LKW-Unfall am 7. Mai

  • Der Güterverkehr ist doch nicht Alles. Unfälle mit Lkws sind ohne Frage besonders gefährlich aber sie machen nicht die Masse aus. Pkw-Fahren verursachen viel mehr Abbiege- und sonstige Unfälle. Wenn man jetzt über Abbiegeassistenzen oder Blinklichter redet, um den untoten Winkel zu kompensieren, fallen diese unter den Tisch.

    So wird das zugrundeliegende Problem aus der Schusslinie genommen.

    Und ich ertappe mich manchmal bei dem zynischen Gedanken, dass jetzt ein paar medienwirksame Abbiegeunfälle mit Pkws vielleicht ganz gut wären, um den ganzen Eisberg ins Blickfeld zu rücken.

    Ich hatte geschrieben: "Schöner wäre natürlich deutlich weniger bis fast gar keine autofahrenden VerkehrsteilnehmerInnen. Aber was tun bis dahin?"

    Medienwirksame Abbiegeunfälle mit PKW's helfen da auch nicht weiter. Denn die würden ja nur wieder von den LKW-Unfällen ablenken, bei denen Radfahrer getötet wurden.

    Und die Frage ist, was tun um den Kraftfahrzeugverkehr wirksam zu reduzieren? Auch wenn der Anlass sehr traurig ist, so ist es doch richtig, dass diese Unfälle ein Medienecho auslösen. Und da gehören nun mal auch Diskussionen über solche Maßnahmen wie Rotmarkierungen, Bike-Flash oder andere Ampelschaltungen.

  • Laut einer Zeitung soll die Stadt und die Polizei an der Stelle "Sofort reagiert haben" und neue Haltekinien blabla gemacht haben...

    Das einzige was die gemacht haben sind die alten Linien neu angemalt zu haben... Das bringt natürlich mehr Sicherheit... NICHT!

  • Das einzige was die gemacht haben sind die alten Linien neu angemalt zu haben... Das bringt natürlich mehr Sicherheit... NICHT!

    Da kann man ja wirklich nur laut applaudieren und den Kopf bis zum Schleudertrauma schütteln.

    Diese rote Fläche, auf der du gerade stehst, ist der „alte“ Radweg, der zur Hälfte zurückgebaut wurde. Dort kommt man nur drauf, wenn man aus der Osterstraße kommend direkt nach der Bushaltestelle auf den alten Radweg wechselt:

    Die einzige Furt, die man im Sinne der Straßenverkehrs-Ordnung nutzen kann, ist jene in der Gegendrichtung. Und die Furten entlang des Eppendorfer Weges eignen sich allenfalls zum Linksabbiegen, dann landet man aber irgendwie auf dem Gehweg, weil es längs des Eppendorfer Weges nunmal keine weiteren Radwege gibt.

    Vielleicht hätte man die Farbe doch lieber in vorgezogene Haltlinien investiert als in diese Hau-Ruck-Aktion. Wenn das überhaupt einen Sinn hat, dann lockt es noch mehr Radlinge auf die Nebenflächen, auf die sie gar nicht hingehören.

  • Medienwirksame Abbiegeunfälle mit PKW's helfen da auch nicht weiter. Denn die würden ja nur wieder von den LKW-Unfällen ablenken, bei denen Radfahrer getötet wurden.

    Dann versuchen wir es man abstrakt: Wir haben 2 potentiell tödliche Problem, A und B. A tritt in der Regel zusammen mit B auf, ist aber leichter erkennbar. A fordert jährlich 30 bis 40 Totesopfer, B fordert jährlich 100 bis 150 Todesopfer. Welches Problem sollte zuerst gelöst werden? Und was erschwert es?

    Oder noch einmal anders: Wäre ich ein skrupelloser Automobillobbyist, würde ich gegenwärtig meinen Politikern raten, Abbiegeassistenten zu fordern. OK, den Speditiones kostet es etwas, aber in Anbetracht der Gesamtkosten geht es locker als Bauernopfer durch. Jedoch - deswegen mache ich es ja - würde es vom grundlegenden Problem ablenken, der Gefährlichkeit von Radwege, die meiner Klientel jedoch den Traum von freien, sichereren Wegen geben. Und die Politiker können Tatkraft zeigen.

    Zitat

    Und die Frage ist, was tun um den Kraftfahrzeugverkehr wirksam zu reduzieren? Auch wenn der Anlass sehr traurig ist, so ist es doch richtig, dass diese Unfälle ein Medienecho auslösen. Und da gehören nun mal auch Diskussionen über solche Maßnahmen wie Rotmarkierungen, Bike-Flash oder andere Ampelschaltungen

    Und Du meinst, der Kraftverkehr wird weniger, wenn Alternativen medial als gefährlich thematisiert werden?

