Hamburg - Unfälle mit Radfahrern

  • Also: Woran liegt es denn nun, dass Pkw und Lkw-Fahrer beim Rechtsabbiegen Radfahrer ummangeln?


    Möglichkeiten:

    1.) Es handelt sich um russische Auftragskiller, die hier eingesickert sind, um im Auftrag von Putin möglichst viele Radfahrer umzubringen.

    2.) Die grundlegenden Verkehrsregeln sind allgemein nicht bekannt, weil sie entweder in den Fahrschulen nicht gelehrt werden oder weil gar kein Führerschein vorhanden ist.

    3.) Im Zuge der allgemeinen Alterung der Bevölkerung treten vermehrt chronische Nackenschmerzen auf, so dass der Schulterblick nicht mehr möglich ist.

    4.) Es handelt sich um ein Überforderungsphänomen, dass auftritt, weil der Kfz-Fahrer in seinem Blickfeld nach vorn bereits zu viel zu beachten hat.


    Das Ratespiel ist eröffnet.

  • Du unterstellst Vorsatz im Sinne eines kaltblütigen Abwägens vor dem Regelbruch.

    Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. In der Fahrschule bekommt nahezu jeder beigebracht beim Abbiegen einen Schulterblick zu machen. In der Praxis erweist der sich als unnötig, weil die meisten Radfahrer und Fußgänger meistens aufpassen. Laut UDV machen ca. 1/3 aller Autofahrer keinen Schulterblick beim Abbiegen.
    In Köln sind laut Statistik Verstöße beim Abbiegen ein größeres Problem als Geschwindigkeit.

    Unterstellst du den Autofahrern eigentlich bei einer Geschwindigkeit von +5 km/h innerorts ein "kaltblütigen Abwägen vor dem Regelbruch"?

  • Unser Rechtssystem sieht bei drohender Schädigung grundsätzlich eine Mitwirkungspflicht auch des potentiell Geschädigten bei der Abwendung/Minimierung eines Schadens vor.

    Dann frage ich mich, warum Autos keine gummierten Stoßstangen mehr haben. Das würde auch einiges bei der "Abwendung/Minimierung eines Schadens" bewirken.

  • 4.) Es handelt sich um ein Überforderungsphänomen

    Klar ist es ein Überforderungsphänomen. Wenn im wilden Westen täglich tausende durch Tombstone geritten wären, im schnellstmöglichen Galopp, auf Pferden, die das dreifache eines normalen Pferdes wiegen, wär von der Stadt nicht viel übriggeblieben. Hammse nicht gemacht, wir aber machens und glauben, wir könnten das.

  • Davor steht aber außerdem die Pflicht, sich beim Rückwärtsfahren einweisen zu lassen, wenn man den Bereich, in den man einfährt, nicht einsehen kann. Das Eine benennt die Polizei, das Andere nicht. Warum?

    IMO wird die erzieherische Wirkung von Pressemeldungen maßlos überschätzt. Niemand reflektiert beim Tun und Lassen bewusst die Folgen einer Fahrlässigkeit. Vielmehr geht man aus Erfahrung davon aus, dass man wie immer alles ausreichend unter Kontrolle hätte und alles gutgehen wird. Wenn man vorher wüsste, dass man jetzt gerade ausnahmsweise im Begriff ist, sich zu verspekulieren, würde man auch ohne polizeiliche Mahnungen die Fahrlässigkeit einfach bleiben lassen. Das gilt übrigens auch für die Opfer von Fahrlässigkeiten.

    In dem Zusammenhang: die Nennung der ad-hoc-Unfallschuld in der Presse und in polizeilichen Statistiken ist eine nationale Besonderheit in Deutschland. Im Ausland wird das weltweit entweder gar nicht erst systematisch erfasst (die Unfallschuldverteilung wird da nur im Einzelfall im Haftungsprozess vor Gericht festgestellt), oder die Einschätzung der Polizei wird jedenfalls nicht an die große Presse-Glocke gehängt. Da das Unfallrisiko in Deutschland nicht signifikant negativ vom Ausland (zB den NL oder DK) abweicht, kann man davon ausgehen, dass die Art und Weise der deutschen Berichterstattung auch keine (v.a. keine negativ) lenkenden Auswirkungen auf das Unfallrisiko hat.

    2 Mal editiert, zuletzt von Th(oma)s (2. Oktober 2024 um 08:11)

  • Klar ist es ein Überforderungsphänomen. Wenn im wilden Westen täglich tausende durch Tombstone geritten wären, im schnellstmöglichen Galopp, auf Pferden, die das dreifache eines normalen Pferdes wiegen, wär von der Stadt nicht viel übriggeblieben. Hammse nicht gemacht, wir aber machens und glauben, wir könnten das.

