Fahrradstraßen

  • Ja, das Thema Fahrradstraße. Nachdem ich ja in der Stadt mit den meisten Fahrradstraßen lebe, ich also recht häufig in den Genuss einer solchen komme, auch wenn ich gar nicht explizit darauf achte, ist mir heute beim Einfahren in eine Fahrradstraße etwas aufgefallen. Es handelt sich zwar um ein Problem von sehr geringer Praxisrelevanz, aber der kleinkarierte Spießer in mir will es genau wissen. :D
    Nun ist es so, dass in München eigentlich all knapp 60 Fahrradstraßen den Zusatz "Kfz frei" tragen. Dies sollte zwar eigentlich die Ausnahme sein, aber sei es drum. Handelt es sich bei der Fahrradstraße um eine Einbahnstraße, so sieht die Zufahrt aus der richtigen Richtung wie folgt aus:
    [Zeichen 220-20][Zusazzeichen 1000-32][Zeichen 244] +Kfz frei
    Die Gegenrichtung ist so beschildert:

    [Zeichen 267][Zusatzzeichen 1022-10][Zeichen 244] .
    (möglicherweise hängt [Zeichen 244] auch ganz oben, habe ich vergessen)
    Jetzt sind mir zwei Dinge aufgefallen. Zum einen: Warum erfahre ich aus der "falschen" Richtung kommend nicht, dass dort Kfz offiziell fahren dürfen? Und zweitens: Benötigt ein [Zeichen 220-20] zwingend ein [Zeichen 267] am anderen Ende? In Verbindung mit [Zeichen 244] ist das doch eigentlich eine unnötige Doppelung, oder übersehe ich da was? Überhaupt sind das ganz schöne Schilderbäume, nur damit dort weiterhin Kfz fahren dürfen.
    Zu Punkt eins kann man jetzt natürlich behaupten, dass es egal ist, ob ich über die Kfz informiert werden, weil die sich ja nur sehr zurückhaltend dort bewegen dürfen. Ist ja das gleiche Thema wie bei [Zeichen 240] , da erfährt der Fußgänger aus der "falschen" Richtung ja auch nicht, dass er sich auf einem Geh- und Radweg befindet.

  • Zum einen: Warum erfahre ich aus der "falschen" Richtung kommend nicht, dass dort Kfz offiziell fahren dürfen?

    Siehe
    [stvo](1) Angesichts der allen Verkehrsteilnehmern obliegenden Verpflichtung, die allgemeinen und besonderen Verhaltensvorschriften dieser Verordnung eigenverantwortlich zu beachten, werden örtliche Anordnungen durch Verkehrszeichen nur dort getroffen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten ist.[/stvo]

    Für die KFZ-Lenker ist es nicht von Belang, weil sie dort eh nicht reinfahren dürfen. Für dich als Radfahrer ist es nicht von Belang, weil du kein KFZ führst. Wenn, dann bräuchte es ein Warnzeichen "Vorsicht KFZ!" analog zu [Zeichen 138-10] , aber so ein Zeichen existiert natürlich nicht. Warum sollte man auch Autofahrer vor Autofahrern warnen? Ach, oops, es gibt ja nicht nur Autofahrer. Und dann gibt es noch die §45 Abs. 9:
    [stvo](9) Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Dabei dürfen Gefahrzeichen nur dort angeordnet werden, wo es für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss.[/stvo]

    Ergo: Da das Schild nicht gebraucht wird, darf es nicht aufgestellt werden.


    zweitens: Benötigt ein [Zeichen 220-20] zwingend ein [Zeichen 267] am anderen Ende?

    Hierzu finde ich in StVO und VwV-StVO keine Regelung. Ich gehe davon aus, dass es in anderen Regelwerken so definiert ist.
    Davon unabhängig: Manch ein Autofahrer weiß nicht was [Zeichen 244] bedeutet. Würde man [Zeichen 267] nicht aufstellen, müsste man mit vermehrten Geisterfahrten durch KFZ rechnen. Von daher macht es Sinn.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Ich sach ma so: Wenn ich als Autofahrer unterwegs bin, dann konzentriere ich mich auf »Autoschilder«. Wenn ich in irgendeine Straße nicht reinfahren darf (das kann auch heißen: nicht geradeaus über die Kreuzung weiterfahren darf), dann erwarte ich, dass mir das durch [Zeichen 251] , [Zeichen 260] , [Zeichen 267] oder [Zeichen 250] angezeigt wird, alternativ durch blaue Richtungsschilder, aber nicht durch ein Fahrradschild mit einer Unterzeile, die ich im Vorbeifahren kaum lesen kann. Ich lese mir ja auch nicht die Untertitelung der Halteverbotsschilder durch, wenn ich irgendwo langfahren will.
    Und den Rest erledigt dann der Fakt, dass man ja alle Naslang doch in Fahrradstraßen Auto fahren darf ...