    Einmal editiert, zuletzt von Hane (18. Mai 2018 um 12:12) aus folgendem Grund: Konrad Duden hat mir dazu geraten.

  • Dann versuchen wir es man abstrakt: Wir haben 2 potentiell tödliche Problem, A und B. A tritt in der Regel zusammen mit B auf, ist aber leichter erkennbar. A fordert jährlich 30 bis 40 Totesopfer, B fordert jährlich 100 bis 150 Todesopfer. Welches Problem sollte zuerst gelöst werden? Und was erschwert es?

    Ich versteh deine Argumentation, muss aber trotzdem konkret bleiben und einwenden:

    • Die Summe *aller* bei Kollisionen mit PKW in Deutschland getöteten Radfahrer beträgt im Mittel in den letzten 5 Jahren 145 p.a.
    • Davon fallen lediglich 70 innerhalb von "Städten" (also Orten mit >5.000 Einwohnern) Kollisionen mit PKW zum Opfer
    • Von diesen 70 Zusammenstößen wird ungefähr die Hälfte durch grobe Fahrfehler der Radfahrer verursacht, indem sie den Vorrang des fließenden Verkehrs bei Fahrbahnüberquerungen nicht ausreichend beachten oder Vorfahrtfehler (Rotlichverstoß, Z.205 bzw. rechts-vor-links nicht beachtet) begehen.
    • Auch unter den verbleibenden 35 Unfällen (u.a. durch Fehler beim Linksabbiegen, Einfahren in die Fahrbahn) gibt es weitere Fälle von Hauptschuld beim Radfahrer.
    • Von den Fällen, bei denen überhaupt eine Schuld des KFZ-Führers in Frage kommt, werden jedenfalls nur 3 p.a. durch rechtsabbiegende PKW verursacht.

    IMO muss die Autoindustrie gar nicht groß daran arbeiten, die Unfallgefahr durch PKW zu relativieren. Sie ist objektiv gesehen relativ klein.

    Selbstverständlich sind die Getöteten immer nur die Spitze eines Eisberges, und die Betrachtung des Gesamtunfallgeschehens führt zu wesentlich beeindruckenderen Fallzahlen. Allerdings ist das eigentümliche bei Eisbergen, dass große Eisbergspitzen große Sockel besitzen, und kleine Eisberge auch nur kleine Sockel unter der Wasseroberfläche aufweisen...

    Disclaimer: dass der Schuldanteil der Radler (gerade bei den besonders schweren Unfällen) recht hoch liegt, bedeutet nicht, dass man nicht an einer signifikanten Entschleunigung des KFZ-Verkehrs zu arbeiten bräuchte. Langsamere KFZ bedeuten ja nicht nur weniger Radunfälle mit Autofahrerschuld, sondern allgemein weniger Unfälle - also auch bei Fremdverschulden, und das auch und gerade mit nicht-radelnden Verkehrsteilnehmern.

    • Von diesen 70 Zusammenstößen wird ungefähr die Hälfte durch grobe Fahrfehler der Radfahrer verursacht, indem sie den Vorrang des fließenden Verkehrs bei Fahrbahnüberquerungen nicht ausreichend beachten oder Vorfahrtfehler (Rotlichverstoß, Z.205 bzw. rechts-vor-links nicht beachtet) begehen.
    • Von den Fällen, bei denen überhaupt eine Schuld des KFZ-Führers in Frage kommt, werden jedenfalls nur 3 p.a. durch rechtsabbiegende PKW verursacht.

    Ich würde gerne einmal wissen, woher Du diese Zahlen hast.

    Mir erscheinen sie zweifelhaft mit Blick auf die Verhältnisse in Berlin. Beispiel 2017: Neun getötete Radfahrer. Davon gehen sieben ganz allein (im Sinne eines Alleinverschuldens) auf das Konto von PKW/LKW- Fahrern, davon vier Rechtsabbieger- und drei Dooring- Unfälle. Nur ein Fall, bei dem dem Unfallereignis eindeutig auf ein Fehlverhalten des Radfahrers zurückgeht. Für das Jahr 2018 ist es so, dass bislang alle Unfälle mit getöteten Radfahrern durch Kraftfahrer verschuldet wurden.

    Die Zahlen aus Hamburg kenne ich nicht, da kann Malte eventuell aushelfen.

