Niedrigere Hürden für Fahrverbote bei Geschwindigkeitsübertretungen

  • Ich habe mich glatt geirrt: Es gibt sogar zwei Zeichen 274-30.

    Hüstel, zwei Schilder übersehen und dann auch noch einen festinstallierten Blitzer, ....

    Bin auch der Meinung, 21km/h innerorts ist eigentlich ok, da braucht man schon viel Pech. Die Tachos müssen ja mindestens 4km/h, und dürfen bis 4km/h +10% voreilen. Das heißt um mit 21km/h zu viel an einem 30er Schild geblitzt zu werden steht auf dem Tacho auf jeden Fall um die 60km/h (3km/h Messtoleranz + 4-9km/h Voreilung). Man fährt ja auch selten unbekannte Wege, weiß also in der Regel hoffentlich, wann wo welche Geschwindigkeit einzuhalten ist. Deutlich besser wäre es imho auch, wenn es ganz klare Begrenzungen geben würde, die man auch ohne Schilder erkennen kann. Also z. B. nur Hauptstraßen die auch Bundesstrraßen sind mit 50km/h, alle "Stadtautobahnen", also mehrere Fahrspuren in eine Richtung, bauliche Trennung zwischen den Fahrstreifen mit 60km/h, alles andere rigoros 30km/h. Dann stellt sich die Frage auch nicht dauernd, welche Geschwindigkeit man gerade fahren muss.

    Da sehe ich die 26km/h außerorts sehr viel kritischer, denn nachdem es inzwischen üblich ist an Kreuzungen auf 70km/h zu begrenzen, gibt es auch oft Geschwindigkeitsschwellen mit 30km/h Unterschied.

    Besser fände ich persönlich auch das Fahrverbot wie vorher, nach der 2. Übertretung in dem Bereich innerhalb eines Jahres. Dafür aber ein Bußgeld abhängig vom Einkommen, das man auch merkt. Also für zum Beispiel für Innerorts 21km/h zu schnell 10 Tagessätze.

    Das Fahrverbot ist dafür ein großer Gleichmacher, das ist gut. Solange die Strafen in Deutschland für Geschwindigkeitsübertretungen so niedrig sind für den Großteil der Verkehrsteilnehmer, ist das Fahrverbot von 4 Wochen sicher deutlich wirksamer.

  • Wenn man es mal bei Licht betrachtet, müssen unsere Regeln einem Ausländer völlig absurd erscheinen: "Ja, da steht 50 drauf, aber gemeint ist 70, also kannst du problemlos 40% schneller fahren als erlaubt!" - "Aber wieso steht dann 50 und nicht 70?" - "Das geht natürlich nicht, denn dann würden ja alle 90 fahren!".

    Das ist eigentlich der Knackpunkt: Wenn die Polizei in einer Pressemitteilung erklärt, dass die neue Tempo 30 Zone gut funktioniert, weil die festgestellte V85 "nur noch" 45km/h beträgt, nimmt das keiner ernst. Auch speziell auf Autobahnen hat man das Gefühl, dass eigentlich immer 20km/h mehr gemeint sind als auf den Schildern steht. Da muss man sich auch nicht wundern, wenn es die Leute ungerecht finden, wenn sie dann zahlen müssen, wenn sie 80km/h statt der angeordneten 60km/h fahren, wo doch anscheinend 80km/h gemeint war.

    Das Problem könnte man dadurch lösen, dass man Verkehrsregeln so anordnet, wie sie auch wirklich so gemeint sind. Wenn man möchte, dass die Leute nicht schneller als 80km/h fahren, muss man eine zHg von 80km/h anordnen und bei 80km/h + Messtoleranz wird ein Bußgeld fällig. Dass ein Tachometer falsch anzeigen kann, muss der Autofahrer selbst berücksichtigen. Die Messtoleranz ist keine Pauschale, sondern hängt von der eingesetzten Messtechnik ab.

    Das Selbe gilt aus meiner Sicht für Rotlichtverstöße (sofern die LSA auch gelbes Licht zeigt). Gelb bedeutet: Anhalten und nicht Gas geben. Sofern die Gelbphase lang genug ist, rechtzeitig anzuhalten , sehe ich keinen Grund, warum man auch 1 Sekunde Rotlicht anders behandelt als 2 Sekunden.

