Ich war heute mit Patrick ein bisschen in den Wallanlagen unterwegs und es war warm und sonnig und laut: Gerade im südlicheren Teil im Bereich des Millerntorplatzes wurde un-ab-lässig gehupt, das habe ich sogar in Hamburg noch nicht erlebt.
Es war nämlich warm und sonnig und die Leute wollten zum Dom und in die Wallanlagen. Die rechten beiden Fahrstreifen in diesem Bild werden von Kraftfahrern genutzt, die sich gleich artig hintereinander auf dem rechten Fahrstreifen einreihen werden, um von dort an den Parkplatz an der Glacischaussee anzusteuern. Von meinem Standort sind es noch etwa 700 Meter bis zur Glacischaussee, der Stau ging aber noch weitere fünfhundert Meter runter bis zum Rödingsmarkt.
1,2 Kilometer Stau sind jetzt nicht so dramatisch, das toppt der Berufsverkehr jeden Tag zwei Mal überall in Hamburg, aber es ist halt so irre: Die Leute sitzen da im Auto und warten darauf, auf den Parkplatz fahren zu können.
Das Freilassen der Kreuzungen klappt natürlich nur sehr mäßig, die Leute sind unablässig am Hupen und kämpfen sich geradezu durch den blockierenden Querverkehr:
Wie gesagt: Ich bin ja einiges gewohnt, aber das war dann doch eine ganz neue Qualität. Es wird permanent gehupt, durchs offene Fenster gebrüllt, ausgestiegen und geschrien, das war wirklich irre. Klar, es ist der erste so richtig warme Tag dieses Jahres, alle wollen irgendwie an die frische Luft, aber für einen Großteil der Menschen führt dieser Weg an die frische Luft nunmal erstmal durchs Auto. Und dann steht man da im Stau, es geht nicht voran, am besten hat man noch den Nachwuchs auf der Rückbank sitzen, der sich auch schon misslaunig über die Gesamtsituation äußert, klar, da liegen die Nerven blank und wenn der Querverkehr die Kreuzung blockiert, dann steigt man eben aus und brüllt sich gegenseitig zusammen. Herrje, und hinten auf der Rückbank sitzen die Kinder und plärren, warum man seit einer Viertelstunde das Riesenrad sehen kann, aber der Wagen nur fünf Meter vorangekommen ist.
Es stellt sich dann allerdings heraus, dass der Parkplatz an der Glacischaussee komplett belegt ist:
Das gefällt natürlich nicht jedem, der warnwestenbewehrte Herr erzählte, er müsse sich Allerhand Unfreundlichkeiten anhören. Klar, er ist hier gerade der erste Ansprechpartner für all jene, die eine halbe Stunde lang für den Parkplatz anstanden und nun feststellen müssen, dass ebenjener Parkplatz wegen Vollbelegung geschlossen wurde. Nun kann man’s entweder am nächsten Parkplatz versuchen, insgesamt gibt’s für den Dom ja drei Stück, oder man schaltet den Motor aus und verschränkt trotzig die Arme.
Warum es nicht mehr Parkplätze gäbe ist eine der freundlicheren Fragen, denen er sich heute stellen darf, viele Kraftfahrer hielten sich hingegen nicht mit Höflichkeiten auf und versuchten sich mit Hilfe ihres Kraftfahrzeuges Zugang zum Parkplatz zu verschaffen. Dreißig Meter von der Kreuzung entfernt bewachten zwei Polizeibeamte im klimatisierten Einsatzfahrzeug die Kreuzung und schauten sich das alles aus ruhiger Distanz an — ich weiß nicht, ich hab den Eindruck, es hätte womöglich geholfen, wenn die Staatsmacht direkt an der Kreuzung präsent gewesen wäre.
Das war alles nämlich nicht so toll, Fußgänger und Radfahrer querten die Kreuzung, während der Verkehr noch innerhalb der Kreuzung feststeckte, der Querverkehr wiederum grünes Licht bekam und die blockierenden Verkehrsteilnehmer mit der Hupe durch die Fußgänger hindurchtrieb:
Naja. Weiter geht’s zum nächsten Parkplatz. Der ist — Überraschung! — voll belegt:
Man kommt hier und da ins Gespräch, wobei ich den Aufmacher ganz beeindruckend fand:
Fahrer 1: „Warum fahren Sie denn nicht weiter? Wir wollen auf den Parkplatz!“
Fahrer 2: „Der Parkplatz ist belegt, steht da.“
Fahrer 1: „Aber wo sollen wir denn parken?“
Fahrer 2: „Ja, keine Ahnung!“
Fahrer 1: „Wir suchen seit einer Stunde einen Parkplatz, alles ist voll! So eine Verarsche!“
Fahrer 2: „Ich steh hier seit ’ner Viertelstunde und es geht nicht voran. Vielleicht ist da hinten noch was frei?“ (deutet auf den Parkplatz auf der anderen Seite des Geländes)
So geht es eine Weile weiter, man regt sich ein bisschen über das Parkplatzangebot auf („Man kann keinen Jahrmarkt machen und keine Parkplätze anbieten“), man regt sich über die Preise auf („Da soll ich 1,50 Euro pro Stunde zahlen, das ist ein Wucher“), man regt sich über „die da oben auf“ („Seit Stunden fahren wir hier rum und wollen nur parken“).
