Hamburg - Unfälle mit Radfahrern

  • Würde es ggf. unsere Wahrnehmung beeinflussen, wenn das Wort "Unfall" im Straßenverkehr eben nicht für Fahrlässigkeit verwendet werden würde, sondern nur für solche Ereignisse, bei denen selbst Verkehrsrichter zum Schluß kommen, dass sie nicht auf Unaufmerksamkeit zurückgeführt werden können?

    Diese Vermutung basiert auf zwei Irrtümern: erstens auf dem Irrtum, dass tatsächlich ein spürbarer Anteil der Unfälle aus „es gezielt drauf ankommen lassen“ resultieren würde (tatsächlich sind sie aber weitestgehend Folge von ungeplantem Augenblicksversagen), und zweitens auf dem darauf aufbauenden Trugschluss, wonach Moralappelle ans Gewissen fruchten könnten und höhere Strafen abschrecken würden.

  • Unfall

    Ist für mich ein ungewolltes Ereignis, bei dem irgendein Schaden entsteht. Und da ist's egal, ob die Ursache höhere Gewalt oder höhere Dummheit ist. Augenblicksversagen sowieso.

    Kein Unfall ist Vorsatz oder bedingter Vorsatz (ernsthaftes Möglichhalten dass es schiefgeht, es einem aber egal sein).

    Ist es ein "Unfall", wenn ich als Corona-Positiver einen ganzen Supermarkt anstecke, nur weil ich keine Lust hatte, mich selbst zu testen?

    Ich teste mich nicht täglich und vor nem Supermarktbesuch eh nicht. Wenn ich dann symptomlos infektiös bin und andere anstecke: Unfall. Wenn ich klare Symptome bemerke, mir das aber egal ist: Bedingter Vorsatz.

    Und ist es ein "Unfall", wenn ich jemanden über den Haufen fahre, nur weil ich grade keine Lust hatte, aufzupassen?

    Vorsätzlich nicht aufpassen -> Bedingter Vorsatz. Einfach so nicht aufpassen -> Unfall. Jemanden absichtlich umfahren -> Vorsatz.

    "Unfall" im Straßenverkehr eben nicht für Fahrlässigkeit

    Du willst also letztlich darauf hinaus, Fahrlässigkeit mit Vorsatz gleichzusetzen. Vermutlich gepaart mit höheren Strafen für Vorfälle die durch Fahrlässigkeit entstehen.

    Und da muss ich ganz klar widersprechen. Bestraft werden muss die Tat, nicht die Folge.

    Es liegt in der Natur des Menschen, nicht perfekt zu sein. Auch ein sonst immer vorbildlicher Fahrer kann mal für einen kurzen Moment abgelenkt sein, mit schlimmen Folgen. Mit einfacher Wahrscheinlichkeitsrechnung kommt man dann zum Ergebnis, dass es sehr häufig zu Ereignissen kommt, wo ein eigentlich guter Fahrer einen folgenschweren Fehler begangen hat. Man würde also viele gute Fahrer hart bestrafen, einfach weil sie Menschen sind und Pech hatten.

    "Schlechte" Fahrer haben natürlich ein größeres Risiko, bestraft zu werden, können aber auch Glück haben.

    Würde man stattdessen die Tat an sich viel häufiger bestrafen, würde es viel weniger Taten geben und damit auch viel weniger Unfälle.

    Und auch mit Regeländerungen könnte man viel bewirken, z. B. niedrigeren Tempolimits.

    Mit baulichen Veränderungen könnte man auch viele Regelverstöße abstellen: Blauschilder abbauen, schon kann man nicht mehr dagegen verstoßen. Oder Kreisverkehre statt Ampeln, dann gibt es keine Rotlichtverstöße mehr.

    Oder bei dem Unfall um den es hier eigentlich ging: Mischverkehr bei Tempo 30 statt dieser halbgaren Separierung. Oder was den Dooringunfall im Wiesendamm angeht: Weg mit den Parkplätzen bzw. diese vielleicht auf die linken Fahrbahnseiten verlagern.