    Mir ist klar, dass der Unfalltyp "Radfahrer missachtet Fließverkehr bei ***" statistisch durchaus relevant ist. Die Quotenverhältnisse bei den Todesfällen zeigen aber ganz deutlich, wo zuerst etwas getan werden muss und auch am schnellsten ein Erfolg erzielt werden kann.

  • Die Quelle der Zahlen würde mich auch interessieren. Eigentlich ist die Statistik seit Jahren ziemlich konstant: bei PKW-Fahrradunfällen hat zu 70% der Fahrer des PKW die Hauptschuld (Quelle: Destatis und sogar mal die ADAC-Mitgliederzeitung)

  • Ich würde gerne einmal wissen, woher Du diese Zahlen hast.

    Selbstgesammelt.

    Die in der Datenbank erfassten Unfälle werden aufgrund der Angaben in den Pressemitteilungen nach etlichen Merkmalen rubriziert (Datum der Meldung, Alleinunfall bzw. Art des Gegners, Jahr, Monat, Unfallhergang, Pedelec/Fahrrad, Postleizahl, Ortslage, Einwohnerstärke des Unfallortes, Bundesland, Landkreis, Straßentyp, Alter der Beteiligten, Geschlecht, und mutmaßlicher Schuldverteilung*). Insbesondere bei Unfällen mit KFZ als Gegner sind die Abweichungen im Vergleich zu den Ziffern, die das Statistische Bundesamt für die seitens der Polizei erfassten Unfälle meldet verblüffend gering.

    Zusätzlich schaue ich mir die Kreuzungen bzw. Straßenabschnitte der in den Meldungen genannten Unfallstellen bei Gmaps im Luftbild an und speichere den zugehörigen URL. Daraus wiederum werden per Script schubweise die eingebetteten Geokoordinaten extrahiert und etwa einmal monatlich in die interaktive Landkarte eingetragen.

    *) die Schuldverteilung entspricht meiner persönlichen Einschätzung, wer aufgrund der genannten Hergänge vermutlich die größte Dummheit begangen hat. Sie weicht deshalb ganz sicher bisweilen von der polizeilichen und/oder gerichtlichen Einschätzung ab, aber insbesondere bei einem Vorfahrtverstoß oder bei der Fahrbahnquerung sehe ich keinen Grund dafür, dass es größere Diskrepanzen zwischen Erstbericht und Haftungsurteil geben sollte.

  • Selbstgesammelt.

    Hier spontan zwei Korrekturen:

    18-114 gebe ich dem PKW-Fahrer die Schuld. Üblicherweise fahren Radfahrer gerade außerorts sehr weit rechts. Hätte der PKW-Fahrer ausreichenden Abstand gehalten (möglichst ganz auf die Gegenspur!) wäre es zu keiner Kollision gekommen, selbst wenn der Radfahrer zufällig im selben Moment umkippt.

    18-088 ist für mich ein Solo-Unfall. Ob da nun ein geparkter PKW steht oder irgendein anderes Hindernis ist egal.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Hier spontan zwei Korrekturen:

    18-114 gebe ich dem PKW-Fahrer die Schuld. Üblicherweise fahren Radfahrer gerade außerorts sehr weit rechts. Hätte der PKW-Fahrer ausreichenden Abstand gehalten (möglichst ganz auf die Gegenspur!) wäre es zu keiner Kollision gekommen, selbst wenn der Radfahrer zufällig im selben Moment umkippt.

    18-088 ist für mich ein Solo-Unfall. Ob da nun ein geparkter PKW steht oder irgendein anderes Hindernis ist egal.

    18-114: da warte ich erstmal noch ab; wenn nachberichtet wird, wird das entsprechend geändert.

    18-088: wie in anderen ähnlich gelagerten Fällen handelt es sich statistisch um einen Unfall mit zwei Beteiligten. So rechnet jedenfalls auch die Polizei und damit Destatis. Aufschluss hierüber gibt die amtliche Schlüsselung, "Unfall mit dem ruhenden Verkehr", Typ 501/502. Der KFZ-Halter nimmt durch das Parken passiv am öffentlichen Straßenverkehr teil, und es ist zu klären, ob er bzw. der Führer zum Unfall beigetragen hat, indem das Fahrzeug an einer Stelle geparkt wurde, an der dies verboten ist.

  • IMO muss die Autoindustrie gar nicht groß daran arbeiten, die Unfallgefahr durch PKW zu relativieren. Sie ist objektiv gesehen relativ klein.

