.

    § 28 Hinter- und Nebeneinanderfahren

    Radfahrer müssen grundsätzlich einzeln hin­ter­ein­an­der fah­ren. Sie kön­nen zu zweit ne­ben­ein­an­der fah­ren, wenn der Ver­kehr hier­durch nicht ge­fähr­det oder be­hin­dert wird. Eine Be­hin­de­rung liegt ins­be­son­de­re dann vor, wenn durch das Ne­ben­ein­an­der­fah­ren zwei­er Rad­fah­rer der schnel­le­re Ver­kehr am Vor­bei­fah­ren oder Über­ho­len ge­hin­dert wird. Au­ßer­halb ge­schlos­se­ner Ort­schaf­ten müs­sen Rad­fah­rer auf den Fahr­bah­nen der Reichs­stra­ßen stets hin­ter­ein­an­der fah­ren.

  • Mir fällt gerade noch ein, was hier auf jeden Fall fehlt:

    Die Erhöhung der Bearbeitungsgebühr für den Halter, wenn der Fahrer nicht ermittelt werden kann!

    Das sind aktuell 23,50 €.

    Wenn nun die Bußgelder für falsches Parken regelmäßig 55 € oder mehr betragen, wird sich diese Grenze schnell herumsprechen. Man braucht als Halter einfach keine Auskunft über den Fahrer zu erteilen und schon zahlt man weniger als die Hälfte.

    Darüber hatte ich mich im Herbst bereits ausgelassen und soweit ich das sehen kann, macht das auch schon die Runde in den einschlägigen Kfz-Gruppen auf Facebook. Grundsätzlich sollte dieser Kniff ohnehin jedem bekannt sein, der mit dem Internet umgehen kann.

  • Ich habe mir das mal angehört.

    Angenommen wurden die Ziffern:

    4, 7, 9, 13, 17, 22, 23, 24, 25a, 26, 27, 35, 42, 44, 48, 49, 52, 54, 56, 65, 68, 69, 70

    Ganz zum Schluss kamen noch einige Beschlüsse, die ich nicht zuordnen konnte (z.B. ein Antrag von Bayern wurde angenommen).

    Außerdem wurden einige Ziffern übersprungen. Keine Ahnung, was mit denen passiert. Ziffer 8 (Ablehnung Parkverbot für Fahrräder auf Fahrbahnen) wurde z.B. nicht aufgerufen.

    Auf die Schnelle:

    - Diverse Bußgelder sollen noch erhöht werden (Gehwegradeln NICHT)

    - Der reduzierte Überholabstand und die Streichungen in 45 Abs. 9 wurden abgelehnt.

    - Die 8m (statt 5) im Kreuzungsbereich sollen unabhängig von der B-Pflicht gelten

    - Den Rest fand ich uninteressant (hauptsächlich "Feintuning", also eher Fehlerbehebungen und carsharing).

  • Mir ist immer noch nicht klar wie und wann das nun genau in Kraft tritt...

    Das weiß wohl noch niemand.

    Aus Deinem Link ganz unten:

    Zitat

    Das Bundesverkehrsministerium hat bereits angekündigt, dass es die vom Bundesrat beschlossenen Änderungen schnellstmöglich umsetzen und den konsolidierten Text im Bundesgesetzblatt verkünden wird.

    So kurz nach den Beschlüssen wäre ich aber noch vorsichtig. Das BMVI kann die Änderungswünsche auch noch ablehnen.

  • Ziffer 8 (Ablehnung Parkverbot für Fahrräder auf Fahrbahnen) wurde z.B. nicht aufgerufen.

    Das fänd ich den Hammer wenn das drinbleibt. War schon am überlegen, ob ich gegen diese Radfahrerbenachteilgung klagen könnte.

    Hintergrund: Mein Haus liegt an einer kleinen Kreisstraße, die nur einseitig einen Gehweg hat. Vor meinem Haus hat es nur einen (nicht asphaltierten) Seitenstreifen. Wer mich besucht, könnte mit einem Auto also weiterhin direkt vor meinem Haus parken. Mit einem Fahrrad nicht, da wär jeweils eine Fahrbahnquerung nötig. Allerdings habe ich auch eine riesige Einfahrt, in der locker ..zig Fahrräder Platz finden.

    Ja, ich bin Kampfradler! Nein, ich fahre nicht aggressiv!
    Denn ich kämpfe mit den Waffen des Wortes, des Papiers und des Toners, meine Verbündeten sind die Regeln und Normen der StVO und VwV-StVO.

    Radfahren ist nicht gefährlich, Radwege schon!

  • Der Tagesspiegel schreibt: Eine vertane Chance für sicheren Radverkehr

    Unter anderem heißt es da:

    Zitat

    Warum nur Schrittgeschwindigkeit beim Abbiegen und keine verpflichtenden Abbiegeassistenten? So könnte man wirklich Leben retten. Warum gilt der Mindestüberholabstand nicht ausdrücklich auch für Radwege und Schutzstreifen? Dabei wurde an Schutz- und Radstreifen nach den Messungen des Tagesspiegel Radmesser fast genauso dicht überholt.

