Hamburg - Unfälle mit Radfahrern

  • Morgen findet am Amtsgericht Wandsbek die Hauptverhandlung zu diesem Unfall statt

    Sind das wirklich 19 Monate zwischen Unfall und Verhandlung? Bei einer Angelegenheit, bei der es - grob geschätzt - keinerlei Ermittlungsaufwand gibt?

    Was macht die Justiz dann bei komplizierten Dingen?

  • Eher denkbar ist, dass das Kind bereits auf der Fahrbahn fuhr und der LKW dieses dann dort überholte. Entspricht mehr der Lebensrealität. Und zu frühes Einscheren bei langem LKW ist ein Klassiker.

    Angeblich sind alle gleichzeitig bei grüner Ampel angefahren. Meiner "Lebensrealtität" entspricht, dass der Punkt, an dem das Heck des anfahrenden LKW auf gleiche Höhe mit dem anfahrenden Kind kommt, im Bereich 0-20 Meter hinter der eigentlichen Kreuzungsfläche (und damit der markierten Radfurt) liegen dürfte. Also (nachrangiges) "Einfahren in die Fahrbahn".

  • Es gab sechs Monate auf Bewährung: Tote Radfahrerin: Lkw-Fahrer verurteilt

    Die Fahrererlaubnis bleibt nach meiner Kenntnis unberührt.

    Und die Drunterkommentare kann man sich mal wieder schenken:

    Sind das wirklich 19 Monate zwischen Unfall und Verhandlung? Bei einer Angelegenheit, bei der es - grob geschätzt - keinerlei Ermittlungsaufwand gibt?


    Was macht die Justiz dann bei komplizierten Dingen?

    Naja, Ermittlungsaufwand gibt es durchaus. Manchmal wird noch ein Gutachter bestellt, dann ist alles fertig und wird häufig direkt mit einem Strafbefehl abgehandelt. Gegen den legt der Beschuldigte dann Einspruch ein („die Radfahrerin war im Toten Winkel, ich bin unschuldig“), schon dauert’s mindestens ein halbes Jahr länger, bis Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidigung einen gemeinsamen Termin finden. Das kann manchmal auch gut zwei oder drei Jahre dauern.

  • Es gab sechs Monate auf Bewährung: Tote Radfahrerin: Lkw-Fahrer verurteilt


    Die Fahrererlaubnis bleibt nach meiner Kenntnis unberührt.


    Und die Drunterkommentare kann man sich mal wieder schenken:

    DIE WeLT hat einen ausführlicheren Artikel über die Gerichtsverhandlung veröffentlicht, der natürlich Springer-typisch nicht ohne die Frage des Kulturkampfes und Krieges auf der Straße auskommt: Unglück zeigt Kulturkampf auf Hamburgs Straßen

  • Bei der Critical Mass Ottensen hat jemand noch mal erklärt, wie das abgelaufen ist.

    Der Lastkraftwagen-Fahrer wollte nach rechts in die Ritterstraße abbiegen und hat auf der Fahrradfurt angehalten, um bevorrechtigte Fußgänger queren zu lassen. Die im weiteren Verlauf getötete Radfahrerin wollte offenbar ebenfalls queren und wollte vorne um das Führerhaus des stehenden LKWs herumfahren (umgangssprachlich laut einem Zeugen: „Vor einem abbiegenden LKW vorbeidrängeln“). Der Lastkraftwagen-Fahrer habe offenbar seine Spiegel kontrolliert, die Radfahrerin dort aber nicht sehen können und schließlich überrollt.

    Ein Abbiegeassistent hätte nach Meinung des Gerichtes in diesem Falle nicht geholfen. Ich bin da tatsächlich etwas unschlüssig: Mit diesen Sensoren, mit denen momentan jeder bessere PKW ausgestattet ist, hätte man ja messen können, ob sich jemand direkt vor dem Fahrzeug befindet.

  • Habe neulich mal einen Abfalltransporter vor die Linse bekommen, der mit Glastüren auf der Beifahrerseite ausgestattet ist.

    Auf dem Foto hab ich die Außenspiegel auf der rechten Seite nummeriert.

    Wenn die Radfahrerin vor dem Lastwagen vorbei gegangen ist und dort nicht gestanden hat, dann könnte es sein, dass sie in Spiegel 4 noch nicht zu sehen war, als der Fahrer dort reinschaute, weil der möglicherweise inzwischen schon andere Spiegel kontrollierte.

    Wie macht das so ein LKW-Fahrer eigentlich? Welche Spiegel kontrolliert er denn beim Rechtsabbiegen als ersten und welchen als letzten? Und hätte es vielleicht der Radfahrerin das Leben gerettet, wenn eine Glastür auf der rechten Seite eingebaut gewesen wäre, wie bei diesem Abfalltransporter?

