StVO fast komplett ungültig?

  • Aber der Bundestag hat doch Anfang des Jahres über den Antrag "Sicherer Radverkehr für Vision Zero im Straßenverkehr" abgestimmt. Das ist doch quasi die STVO Novelle. Oder verwechsle ich da gerade was?

    Einmal editiert, zuletzt von Adsche (20. September 2020 um 20:30) aus folgendem Grund: Rechtschreibung korrigiert.

  • Interessanter Punkt. Hier der Beschluss: Link

    Inhalt stark vereinfacht: Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass er die Vorschläge des BMVI begrüßt und fordert die Regierung auf, die nötigen Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen.

    Das BMVI holt sich also quasi die moralische Rückendeckung für das Vorhaben. Formal wäre das nicht nötig gewesen.

  • Ich denke, wir sollten hier die allgemein gebräuchlichen Bedeutungen verwenden.

    OK, sagen wir von nun an Straße zur Fahrbahn.

    Zum Einen ist § 3 sprachlich eindeutig. Zum Anderen bringt die gebräuchliche Bedeutung ein paar logische Widersprüche mit. Zum Beispiel gäbe es unzulässige zulässige Höchstgeschwindigkeiten oder gleich zwei verschiedene gleichzeitig.

  • OK, sagen wir von nun an Straße zur Fahrbahn.

    Warum wusste ich vorher, dass Du genau dieses falsche Beispiel bringst?

    Der Begriff Fahrbahn ist absolut eindeutig und wird von jedem verstanden.

    Für Deine Auslegung von "zulässige Höchstgeschwindigkeit" gilt das nicht. Der Begriff von praktisch jedem - inklusive der Fachwelt - verwendet, um die in absoluten Zahlen benannte zulässige Höchstgeschwindigkeit zu bezeichnen.

    Absolut niemand sagt "zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten", wenn er beschreibt, dass jemand in einer bestimmten Situation bei starkem Regen auf der Landstraße nicht über 60 hätte fahren dürfen.

    Formal mag Deine Verwendung des Begriffs korrekt sein. Nur führt es zu absolut gar nichts außer Verwirrung, wenn man einen Begriff anders verwendet als alle anderen. In dem Fall sogar inklusive der Fachwelt.

  • Doch genau das bedeutet eine unangepasste Geschwindigkeit. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist das Minimum aus verschiedenen Werten. Die situativen oder persönlichen sind zwar nicht auf einen fixen Wert festgelegt aber dennoch Höchstgeschwindigkeiten. Schau Dir den Wortlaut von § 3(3) StVO an.

    Das hat mit der StVO wenig zu tun. Es gilt halt nur um die statistische Erfassung von Unfallursachen.

    Da gibt es die Wahl zwischen:

    - Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (Es sind 50 km/h zugelassen, aber man fährt 60 km/h, und dann kommt es zum Unfall)

    - nicht angepasste Geschwindigkeit (Es ist nicht klar, wie schnell man war, aber es war offenbar zu schnell für die konkrete Situation.)

  • Ein Beispiel: nasse Landstraße/Autobahn. Der Typ mit Breitreifen erlebt bei 60 km/h Aquaplaning, aber der Typ mit einem historischen Fiat 500 und "Teerfräsern" hat bei 70 km/h keine Schwierigkeiten. Da verliert der Begriff "zulässige Höchstgeschwindigkeit" jeden Sinn. Der Breitbereifte war mit unangepasster Geschwindigkeit unterwegs, das Fiatle nicht.

  • In den Reden im Bundesrat gab es noch einen interessanten Punkt:

    Die Redner von SPD und BMVI merkten an, dass Juristen Bedenken gegen den Führerscheinentzug bei +21 ohne weitere besondere Umstände angemeldet haben.

    Demnach spricht wohl einiges dafür, dass die Regelung der Verhältnismäßigkeit widerspricht und vor Gericht scheitern würde.

    Eventuell auch an § 25 StVG ("grobe oder beharrliche" Pflichtverletzung).