  • Das ist eine gute Erklärung dafür, warum die meisten Motoristen nicht wahrnehmen, dass sie sich gerade in einer Fahrradstraße befinden. Hier in Karlsruhe sind praktisch alle Fahrradstraßen mit [Zeichen 244] und dem Zusatzschild 'Kfz bis max. 30 km/h frei' ausgeschildert. Vorher war hier meist Zone 30, deutlich ausgeschildert, mit übergroßen weißen Fahrbahnmarkierungen.
    Jetzt nur noch ein DIN A4-großes Zusatzschild, das keinem Autofahrer auffällt, und die 30er-Markierungen abgefräst (Sind wohl nicht zulässig). Ergebnis: Es wird seit der Einrichtung der Fahrradstraße wieder unbekümmert 50 gefahren, und unsichere RadfahrerInnen fahren lieber auf dem Fußweg, wo früher der Radweg war.

  • Bin ich der einzige, der den Vorteil für den Radverkehr von Fahrradstraßen mit KFZ-frei gegenüber Tempo30 Zonen nicht wirklich sieht?
    Ok ich darf nebeneinander fahren (was ich bei entsprechendem Tempo in den 30er-Zonen auch darf), aber das weiß der Großteil der Autofahrer sowieso nicht...

  • na, ich erkenne schon einen Vorteil:
    Vergrämung
    :D

    Wenn sich genug Radfahrer finden, die das durchziehen und den "Protest" aussitzen, wird so eine Fahrradstraße eben in der Tat unattraktiv für den KFZ-Verkehr. Darf man aber dann eben nicht kuschen. Und es dauert. ;)

  • in einer Fahrradstraße mittig fahren, schön langsam. am besten zu zweit.

    das wird in der Regel Protest hervorrufen durch Autofahrer dahinter. Diesen gilt es auszusitzen.

    ok, das war in der Tat missverständlich formuliert. Das soll keine Sitzblockade werden. Aber wenn man Autofahren in der Fahrradstraße nur maximal unattraktiv macht, bleiben die von selbst weg.
    Hat jahrzehntelang andersherum ja auch funktioniert. Radfahren auf der Fahrbahn nur maximal unattraktiv machen, so dass das niemand freiwillig macht und brav nach separierter Infrastruktur mit allen Nachteilen geschrien wird. :)

  • Achso, hm, solange dort beidseits Stellplätze sind, glaube ich nicht, dass das nennenswert etwas ändert. Aber das hängt sicher stark von der Nutzung/Funktion der jeweiligen Straße ab (Parkplätze, Schleichweg, Geschäfte...)
    Was jedoch etwas gebracht hat ist die Einrichtung einer Einbahnstraße. Vor einigen Monaten hat man an einer stark frequentierten Fahrradstraße in Uninähe baustellenbedingt eine Einbahnstraße eingerichtet. Seitdem kann man dort vernünftig fahren, weil...sich die Autos nicht mehr gegenseitig im Weg rumfahren. Interessanterweise sinkt mit einem erhöhten Radfahreranteil allerdings auch die Hemmschwelle von Fußgängern, die Fahrbahn zum Gehen zu benutzen.

  • Eine sehr schöne Beschilderung einer Fahrradstraße habe ich in Belgien in der Stadt Brügge gesehen. Ob das dort Standard ist, weiß ich nicht, aber das Schild erklärt die Fahrradstraße besser als so manche Beschilderung in Deutschland à la "KFZ frei"-Zusatzschild.

    "inhalen" = überholen

  • ... machen sich aber doch am Rande ganz schön breit, die Gäste...

    So ist das halt bisweilen mit Gästen. Aber wenn sie sich davon abgesehen sonst gut zu benehmen wissen. Da will man dann auch nicht so kleinkariert sich anstellen.

  • Den hat man in Belgien schon mal auf den Arm genommen, als er ein Musikinstrumentenmuseum oder sowas besuchte und dort das nach seinem Erfinder Adolphe Sax benannte Instrument (das Clinton übrigens spielen kann) ihm mit den Worten vorgestellt wurde: »This is an instrument of Sax.«

  • Mir ist gerade der (meiner Meinung nach) einzige Vorteil einer Fahrradstraße gegenüber einer Zone 30 eingefallen:

    Man kann der Fahrradstraße durchgehend Vorfahrt geben, und ist nicht an Rechts-vor-Links bei jeder Kreuzung gebunden.

    Außer natürlich, die Fahrradstraße befindet sich in Karlsruhe.

  • Nach meiner Beobachtung sind in 30er-Zonen keine Straßen mit Vorfahrtsschildern [Zeichen 301] an bestimmten Kreuzungen vorfahrtsberechtigt. Allerdings gibt es 30er-Zonen in denen Omnibus-Fahrtwege so eingerichtet sind, dass der Omnibus vorfahtsberechtigt durchfahren kann. Dazu stehen dann an bestimmten Kreuzungen [Zeichen 301]und [Zeichen 205]oder [Zeichen 206] für den Querverkehr.

    Eigentlich sollte dieses Prinzip, Vorrang für den ÖPNV, grundsätzlich genau so auch für den Radverkehr gelten und Fahrradstraßen entsprechend Vorfahrtsberechtigt ausgeschildert werden. Das erhönt jedoch auch den Aufwand die Fahrradstraße gleichzeitig so zu gestalten, dass das Tempo der Autofahrer reduziert wird. (Viele Fahrradstraßen in Hannover sind für den Autoverkehr und für Auto-Parken freigegeben.)