Niedrigere Hürden für Fahrverbote bei Geschwindigkeitsübertretungen

  • Der Mobil in Deutschland e.V. beklagt: „Führerschein-Vernichtungsmaschine“: Die überzogene StVO-Novelle zu Bußgeldern und Fahrverboten (Drunterkommentare bei Facebook)

    Ich glaube, ich bin so gut wie nie einer Meinung mit Mobil in Deutschland e.V., die Sache mit dem Fahrverbot bei Geschwindigkeitsüberschreitungen größer 20 Kilometer pro Stunde innerorts, beziehungsweise größer 25 Kilometer pro Stunde außerorts ist schon ein bisschen happig.

    Wir reden hier im Forum und in den einschlägigen Fahrrad-Blasen häufig genug davon, dass Verkehrsinfrastruktur fehlertolerant sein soll, also nicht jede kleine Unaufmerksamkeit zum Unfall oder gar zum Tod führen darf. Nun ist ein Fahrverbot ganz sicher kein Unfall, aber für einige Menschen sicherlich eine ganz erhebliche Einschränkung, beispielsweise für Lieferanten, die sich in den vergangenen Wochen als „systemrelevant“ herausgestellt haben, oder für Menschen, die aufgrund ihres Berufs eben doch nicht so einfach in der Lage sind, aufs Auto zu verzichten.

    Während man bislang für ein berufsgefährdendes Fahrverbot eine größere Menge an Überschreitungen sammeln musste, reicht künftig eine Unaufmerksamkeit oder ein Missverständnis. Eine Kombination aus beidem hat mir vor anderthalb Jahren ein Bußgeld beschert, damals waren es aber „nur“ zwölf Kilometer pro Stunde. Aber ich kann mir vorstellen, dass die notwendigen 21 Kilometer pro Stunde schnell erreicht sind.

    Ich bin mir noch nicht so ganz sicher, ob ich das für eine sinnvolle Sache halten soll. Bislang drohte ein Fahrverbot innerorts in der Regel erst nach der zweiten Überschreitung von mindestens 26 Kilometern pro Stunde im Jahr.

  • Bislang hatte es kaum Konsequenzen, unachtsam zu sein. Wer schonmal durch die Schweiz gefahren ist, weiß, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen dort ernst gemeint sind. Interessanterweise scheint die Aufmerksamkeit dort höher zu sein.

  • Mein ärgerlichster Fahrverstoß war 1 km/h zu viel (also 4 km/h, mit Abzug einer Toleranz von 3) in Frankreich. Hat mich damals 45€ gekostet. In meiner Verwandschaft gab es +22 km/h außerorts, weil der Tempomat im Baustellenbereich noch auf dem vorherigen Wert stand (ich glaube im Bereich 100, statt vorher 120) - allerdings mit einem Bonus von +5km/h, wie es häufig eingestellt wird.


    Von daher bin ich hier nicht mit der Ansicht von Mobil e.V. einverstanden. Um gerade innerorts +20km/h drauf zu haben braucht es schon ein gewisses Maß an Vorsatz. Wer den Tempomaten auf 50 km/h stellt und in der 30er-Zone geblitzt wird hat +17 oder so drauf. Das reicht allemal um zügig Pakete zu liefern.

  • Ich bin damals auch mit dem Auto regelmäßig in Hamburg unterwegs gewesen. Auf Hauptstraßen immer so ~ 20km/h zuviel. Erwischt wurde ich nie. Aber selbst wenn: so what?

    Und das denken sich viele. Wer sich an die Regeln hält, ist ein Schleicher und wird behupt/bedrängt.

    Von daher: Schritt in die richtige Richtung.

    Ist doch niemand zu gezwungen, zu schnell zu fahren. Die Behörden sollen die Beschilderung ordentlich machen.

    Moderne Technik kann die Fahrer warnen, wenn sie zu schnell fahren.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Der Tonfall dieses Clubs ist ziemlich krawallig und rabaukenhaft. Tempo 45 oder 50 in einer 30-er Zone als "kleinste Geschwindigkeitsüberschreitung" zu verharmlosen und von "Abzockerei" zu schwadronieren, ist daneben.