    Letzlich werden viele Unfälle nämlich von Menschen hinter Schreibtischen verursacht.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Du willst also letztlich darauf hinaus, Fahrlässigkeit mit Vorsatz gleichzusetzen. Vermutlich gepaart mit höheren Strafen für Vorfälle die durch Fahrlässigkeit entstehen.

    Nein, war nicht meine Absicht. Mir gehts ausschließlich um die Folgen der umgangssprachlichen Nutzung des Begriffs "Unfall" für alle Ereignisse, ob es nun einen Verursacher gibt, dem eine Schuld zugesprochen wird, oder ob es ein unbeeinflußbares, "tragisches" Ereignis ist. An absichtlich herbeigeführte Verletzungen hab ich gar nicht gedacht, aber auch sowas landet ja in der Schublade "Unfall", wenns nur auf der Straße stattfindet.

    Wenn wir verschiedene Begriffe hätten, wie würden sich die ca. 2 Mio. polizeilich gemeldeten Unfälle wohl darauf verteilen? Ist nicht die Leichtfüßigkeit, mit der wir ins Auto springen, auch eine Folge davon, dass alles, was passieren kann und wird, ja eh "nur" ein Unfall sein wird? Ich frage mich halt, ob es eine Auswirkung auf den Straßenverkehr hätte, wenn ein durch Fahrlässigkeit verursachter "Unfall" mit Verletzungs- oder Todesfolge eben nicht die Konnotation "Unfall" hätte, sondern eine Konnotation, die Schuld impliziert. Trägt der Begriff "Unfall" evtl. dazu bei, dass es überhaupt so viele Unfälle gibt?

  • Wenn wir verschiedene Begriffe hätten

    Na, dann mal her mit Vorschlägen!

    1. Schaden durch eine kurze Unaufmerksamkeit

    2. Schaden durch eine generelle Aggro-Mentalität

    3. Schaden durch eine Alkohol- oder Drogenfahrt

    4. Schaden durch vorsätzliche Tat

    5. Schaden durch kaum vorhersehbaren technischen Defekt (Nagel überfahren, Reifenplatzer)

    6. Schaden durch vermeidbaren technischen Defekt (Abgefahrener Reifen geplatzt)

    7. Höhere Gewalt (Meteoriteneinschlag o.ä.)

    8.... gerne weitere Kategorien.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • najanun...

    auch wenn es falsch sein mag, wirklich alle Sachschäden in die Schublade "Unfall" mit der verbundenen Einordnung "hups, passiert halt" zu stecken, muss das Gegenteil (siehe oben, 1-8) nun auch nicht richtig sein.

  • Auf Nyan Tolo, einem Planeten, der um Sirius A kreist, wurde vor ca. 25.000 Jahren statt dem Begriff "Unfall" der Begriff "VEVG (Vergehen gegen elementare Verkehrsregeln)" eingeführt. Seitdem gibts dort kaum mehr "Unfälle", weil sich die Leute dafür schämen :).

  • Laut Mopo sagt die Polizei, sie sei in der "verkehrten Richtung" gefahren. Also so, wie es die Behörden manchmal anordnen und manchmal erlauben.

    https://www.google.de/maps/@53.50267…!7i13312!8i6656

    Da muss die 72-Jährige ja "wie aus dem Nichts angeschossen" sein, wenn der Transporterfahrer sie beim Linksabbiegen rammt.

    Und jetzt rudert die Pozilei zurück:

    Zitat

    Unklar sei vor allem, in welche Richtung die Radfahrerin zum Unfallzeitpunkt gefahren ist. Zunächst war die Polizei davon ausgegangen, dass die Radfahrerin auf der falschen Straßenseite gefahren ist – das hatte der Fahrer des Kleinbusses so angegeben.