    Ich habe nicht behauptet, dass es für Radfahrer so viele tödliche Unfälle mit Pkws gibt, auch wenn ich nach nochmaligem Durchlesen zugeben muss, dass der Eindruck entstehen konnte.

    Die oben genannte Anzahl ist meine Einschätzung davon, wie viele Tote es weniger geben könnte, führen Radfahrer im Mischverkehr. Es werden nicht nur Abbiegeunfälle durch Radwege begünstigt sondern beispielsweise auch Unfälle mit Fußgängern oder Geisterfahrern.

    Die Autolobby muss nicht die Gefahr durch Pkw relativieren - naja, die Gefahr schon nur nicht die tödliche - sofern die durch Radwege. Würde es sich großflächig verbreiten, dass Radwege gefährlich wären, würden Radfahrer vielleicht nicht mehr selbst Radwege fordern.

  • Sohn von toter Radfahrerin schreibt rührenden Abschiedsbrief

    Man sollte die Kommentare darunter vielleicht lieber nicht lesen.

    Oder man nimmt sie als ungefähren Gradmesser, welchen Stellenwert das Auto im Kopf der Hamburger Verkehrsteilnehmer immer noch hat. „Tote Mutter, trauernder Sohn? Scheiß egal, ich habe heute jemanden fast angefahren und noch gehupt!“

    Hast du schon mal von dem Spruch gehört, "Einem bösen Hund wirft man schon mal einen Knochen mehr hin, damit er einen in Ruhe lässt." Eigentlich finde ich den Spruch blöde, weil er quasi ein Verhalten gegenüber einem Tyrannen einfordert, das auf Unterwürfigkeit hinausläuft.

    Was den Autoverkehr angeht, habe ich den Eindruck, dort werden nicht nur einzelne Knochen hingeworfen, sondern ganze Gerippe, in Form von immer schnelleren, immer breiteren Straßen und Verdrängung anderer Verkehrsteilnehmer.

    Und etwas Gutes kann ich dem Spruch auch abgewinnen, wenn man ihn auf den Autoverkehr anwendet: Er zeigt, um was es sich bei dem Autoverkehr handelt.

    Man sollte ihn auch entsprechend behandeln (Nicht wie in dem Spruch gefordert und nicht wie Peta sich das wünschen würde.)

  • Gestern gab es noch eine weitere Demonstration, die von Kurs Fahrradstadt organisiert wurde. Die Reaktionen auf das Medienecho kann man wohl nur als verheerend bezeichnen:

    Es hat wohl grundsätzlich nicht funktioniert, diesen Unfall zum Anlass zu nehmen, vernünftig über unsere Verkehrsinfrastruktur zu diskutieren. In dieser Stadt ist viel zu viel Hass auf den Straßen unterwegs.

  • Die Reaktionen auf das Medienecho kann man wohl nur als verheerend bezeichnen:

    Die Reaktionen auf Facebook und bei mopo, nicht immer denken, die Kommentare dort seien repräsentativ für die Gesamtbevölkerung!

    Ich hatte in letzter Zeit mehrere Gespräche "aus dem nichts" über Verkehr in Hamburg und das ist etwas ganz anderes als die Kommentare von Leuten die nichts besseres zu tun haben als sich im Internet zu beschweren.

  • Ich denke auch dass die Radfahrer- Hasser und Radverkehrs- Verhinderer in den einschlägigen Kommentarspalten deutlich überrepräsentiert sind. Bei Facebook sowieso. Viele sind auch Wiederholungstäter und blasen ihre altbekannte Meinung überall dort raus, wo irgendwie Radverkehr als Topic draufsteht, ohne Rücksicht darauf, ob es gerade zum Inhalt des Artikels passt. Das passende Verb dazu heißt wohl "zerreden". Alle eint: Faktenscheue, Sendungsbewusstsein, und, wenn es um Todesfälle oder Schwerverletzte geht, null Anstand. Stark zu bezweifeln, dass man der Weltsicht solcher Leuten mit Argumenten beikommen kann.

  • Man - also mindestens ich - antwortet ja nicht auf solche Kommentare, um solche Kommentatoren zu überzeugen.

    Könnte aber helfen -- nicht, dass es die Urheber der schlimmsten Ausfälle überzeugen würde, aber die anderen Kommentaristen oder stillen Kommentarleser schon.

    Bin immer erstaunt, mit wieviel Gleichmut und Zurückhaltung manche Dauerkommentatoren, z.B. im Tagesspiegel, argumentieren. Kann man sich eine Scheibe von abschauen...