  • Um gerade innerorts +20km/h drauf zu haben braucht es schon ein gewisses Maß an Vorsatz. Wer den Tempomaten auf 50 km/h stellt und in der 30er-Zone geblitzt wird hat +17 oder so drauf. Das reicht allemal um zügig Pakete zu liefern.

    Das sehe ich aber ein bisschen differenzierter. Es gibt schließlich nicht nur Tempo-30-Zonen, sondern wie in meinem Beispiel auch Tempo-30-Abschnitte entlang von Hauptverkehrsstraßen.

    Um bei meinem Foto zu bleiben: Da gilt vorher Tempo 50 und danach auch, dazwischen steht dann Zeichen 274-30 und wenn man das nicht sieht, weil vielleicht wieder ein Lieferwagen auf dem Gehweg parkt und die Sicht auf das Schild einschränkt, und dann noch die Schwerkraft angesichts des Gefälles der Straße ins Spiel kommt, hat man locker abzüglich Toleranz genügend auf dem Tacho, um einen Monat zu Fuß zu gehen.

    Wer grundsätzlich „mit Mehrwertsteuer“ unterwegs ist oder gar innerorts den Tempomaten auf 55 stellt oder nicht mitbekommt, eine Tempo-30-Zone befahren zu haben, den trifft’s ja ganz zu Recht, das will ich gar nicht in Abrede stellen. Und natürlich bin ich sehr dafür, dass man sich als Verkehrsteilnehmer vollumfänglich an die Straßenverkehrs-Ordnung hält. Aber ich habe trotzdem den Eindruck, dass das einmonatige Fahrverbot eine doch recht drastische Bestrafung darstellt, für die ich nun als regeltreuer Verkehrsteilnehmer womöglich künftig nur einmal ein Zeichen 274-30 „übersehen“ muss.

  • Tempo 50 in Ortschaften ist keine Mindestgeschwindigkeit, sondern die Höchstgeschwindigkeit. Selbst jemand, der ein 30er Schild übersieht, verliert seinen Führerschein nicht, hätte er/sie sich an Tempo 50 gehalten.

    Ich habe bei diesen notorischen Gasgebern kein Mitleid, auch wenn diese nach Selbsteinschätzung systemrelevant sind.

    Kein Pflege-, Getränke und Pizzalieferdienst in Hamburg braucht ein Auto. Das geht auch mit dem Fahrrad. Besonders jetzt, wo halb Deutschland zu Hause festsitzt.

    Und LKW Fahrende sollten sowieso besonders vorsichtig und dementsprechend langsam unterwegs sein.

  • Um bei meinem Foto zu bleiben: Da gilt vorher Tempo 50 und danach auch, dazwischen steht dann Zeichen 274-30 und wenn man das nicht sieht, weil vielleicht wieder ein Lieferwagen auf dem Gehweg parkt und die Sicht auf das Schild einschränkt, ...

    ... ist das ein Thema für einen Rechtsstreit: Musste man damit rechnen, dass irgendwo ein Schild hängt, das man nicht sehen konnte?

  • Das sehe ich aber ein bisschen differenzierter. Es gibt schließlich nicht nur Tempo-30-Zonen, sondern wie in meinem Beispiel auch Tempo-30-Abschnitte entlang von Hauptverkehrsstraßen.

    Um bei meinem Foto zu bleiben: Da gilt vorher Tempo 50 und danach auch, dazwischen steht dann Zeichen 274-30 und wenn man das nicht sieht, weil vielleicht wieder ein Lieferwagen auf dem Gehweg parkt und die Sicht auf das Schild einschränkt, und dann noch die Schwerkraft angesichts des Gefälles der Straße ins Spiel kommt, hat man locker abzüglich Toleranz genügend auf dem Tacho, um einen Monat zu Fuß zu gehen.

    Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen darf aber nur angeordnet werden, wenn es einen entsprechenden Grund gibt - Altenheime, Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Bushaltestellen, Baustellen etc. - außer dem (sehr seltenen) Lärmschutz ist da im Prinzip alles eine besondere Gefahrensituation, weswegen man auch besonders aufpassen muss. Ein Kind, das über die Straße rennt, wird mit 30 km/h im Krankenhaus landen, mit 50 km/h ist es höchstwahrscheinlich bereits beim Eintreffen des Notarztes tot. Der Bremsweg erhöht sich auch enorm, was die Anzahl solcher Unfälle erhöht.

    Rein wissenschaftlich gesehen gibt es eigentlich keinen vernünftigen Grund, 50 innerorts zuzulassen (außer vielleicht auf stadtautobahnähnlichen Straßen, die physisch von Fußgängern getrennt sind). Durch Ampelschaltungen erreicht man nicht einmal eine höhere Geschwindigkeit, was einem der vorbeifahrende Radler genau wie der eigene Bordcomputer des Fahrzeugs schwarz auf weiß anzeigen. Nur ein von der Automobillobby befeuertes diffuses "Meine Freiheit!"-Gefühl arbeitet dagegen, dass das endlich eingeführt wird.

    Diese Änderung bringt die Leute vielleicht auch endlich zum Umdenken, dass T50 nicht bedeutet "Fahr immer und mindestens 50, aber besser 70!", sondern "Auf einer extrem breiten, komplett leeren, über hunderte Meter frei einsehbaren kerzengeraden Straße bei Tageslicht und Trockenheit ohne blendende Sonne, ohne Fußgänger, Radfahrer oder andere Kraftfahrzeuge darfst du 50 km/h fahren, ansonsten weniger!". Ich lese tagtäglich Polizeiberichte nach dem immer gleichen Muster "Der PKW-Führer bemerkte zu spät, dass der PKW vor ihm verkehrsbedingt bremsen/halten/abbiegen wollte und es kam zum Auffahrunfall." und ich frage mich jedes Mal, wie man so dumm und unfähig sein kann, jemandem reinzufahren, der einfach nur bremst. Dann setze ich mich ins Auto, fahre 30 oder 35 in einer unübersichtlichen Straße mit Kindern auf dem Gehsteig (erlaubt T50) und ein Mitglied dieser Spezies hängt mir im Kofferraum. Bei solchen Leuten tut ein Monat Auszeit wirklich nicht weh, zumal wir das in Deutschland ja eh sehr lasch handhaben (man kann das Fahrverbot z. B. auf seinen Sommerurlaub legen und hat keine beruflichen Nachteile dadurch, selbst wenn der Unfall im Winter war).

    Und wer nicht auf die Schilder schauen kann/mag, der kann einfach immer 30 fahren, dann ist er auf jeden Fall auf der sicheren Seite (in Tempo-10-Baustellen wird für gewöhnlich nicht geblitzt). Ankommen wird er genauso schnell wie die 50er.

  • Ich lese tagtäglich Polizeiberichte nach dem immer gleichen Muster "Der PKW-Führer bemerkte zu spät, dass der PKW vor ihm verkehrsbedingt bremsen/halten/abbiegen wollte und es kam zum Auffahrunfall."

    Das ist ja noch halbwegs akzeptabel - ich kenne da noch ein zweites Muster "Der Pkw-Führer konnte den Zusammenstoß nicht mehr verhindern."

  • Das ist ja noch halbwegs akzeptabel - ich kenne da noch ein zweites Muster "Der Pkw-Führer konnte den Zusammenstoß nicht mehr verhindern."

    Ja, das ist leider auch oft genug so. Noch schlimmer finde ich allerdings auslassen von wichtigen Dingen wie §3 Abs 2a StVO, wenn es um Unfälle mit Kindern geht:

    Zitat

    (2a) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

    Ich habe noch nie gelesen, dass die Polizei darauf hingewiesen hat... ich muss vermuten, dass sie die StVO selbst nicht so genau kennen (also in wirklich eindeutigen Fällen, z. B. Kind im Grundschulalter rennt über die Straße ohne zu gucken). Oder es gibt eine Software, die automatisch solche Meldungen erzeugt und die lange keine Updates erfahren hat. ^^

  • Wenn man wirklich 50 km/h fährt, dann wird das Übersehen von 30 km/h Vmax dem Führerschein nicht gefährlich.