  • Demnach spricht wohl einiges dafür, dass die Regelung der Verhältnismäßigkeit widerspricht und vor Gericht scheitern würde.

    Weißt du, wie das begründet wurde? Es ist doch erschreckend, dass eine Geschwindigkeitsübertretung von mehr als 21 km/h nach Abzug immer noch als Kavaliersdelikt angesehen wird. Kritiker haben anfangs immer betont, dass das ja versehentlich mal vorkommen könne, dass man statt erlaubten 50km/h in der Ortschaft mit mehr als 71km/h unterwegs ist. Ich glaube hingegen, dass so etwas in den wenigsten Fällen aus Versehen passiert und dass bei einer höheren Kontrolldichte die Zahl dieser "Versehen" deutlich abnehmen würde.

    Es wäre nach dem Scheitern des ursprünglichen Beschlusses eigentlich eine logische Konsequenz, die Zahl der Kontrollen deutlich zu erhöhen. Dafür bräuchte es natürlich zusätzliches Personal und vor allem den politischen Willen, solche Verstöße wirkungsvoll zu verfolgen. Notorische Raser würde man dann auch eher infolge eines zweifachen Verstoßes aus dem Verkehr ziehen können. Solange das Risiko, erwischt zu werden, gegen Null geht, helfen auch höhere Strafen nichts.

  • Verhältnismäßigkeit berücksichtigt ja immer mindestens 2 Seiten.

    Wenn also auf die eine Seite (Führerscheinentzug) zu viel draufgepackt wird, erscheint das unverhältnismäßig, wenn an anderer Stelle nur läppische Bußgelder verhängt werden.

    Lösungsvariante a) - man nimmt vom Fahrverbot bei +21 Abstand

    Lösungsvariante b) - man packt auf die vermeintlich "zu leichte" Seite einfach auch noch ein paar Steinchen

    ich präferiere b)

  • Zwischen "Kavaliersdelikt" und "grober Owi" gibt es aber noch diverse Abstufungen.

    Unter was fällt eigentlich der Umstand, dass ein Bundesministerium wiederholt nicht in der Lage ist, eine gültige Verordnung zu erarbeiten? Einfach nur unter "Hoppla - neuer Versuch, neues Glück"? Mich persönlich regt dieses allgemeine Achselzucken irgendwie auf. Denn unter Raketenwissenschaft fällt das m.M.n. nicht.

    Und in anderen Verträgen gibt es m.W. immer eine salvatorische Klausel, die verhindert, dass Verträge wegen eines Details komplett ungültig werden. Hat man das auf Regierungsebene vergessen - weil undenkbar? Dann sollte man das velleicht besser nachholen, bevor die Pfeifen wieder zuschlagen.

  • Unter was fällt eigentlich der Umstand, dass ein Bundesministerium wiederholt nicht in der Lage ist, eine gültige Verordnung zu erarbeiten?

    Das Justizministerium hat eingeräumt, den Fehler gemacht zu haben. Sie schieben es auf den Zeitdruck, den das BMVI ausgeübt hat.

    Ist es dann noch ein Fehler vom BMVI?

    Ich frage ich aber, warum es diese Fehler anscheinend nur in der StVO gibt. Denn wenn das Justizministerium die Fehler macht, müsste es ja breit gestreut durch die Verordnungen sein.

    Vielleicht gibt es diese Fehler aber ja tatsächlich auch in vielen Verordnungen und sie werden nur nicht so bekannt.

  • Kritiker haben anfangs immer betont, dass das ja versehentlich mal vorkommen könne, dass man statt erlaubten 50km/h in der Ortschaft mit mehr als 71km/h unterwegs ist. Ich glaube hingegen, dass so etwas in den wenigsten Fällen aus Versehen passiert und dass bei einer höheren Kontrolldichte die Zahl dieser "Versehen" deutlich abnehmen würde.

