Rotlichtverstoß: Rechtsbeschwerde beim OLG Hamburg

  • Wie sollen Rad fahrende so weit verlangsamen ohne gegen das Gebot sich eindeutig und berechenbar zu verhalten zu verstoßen?

    Anhalten und erstmal den Verkehr durchlassen. Das ist doch genau das, was immer wieder gefordert wird. EInfach mal auf die eigene Vorfahrt verzichten, aus Sicherheitsgründen.

    wie sollen sich Rad fahrende vergewissern, dass sie nicht übersehen werden und gleichzeitig den Signalgeber im Auge behalten?

    Hat sich damit erledigt.

    Könnten PKW Fahrer welche abbiegen wollen das langsame vor ihnen durch fahren als Provokation missverstehen?

    Wenn sich der Verkehr darauf verlassen kann, dass Radfahrer anhalten, ist auch das Problem erledigt.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Die Anwesenheit Radfahrender ist doch per se eine Provokation, nicht?

    „Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ (Reichsverkehrsministerium, 1934)

  • Die Anwesenheit Radfahrender ist doch per se eine Provokation, nicht?

    Naja, die Anwesenheit nicht, im Verhalten hatten insbesondere das AG Hamburg und die Hamburger Polizei schon mehrfach Provokationen erkannt. Der Vorwurf der Provokation wird auch im Strafverfahren immer wieder von der gegnerischen Seite angeführt, wenn es Straftaten zu rechtfertigen gilt, etwa das Abdrängen von Radfahrern wegen des so genannten Fahrens „trotz Radweg mitten auf der Straße“. Da hieß es dann schon ein paar Mal, wenn Radfahrer nicht den tollen Radweg an der Seite nutzen, dann täten sie das in der Regel zur Provokation des Kraftverkehrs.

    Ich hätte da aber dann doch so langsam eine Bitte:

    Wir haben nun alle unser Unverständnis gegenüber diesem Urteil kundgetan und ich glaube, es haben mittlerweile alle begriffen, dass Schrittgeschwindigkeit vor grünen Ampeln im Sinne der Verkehrssicherheit nicht angesagt ist. Wenn wir diesen Thread für die Nachwelt und insbesondere für die Dokumentation des weiteren Verfahrens von allzu polemischen Beiträgen freihalten könnten (und ja, ich weiß, das fällt mitunter schwer), wäre das ganz prima :)

  • Den Gleichheitssatz sehe ich hier aber nicht anwendbar, weil der Fahrbahnverkehr ja in der Regel eine Gelbphase bekommt, der Radverkehr aber nicht.

    auf Bahnübergänge bei denen üblicherweise bloß ein blinkendes Rotlicht im Andreaskreuz montiert ist, darf dann nurnoch mit maximal Schrittgeschwindigkeit zugefahren werden. Egal wie häufig ein Zug kommt...

  • Das gilt für Bahnübergänge doch ohnehin, oder nicht?

    So habe ich es 1990 jedenfalls einmal gelernt ...

    „Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ (Reichsverkehrsministerium, 1934)

  • "Der Straßenverkehr darf sich solchen Bahnübergängen nur mit mäßiger Geschwindigkeit nähern." ist festgelegt. Das gilt dann für alle Verkehrsteilnehmer und ist in Ordnung.

    Außer natürlich dass "mäßig" für verschiedene Verkehrsarten verschieden definiert wird. KFZ 50 km/h, Rad 3 km/h oder sowas.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Vielleicht verstehe ich einfach den Witz hinter so einer förmlichen Zustellung nicht, aber das Urteil habe ich heute auf dem Briefkasten gefunden. Wir waren für vier Tage nicht zu Hause und die Zeit haben diverse Zustelldienste genutzt, um das „Bitte keine Werbung“ beklebten Briefkasten mit Werbung vollzustopfen, so dass die förmliche Zustellung nunmehr auf dem Briefkasten drappiert wurde. Macht ja nichts, ich bin mittlerweile Kummer gewohnt.

    Ich habe den wesentlichen Teil des Urteils mal schnell abgetippt:

    Hmm, ich hatte mir mehr davon versprochen. Rein vom Gefühl her haben wir einen Großteil der Hauptverhandlung auf die Sache mit der zulässigen Geschwindigkeit vor grünen Ampeln zugebracht und dem Kniff mit § 3 Abs. 1 StVO und § 1 Abs. 2 StVO, nun taucht der im Urteil noch nicht einmal auf.

    Mal gucken, ob man damit etwas anfangen kann.

  • Due Urteilsbegründung hätte kaum besser sein können. Nicht ein Wort dazu, dass die Polizisten der Aufffassung waren, Du hättest anhalten können. Und auch kein Wort, dass Deine Geschwindigkeit unangemessen gewesen sein könnte.

    Statt dessen ein Sachverhalt (24 km/h und 4 m), laut dem der Verstoß unvermeidlich war.

  • Die schreiben wirklich »die Alsterglacis«? Schreiben die auch »die Heiligengeistfeld«?