    "davon ausgegangen" = Behauptungen des Unfallgegners ungeprüft übernommen

  • POL-HH: 210723-5. Verkehrsunfall mit tödlich verletztem Radfahrer in Hamburg-Volksdorf
    Hamburg (ots) - Unfallzeit: 23.07.2021, 06:40 Uhr Unfallort: Hamburg-Volksdorf, Farmsener Landstraße Ecke Meierndorfer Weg Bei einem Verkehrsunfall ist heute…
    www.presseportal.de
    Node: 21520168 | OpenStreetMap
    OpenStreetMap is a map of the world, created by people like you and free to use under an open license.
    www.openstreetmap.org

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Was veranlasst dich zu den Gänsefüßchen?

    Laut Pressemeldung der Polizei ist der Transporterfahrer nach links abgebogen. Der Radfahrer kam ihm also entgegen. "Übersehen" wird hier von der Polizei wieder einmal als Synonym für "ohne zu gucken abgebogen" verwendet.

    Übersehen kann man jemanden, der von etwas verdeckt ist oder der bei völliger Dunkelheit ohne Licht und Reflektoren in mattschwarzer Kleidung unterwegs ist.

  • Interessant auch das, was im Bericht fe_lt, was sonst gerne erwähnt wird:

    Der Hinweis auf den Helm.

    Dabei gab's diesmal doch sogar schwere Kopfverletzungen ... (laut Artikel, in der PM feht das)

    Er liegt aber im Bild rum ...

    Laut Google übrigens Gehweg, Schleichradler frei ... Ist das noch so?

  • Was veranlasst dich zu den Gänsefüßchen?

    1. Genau das, was Yeti geschrieben hat.

    2. Die Mopo hat offenbar den Wortlaut des Artikels verändert. Da kopiere ich einmal den Text nicht hier rein ... Anfangs stand da wirklich, nach ersten Polizeiangaben habe der Fahrer den Radler übersehen.

  • Interessant auch das, was im Bericht fe_lt, was sonst gerne erwähnt wird:

    Der Hinweis auf den Helm.

    Dabei gab's diesmal doch sogar schwere Kopfverletzungen ... (laut Artikel, in der PM feht das)

    Er liegt aber im Bild rum ...

    Laut Google übrigens Gehweg, Schleichradler frei ... Ist das noch so?

    Wenn man von einem Fahrzeug mit 3,5 Tonnen Gewicht umgemäht wird, hilft ein Helm ziemlich wenig. Dazu auch interessant (von letztem Jahr, aber immer noch aktuell) die Einschätzung des Fahrradhelmherstellers Giro:

    There is a common misconception among many helmet advocates that a helmet is guaranteed to protect you in the nightmare eventuality of a collision with a motor vehicle. Could helmets ever be designed to bring forth safety guarantees in this situation?

    “There are many misconceptions about helmets, unfortunately,” says Giro’s Richter. “We do not design helmets specifically to reduce chances or severity of injury when impacts involve a car. As mentioned earlier, the number of variables is too great to calculate – the speed of the car, the mass, the angle of impact, the rider, the surface, the speed of the rider, did the driver or rider swerve a little or hit the brakes before impact. All of these variables and more are unique in every instance, and there is no way to accurately predict what is going to happen or the forces involved.

    Woher hast du die Info, dass der Gehweg beteiligt war? Ein Rennradfahrer wird bei der gut asphaltierten und breiten Fahrbahn bei T30 kaum auf einem Pflaster-Gehweg von einem Meter Breite hinter den Bäumen fahren, wenn er gar nicht muss (und oft auch nicht dann, wenn er müsste).. Außerdem müsste der Kollisionspunkt viel weiter in der Nebenstraße sein. Ich tippe mal (reine Vermutung) auf ein "geht schon noch, so schnell ist der nicht" anstatt der Wartepflicht vollständig nachzukommen, vielleicht auch in Kombination mit zu schneller Geschwindigkeit beim Abbiegen.