    Der Punkt ist hier weniger das versehentlich mit 71km/h unterwegs sein. Vielmehr ist der Punkt, dass regelmäßig die Höchstgeschwindigkeit mit einem Schild um 20km/h gesenkt wird (z.B. von 50 auf 30). Daher kann mit der Regelung ein Augenblicksversagen (ein Schild übersehen) zum Fahrverbot führen. Von daher müsste man das ggf. mit einer Verwaltungsvorschrift begleiten, die auch innerorts Geschwindigkeitstrichter schafft (also Schrittweise auf 40 dann auf 30 reduziert).

  • Vielmehr ist der Punkt, dass regelmäßig die Höchstgeschwindigkeit mit einem Schild um 20km/h gesenkt wird (z.B. von 50 auf 30). Daher kann mit der Regelung ein Augenblicksversagen (ein Schild übersehen) zum Fahrverbot führen.

    Nein kann es nicht, da man ja auch bei 50 zu schnell gewesen wäre. Es müssten also wenigstens zwei Augenblicksversagen zusammen kommen. Außerorts hätte ich die Grenze aber eben wegen dieser Überlegung bei 31 und nicht bei 26 angesetzt.

  • Bußgeldkompromiss scheitert im Bundesrat

    https://www.spiegel.de/auto/strassenv…61-abe4ac13d80d

    Ich fürchte, dass die Grünen mit ihrer Blockade nichts erreichen werden, sondern dass sich alles nur noch länger hinzieht.

    "Stattdessen hätten jetzt Bußgelder erhöht und strengere Regeln etwa vor Schulen oder Kindergärten in die Verordnung aufgenommen werden können.", heißt es in dem Spiegel-Artikel

    Was wäre denn gewesen, wenn die strengeren Regeln tatsächlich vor Schulen und Kindergärten eingeführt worden wären?

    Diejenigen, die das vorgeschlagen haben, die haben nach meiner Einschätzung noch gar nicht gemerkt, dass die Kommunen aufgefordert sind, vor Schulen und Kindergärten Tempo 30 anzuordnen. Und manche Kommunen haben das auch schon gemacht. Da gilt bereits vor Schulen und Kindergärten Tempo 30. Das heißt, wenn da einer mit Tempo 51 vorbeifährt, (=21 Kilometern pro Stunde zu viel innerorts), dann wäre dort auch der Führerschein entzogen worden.

    Und spätestens dann wenn das Leuten mit "Benzin im Blut" wie Scheuer und Co aufgefallen wäre, dann hätten sie erneut irgendeinen "Formfehler" oder sonst was gefunden, um noch mal zu Gunsten der Autoraser zu intervenieren.

    Und überhaupt sind es gar nicht die Grünen, die hier blockieren. Blockiert wird vielmehr von denjenigen, die die mit einem genau gegenteilig klingenden Spruch die "freie Fahrt für den freien Bürger" fordern. Die sind es die die Lizenz zum Rasen ausstellen wollen und Maßnahmen blockieren, die zu mehr Verkehrssicherheit führen.

    Und weil es dazu so gut passt diese Fotos:

    Was ist da passsiert?

    Da stand mal eine Laterne.

    Da hinten liegt sie ja.

    Und die andere ist schief? Wie kommt das?

    Also so ist das passiert:

    https://www.bild.de/regional/hanno…21986.bild.html

  • Vielmehr ist der Punkt, dass regelmäßig die Höchstgeschwindigkeit mit einem Schild um 20km/h gesenkt wird (z.B. von 50 auf 30). Daher kann mit der Regelung ein Augenblicksversagen (ein Schild übersehen) zum Fahrverbot führen.

    Aber nur dann, wenn auch schon die erste Geschwindigkeitsbegrenzung ignoriert überschritten worden ist

  • Na, da wird Hannover wohl nun auch die Gefährlichkeit von herumstehenden Laternenmasten erkennen, und so wie Kiel bei den Fahrnenmasten, alle entfernen bevor noch mal einer zufällig auf einen Fußgänger fällt.