Gehweg + Radverkehr frei

  • Meine Haltung zu "Gehweg + Radverkehr frei" = [Zeichen 239] [Zusatzzeichen 1022-10] ist glaub ich hinlänglich bekannt:

    - funktioniert (fast) nie

    - Alibi-Aktion vieler StVB

    Die auf solchen Wegen geforderte Schrittgeschwindigkeit ergibt sich blöderweise auch nicht "direkt" aus den ersten §§ der StVO, sondern steht im Anhang zur StVO, beim Z.239:

    Zitat

    Ist durch Zusatzzeichen die Benutzung eines Gehwegs für eine andere Verkehrsart erlaubt, muss diese auf den Fußgängerverkehr Rücksicht nehmen. Der Fußgängerverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Fahrverkehr warten; er darf nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren

    Klar, dieses "Schicksal" der angehängten Randnotiz teilt sich die Schrittgeschwindigkeit z.B. mit dem klassischen Haltverbot neben einem Radfahrstreifen und anderen Nickeligkeiten.

    Aber ist eben immer noch: StVO. Richtet sich an alle, die am Straßenverkehr teilnehmen.

    Die VwV-StVO - auch hinlänglich bekannt - richtet sich an die anordnenden Stellen, vulgo (Straßenverkehrs-)Behörden.

    Frage:

    Wo steht auf dieser Achse der VzKat?

    (hier mal Link zur BASt)

    Denn:

    in der Gruppe der Zusatzzeichen mit 1022-x tauchen neben dem 1022-10 (Radverkehr frei) u.A. auch die ZZ auf:

    -11 Mofas frei

    -13 E-Bikes frei

    -16 eKfZ frei

    -17 Fahrräder zum Transport von Gütern oder Personen - Lastenräder - frei

    Die Gruppe 1022 heißt: "Einspurige Fahrzeuge frei"

    Welche Relevanz hat die nun die Bezeichnung dieser 1022-ZZ?

    1. darf mit einem 2-spurigen Fahrrad (z.B. Babboe, [Liege-]-Trike) nicht auf freigegebenen Gehwegen gefahren werden?
    2. dürfen 2-spurige Lastenräder nicht mehr auf den gesondert gekennzeichneten Flächen (1022-17) abgestellt werden?
    3. werden ein "normales Fahrrad" und ein 2-spurigen Anhänger zu einem Fahrzeug und ist dieses dann noch ein einspuriges Fz? (siehe 1.)

    :/

  • Da hänge ich mich mal ran und stelle mal ein paar zusätzliche Fragen:

    - Müssen/Dürfen Elektroroller dort fahren? Da diese auf Radwegen fahren müssen, machen es fast alle, ist vermutlich aber falsch?

    - Kann die Schrittgeschwindigkeit durch Schilder überschrieben werden? Nehmen wir mal es kommt ein [Zeichen 274-56] oder auch 30 (welches natürlich für die Fahrbahn gedacht ist), gilt dies auch auf dem [Zeichen 239] [Zusatzzeichen 1022-10] ?

    - Leider gibt es das hier nun auch schon an einer Stelle, die Kombination von [Zeichen 239] [Zusatzzeichen 1022-10] und [Zeichen 254] . Gibt es eine Vorschrift gegen die diese Kombination verstößt?

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • Aber ist eben immer noch: StVO. Richtet sich an alle, die am Straßenverkehr teilnehmen.

    Die VwV-StVO - auch hinlänglich bekannt - richtet sich an die anordnenden Stellen, vulgo (Straßenverkehrs-)Behörden.

    Frage:

    Wo steht auf dieser Achse der VzKat?

    Im Abseits ... ;)
    Föllig irrelefant für den Verkehrsteilnehmer als Endanwender, es sei denn, er klagt gegen Schilder weil sie nicht existent sind im VzKat oder sowas exotisches vielleicht ...

    in der Gruppe der Zusatzzeichen mit 1022-x tauchen neben dem 1022-10 (Radverkehr frei) u.A. auch die ZZ auf:

    Die Zusatzzeichen sind ja nicht nur für den Fall des Gehwegs definiert worden

    Die Gruppe 1022 heißt: "Einspurige Fahrzeuge frei"

    Die Überschrift ist noch irrelevanter. Es gilt die Definition in § 39 (7) StVO: "Radverkehr" in Verbindung mit der StVZO, wo Fahrräder seit noch nicht so langer Zeit definiert sind, demnach sind auch mehrspurige Fahrräder ebensolche

    darf mit einem 2-spurigen Fahrrad (z.B. Babboe, [Liege-]-Trike) nicht auf freigegebenen Gehwegen gefahren werden?