    Ich bin fast 20 Jahre meines Lebens immer und überall (viel!) zu schnell gefahren, hatte 14 Punkte angesammelt.

    Seit meiner "Läuterung" und Einsicht klappt das komischerweise ohne Fahrverbote. Denn man muss bedenken: Man wird doch vergleichsweise wenig erwischt zu den Ereignissen mit Foto oder Video.

    „Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ (Reichsverkehrsministerium, 1934)

  • bergab rollen und unbeabsichtigt 55km/h fahren statt gewollter 50km/h. ja, kann vorkommen. Das stimmt.

    Schild wirklich "übersehen". Ja, kommt auch vor. Habe ich selbst schon erlebt. das Schild war sogar beleuchtet. von hinten. mit rotem Licht. die 2 Schilder drunter wären mit gelbem und grünem licht beleuchtet. waren aber dunkel. :saint:X/

    Grund des übersehens: ich war abgelenkt.

    Gelernt: ich vermeide tunlichst Ablenkung. Fahre ich nicht allein im Auto, darf/soll mein Beifahrer/in gefälligst mit auf die Schilder gucken.

    Und mit Bergab ist das dann ähnlich. Muss man eben auf den Tacho gucken.

  • ... ist das ein Thema für einen Rechtsstreit: Musste man damit rechnen, dass irgendwo ein Schild hängt, das man nicht sehen konnte?

    Ich habe mich glatt geirrt: Es gibt sogar zwei Zeichen 274-30.

    Das erste hängt hier:

    Das sieht man aber in der Regel nicht so gut, weil beispielsweise das Wohnmobil eine ganze Weile neben dem Behindertenparkplatz stand. Das weiß ich noch, weil ich mich wunderte, wie gut man als nutzungsberechtigter Verkehrsteilnehmer dieses Parkplatzes wohl neben einem solchen Schlachtschiff aussteigen könnte. Und der Lieferverkehr, der links im Bild steht, parkt hier oben manchmal auch direkt vor dem Schild.

    Dann wird das Schild noch mal wiederholt:

    Das hier ist ein beliebter Platz für den Lieferverkehr, der mal in Gestalt von DHL, UPS, GLS und so weiter auftritt, manchmal steht auch ein 7,5-Tonner direkt auf dem Radweg vor dem Schild. Ist also auch wieder etwas schwerer zu erkennen. Der Grund für diese Geschwindigkeitsbegrenzung ist die Sprunginsel in der Fahrbahnmitte, die hier gerade noch so zu sehen ist.

    Kurz darauf folgt dann die Mautstelle:

    Direkt an dem Kasten wird übrigens auch ganz gerne geparkt. Wir saßen mal in der Pizzaria gegenüber, während sich das Pärchen am Tisch nebenan amüsierte, wie oft wohl ihr Kennzeichen an diesem Abend geblitzt würde. Die beiden hatten ihren Wagen — irgendwo muss man ja parken — direkt vor der Blitzsäule platziert.

    Gut, es gibt zwei Schilder, man muss also zwei Schilder „übersehen“, aber es gibt eben wie hier auch hinreichend häufig Gelegenheiten, mit Tempo 51 abzüglich Toleranz dort reinzusausen.

    Natürlich ist das alles, was ihr schreibt, erstmal richtig. Man kann langsamer fahren, wenn man die Schilder nicht mehr alle wahrnehmen kann, man sollte natürlich auch ein Gefälle der Fahrbahn rechtzeitig wahrnehmen, bevor das Auto der Schwerkraft allzusehr entgegen kommt und auf Geschwindigkeiten im strafbewehrten Bereich beschleunigt.

    Einzig ständig mit 30 statt 50 Kilometern pro Stunde zu fahren halte ich für ambitioniert. Dazu wird man ein ziemlich dickes Fell brauchen, weil nicht jeder Hintermann das notwendige Verständnis für diese Geschwindigkeit aufbringen kann. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob unter den heute im Straßenverkehr vorliegenden Umständen unter dem Strich ein Sicherheitsgewinn für alle Verkehrsteilnehmer dabei herumkommt, wenn sich der Hintermann dann zu gefährlichen Überholmanövern angestiftet fühlt, um den gefühlten Zeitverlust wieder auszugleichen.

