Wenn Hamburg nicht bald etwas gegen Radfahrer unternimmt, kann es seine neue Infrastruktur wieder in die Tonne kloppen

  • Erwartungsgemäß war bei dem Wetter nicht ganz so viel los, von „bei Regen fährt eh keiner mit dem Rad“ war Hamburg heute allerdings weit entfernt. Langsam habe ich das Gefühl, dass sich die Erkenntnis verbreitet hat, dass man auch bei Regen mit dem Rad fahren kann und für solche Tage kein eigenes Auto vorhalten oder in den Bus steigen muss.


    Die Realität liegt irgendwo zwischen "keiner fährt" und "alle wissen, dass es geht". Mag schon sein, dass es mehr geworden sind, die auch bei schlechtem Wetter fahren, aber ich glaube, dass das eher daran liegt, dass mehr Leute öfter Rad fahren als dass Schönwetterradler plötzlich auch bei schlechtem Wetter fahren. Will sagen: Ich kann mir vorstellen, dass Leute, die das Wetter bisher nicht abgeschreckt hat, zu Allwetter-Alltagsradlern geworden sein können. Ich denke aber, dass es kaum Leute gibt, die aufgrund des Wetters nicht fahren wollten, es jetzt aber verstärkt tun.

    Zumindest in meinem persönlichen Umfeld hat sich nichts geändert: Die Leute, die bei Kälte oder (bei der kleinsten Möglichkeit) Regen (abbekommen zu können, wenn es draußen nicht heiß ist) nicht Fahrrad fahren, fahren auch immer noch kein Fahrrad unter den Bedingungen. Ich werde auch immer wieder darauf angesprochen: "Bist du/Sind Sie mit dem Fahrrad hier? Bei der Kälte/dem Regen? Ich fahre nur im Sommer/nicht im Winter. Da nehme ich doch lieber den Bus/das Auto." Meine Schwiegermutter möchte auch immer wieder 500-1000m mit dem Auto zurücklegen, weil es ja regnen könnte. (Für die 500m hoffe ich immer, dass das nur ein nett gemeintes Angebot ist und sie vielleicht grad nicht weiß, dass es nur 500m sind. Bei den 1000m weiß ich echt schon nicht mehr, was ich da sagen soll [wir sind die Strecke bisher noch jedes Mal zu Fuß gegangen]. Die letzten Male: Ich gehe zu Fuß. Macht ihr, was ihr wollt...)

    Ich habe auch den Eindruck, dass Hamburg unter Zugezogenen (In- und Ausland) einen besonders abschreckenden "Regenwetter"-Ruf hat. Tatsächlich gibt es aber nicht besonders viele Tage, wo man Regenkleidung auf dem Fahrrad braucht.

  • Der Unterschied ist hier recht gut zählbar - wir haben so einen Fahrradzähler. An Tagen mit nassem oder sehr kaltem Wetter (<-5°C) sind gegen 8 morgens etwa 200 Radler vorbeigefahren (oder knapp drunter). Im Sommer, bei +15°C und Sonnenschein sind es auch mal 600. Gerundet, so wie ich mich erinnere, als durchaus wahrscheinlich falsch.

    Aber ehrlich gesagt: Ich finde den Ansatz "ich fahre nur bei schönem Wetter Rad" durchaus für richtig. Rad fahren soll und darf ruhig Spaß machen. Wenn der Spaß zu sehr unter dem Wetter leidet muss man nicht. Klar.. andere Klamotte helfen relativ viel, aber es ist halt schon ein Unterschied zwischen 45 Minuten im T-Shirt durch die Sonne und selbe Zeit in drei Lagen, mit platikerner Regenhose und Überschuhen und Tropfen auf der Brille ...

  • OT

    In den ersten zwei Jahren der Renaissance meiner Radelei war ich ebenfalls ein Schönwetterradler. Danach wurde ich zuerst ein Trockenradler bis etwa 4°C, dann ein Allwetterradler bis 4°C, schließlich ein Ganzjahresradler bis -10°C. Inzwischen ist auch diese Grenze dank entsprechender Kleidung gefallen. Wo die nächste liegt, wird sich noch erweisen, vermutlich irgendwo unter -15°C.

    Was ich sagen will: Schönwetterradelei kann sehrwohl ein Einstieg in die Ganzjahresradelei sein. Aber ein solcher Prozeß kann dauern. Ich brauchte acht Jahre, um die -10°C-Grenze nach und nach zu knacken.