    Es kommt mir auch so vor, dass bei diesem Abfalltransporter der Fahrersitz tiefer gelegen ist als bei anderen LKW. Warum sind nicht bei allen LKW die Fahrersitze deutrlich tiefer gelegen?

  • Warum sind nicht bei allen LKW die Fahrersitze deutrlich tiefer gelegen?

    Weil da der Motor ist. Und der ist bei schweren LKW größer als bei diesen Müllwagen.

    Außerdem gehen die Hersteller wohl davon aus, dass die LKW-Fahrer über PKW und SUV hinweggucken wollen.

  • "Die städtischen Abfallbetriebe in Stuttgart schicken ihre Mitarbeiter mit 302 PS starken Mercedes Econic auf die Straße." Der hannoversche Müllwagen scheint mir vom selben Typ zu sein, wie die in dem verlinkten Spiegel-online Artikel aus dem das Zitat stammt: http://www.spiegel.de/auto/aktuell/m…-a-1139746.html

    Kann sein, dass es noch schwere LKW mit noch mehr PS gibt. Aber auch dann ist es möglich, die Fahrerkabine so zu konstruieren wie bei dem Abfall-Transporter auf meinem Foto. Ob man damit über ein SUV hinweggucken kann, das weiß ich nicht. (Diese "Stadtpanzer" werden ja auch von Tag zu Tag größer.) Aber muss man das können als LKW-Fahrer?

  • Kein LKW hat mehr einen „toten Winkel“*
    Die Berufsgenossenschaft Verkehr gibt eine Unterweisungskarte „Spiegel einstellen“ heraus. Sie verleiht auch Spiegeleinstellplanen.

    Rechts hat jeder LKW 4 Spiegel, in denen man gleichzeitig den Dackel, der ans Vorderrad pinkelt, das Kind, dass das vordere Kennzeichen abschraubt und den Typen, der die Plane aufschlitzt, gleichzeitig sehen kann.

    Inzwischen kann sich jeder Spediteur eine Bauanleitung für diese Plane bestellen.
    Das Einstellen von Sitz und Spiegeln dauert halt 15min. Und: Wieviel Spiegel kann ein Mensch gleichzeitig beachten?

    Gruß

    Christoph

    *den haben nur die Kleintransporter, was die Situation bei fortschreitender „Amazon-isierung“ des Lieferverkehrs wieder verschlimmern wird

    "I've noticed that the majority of traffic 'safety' campaigns seem to focus on everything except the bull in the china shop - the automobile." copenhagenize.com

  • Weil da der Motor ist. Und der ist bei schweren LKW größer als bei diesen Müllwagen.

    Außerdem gehen die Hersteller wohl davon aus, dass die LKW-Fahrer über PKW und SUV hinweggucken wollen.

    Ich habe mir auch schon die gleiche Frage gestellt wie Ullie . Der Motor ist nur indirekt das Problem. Grundsätzlich gibt es für jeden Anwendungsfall auch diese "Kommunalkabine" zu kaufen (mit Ausnahme von geländegängigen Bau-LKW). Die niedrigere Lage des Führerhauses erreicht man, weil man die Kabine vor dem Motor platziert. Dadurch wird der LKW länger. Bei gleicher Ladefläche. Aus diesem Grund sind auch die sog. "Hauber" fast alle aus dem Geschäft verschwunden.

  • Hallo Christoph S,

    dass LKW keinen toten Winkel mehr haben, hält allerdings viele nicht davon ab, weiterhin diesen Eindruck zu erwecken.

    Siehe zum Beispiel dieses Zitat aus der Neuen Presse Hannover: "Doch bis Technik Brummifahrer beim Rechtsabbiegen vor Menschen im toten Winkel warnt, leben vor allem Radfahrer gefährlich."

    NP vom 14.6.18, "So beugen Radler Abbiege-Unfälle vor"

    http://www.neuepresse.de/Mehr/Auto-Verk…ge-Unfaelle-vor

    Warum eigentlich wird immer wieder diese "Tote Winkel" thematisiert?

    a) Du nennst ja die Kleintransporter, die tatsächlich anders als die echten LKW einen toten Winkel haben. Eigentlich müsste man sich doch dann vor denen besonders in Acht nehmen. Soll hier eigentlich das Problem Kleintransporter haben einen Toten Winkel thematisert werden?

    b) Vorsicht ist immer besser als Überfahren zu werden, mögen diejenigen denken, die so was wie das Zitierte schreiben. Sie könnten ja auch schreiben: Vor rechts abbiegenden LKW braucht niemand Angst zu haben, der auf Geradeausfahrt oder beim Geradausgehen eine einmündende Straße oder eine Ein-/Ausfahrt überquert, denn der LKW-Fahrer verfügt über ausreichend Spiegel, so dass er in jedem Fall den vorrangberechtigten Geradausverkehr erkennt. Das erscheint jedoch manchen Autoren zu riskant. Das verhält sich so ähnlich wie die Sache mit dem Helm tragen. Da ist auch nur selten zu lesen: Es gibt keine Helmtragepflicht. Und das Fahrrad ist auch kein Verkehrsmittel, dass das Tragen eines Helms sinnvoll erscheinen lässt.