    Und angesichts der Häufigkeit, mit der Verkehrszeichen oder rote Ampeln von größeren Kraftfahrzeugen verdeckt werden, halte ich das tatsächlich für ein Problem.

    Natürlich stehen dem Beschuldigten im Angesicht eines drohenden Fahrverbotes die üblichen Rechtsmittel offen, die aber weder zeitlich noch finanziell noch nervlich besonders günstig sind. Kann halt auch eine ganze Weile dauern und schiefgehen, wie ich an meinem vermeintlichen Rotlichtverstoß gemerkt habe.

    Und damit wir uns hier nicht falsch verstehen: Wenn die Leute, die mit über 51 Sachen durch eine Tempo-30-Zone fahren oder nachts mit Tempo 75 durch die Stadt, weil die Straßen so schön leer sind, aus dem Verkehr gezogen werden, finde ich das total super und toll. Ich finde auch Tempo 40 in einer Fahrradstraße oder Tempo 60 innerorts schon nicht so schön.

    Ich bin lediglich der Meinung, dass das Fahrverbot ab 21 Kilometern pro Stunde innerorts ein bisschen hart sein könnte, weil das Zeichen 274-30 im Großstadtdschungel (Berlin!) vielleicht doch mal untergeht und dann nach Abzug der Toleranz mehr als 20 Kilometer pro Stunde zuviel auf dem Tacho standen. Wie DMHH schrieb: Sowas kann passieren. Natürlich sollte es nicht passieren, aber es passiert. Wenn es dafür eine so hohe Geldbuße gäbe, dass es wirklich schmerzt, fände ich es in Ordnung. Ein Fahrverbot hat aber unter Umständen noch berufliche Konsequenzen — und wenn man dann streiten muss, ob man nun seine Anstellung verliert, für die man aufs Auto angewiesen ist, oder ob man als Ortsunkundiger nicht wissen konnte, dass hinter dem Irgendwo-muss-man-ja-parken-Lkw ein Zeichen 274-30 hing, das stelle ich mir unschön vor.

    Da fand ich die „2 mal 26“-Regelung schöner: 26 Sachen zu viel auf dem Tacho fühlen sich für mich schon eher nach Vorsatz als nach Augenblicksversagen an und wer sich das in einem Zeitraum von zwölf Monaten gleich zwei Mal erlaubt, kann ja mal eine Weile zu Fuß gehen und überlegen, ob er das Auto im Griff hat.

  • das erste Fahrverbot wird doch auch zukünftig noch "wählbar" sein, oder?

    Sprich: Fahrverbot = Jobverlust wird nicht die Masse der Verkehrsteilnehmer betreffen.

    Und irgendwo muss man eben eine festgelegte Grenze setzen. die 2x26km/h hat man jahrelang probiert. wirklich gebessert hat sich nix, oder?

    Auch da kann man sagen: Berufskraftfahrer, viele Schilder, viele Ampeln, viele Falschparker, Gefälle - zack, 2x26km/h im Jahr hat man auch mal zusammen.

    der Rechtsweg steht jedem offen - bei drohendem Verlust des Arbeitsplatzes könnte das eingesetzte Geld wohl gut investiert sein. Niedriglohnsektor? so arrogant und hart es klingt: dann ist die Person eben 1 Monat arbeitslos im worst-case. Danach darf die Person wieder für den nächsten Fahren.

    Ich persönlich halte Sicherheit für höher zu bewerten als der mögliche Verlust von Angestelltenverhältnissen. :/

  • Aber alle diese durchaus plausiblen Überlegunge, Malte, ändern doch nichts an Folgendem: Wenn ich innerorts 50 fahre, werde ich nie meinen Führerschein verlieren, wenn ich eine Begrenzung auf 30 übersehe - egal aus welchem Grund: Toleranz UND Tachovoreile. Dann muss ich schon nach Tacho mit 60 oder mehr unterwegs sein. Das muss man können meiner Meinung nach. Muss man auch während der Fahrprüfung als Rookie.