    1. Man gebe den Leuten Zeit.
    2. Man lebe es dauerhaft vor, ohne zu missionieren.

    Je weniger Stolz in der Antwort mitschwingt, wenn man nach der Kälte oder Nässe bei der Radelei gefragt wird, um so überzeugender wird man sein, wenn man sagt: Das kannst Du/können Sie auch.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Im Ergebnis sind es nicht sehr viele Tage im Jahr, an denen es wirklich so übel schüttet, dass man nicht mit dem Rad fahren möchte. Das entspricht auch ca. meiner Erfahrung.

    In Norddeutschland sieht es so aus (Daten von dieser Seite), in München wird es wahrscheinlich noch besser aussehen: In den Jahren von 1986-2015 gab es durchschnittlich pro Jahr 128 "Regentage" (>= 1mm Niederschlag), aber nur 16 "regenreiche Tage" (>=10mm) und nur 2 Starkregentage (>=20mm). Außerdem: Die Regentage sind ungefähr gleich verteilt über die Jahreszeiten. Die regenreichen Tage und die Starkregentage gibt es eher im Sommer. Und da man im Alltag nicht den ganzen Tag Fahrrad fährt, bekommt man fast nie mehr als ein paar Regentropfen ab.

  • Isch hab GoreTex, Digger.

    Hab' ich auch. Und außerdem diverse andere "High-Tech"-Jacken. Meine Erfahrung: Es gibt keine brauchbare Regenkleidung. Ist sie regendicht und fährt man schneller als 15 Km/h, schwitzt man nach spätestens 2 Km. Auch in GoreTex. Dann werde ich lieber durch Wasser von oben nass...

    Oder mach' ich was falsch? ?(

    "Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen"
    Peter Ustinov

  • @Chrik Das Problem an Durchschnitten und Wahrscheinlichkeiten ist die menschliche Psychologie: So wie jeder immer in der längsten Schlange an den Supermarktkassen steht, so regnet es auch jedes Mal in Strömen, wenn manche Leute Fahrrad fahren wollen ;) Mit Zahlen und Fakten kommt man dagegen wenn überhaupt nur bedingt an.

    Hier werden’s heute wohl ca. 15 mm werden. Die regen- und windarmen Stunden waren leider zwischen meinen Fahrten. Macht nix, ich mag Regen - mit der richtigen Kleidung :)

  • Hab' ich auch. Und außerdem diverse andere "High-Tech"-Jacken. Meine Erfahrung: Es gibt keine brauchbare Regenkleidung. Ist sie regendicht und fährt man schneller als 15 Km/h, schwitzt man nach spätestens 2 Km. Auch in GoreTex. Dann werde ich lieber durch Wasser von oben nass...
    Oder mach' ich was falsch? ?(

    GoreTex funktioniert nur bei unter 15° wirklich zuverlässig.
    Dann fällt das Schwitzen i.d.R. auch weg.
    Über 15° fährt man als Norddeutscher sowieso kurz/kurz, da ist Regen dann auch egal.
    Aber als zugezogene Frostbeule kenne ich die Problematik.

  • Meine Erfahrung: Es gibt keine brauchbare Regenkleidung. Ist sie regendicht und fährt man schneller als 15 Km/h, schwitzt man nach spätestens 2 Km.

    Geht mir genau so. Echte Regensachen trage ich deswegen nur bei dichtem Regen, nicht bei ein paar Wasserspritzern.

    GoreTex funktioniert nur bei unter 15° wirklich zuverlässig. Dann fällt das Schwitzen i.d.R. auch weg.

    Gegenthese: Membranjacken funktionieren aus physikalischen Gründen nur deutlich über 15 ° wirklich, da bei niedrigeren Außentemperaturen der Schweiß schon an der Innenseite der Membran kondensiert und diese dann nicht mehr passieren kann. Siehe auch den Beitrag von @Kampfradler, der sich mit meiner Erfahrung deckt. Deswegen gehört die dampfdurchlässige Schicht auch eigentlich direkt auf die Haut und nicht nach ganz außen, was wiederum mit der außerdem gewünschten Funktion, den Regen draußen zu halten, nicht kompatibel ist.
    Das kann man gut bei richtig niedrigen Temperaturen beobachten, wenn die isolierende Fleece-Schicht unter der Membran dieses Temperaturgefälle noch verstärkt und das Kondensat an der Innenseite der GoreTex-Jacke gefriert. X/ Daher: GoreTex und vergleichbare "semipermeable" Membranen funktionieren eigentlich nur in trockenem Zustand. :D

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Ich setze einen atmungsaktiven Regenponcho ein, was in Grenzen funktioniert, weil man durch verschiedene Tragemöglichkeiten die Luftzirkulation unter ihm ordentlich variieren kann. Es bedurfte allerdings einiger Übung für mich, immer rechtzeitig die jeweilige Notwendigkeit einer Erhöhung der "Luftigkeit" zu erkennen. Hat man erst innen nasse Stellen, hat man auch schon für den Rest der Fahrt verloren.