Ich kann mich natürlich nicht mit klugen Ratschlägen zurückhalten, empfehle die fußläufigen Parkhäuser am Michel oder an der Rindermarkthalle oder bringe die Idee ins Gespräch, einfach in der Innenstadt zu parken und mit der U3 zurückzukommen, aber meine Vorschläge stoßen auf wenig Gegenliebe: Das wäre zu kompliziert und zu teuer.
Aha? Beide Parkhäuser dürften jeweils günstiger sein als das Parken direkt am Dom, mutmaßlich wäre man auch schneller auf dem Jahrmarkt als jetzt hier noch lange zu warten, aber okay, es ist halt zu kompliziert. Nun ist man mit dem Auto da und so sehr darauf committed, nun gibt es kein Zurück mehr.
Wohlgemerkt: Die Leute, sie sich hier beschweren, haben allesamt ein Hamburger Kennzeichen. Nun ist mir ja vollkommen klar, dass nicht jeder in den Genuss eines Schnellbahnanschlusses in einem Umkreis von einem Kilometer um seine Wohnung geraten kann und viele Besucher des Doms und der Wallanlagen auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Ich wundere mich eher über die Hartnäckigkeit, mit der man eine gefühlte Ewigkeit im Auto sitzt und mit Engelsgeduld darauf wartet, dass endlich der Parkplatz freigegeben würde. Klar, mit dem Auto kann man am heutigen Sonntag noch mehr erledigen, aber so viel mehr können die Leute ja noch nicht erlebt haben, wenn sie die Zeit finden, um über eine Stunde einen Parkplatz am Dom zu suchen.
Ach, übrigens, ich beschwere mich eigentlich jedes Mal bei PK 15 über dieses „komische Ding“ auf der rechten Seite, a) dessen Zweck mir bislang noch nicht ganz klar wurde, aber b) die Sichtverhältnisse gegenüber den Nutzern des Parkplatzes einengt und c) bei Sturm auch mal auf den Radweg kippt, aber offenbar ist das Teil grundsätzlicher Bedeutung und kann nicht entbehrt werden:
Weiter zu Parkplatz 3?
Äh, ja:
Die Schlange maß etwa dreihundert Meter, die vordersten Kraftfahrer warteten etwa seit 50 Minuten. Das war dem Nachwuchs im Auto natürlich schwer begreiflich zu machen, immerhin war man schon direkt am Dom angekommen, konnte sich aber nicht vergnügen, weil die Eltern noch das Auto wegbringen mussten. Da war die Stimmung sicherlich am Tiefpunkt, da hat die Wartezeit vermutlich nicht zur Besserung beigetragen.
Das, worauf die wartenden Kraftfahrer stehen, ist eigentlich der Fahrstreifen für den Rad- und Busverkehr. Hier langzufahren dürfte mit dem Rad nunmehr lebensgefährlich sein, da die Wahrscheinlichkeit, dass hier plötzlich eine Tür geöffnet wird, relativ groß sein dürfte:
Zurück zur Glacischaussee, eigentlich ist das hier ja das Radverkehrsforum, nicht das Autostauforum, also wollen wir Radfahren und das geht am besten… äh, ja.
Das hier ist das berühmte Zeichen 240 am nördlichen Ende der Glacischaussee. Das Schild tauchte nach meiner Kenntnis im Frühjahr 2016 das erste Mal auf. Beim Aufbau des Jahrmarktes werden in der Glacischaussee die Lastkraftwagen der Schausteller geparkt und teilweise entladen, dann ist die Straße für den Durchgangsverkehr gesperrt. Richtung Norden darf der Radverkehr einen alten Buckelradweg und eine Nebenfahrbahn links im Bild nutzen, in Blickrichtung Süden wird man zum Befahren des Gehweges angehalten. Das Schild pflegte ein flottes Leben, war mal dort und wieder weg, tauchte plötzlich wieder auf und besuchte uns nicht nur zu Zeiten des Doms, sondern auch zwischendurch, wurde dann schließlich liegend gelagert und hin und wieder von betrunkenen Kiez-Besuchern oder von städtischen Mitarbeitern wieder aufgestellt.
Damit wird natürlich erst einmal eines bezweckt: Niemand nimmt dieses Schild ernst, sofern es denn von der Fahrbahn oder vom Radfahrstreifen heraus überhaupt zu erkennen ist.
Und manchmal kann man auch richtig tolle Dinge erleben, wenn während der Fotoaufnahme gerade der komplette Bauzaun auf einer Länge von Dutzenden Metern ob der Windlast herunterkracht. Aber klar, Radwege sind sicher, hahahaha, immerhin wird seit diesem Experiment von einer zusätzlichen Verdeckung der Bauzäune abgesehen, um die Windlast zu reduzieren:
Auch für die Gegenrichtung hat man sich etwas neues überlegt, es soll ja schließlich nicht langweilig werden:
Ich weiß nicht so richtig, was man hier beschildern sollte. War Zeichen 240 gerade nicht zur Hand, um einen gemeinsamen Fuß und Radweg auszuweisen? Zeichen 241, Radfahrer links, Fußgänger rechts hätte man ja auch ohne dieses Schild haben können, steht überdies im Widerspruch zu dem gesperrten Radweg, der ja kurz darauf ein weiteres Mal gesperrt wird:
Aber vielleicht ist das so wie mit dem Autofahren zum Dom: Es geschieht nicht alles aus einem sinnvollen Grund, manche Dinge passieren auch einfach nur deshalb, weil sie schon immer so passiert sind.