    Okay, zur Sache. Mindestens 24 km/h sind mindestens 6,66 m/s. Bei »mindestens 4 m« warst Du höchstens 5 m von der Ampel entfernt, denn sonst hätten sie »mindestens 5 m« geschrieben. Das bedeutet: Bei 24 km/h und 4 m war die Ampel 0,6 Sekunden lang rot. Bei 24 km/h und 5 m war sie 0,75 Sekunden lang rot. Solltest Du schneller gefahren sein (was sagte nochmal der Tacho?), war die Zeit kürzer. Also: Weit unter einer Sekunde.

    Zum Thema Vollbremsung, Bremsweg usw. hattest Du ja schon geschrieben.

    Dann steht da ein Klopfer drin: »Auf die dortige Lichtzeichenanlage achtete er während der Anfahrt nicht.«

    Wer hat das denn behauptet???

    Außerdem steht kurz danach der logische Widerspruch: »... schaltete die Lichtzeichenanlage auf „rot“, was der Betroffene auch bemerkte.«

    Ja was denn nun?

    Ach ja: »Dennoch überquerte er die Straße.« - Nein, Du überquertest die Fahrbahn. Wenn das Gericht so etwas nicht auseinanderhalten kann ...

    Ich würde in die Stellungnahme die Ergebnisse Deines Selbstversuches reinnehmen: Du hast versucht, so zu fahren, wie die Obrigkeit das wohl haben will, und hast festgestellt, dass dieses erratische Fahren lebensgefährlich ist.

  • Due Urteilsbegründung hätte kaum besser sein können. Nicht ein Wort dazu, dass die Polizisten der Aufffassung waren, Du hättest anhalten können. Und auch kein Wort, dass Deine Geschwindigkeit unangemessen gewesen sein könnte.

    Statt dessen ein Sachverhalt (24 km/h und 4 m), laut dem der Verstoß unvermeidlich war.

    Stimmt, das fiel mir auch auf: nix von »zu schnell«. 24 km/h kann nicht unangemessen sein. Die Autos fahren da legal 50 km/h.

  • Ich spiele jetzt mal Kassandra: Das Problem, das ich sehe, ist, dass die Rechtsbeschwerde nur möglich ist, wenn sie der Rechtsfortbildung dient. So sieht das ganze aber nicht nach einer Grundsatzfrage aus, wie schnell Radfahrer an die Ampel fahren dürfen, sondern nach einem einfachen Fehler im Urteil. Der nicht per Rechtsbeschwerde angreifbar ist.

    Der Rechtsanwalt muss also so argumentieren, dass er die Begründung als unvollständig herausstellt. Es fehlt, warum unter den gegebenen Beobachtungen der Rotlichtverstoß schuldhaft erfolgte. Nach dem Prozessverlauf liegt die Begründung darin, dass das Gericht der Meinung ist, dass Radfahrer nur mit Schrittgeschwindigkeit auf Ampeln zufahren dürfen. Das wiederum wäre zur Rechtsfortbildung angreifbar.

    Zu den generellen Problemen der Rechtsbeschwerde gibt es einen ausführlichen Artikel bei Burhoff

  • Oh, das Gericht hat ihn ja gehört, seine Argumente in Erwägung gezogen, diese aber mit Hinweis auf § 3 (1) Satz 1 StVO verworfen. Der Teil fehlt halt in der Begründung, aber ein fehlender Teil der Begründung ist keine Verletzung des Gehörs.

  • Es wird Fahrlässigkeit vorgeworfen. Und genau da ist das Urteil falsch und hoffentlich angreifbar. Fahrlässigkeit bedeutet immer Fehlverhalten. Malte hat sich aber nicht falsch verhalten.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Noch ein Gedanke:

    Warum schreibt die Richterin eigentlich "mindestens 24 km/h" in den Sachverhalt?

    Das hat mich überrascht. Denn der festgestellte Sachverhalt ist ja die Basis für die juristische Beurteilung des Verhaltens.

    Und sobald man den Anhalteweg in Betracht zieht, verhindert die Aussage "mindestens 24 km/h" sofort jegliche Verurteilung. Denn aus dem Sachverhalt muss sich klar die Schuld des Verkehrsteilnehmers folgern lassen. Aus "mindestens 24 km/h" ergibt sich aber kein maximaler Anhalteweg. Denn nach der Formulierung hätten es ja auch 30 oder 35 km/h sein können. Und dementsprechend spielt es für sie offensichtlich keine Rolle, ob Anhalten objektiv noch möglich gewesen wäre.

    Wenn der Anhalteweg bei ihren Überlegungen eine Rolle gespielt hätte, hätte sie "maximal 24 km/h" schreiben müssen.

    Statt dessen schreibt sie "mindestens 24 km/h" um deutlich zu machen, dass sie die Geschwindigkeit als fahrlässig hoch betrachtet und die Fahrlässigkeit alleine darauf begründet: 24 km/h oder gar mehr sind ihrer Ansicht nach im Kreuzungsbereich einfach zu schnell. Fertig. Der faktisch nötige Anhalteweg spielt für sie überhaupt keine Rolle.

    Da hättest Du auch die "Fortentwicklung der Rechtsprechung": Das übergeordnete Gericht soll bitte eindeutig feststellen, dass der Anhalteweg berücksichtigt werden muss.

    Wenn es so ein Urteil schon gibt, hast Du leider Pech gehabt...

    Ganz nebenbei: Aus 24 km/h beträgt der Anhalteweg über 10 Meter.