    Und natürlich: Niemals die 18 km/h überschreiten und auch am kleinsten Hügel konsequent schalten, denn die körperliche Anstrengung muß konstant niedrig sein, sonst bricht dieses, mein "System" sofort zusammen.

    Aber: Beachte ich dies alles, komme ich auch bei Starkregen weitgehend trocken ans Ziel, solange es unter 15°C bleibt. Warme Sommerregen sind mir also die eigentlichen Greuel. Zum Glück sind die fast immer eher kurz, da pausiere ich einfach. Halten sie länger an, kühlt es meist auch ab.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Tatsächlich gibt es aber nicht besonders viele Tage, wo man Regenkleidung auf dem Fahrrad braucht.

    Richtig. Es sind rechnerisch weniger als ein Drittel.*
    Die Anzahl der "gefühlten" Regentage ist allerdings höher - ich schließe mich da nicht aus.

    Und die mitleidigen rhetorischen Fragen meiner Kollegen kenne ich auch nur allzu gut - besonders auch an den Tagen, wo es recht kalt war.

    Es ist gut, dass es heute so stark geregnet hat. Andernfalls hätte ich mir nicht die schöne neue Regenjacke bestellen können, da meine alte offensichtlich langsam undicht wird. ^^

    * wobei in der oben verlinkten Grafik nur Regen mit mehr als 1 mm zählt

    „Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ (Reichsverkehrsministerium, 1934)

  • Macht nix, ich mag Regen - mit der richtigen Kleidung

    Ich finde es auch manchmal richtig gemütlich, so ähnlich wie das Prasseln des Regens im Zelt zu hören.
    Allein: Wenn nur das ewige An- und Austüddeln nicht wäre. Stünde an Tagen wie heute ein KFZ vor der Tür, würde ich wohl ab und zu schwach. Aber so ist nach den ersten paar 100 Metern der Ärger über das Gefummel mit den Gamaschen vergessen.

    „Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ (Reichsverkehrsministerium, 1934)

  • Über die Aussagekraft der Zahlen zur Radverkehrsentwicklung in Hamburg, die jetzt erst bejubelt wurden, kann man sich sicherlich streiten, aber ich kenne keine auch nur halbwegs belastbare andere. Ich habe mir die einzelnen aus der Antwort auf Martin Bills kleiner Anfrage einmal genauer angesehen:

    Hamburg hat seine Radverkehrtinfrastruktur zukunftstauglich gemacht!

    Die Summen der einzelnen Jahre betragen:

    2011: 34050
    2012: 39261 (+15%)
    2013: 43735 (+11%)
    2014: 52162 (+19%)
    2015: 52191 (+0%)
    2016: 53164 (+2%)

    Auf mich macht es es Eindruck, dass Hamburg den Fahrradaufschwung erfolgreich abgewürgt hat.

  • Auf mich macht es es Eindruck, dass Hamburg den Fahrradaufschwung erfolgreich abgewürgt hat.

    Ich sehe hier eher Mängel in der Zählung. Wenn man sich die Veränderungen pro Standort anschaut, sieht man keine klaren Trends.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Tja, Fahrradstadt Hamburg. Aufstellflächen zum indirekten Linksabbiegen werden für anderthalb Radfahrer konzipiert und nun kann man mit dem Rad noch nicht einmal die Hauptverkehrsstraßen queren, weil die wartenden Radfahrer alles blockieren.

  • Das fehlende Blauschild ist auch OK, der Radweg dort ist einfach grausam, weiter oben am Poppenbütteler Markt kann man kann noch nicht einmal ausweichen wenn ein Falschfahrer dort den Hügel runter fahren sollte, allerdings sollte man für die Fahrbahn wie sooft in Hamburg stressressistent sein, das Fahrbanradeln ist dort nämlich (noch) nicht akzeptiert. Ein Foto habe ich leider gerade nicht zur Hand, kann ich aber nachliefern!

  • Gestern: Endlich mal wieder ordentlich Platz an dieser blöden Aufstellfläche zum Linksabbiegen. Gestern war nämlich Sturm und Unwetter und Weltuntergang angesagt, da hielt es sich mit dem Radverkehrsaufkommen dann endlich mal in Grenzen.

    https://fahrradstadt.hamburg/wettervorhersage-ii-1228