  • Messtoleranz, Mehrwertsteuer, Unachtsamkeit, Jobverlust, Kanndochmalpassieren,....

    Hört sich an wie das Bullshit-Bingo vom ADAC-Fanboy.

    Irgendwie ist da die Benzindenke wohl schwer hartverdrahtet. Tatsache ist doch: Man kommt auch mit 40 igO, 80 aO und 130 auf BAB ans Ziel.

    Dauert halt 5 Minuten länger.

  • Das heißt um mit 21km/h zu viel an einem 30er Schild geblitzt zu werden steht auf dem Tacho auf jeden Fall um die 60km/h (3km/h Messtoleranz + 4-9km/h Voreilung).

    Ich verstehe diese Logik mit dem Tacho immer nicht.

    Ich weiß ziemlich genau, wie weit mein Tacho voreilt. In manchen Autos ist es fast nichts (keine Ahnung, wo die 4km/h herkommen), in manchen viel.

    Warum ist es im einen Auto verwerflicher, wenn ich mal 51 fahre als in einem anderen?

    Und die Messtoleranz ist zum Abzug echter Toleranzen gedacht. Denn die Geräte haben natürlich - wie alle Messgeräte auch Messfehler.

    Bei der neuen Regelung ist also die Pappe eventuell weg, wenn man einen Hauch schneller als 50 fährt und ein 30-Schild nicht mitbekommt.

    Ist mir vor ein paar Wochen auch passiert:

    Drei Linksabbiegespuren (zwei zusätzliche geradeaus). Ich biege auf der linken Spur ab, rechts neben mir noch jemand. Wir biegen in eine dreispurige Einbahnstraße, die in nicht allzu großer Entfernung auf 60 hochgesetzt wird.

    Plötzlich blitzt es: zwei Spuren weiter rechts standen ein paar Baustellenbaken und vermutlich irgendwo recht knapp hinter der Kreuzung ein 30-Schild.

    Soll man dafür ein Fahrverbot bekommen, wenn man vorher 51 km/h gefahren ist?

    Ich finde das ganz schön heftig.

    In einer 30-Zone, die man ja kaum übersehen kann, sieht das natürlich anders aus.

  • Sofern die Gelbphase lang genug ist, rechtzeitig anzuhalten , sehe ich keinen Grund, warum man auch 1 Sekunde Rotlicht anders behandelt als 2 Sekunden.

    Eine normale, starke Bremsung (aber keine Vollbremsung) hat eine Verzögerung von ca. 4 m/s^2. Der Bremsweg aus 50 km/h beträgt dann 24 m. Spätestens 24 m oder 1,7 s vor der Ampel muss man also auf die Bremse treten, um noch ohne allzu scharfe Bremsung zum Stehen zu kommen. Zuzüglich 1 s Reaktionszeit sind es 2,7 Sekunden.

    Eine normale Gelbphase bei 50 km/h innerorts beträgt 3 Sekunden. Da ist nicht allzu viel Luft für menschliche Fehler.

    Und darum wird die erste Sekunde anders bestraft als die Zeit danach. Auch die Gefährdung ist nach einer Sekunde eine andere, da irgendwann ja auch der Querverkehr grün bekommt.

  • Irgendwie ist da die Benzindenke wohl schwer hartverdrahtet. Tatsache ist doch: Man kommt auch mit 40 igO, 80 aO und 130 auf BAB ans Ziel.

    Dauert halt 5 Minuten länger.

    Jein: Man kommt ans Ziel, aber nicht unbedingt entspannt. Und das Getöse im Rückspiegel ist für viele Verkehrsteilnehmer dann doch ein Grund, lieber etwas schneller zu fahren.

    Auf der Autobahn ist je nach Verkehrslage 130 kein besonders angenehmes Tempo, weil man damit deutlich schneller ist als die Lastkraftwagen auf dem rechten Fahrstreifen, sich aber mehr oder weniger schnell Stress mit so genannten kultivierten Schnellfahrern anlegt, die dann mit Fernlicht den Kofferraum ausleuchten.

    Auf Überlandstraßen hängt man tagsüber in der Regel sehr schnell hinter dem nächsten Lkw fest, der dort mit 89 Kilometern pro Stunde rollt anstatt mit 60, insofern sind 100 Kilometer pro Stunde tagsüber auf vielen Strecken eher ein motorisierter Wunschtraum.