    Vor allem bin ich mir immer noch nicht sicher, ob die Schrittgeschwindigkeit beim Abbiegen denn wirklich immer gilt. Die Formulierung, die das Bundesautomobilministerium vorgeschlagen hat, sah ja eine Schrittgeschwindigkeit zum Abbiegen bei jeder möglichen und unmöglichen Stelle vor, auch dort, wo gar kein Rad- oder Fußverkehr queren kann oder wo aufgrund der entsprechenden Lichtsignalanlagen eine Schrittgeschwindigkeit nicht besonders sinnvoll wäre.

    Nun heißt es aber:

    Zitat

    Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t innerorts führt, muss beim Rechtsabbiegen mit Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn auf oder neben der Fahrbahn mit geradeaus fahrendem Radverkehr oder im unmittelbaren Bereich des Einbiegens mit die Fahrbahn überquerendem Fußgängerverkehr zu rechnen ist.

    „(…) wenn (…) zu rechnen ist“ ist ja mal so schwammig wie möglich formuliert. Wenn heute ein nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmer von einem abbiegenden Lastkraftwagenfahrer getötet wird, hat der Fahrer ja offenbar auch nicht mit Radfahrern oder Fußgängern gerechnet. Andererseits muss nach meiner Interpretation abseits von Bundesautobahnen oder Kraftfahrstraßen überall mit Radfahrern oder Fußgängern gerechnet werden.

    Irgendwie ist diese Formulierung auch wieder ganz besonders halbgar.

  • Zuverlässige Abbiegeassistenten jetzt und sofort für alle wären natürlich besser gewesen.

    Aber das geht nunmal aus gleich mehreren Gründen einfach nicht.

    Das langsame Abbiegen ist deshalb ein guter Schritt.

    Der Tagesspiegel berichtet leider sehr einseitig und verbreitet gleich wieder schlechte Stimmung. Dabei ist das verabschiedete Paket ein guter Schritt in die richtige Richtung. Da kann man sich auch erstmal drüber freuen.

    Die Formulierung beim Abbiegen hätte vielleicht besser sein können. Innerorts spielt das aber vermutlich keine Rolle. Da gilt jetzt an allen möglichen Konfliktstellen mit legal fahrenden Radfahrern Schritt.

  • „(…) wenn (…) zu rechnen ist“ ist ja mal so schwammig wie möglich formuliert. Wenn heute ein nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmer von einem abbiegenden Lastkraftwagenfahrer getötet wird, hat der Fahrer ja offenbar auch nicht mit Radfahrern oder Fußgängern gerechnet. Andererseits muss nach meiner Interpretation abseits von Bundesautobahnen oder Kraftfahrstraßen überall mit Radfahrern oder Fußgängern gerechnet werden.

    Irgendwie ist diese Formulierung auch wieder ganz besonders halbgar.

    Das finde ich jetzt nicht wirklich schwammig, und die Gerichte werden es, wenn man den bisherigen Urteilen zum Abbiegen folgt, wohl auch nicht zum Nachteil der Fußgänger/Radfahrer auslegen. Es geht ja explizit nicht um das, womit der LKW-Führer rechnet, sondern womit er rechnen muss, also kann er nicht sagen "hab ich nicht gesehen", denn er hätte es ja sehen müssen, und ab jetzt dann entsprechend Schritt fahren (was durch den Fahrtenschreiber leichter nachweisbar ist als es der fehlende Spiegelblick bisher war).

    Die Anpassung ist eigentlich schon sinnvoll: bei allen Gehwegen, Radwegen, Fußgängerüberwegen und Radfurten dürfte aus Sicht des Richters generell mit Personen zu rechnen sein, auch wenn aktuell wenig los ist. Auf Kraftfahrstraßen und bei eigenen Rechtsabbiegerampeln dürfte das ausgeschlossen sein. Landstraßen außerorts waren auch vorher schon im Entwurf des Verkehrsministeriums ausgeschlossen. Bleiben als Konfliktpunkte eigentlich nur noch kleine innerörtliche Straßen ohne Gehweg, aber da ist mangels seitlichem Verkehrsraum die Person ja sowieso vor dem LKW und daher weniger gefährdet als seitlich.

    Zuverlässige Abbiegeassistenten jetzt und sofort für alle wären natürlich besser gewesen.

    Aber das geht nunmal aus gleich mehreren Gründen einfach nicht.

    Das langsame Abbiegen ist deshalb ein guter Schritt.

    Der Tagesspiegel berichtet leider sehr einseitig und verbreitet gleich wieder schlechte Stimmung. Dabei ist das verabschiedete Paket ein guter Schritt in die richtige Richtung. Da kann man sich auch erstmal drüber freuen.