    Nur Segways sind zweispurig, Autos nahezu zweispurig, Trikes sind dreispurig, merkt man bei der Schlaglochsuche ... ;)
    Nach obigem aus § 39: Ja

    dürfen 2-spurige Lastenräder nicht mehr auf den gesondert gekennzeichneten Flächen (1022-17) abgestellt werden?

    Auch da ist nur die Def. in § 39 relevant, die nix zur Spurenzahl sagt.

    werden ein "normales Fahrrad" und ein 2-spurigen Anhänger zu einem Fahrzeug und ist dieses dann noch ein einspuriges Fz? (siehe 1.)

    Das zieht im Schnee vmtl. sogar 4 Spuren ;)

  • - Müssen/Dürfen Elektroroller dort fahren? Da diese auf Radwegen fahren müssen, machen es fast alle, ist vermutlich aber falsch?

    Nicht nur vermutlich

    - Kann die Schrittgeschwindigkeit durch Schilder überschrieben werden? Nehmen wir mal es kommt ein [Zeichen 274-56] oder auch 30 (welches natürlich für die Fahrbahn gedacht ist), gilt dies auch auf dem [Zeichen 239] [Zusatzzeichen 1022-10] ?

    Die Frage habe ich mich und im VP auch anderen gestellt, nachdem die "Autofahrer für Deutschland" im hiesigen Gemeinderat beantragten, in einer Fuzo bzw. in einem vbB "für die Radfahrer" ein Tempolimit von 10 km/h aufzustellen, was ja mehr als die impliziten 7 ist, je nach Gericht ...

    - Leider gibt es das hier nun auch schon an einer Stelle, die Kombination von [Zeichen 239] [Zusatzzeichen 1022-10] und [Zeichen 254] . Gibt es eine Vorschrift gegen die diese Kombination verstößt?

    Da es noch nicht mal zu einem [Zeichen 240] reicht, könnte man das [Zeichen 254] vmtl. einfacher wegklagen als ein [Zeichen 240].

    Bis zum Erfolg dieser Klage ist man aber gekniffen und fährt da besser gegen das Umfallen bei niedriger Gschwindigkeit mit einem dreispurigen Rad ... ;)

  • - Leider gibt es das hier nun auch schon an einer Stelle, die Kombination von [Zeichen 239] [Zusatzzeichen 1022-10] und [Zeichen 254] . Gibt es eine Vorschrift gegen die diese Kombination verstößt?

    Gegen diese Kombination würde ich sofort klagen, wenn es sich nicht wirklich um einen Sonderfall handelt, z.B. mehrspurige Bundesstraße mit sehr viel Schwerlastverkehr und ohne Tempolimit und schmalem Sonderweg.

    Da ich häufiger mit einem zweispurigen Anhänger fahre, würde sich ja sogar ein komplettes Verbot des Radfahrens ergeben.

  • Kann die Schrittgeschwindigkeit durch Schilder überschrieben werden? Nehmen wir mal es kommt ein [Zeichen 274-56] oder auch 30 (welches natürlich für die Fahrbahn gedacht ist), gilt dies auch auf dem [Zeichen 239] [Zusatzzeichen 1022-10] ?

    Diese Frage finde ich ausgesprochen genial! Und ich komme zu keiner eindeutigen Antwort, sondern bin hin- und hergerissen.

  • Meine Haltung zu "Gehweg + Radverkehr frei" = [Zeichen 239] [Zusatzzeichen 1022-10] ist glaub ich hinlänglich bekannt:

    - funktioniert (fast) nie

    Funktionierte fast nie?

    Definiere "funktioniert"!

    Ganz sicher gibt es einiges daran zu kritisieren, wenn Gehwege für den Radverkehr freigegeben werden.

    Aber es gibt Situationen, in denen es (zumindest vorläufig) eine brauchbare Lösung ist, wenn ein Gehweg für den Radverkehr freigegeben ist.