    Aber innerorts mit 40 Kilometern pro Stunde zu fahren halte ich für ein Manöver, für das unsere autozentrierte Gesellschaft noch nicht bereit ist. Meinetwegen können wir gerne die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts auf 40 oder 30 herabsetzen, wenigstens für alle Straßen abseits der großen Hauptverkehrsstraßen.

    Unter den momentanen Umständen jedoch wird man nach meiner Einschätzung ein ganz schön dickes Fell benötigen, um das ständige Gehupe und Gemaule des nachfolgenden Kraftverkehrs auszublenden. Außerdem gibt’s dann noch § 3 Abs. 2 StVO („Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern.“), der zwar so gut wie nie zur Anwendung kommen dürfte, aber immerhin mit 20 Euro bepreist wird. Es wäre interessant zu erfahren, ob die freiwillige Selbstbeschränkung auf 40 oder gar 30 Kilometer pro Stunde innerorts den Tatbestand erfüllt oder ob das Vermeiden von Unfällen, beziehungsweise der klare Blick im Schilderwald ein triftiger Grund ist.

    Messtoleranz, Mehrwertsteuer, Unachtsamkeit, Jobverlust, Kanndochmalpassieren,....


    Hört sich an wie das Bullshit-Bingo vom ADAC-Fanboy.

    Das mit dem Jobverlust sind drüben im Verkehrsportal durchaus rege diskutierte Themen. Angesichts der so genannten „2 mal 26“-Regelung war mein Eindruck bislang, dass es dort durchaus häufig die richtigen getroffen hat, die auch sonst nicht unbedingt mit einem besonders rücksichtsvollen und regelkonformen Fahrstil aufgefallen sein dürften. Bei der neuen Regelung kann ich mir vorstellen, dass es auch mich mal erwischen könnte, der eigentlich penibel jedes Tempolimit penibel einhält und sich in 14 Jahren immerhin nur einmal fotografieren ließ.

  • Ich weiß ziemlich genau, wie weit mein Tacho voreilt. In manchen Autos ist es fast nichts (keine Ahnung, wo die 4km/h herkommen), in manchen viel.

    Die 4km/h kommen, wie soll es anders sein, aus einer Vorschrift, an die sich die Fahrzeughersteller halten müssen, wenn Sie eine ABE für Ihr Fahrzeug bekommen wollen in Europa. (Sehr) Früher stand das auch mal in der StVZO, ist aber nicht mehr nötig. Da steht inzwischen nur noch der Hinweis auf EWG-Vorschriften.

    Die Geschwindigkeitsanzeige im KFZ wird über die 75/443/EWG definiert.

    Sinn und Zweck der 4km/h ist, dass ein KFZ nie zu wenig Geschwindigkeit anzeigt. die 10% oben drauf sind unter anderem weil Hersteller verschiedene Reifengrößen zulassen auf einem Fahrzeugtyp, deren Abrollumfang unterschiedlich ist.

  • Für mich ist das ganze ein Problem der seltenen Kontrollen: Wir erhöhen die Strafen immer weiter, kontrollieren immer seltener und die, die es erwischt, fühlen sich dann benachteiligt.

    Wenn ich die Wahl hätte, wäre ich für mehr Kontrollen statt höheren Strafen. Stehen mehr Kontrollen nicht zur Debatte, bin ich für höhere Strafen.

    Soll man dafür ein Fahrverbot bekommen, wenn man vorher 51 km/h gefahren ist?

    51 km/h kosten in der Schweiz innerorts 37 Euro. Du wolltest also (in dem Beispiel) nur eine kleine Owi begehen, hast aber versehentlich eine große begangen? Blöd gelaufen. Mein Mitleid hält sich in Grenzen.

    Wie seht ihr das denn generell, wenn man nicht geblitzt wird, sondern ein Unfall passiert und ein Gutachter die Geschwindigkeit feststellt? Ist die Strafe dann ebenfalls ungerechtfertigt?