    c) Mein Eindruck ist jedoch, dass diese Botschaft hinter der "Legende vom Toten Winkel" steckt: "Radfahrer kapiert's endlich: Ihr habt auf der Straße gar nichts zu melden, also verkrümelt euch gefälligst und wagt es bloß nicht dreist zu werden, dann (ver-)endet ihr nämlich im "Toten Winkel".

    Diese ganze Diskussion erinnert mich ein wenig an die Aufregung um die Einführung des Zebrastreifens vor rund 60 bis 70 Jahren. Lange Zeit war nämlich unklar, ob der Zebrastreifen bedeutet, dass ein Fußgänger, der vorhat die Straße auf dem Zebrastreifen zu überqueren, Vorrang genießt vor einem Autofahrer, der entsprechend am Zebrastreifen warten muss. Die Autofahrerlobby und viele Fahrer betrachteten nämlich lange Zeit den Zebrastreifen mehr oder weniger als "netten" aber unverbindlichen Hinweis, dass man vor einem solchen ja auch vielleicht mal warten könne wenn man es gerade mal nicht soooo eilig hatte und wenn sich abzeichnete, dass da ein Fußgänger die Straße überqueren möchte.

    "Die Situation besserte sich erst am 1. Juni 1964, als der Vorrang für Fußgänger eingeführt wurde, die "Lex Zebra". Besondere Rücksicht zu nehmen und nötigenfalls zu halten wurde Pflicht." aus: Welt vom 30.7.2012 https://www.welt.de/kultur/history…erkehr-kam.html

    Wie die Autowahn-fixierte Medienwelt damals darüber dachte, zeigt dieses Zitat aus dem Spiegel vom 10.6.1964, in dem nicht mit Kritik gespart wurde an dem Gesetz, das klar regelte, dass der Fußgänger Vorrang hat am Zebrastreifen. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46173825.html : "Ein Heilbronner Bürger marschierte direkt vor einen heranfahrenden Omnibus, zwang ihn zum Halten und schrie den Fahrer an: "Ab heute dürfen wir!" Und im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel vergnügten sich Jugendliche damit, über Zebrastreifen hin und her zu spazieren und den Autoverkehr zum Stocken zu bringen." (Das wiederum erinnert ein wenig an die Rüpelradler-Kampagne des ehemaligen CSU-Verkehrsministers. Nur dass es damals "Rüpelfußgänger" waren, die in Verruf gebracht werden sollten.)

    Verhält es sich mit den heutigen Hinweisen aus der autogewogenen Presse und dem ADAC ebenso, wenn vor dem "Toten Winkel" gewarnt wird, den es eigentlich gar nicht gibt? Sollen damit ganz einfach Fehler beim Rechtsabbiegen vertuscht und der Straßenraum uneingeschränkt für den MIV reklamiert werden? Und werden wir es noch erleben, dass sich diese Haltung noch dahingehend ändert, dass man ähnlich wie heute beim Zebrastreifen darauf hinweist, dass der Verkehr unbedingt im Auge zu behalten ist, aber auch dass die Vorrangsituation klar ist? Dann wäre es allerdings an der Zeit, den "Toten Winkel" endlich dort abzulegen, wo er dem Namen nach hingehört. Auf den Freidhof:

  • Verhält es sich mit den heutigen Hinweisen aus der autogewogenen Presse und dem ADAC ebenso, wenn vor dem "Toten Winkel" gewarnt wird, den es eigentlich gar nicht gibt? Sollen damit ganz einfach Fehler beim Rechtsabbiegen vertuscht und der Straßenraum uneingeschränkt für den MIV reklamiert werden?

    Wenn man sich dieses suggestive Bild anschaut, dass wohl aufgrund einer Agenturmeldung von verschiedenen Medien derzeit zur Illustration verwendet wird, könnte man den Eindruck gewinnen, ja. Bezeichnenderweise wird dabei "lautstark verschwiegen", dass es den Rechtsabbieger-Konflikt nur dann gibt, wenn der Radfahrer vorher eine separate Radverkehrsanlage benutzt (oder den Gehweg...).

    Beim Betrachten dieses beknackten Bildes fragt man sich auch, wie das mit diesem "Blickkontakt" genau funtkionieren soll, der einem vom Stammtisch immer nach einem Rechtsabbieger-Todesfall als Zaubertrick anempfohlen wird.