    Hier ein Beispiel aus Kassel:

    An der primär auf die Interessen des Autoverkehrs ausgerichteten Kreuzung, bzw. unter dieser Kreuzung gibt es Fußwege, die für Fußgänger (und Fahrradfahrer) ein Passieren der Kreuzung in alle Richtungen ermöglichen, ohne dafür im Autostau mit stinkenden Abgasen auf Grün warten zu müssen und zum Teil mehrere Ampelpassagen zu bewältigen zu müssen.

    Hier ein Link zu Googlemaps-Satellit:

    Holländische Str. · Kassel
    Kassel
    www.google.com

    Eine Schwachstelle an dem Konstrukt [Zeichen 239] + [Zusatzzeichen 1022-10] wird sofort an einem weiteren Zusatzschild deutlich, das eigentlich überflüssig ist, weil die Kombination [Zeichen 239] + [Zusatzzeichen 1022-10] bereits die Aussage des Zusatzschildes enthält:

    "aber bitte langsam fahren ..."

    Wie schon gesagt, da kann man viel daran kritisieren, aber wenn die Bereitschaft fehlt, den Autoverkehr konsequent und wirksam zu reduzieren, dann ist es eine Lösung, die funktioniert, wenn an einer solchen Kreuzung, wo einmal der Fußverkehr unter die Erde verbannt wurde, zumindest vorläufig daran festgehalten, die Fußgängertunnel auch für den Fahrradverkehr freizugeben. Auch dann, wenn durch weitere Zusatzschilder die Fahrradfahrer zur Vorsicht ermahnt werden (müssen).

    Hier noch zwei weitere Bilder von der Kreuzung:

    Und noch ein Bild "aus dem Untergrund":

    Konsequent Tempo 30 max. innerorts, auch auf Hauptverkehrsstraßen, Maßnahmen zur Reduktion von Autoverkehr, im vorliegenden Fall breite Radfahrstreifen, für die jeweils eine Autofahrspur aufgegeben wird, würden dazu beitragen, dass sich kaum noch ein Fahrradfahrer (und auch kein Fußgänger) in den Fußgängertunnel verirrt, sodass diese Tunnel schließlich obsolet werden.

  • Mit dem Fahrrad habe ich an der Kreuzung noch nie mehrere Ampelphasen gebraucht. Den Tunnel habe ich nur dann gebraucht, wenn ich mich mal in das Chaos auf der Bunsenstrasse gewagt habe, statt direkt die Holländische zu nehmen. Das habe ich aber jedesmal bereut.

  • Damit hast Du im selben Beitrag bewiesen, was Du gefragt hast: Funktioniert nicht! Wg. Schritt: ist bei Rampen abwärts illusorisch, auf diesen Schwung verzichtet freiwillig KEIN Radfahrer!

    Wenn es so wäre, dann gäbe es aber noch jede Menge anderer Verkehrssituationen, die du dann alle irgendwie "entschärfen" müsstest, um Fahrradfahrende daran zu hindern, ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmende "Schwung zu holen".

    Was ist zum Beispiel bei einer schnellen Abfahrt und anschließender Bergaufstrecke, wenn da eine vorfahrtsberechtigte Straße in der Senke quert? Oder wenn dort in der Senke eine rote Ampel aufleuchtet?

    Und jetzt sag bloß nicht, da würden Radfahrer, wären sie alle vom Kaliber "Schwungholer", bremsen, weil sie damit rechnen müssten, "unter die Räder" des Querverkehrs zu kommen. Denn sagtest du das, so würde das bedeuten, du unterstellst Fahrradfahrenden pauschal einen ganz miesen Charakter, nach dem Motto: "Auf schwächere Verkehrsteilnehmende (Fußverkehr) machen sie Jagd. Mit stärkeren legen sie sich nicht an."

    Schau dir zum Beispiel diesen Zugang zum Lindener Bergfriedhof an. Besonders an Wochenenden ein beliebtes Ausflugsziel für Fußgänger:

    Google Maps
    Find local businesses, view maps and get driving directions in Google Maps.
    www.google.com

    Hinter der Häuserecke führt ein schmaler Weg ziemlich steil nach oben, d. h. umgekehrt kriegt man mit dem Fahrrad ganz schön Schwung drauf. Und wie man auf dem Foto sieht, kann man nicht um die Ecke gucken.