    [ ] Du weißt, welche drastischen Folgen der Betrieb des Verkehrsmittels "Pferd" für Reiter, Fußgänger und Anwohner hatte.:evil:

    Pferde im Straßenverkehr

  • IMO wird die erzieherische Wirkung von Pressemeldungen maßlos überschätzt.

    Oder aber du unterschätzt, wie auch solche Meldungen, die ja oftmals von der Lokalpresse wörtlich übernommen werden, dazu beitragen, die Gleichgültigkeit gegenüber den Verkehrsregeln zu normalisieren.

  • Und das Problem gibt es nicht nur in Deutschland z.B auch in Kanada: More than half of drivers don't look for cyclists and pedestrians before turning right, study finds

    Nach dem, was man so aus der dortigen Fahrrad-Bubble hört, ist eher überraschend, dass es fast die Hälfte tut… In Nordamerika kommt ja noch eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber Verkehrsregeln dazu, die durch die Gestaltung der Straßen noch gefördert wird. Mehr USA als Kanada sind dagegen Kommentare in Richtung "wenn ich einen Fußgänger töte, tue ich der Gesellschaft einen Gefallen".

  • Oder aber du unterschätzt, wie auch solche Meldungen, die ja oftmals von der Lokalpresse wörtlich übernommen werden, dazu beitragen, die Gleichgültigkeit gegenüber den Verkehrsregeln zu normalisieren.

    Die Erosion der guten Sitten gegenüber Radfahrern mittels „für-normal-Erklären von Verbrechen“ erfolgt nicht über die Diktion der polizeilichen Unfallberichte, sonder indem ausnahmslos alle Instanzen da draußen (Medien, soziale Medien, NGOs, Rechtsprechung, Ordnungsbehörden, Gesetzgeber) unisono ins „Radfahren ohne Radweg? Wohl waaahnsinnig geworden?“-Horn blasen.

  • Es gibt sicherlich mehrere Ursachen. Aus meiner Sicht ist die Berichterstattung über Unfälle eine davon und diese Berichterstattung beginnt nunmal oftmals mit einer Pressemeldung der Polizei.

  • Wie kannst Du es "sehen", ob jemand wissentlich nicht geschaut hat oder nur so getan hat, als hätte er andere nicht wahrgenommen?


    Nachdem mich das Verkehrsgeschehen in der Regel nicht so beansprucht, dass ich durchaus in der Lage bin meine Umgebung zu scannen, und über ausreichend Sehkraft verfüge, ist das eigentlich nicht schwer.

    Gerade bei Kreuzungen wo der Gegner von rechts kommt, kann man den Lenker:innen ja gut sehen und es ist nicht selten, dass man zuerst kurz angesehen wird und dann konzentriert geradeaus geschaut wird, wenn sich das Auto auf die Radwegfurt schiebt. Manchmal sieht man ja sogar das schirgln ob der Radler doch noch bremst.

    Beim rechtsabbiegen ist es schwerer, aber ich schau schon auch mal in den Außenspiegel, ob ich im Sichtfeld bin. Und eine ganz typische Situation, und ich glaube kaum, dass es hier in einem Radfahrer-Forum noch niemand erlebt hat, ist das Gasgeben kurz vor der Kreuzung oder dem Kreisverkehr um sich schnell noch vorbeizudrücken und dann dabei großzügig zu ignorieren, das ein Radler der geradeaus will, gar nicht bremst, was häufig zu deutlicher Überlappung im Kreuzungsbereich und entsprechend zu Platzkonflikt führt.


    Zitat

    Es gibt zwar ein großes Dunkelfeld, das liegt aber im wesentlichen daran, dass die Radfahrer diese Fälle nicht zur Anzeige bringen. Dann muss man wohl davon ausgehen, dass es nicht so schlimm gewesen sein kann.

    Das Dunkelfeld betrifft ja alle Bereiche und in der Regel liegt es einfach daran dass die Polizei simpel die Arbeit scheut und entsprechend Energie in die Vermeidung reinsteckt, oder spätestens der Staatsanwalt das Verfahren einstellt.

    Nebenbei schmeiß ich manchmal einen Tennisball in die Kreuzung, wenn ich das Gefühl habe, dass ich nicht genug wahrgenommen wurde. Das führt dann nicht selten zu einem deutlichen Nicken von Auto und Insassen. Hab noch keine Umfrage geführt, aber die KFZ-Insassen würden dies wahrscheinlich nicht als "ist ja harmlos und nix passiert" kommentieren. Obwohl es das ist.

  • Nach dem, was man so aus der dortigen Fahrrad-Bubble hört, ist eher überraschend, dass es fast die Hälfte tut… In Nordamerika kommt ja noch eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber Verkehrsregeln dazu, die durch die Gestaltung der Straßen noch gefördert wird. Mehr USA als Kanada sind dagegen Kommentare in Richtung "wenn ich einen Fußgänger töte, tue ich der Gesellschaft einen Gefallen".