    „Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ (Reichsverkehrsministerium, 1934)

  • Einzig ständig mit 30 statt 50 Kilometern pro Stunde zu fahren halte ich für ambitioniert. Dazu wird man ein ziemlich dickes Fell brauchen, weil nicht jeder Hintermann das notwendige Verständnis für diese Geschwindigkeit aufbringen kann. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob unter den heute im Straßenverkehr vorliegenden Umständen unter dem Strich ein Sicherheitsgewinn für alle Verkehrsteilnehmer dabei herumkommt, wenn sich der Hintermann dann zu gefährlichen Überholmanövern angestiftet fühlt, um den gefühlten Zeitverlust wieder auszugleichen.

    Das dachte ich auch, aber zumindest für außerorts 80 kann ich aus persönlicher Erfahrung bestätigen, dass es keinen Unterschied macht: eine kleine Gruppe fährt immer eng auf und überholt riskant, egal ob du 60, 90 oder 120 auf der Landstraße fährst. Die allermeisten Leute bleiben mit passendem Abstand hinter dir und überholen eben je nach Bedarf und Situation, falls möglich und gewünscht. Und ein nicht unerheblicher Teil bleibt immer hinter dir, entweder weil er denkt, er hätte ein Schild übersehen oder weil er sich an die entspannte Fahrweise gewöhnt hat.

    Ich fahre auch in der Stadt immer schon so, dass ich möglichst nicht an Ampeln halten muss (bin schaltfaul und geizig), also mehrere hundert Meter vorher ausrollen lasse. Ich bin deswegen noch nie angehupt worden, und wenn, dann ginge es mir sonstwo vorbei. Wen es stört, dass ich langsamer bin, der darf gerne eine Anzeige bei der Polizei stellen - nie passiert. Ab und an überholen Leute sinnlos, denen winke ich dann freundlich die nächsten 10 Minuten durch ihre Heckscheibe zu, wenn sie vor mir warten. ;)

    Ich bin lediglich der Meinung, dass das Fahrverbot ab 21 Kilometern pro Stunde innerorts ein bisschen hart sein könnte, weil das Zeichen 274-30 im Großstadtdschungel (Berlin!) vielleicht doch mal untergeht und dann nach Abzug der Toleranz mehr als 20 Kilometer pro Stunde zuviel auf dem Tacho standen. Wie DMHH schrieb: Sowas kann passieren. Natürlich sollte es nicht passieren, aber es passiert. Wenn es dafür eine so hohe Geldbuße gäbe, dass es wirklich schmerzt, fände ich es in Ordnung. Ein Fahrverbot hat aber unter Umständen noch berufliche Konsequenzen — und wenn man dann streiten muss, ob man nun seine Anstellung verliert, für die man aufs Auto angewiesen ist, oder ob man als Ortsunkundiger nicht wissen konnte, dass hinter dem Irgendwo-muss-man-ja-parken-Lkw ein Zeichen 274-30 hing, das stelle ich mir unschön vor.

    Anfangs ist das sicher hart, weil es ungewohnt ist. Bei einem Besuch in der Schweiz ist die erste Busse für 4 km/h drüber auch unglaublich ungerecht, pedantisch, übertrieben, gemein und hart. Eine zweite fangen sich aber trotzdem die wenigsten ein, und die Schweizer werden auch nicht reihenweise arbeitslos (obwohl dort sogar das KFZ als Waffe eingezogen werden kann bei höheren Differenzen), sondern halten sich einfach an die Regeln.

    Wenn man es mal bei Licht betrachtet, müssen unsere Regeln einem Ausländer völlig absurd erscheinen: "Ja, da steht 50 drauf, aber gemeint ist 70, also kannst du problemlos 40% schneller fahren als erlaubt!" - "Aber wieso steht dann 50 und nicht 70?" - "Das geht natürlich nicht, denn dann würden ja alle 90 fahren!".

  • Wenn man innerorts so schnell wesentliche Schilder übersieht und so ganz versehentlich - husch, husch - im Fahrverbot drin ist, dann ist das eine ganz hervorragende Tatsachen- und Argumentationsgrundlage für ein generelles Tempolimit 30 km/h innerorts.