  • Beitrag von Yeti (27. April 2020 um 14:03)

    Dieser Beitrag wurde vom Autor gelöscht (27. April 2020 um 14:07).
  • Wenn das das Problem ist, muss man die Gelbphase auf 4s verlängern. Daher schrieb ich auch "ausreichend lange Gelbphase". Unter ausreichend lang verstehe ich, dass man entweder:

    - beim Umschalten von grün auf gelb noch rechtzeitig zum Stehen kommt, ohne eine Vollbremsung zu machen, oder

    - wenn das nicht möglich ist, die Ampel noch nicht auf rot umgesprungen ist, wenn man in die Kreuzung einfährt.

    Das grundsätzliche Problem ist doch aber eigentlich gar nicht, wie lang die Gelbphase ist, sondern dass die meisten Leute bei gelb nicht bremsen sondern Gas geben. Und das liegt genau wie bei den Geschwindigkeitsbeschränkungen daran, dass die Leute immer eine "Toleranz" mit einplanen. Und zwar keine Messtoleranz, sondern dass ihr Verstoß toleriert wird.

    Wie viele Autofahrer kennen diese Regel?

    Zitat

    Gelb ordnet an: „Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten."

    Wer hat hierfür schonmal 10,- EUR bezahlt?

    Zitat

    Sie missachteten das Gelblicht der Lichtzeichenanlage, obwohl Sie gefahrlos hätten anhalten können

    In anderen Ländern gibt es ja auch grün-gelb, kurz bevor die Ampel gelb zeigt. Das bedeutet: Gleich zeigt die Ampel gelb und dann musst du anhalten.

    Wenn der ADAC die Erhöhung der Bußgelder nun als "praxisfremd" bezeichnet, hat er ja insofern recht, dass es nicht die gelebte Praxis ist, dass das geltende Recht auch angewandt wird. Und dann muss man sich auch nicht darüber wundern, dass sich die Leute ihre eigenen Regeln machen.

  • Und das Getöse im Rückspiegel ist für viele Verkehrsteilnehmer dann doch ein Grund, lieber etwas schneller zu fahren.

    Oder noch etwas langsamer. Je nach Mindset :evil:


    Auf der Autobahn ist je nach Verkehrslage 130 kein besonders angenehmes Tempo,

    Das sehe ich anders. Ich fahre sehr selten schneller als 130, eher Dauerstrich 120 und finde das keineswegs beschwerlich.

    Aber innerorts mit 40 Kilometern pro Stunde zu fahren halte ich für ein Manöver, für das unsere autozentrierte Gesellschaft noch nicht bereit ist.

    Niemand sagt, dass es einfach ist.

    Unter den momentanen Umständen jedoch wird man nach meiner Einschätzung ein ganz schön dickes Fell benötigen, um das ständige Gehupe und Gemaule des nachfolgenden Kraftverkehrs auszublenden.

    Hab ich 8)


    Aber jetzt einmal sehr ernsthaft: wir sind uns doch einig, dass man den Motorisierten ein Mehr an Aufmerksamkeit und Achtsamkeit abverlangen kann und sollte, oder?

    Das Verhalten richtet sich nach den Regeln. Nicht umgekehrt. Wenn man also möchte, dass "die KfZler" (zu denen ich mich selbst ja auch zähle) sich an die Regeln halten, dann muss man die Grenzen des Fehlverhaltens klar umreißen. Die Folgen der Übertretung müssen doch so gestaltet sein, dass jeder einzelne sich gut überlegt, ob man eine Übertretung riskiert.

    Und falls es mich selber mal "erwischen*" sollte: dann habe ich einen Fehler gemacht und zahle den Preis. Aus Schaden wird man klug.

    erwischen* = vom kleinen Teufel des unabwendbaren Schicksals durch boshaften Zufall ausgewählt und nicht etwa "hab gepennt/war mir rille/hattes eilig/mirdochegal/Abzocke!/dochnichthierandieserStellekönntihrnichtvorderSchuleblitzen/hierfahrenallefuffzigodersiebzig"?

  • Aber jetzt einmal sehr ernsthaft: wir sind uns doch einig, dass man den Motorisierten ein Mehr an Aufmerksamkeit und Achtsamkeit abverlangen kann und sollte, oder?