    So sehe ich das auch, und würde sogar noch weitergehen - Assistenten verführen, wenn sie nur warnen und nicht notbremsen - dann eher zum sorglosen Umgang. Das langsame Fahren entschleunigt den gesamten Verkehrsfluss, da dann nicht noch drei Autos hinter dem LKW mit über die gelbe Kreuzung drängen, sondern halt einfach nicht mehr rüberkommen und warten müssen. Das dürfte dann zu mehr Staus und damit mehr Umstieg aufs Rad, oder alternativ zu mehr Staus und mehr LKW-Fahrverboten innerorts führen. Alles für die Gesamtsituation positive Möglichkeiten, aber selbst wenn es nicht dazu führt, wird die Unfallgefahr und im Fall eines Unfalls die Schadenshöhe reduziert - und das gratis, sofort und ohne funktionierende Fahrzeuge ausmustern oder nachrüsten zu müssen.

  • Man lernt nicht aus: alle nicht aufgerufenen Ziffern wurden scheinbar angenommen.

    Antwort auf meine entsprechende Frage in d.r.f:

    Zitat von Heydenbluth

    Unmittelbar vor der Abstimmung, ob der BR überhaupt die Novelle (also nach Berücksichtigung der eigenen Empfehlungen) haben will, gab es noch eine Frage nach den bisher nicht zur Abstimmung aufgerufenen Ausschußempfehlungen. Diese wurden angenommen.

    Zitat von Bokelmann

    Das macht man nur mit den Punkten, denen alle Ausschüsse, die sich zum Thema äußern, einstimmig (alle 16 Länder) zugestimmt haben. Wenn die Strichdrucksache mit den Ausschussempfehlungen nur einen in diesem radikelen Sinn unumstrittenen Punkt haben oder alle Ausschüsse sich jeweils (einstimmig) einig sind, wird der ganze TOP auf die "Grüne Liste" geschoben und der ganze Grüne Liste mit einem Aufruf zugestimmt. Oft umfasst die "Grüne Liste" bis zu zwei Dutzend TOPs. Letzten Freitag waren es 20 TOPs. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Nicht jedes Thema wird im Bundesrat parteipolitisch durchgehechelt. Der Bundesrat ist ein Organ, in dem oft die Meinung der Landesbeamten nach oben durchschlägt. Und die sicnd sich verdammt oft einig.

    Ja, ich bin Kampfradler! Nein, ich fahre nicht aggressiv!
    Denn ich kämpfe mit den Waffen des Wortes, des Papiers und des Toners, meine Verbündeten sind die Regeln und Normen der StVO und VwV-StVO.

    Radfahren ist nicht gefährlich, Radwege schon!

  • Nachdem ja die Gebühren fürs Gehwegfahren erhöht werden sollen, ich kann nichts finden über höhere Strafen für die Straßenbenutzung, bzw. die "Nicht-Nutzung" des Radwegs.

    Das scheint bei 20€ zu bleiben.

    Ein großes Problem besteht weiterhin: Es gibt keine Bußgelder für ungerechtfertigtes Anordnen/aufstellen von Verkehrszeichen. So ist es für Radfahrer sehr mühselig die ganzen illegalen [Zeichen 237][Zeichen 240][Zeichen 241-30][Zeichen 254] los zu werden. Gerade bei Baustellen wäre so eine Reglung sehr hilfreich.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • Das finde ich jetzt nicht wirklich schwammig

    Ich fand es eigentlich auch eindeutig: "Radverkehr (...) zu rechnen ist " ist eine Eigenschaft der Kreuzung und nicht der konkreten Verkehrssituation.

    Damit ist innerorts an fast allen Kreuzungen Schrittgeschwindigkeit verpflichtend (die wesentlichen Ausnahmen sind Autobahnen, freie Rechtsabbieger und Abbiegerampeln).

    Trotzdem gab es drüben im VP eine sehr lange Diskussion. Mehrere Teilnehmer haben die andere Auffassung vertreten: Wenn der Fahrer gründlich geguckt und keinen Radfahrer gesehen hat, rechnet er nicht mehr mit Radfahrern und darf ohne Geschwindigkeitsbegrenzung abbiegen.

    Wenn man das so interpretiert, ist das sogar eine Vereinfachung für LKW-Fahrer.

    Heute: Wenn er nichts sieht, darf er nicht fahren.

    Zukunft:

    - Wenn er geguckt hat, darf er abbiegen, wie heute (er rechnet ja nicht mehr mit Radfahrern).

    - Wenn er nicht gründlich geguckt hat oder gar nichts sieht, darf er trotzdem einfach mit Schrittgeschwindigkeit losfahren.

    Im Extremfall könnte der Fahrer einfach die Spiegel anklappen und blind mit Schrittgeschwindigkeit abbiegen, ohne auf Radfahrer zu warten.

    Ich halte diese Auslegung für totalen und gefährlichen Unsinn.

    Trotzdem mal wieder ein Beispiel dafür, dass man es formulieren kann wie man will. Es findet sich trotzdem immer jemand, der es missversteht (oder missverstehen mag). In dem Fall hat nichtmal die Gesetzesbegründung geholfen.

    Richter werden es den Fahrern, die das anders sehen, hoffentlich schnell erklären.