    Und hier ist das obere Ende des Wegstücks, also der Beginn der Abfahrt:

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    Die Ausschilderung ist [Zeichen 260] + "Einfahrt in die Grundstücke frei"

    Und auf rund 100 m Strecke ist ein Höhenunterschied von 6m. 6% Gefälle ist in einer Stadt wie in Hannover schon recht viel.

    Genug Vergleiche. Ich sag' ja gar nicht, dass solche Tunnel, wie der in Kassel gezeigte, eine tolle Verkehrslösung seien. Sie sind aus einer Zeit, in der der Fußverkehr aus dem Weg geräumt werden sollte und der Radverkehr ohnehin nicht besonders Ernst genommen wurde. Noch sehr viel weniger als heute. Und schon gar nicht in einer so gebirgigen Stadt wie Kassel. Aber es macht keinen Sinn aus rein ideologischen Gründen das Fahrradfahren dort zu verbieten und womöglich auch noch den Fußverkehr zu unterbinden, indem die Tunnel einfach zugeschüttet werden. Zumindest so lange keine deutliche MIV-Reduktion an der Oberfläche durchgeführt wird.

    Einmal editiert, zuletzt von Ullie (2. Dezember 2022 um 10:46)

  • Wenn man den unterschwelligen "böse Radfahrer ermorden unschuldige Fußgänger"-Bias (vor allem die Zwischenüberschriften sind teils mehr als fragwürdig) da raus nimmt, wenig überraschendes…

    54% der Unfälle sind auf Flächen, auf denen Fußgänger eigentlich nichts zu suchen haben (außer zum Überqueren) und wenn man auf der Fläche auch von einem Auto und nicht nur einem Radfahrer niedergemäht werden könnte, erhöht es die Aufmerksamkeit (wenn auch nur geringfügig). 16% sind mit illegalen Gehwegradlern und nur knapp jeder dritte dann tatsächlich auf einer legal geteilten Fläche.

    Das Problem sind aber so wie ich das verstehe nicht die klassischen 2-2,5 Meter neben der Fahrbahn, sondern extrem breite Wege >4m ohne jede Trennung. Deswegen verwerfe ich auch die Aussagen zu Zweirichtungs-Wegen gänzlich, denn da ist nicht zu erkennen, ob das überhaupt ein eigenes Thema ist oder nur ein Artefakt dieser breiten Wege ist (die natürlich immer in beiden Richtungen sind).

  • Da wäre einmal das hier: "Bei gemeinsamen Geh- und Radwegen entfallen dabei 85 Prozent der Unfälle auf selbstständige Wege als Teilkollektiv dieser Führungsform."

    Und dann noch: "Bei gemeinsamen Geh- und Radwegen und freigegebenen Gehwegen lassen sich bis zu einer Breite von 4,00 Metern keine eindeutigen Tendenzen ermitteln. Breiten von über 4,00 Metern fallen jedoch mit einer hohen Unfallbelastung auf"

    Mein Eindruck ist, dass man hier irgendwas in einem Topf wirft, was unterschiedlich betrachtet werden müsste.

  • Wenn man den unterschwelligen "böse Radfahrer ermorden unschuldige Fußgänger"-Bias (vor allem die Zwischenüberschriften sind teils mehr als fragwürdig) da raus nimmt, ...

    Geht auch andersrum. Allerdings überlebte der Fahrradfahrer schwer verletzt:

    "Am Freitag, 11.02.2022, ist ein Fußgänger auf dem Radweg der Berckhusenstraße getreten und dabei mit einem dort fahrenden Radfahrer zusammengeprallt. Der Radfahrer stürzte und wurde schwer verletzt.

    Nach bisherigen Erkenntnissen des Polizeikommissariats Hannover-Südstadt befuhr ein 60 Jahre alter Radfahrer den Radweg der Berckhusenstraße in Richtung Karl-Wiechert-Allee. In Höhe des Schaperplatzes wechselte ein 17-Jähriger an einer Bedarfsampel die Straßenseite und trat, ohne dem Radfahrer Vorrang zu gewähren, auf den Radweg. Es kam zum Zusammenstoß, wodurch der Radfahrer zu Boden stürzte und schwer verletzt wurde."

    POL-H: Kleefeld: Fußgänger stößt mit Radfahrer zusammen und verletzt ihn schwer
    Hannover (ots) - Am Freitag, 11.02.2022, ist ein Fußgänger auf dem Radweg der Berckhusenstraße getreten und dabei mit einem dort fahrenden Radfahrer…
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