    Das Verhalten richtet sich nach den Regeln. Nicht umgekehrt. Wenn man also möchte, dass "die KfZler" (zu denen ich mich selbst ja auch zähle) sich an die Regeln halten, dann muss man die Grenzen des Fehlverhaltens klar umreißen. Die Folgen der Übertretung müssen doch so gestaltet sein, dass jeder einzelne sich gut überlegt, ob man eine Übertretung riskiert.


    Und falls es mich selber mal "erwischen*" sollte: dann habe ich einen Fehler gemacht und zahle den Preis. Aus Schaden wird man klug.

    Das ist alles richtig.

    Es ging mir gestern eigentlich nur um eine einzige Konstellation: Es ist Tempo 50 erlaubt, Zeichen 274-30 steht irgendwo an der Seite und aus irgendeinem Grunde „übersieht“ man dieses Zeichen einmal. Das passiert den Besten — ich denke, ich kann durchaus glaubwürdig behaupten, ein sehr regelkonformer Verkehrsteilnehmer zu sein, wer mal das Vergnügen hatte, mit mir Auto oder Fahrrad zu fahren, wird das bestimmt bestätigen können.

    Wenn ich aber tatsächlich dieses eine Zeichen 274-30 „übersehe“, weil ich ortsunkundig bin und ein Lkw davor parkte oder weil ich abgelenkt war oder was auch immer, dann gehe ich plötzlich einen Monat zu Fuß, auch wenn meine Geschwindigkeitsübertretung allenfalls mit einer abstrakten Gefährdung eventueller anderer Verkehrsteilnehmer einherging.

    Ich muss zugeben, dass ich die Tachovoreilung und die Messtoleranz nicht bedacht hatte, als ich den Eingangsbeitrag schrieb, man wird also mehr als nur 51 Sachen auf dem Tacho haben müssen, um einen Monat zu Fuß zu gehen.

    Und es ist quasi mein reines Bauchgefühl, das sagt: In dieser Konstellation ist ein Fahrverbot eine recht drastische Maßnahme. Mir wäre ein Monat zu Fuß relativ egal, ich komme mit Bahn und Fahrrad ganz gut überall hin, aber ich habe auch Arbeitskollegen, die irgendwo in der Provinz wohnen, in der der Bus alle zwei Stunden kommt und der nächste Bahnhof zehn oder mehr Kilometer weit entfernt ist. Klar, selbst schuld wer so weit außerhalb wohnt und in der Großstadt arbeitet, selbst schuld, wer kein (E-)Fahrrad hat, aber es gibt eben Menschen, für die das nicht ganz so easy ist.

    Niemand sagt, dass es einfach ist.

    Ich sehe das ähnlich wie das berühmte Radfahren „trotz Radweg mitten auf der Straße“: Solange ich der einzige bin, der das praktiziert, bekomme ich den ganzen Hass ab und verliere schnell die Lust oder sogar ein Bein, weil mich jemand vorsätzlich anfährt. Wenn ich als einziger mit 40 oder 30 Kilometer pro Stunde fahre, wo eigentlich 50 erlaubt sind, bin ich mir sehr sicher, nach wenigen Wochen an jemanden zu geraten, der mir dafür eine reinhauen möchte.

    Das sehe ich anders. Ich fahre sehr selten schneller als 130, eher Dauerstrich 120 und finde das keineswegs beschwerlich.

    Wie gesagt: Es kommt auf die Strecke an. Als ich letztes Jahr im August das zweifelhafte Vergnügen hatte, mit dem Auto von Kiel nach Frankfurt zu fahren, fand ich mich mit meinem Wunschtempo 120 auf keinem der drei Fahrstreifen so richtig wohl. Im Juni war es auf der A20 mit Tempo 120 allerdings sehr entspannt.

  • Oder noch etwas langsamer. Je nach Mindset :evil:

    Natürlich nur aus Sicherheitsgründen - zu geringer Abstand führt zu gefährlichen Situationen und kann nur durch die Verringerung des Bremswegs durch Verringerung der eigenen Geschwindigkeit kompensiert werden. Mitdenken für den Hintermann sozusagen! :saint:

    Auf der Autobahn ist je nach Verkehrslage 130 kein besonders angenehmes Tempo, weil man damit deutlich schneller ist als die Lastkraftwagen auf dem rechten Fahrstreifen, sich aber mehr oder weniger schnell Stress mit so genannten kultivierten Schnellfahrern anlegt, die dann mit Fernlicht den Kofferraum ausleuchten.