    Im übrigen teile ich so ziemlich nichts von dieser Verständnisschinderei.

    Wenn das alles so unübersichtlich ist und überfordernd, dann runter vom Gas!

    Wenn das Konzentrationsvermögen nicht reicht, dann raus aus dem Blecheimer oder besser noch, gar nicht erst rein!

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Die FDP kritisiert "praxisfernen" Bußgeldkatalog, weil nun nach außerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitungen ab 26 Kilometern pro Stunde ein Fahrverbot droht.

    Bestimmt kann man auch mal außerorts ein Schild übersehen — trotzdem sehe ich da gewisse Unterschiede zu meinen gestrigen Einlassungen über innerörtliche Geschwindigkeitsüberschreitungen. Außerorts lassen sich Verkehrsschilder in der Regel auf mehrere hundert Meter Entfernung erkennen. Nähert man sich auf der Autobahn einem [Zeichen 123], dann weiß man auch als Fahranfänger, dass in zwei Kilometern Entfernung ein Geschwindigkeitstrichter beginnt, der mit Zeichen 274-60 oder Zeichen 274-80 endet. Wer dieses Ziel um 26 Kilometer pro Stunde verfehlt kann meines Erachtens auch gerne mal zu Fuß gehen. Ich fand es früher immer äußerst unangenehm, in einer Arbeitsstelle mit Zeichen 274-60 genau nach Tacho zu fahren und auf diese Weise eine lange Schlange an Lastkraftwagen hinter mir herzuziehen, die nicht überholen konnten und lieber ihre 89 Kilometer pro Stunde am Begrenzer machen wollten.

    Außerorts sehe ich diesbezüglich einen großen Unterschied zu innerörtlichen Straßen, die teilweise mit einem von Falschparkern verdeckten Schilderwald von Geschwindigkeitsbegrenzungen und Parkregelungen am Straßenrand aufwarten.

    Ich würde mich aber freuen, wenn diese Problematik kurzfristig angegangen würde, um Lieferzonen für Lastkraftwagen zu schaffen und freizuhalten, damit die künftig nicht mehr in zweiter Reihe auf der Fahrbahn oder neben auf dem Radweg parken und dabei wichtige Verkehrsschilder verdecken. Das Parken in zweiter Reihe länger als eine Viertelstunde gibt ab morgen sogar einen Bonuspunkt.

  • das erste Fahrverbot wird doch auch zukünftig noch "wählbar" sein, oder?

    Ja leider, diese Hintertür das Fahrverbot einfach in den Urlaub zu legen wo jemand so oder so nicht da ist, bleibt leider enthalten. Innerorts könnte man von mir aus sogar ab 1 km/h drüber Punkte vergeben. Die laschen Reglungen bezüglich zu schnellem Fahren haben doch erst zu der Unsitte geführt, dass Leute grundsätzlich etwas zu schnell fahren.

    Daraus halten manche für derartig normal, dass ich im PKW recht häufig dichtes Auffahren oder sogar Anpöbeln erleben darf, nur weil ich es wage Tempobeschränkungen (auch im [Zeichen 325.1]) wirklich zu beachten. Gerade bei Schritttempo hat man es leider schon wieder verschlafen endlich mal eine konkrete Geschwindigkeit festzulegen und zumindest dort einen anderen Maßstab für Überschreitungen anzusetzen.

    Das Problem mit den übersehen Verkehrszeichen wäre auch recht einfach zu lösen, innerorts grundsätzlich Tempo 30. Dann wäre es für alle Verkehrsteilnehmer deutlich sicherer.

    Mitleid mit Leuten die ihren Job verlieren weil sie zu schnell waren habe ich da wenig. Das lässt sich durch vorsichtiges Fahren vermeiden. Klar haben es manche Leute berufsbedingt eilig, z.B. Pflegepersonal. Da wäre es aber nur sinnvoll das eigentlich Problem zu lösen, dafür zu Sorgen, dass sich diese Leute Zeit nehmen können.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)