    Meine persönliche Erfahrung aus den USA ist das genaue Gegenteil: ich habe als Fußgänger, Autofahrer und auch als Radfahrer noch nirgendwo so tiefenentspannte und fehlerverzeihende Autofahrer erlebt wie dort (New York, Boston, Maine, Montreal, Toronto, San Antonio, Tampa/St. Petersburg, Miami). Die allgemein laxe Einstellung den Verkehrsregeln gegenüber will ich damit nicht bezweifeln, ich halte das aber jedenfalls nicht für eine Spezialität der autofahrenden Verkehrsteilnehmer.

  • Das Dunkelfeld betrifft ja alle Bereiche und in der Regel liegt es einfach daran dass die Polizei simpel die Arbeit scheut und entsprechend Energie in die Vermeidung reinsteckt, oder spätestens der Staatsanwalt das Verfahren einstellt.

    Was du da beschreibst ist nicht das "Dunkelfeld". Dunkelfeld ist nicht, wenn man nach Bekanntwerden eines Ereignisses keinen Täter ermittelt oder ihn zwar ermittelt, aber dann nicht bestraft. Dunkelfeld ist, wenn staatliche Instanzen erst gar nicht informiert werden. Gerade bei Todesfällen ist da aber in Deutschland nicht mit zu rechnen. Bei Verdacht auf nicht-natürlichen Todesfall muss erstens autopsiert werden und zweitens besteht dann Meldepflicht der Krankenhäuser an die Polizei.

    Auch bei Kinderunfällen ist das Dunkelfeld aufgrund der Meldepflicht für Schulwegunfälle äußerst klein. Das gilt dann auch für die Erfassungsquote von Bagatellen.

    Das Dunkelfeld setzt sich also ganz überwiegend aus Unfällen zusammen

    -an denen keine Kinder beteiligt sind

    -an denen keine KFZ beteiligt sind

    -deren Schwere nicht dazu führten, dass jemand ins Krankenhaus kam

    -an denen niemand verstorben ist.

    Umgekehrt gilt, dass Unfälle mit KFZ-Beteiligung und mindestens krankenhauspflichtiger Verletzungsschwere *nicht* der Erfassung entgehen.

  • Das "Dunkelfeld" ist im oben genannten Diskurs wenn etwas passiert ist, aber der Staat keine Lust hatte, etwas zu tun.

    Z. B.: Radfahrer wird aus dem Auto Flasche ins Vorderrad geworfen. Staatsanwaltschaft stellt ein.

    Autofahrer wird beim überholen abgedrängt, fährt etwa 150m durchs Feld. Polizei will keine Anzeige aufnehmen, weil "is ja nix passiert".

    Radler wird angefahren, erklärt selber "ist nix passiert" Parteien trennen sich sozusagen gütlich.

  • Z. B.: Radfahrer wird aus dem Auto Flasche ins Vorderrad geworfen. Staatsanwaltschaft stellt ein.

    Dann ist es "amtsbekannt" geworden und eben kein Dunkelfeld mehr.

    Was die Staatsanwaltschaft einstellt und was nicht, ist ein anderes Thema. Es geht ja in erster Linie überhaupt erstmal darum, dass die staatlichen Stellen ein umfassendes Bild von der Unfalllage bekommen, was zur Zeit gerade bei den Unfällen mit Radfahrerbeteiligung lange nicht der Fall ist.

    Autofahrer wird beim überholen abgedrängt, fährt etwa 150m durchs Feld. Polizei will keine Anzeige aufnehmen, weil "is ja nix passiert".

    Eine Anzeige ist nichts anderes als die Mitteilung eines Ereignisses. Das kannst Du jederzeit auch schriftlich machen, ob die Polizei das will oder nicht. Wie das denn beurteilt wird, ist ein anderes Thema.

    Radler wird angefahren, erklärt selber "ist nix passiert" Parteien trennen sich sozusagen gütlich.

    Tja, wo kein Schaden, da kein Unfall.

  • [Flaschenwurf] Dann ist es "amtsbekannt" geworden und eben kein Dunkelfeld mehr.

    So eine Tat ist jedenfalls auch kein aus Fahrlässigkeit verursachter Verkehrsunfall, der dadurch begünstigt wurde, dass die Medien bei Unfallursachen nicht korrekt Ross und Reiter benennen würden. Das wäre dann schon eher eine Tat, die ihre höhnische Legitimierung erst aus dem unermüdlichen "Radfahren? Viel zu gefääährlich!!!"-Kesseltreiben der Radwegfreunde zieht.

  • So eine Tat ist jedenfalls auch kein aus Fahrlässigkeit verursachter Verkehrsunfall

    Nein, das war ein "hier hast Du nix zu suchen" Vorfall, auf einer Fahrbahn, sogar ohne begleitenden Radweg, bei der ein Autofahrer gemeint hat seine Sichtweise mit einem Wurf einer Felgenreiniger-Flasche zu untermauern.