    Eventuell existiert dieser Stress auch nur in deinem Kopf? Gerade diese "kultivierten Schnellfahrer" haben Fahrzeuge mit ausgezeichneten Bremsen und scheuen Unfälle aufgrund der hohen Kosten besonders - sie werden es also tunlichst vermeiden, dir hinten reinzufahren. Solange du sie also nicht mit dem linken Kotflügel aufgabelst und wenigstens 100 km/h beim Überholen von LKWs fährst, kannst du dich entspannt zurücklehnen. Wenn sie dich freundlich mit der Lichthupe grüßen, haben sie dich gesehen, das ist schonmal prima - wenn sie es aber übertreiben, einfach Rückspiegel umklappen, linker/rechter Außenspiegel reicht vom Gesetz her aus.

    Es gibt kein Recht auf Schnellfahren auf der AB, wenn du überholst, dann überholst du. Ein Überholvorgang darf pro Fahrzeug 45 Sekunden dauern, und in eine seitliche rechte Lücke musst du nur reinfahren, wenn du absehbar innerhalb von 30 Sekunden nicht auf ein weiteres Fahrzeug stoßen wirst. Wichtig ist nur rechtzeitiges Blinken, damit die hinter dir auf die dritte Spur wechseln oder ausrollen oder bremsen können und nicht überrascht werden.

    Und es ist quasi mein reines Bauchgefühl, das sagt: In dieser Konstellation ist ein Fahrverbot eine recht drastische Maßnahme. Mir wäre ein Monat zu Fuß relativ egal, ich komme mit Bahn und Fahrrad ganz gut überall hin, aber ich habe auch Arbeitskollegen, die irgendwo in der Provinz wohnen, in der der Bus alle zwei Stunden kommt und der nächste Bahnhof zehn oder mehr Kilometer weit entfernt ist. Klar, selbst schuld wer so weit außerhalb wohnt und in der Großstadt arbeitet, selbst schuld, wer kein (E-)Fahrrad hat, aber es gibt eben Menschen, für die das nicht ganz so easy ist.

    Das muss man wahrscheinlich abwarten, ob das sich in echt dann wirklich so durchschlagen wird. Irgendwie glaube ich nicht, dass es massig Fahrverbote hageln wird plötzlich.

  • Uff. Der Autoclub „Mobil in Deutschland“ hat bei OpenPetition eine Petition eröffnet, die mittlerweile über 100.000 Mitzeichner hat: FÜHRERSCHEIN-FALLE DER #STVO-NOVELLE RÜCKGÄNGIG MACHEN

    Nun muss sich der Petitionsausschuss des Bundestages nicht mit OpenPetitionen auseinandersetzen, aber eine gewisse Öffentlichkeitswirkung hat „Mobil in Deutschland“ wohl schon erreicht: “Führerscheinfalle”: Tausende schließen sich Petition gegen neuen Bußgeldkatalog an

    Dass es in den Kommentaren dazu von Argumentationen wimmelt, die meiner eigenen aus dem Eingangsbeitrag ganz ähnlich klingen, finde ich dann doch ein bisschen gruselig.

  • Kurz und bündig:

    Wer als Kfz-Führer seinen Tacho nicht im Blick und seine Geschwindigkeit nicht unter Kontrolle hat, muss eben mal einen Monat zu Fuß gehen. Ich wäre sogar dafür, die Wahlmöglichkeit, wann das stattfindet, abzuschaffen.

  • "Nebenan" im VP aufgetaucht:

    Man hat wieder einen Fehler beim Zitiergebot gefunden wie schon bei der Schilderwaldnovelle ...

    *seufz* Praktikanten im Verkehrsmysterium?

    Es gibt ja einen Foristen, der »Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.« als seinen Leitspruch publiziert. Ich hingegen würde den Herrschaften im Scheuerministerium alles zutrauen.

  • Ich hingegen würde den Herrschaften im Scheuerministerium alles zutrauen.

    Einen dokumentierten Prozess "So schreibe ich ein formal korrektes Gesetz." gibt es offenbar nicht, sonst hätte man anhand einer Checkliste sehen können, dass da was fehlt, und irgendwem wäre es dann früher aufgefallen. Also bleibe ich bei meiner Dummheitsvermutung.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.