Schadet kostenfreier ÖPNV dem Radverkehr - oder ist das förderlich für den Radverkehr?

  • Habe gerade im Radio die Nachricht gehört, dass die Bundesregierung den kostenfreien ÖPNV einführen möchte. Auch Spiegel online berichtet darüber: "Kostenloser öffentlicher Nahverkehr könnte in Deutschland Realität werden, denn die Bundesregierung muss ihre Maßnahmen für saubere Luft in den Städten deutlich ausweiten. Sonst droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Das soll unter anderem mit kostenlosem öffentlichen Nahverkehr verhindert werden." http://www.spiegel.de/auto/aktuell/s…-a-1193251.html

    Was mir natürlich enorm gegen den Strich geht ist die Begründung, die hier angeführt wird, und die einmal mehr zeigt, wie wahnsinnig autofixiert in Deutschland argumentiert wird. Da wird ja nicht etwa erwogen, dass kostenloser ÖPNV zu mehr sozialer Gerechtigkeit beiträgt, weil auch Menschen mit geringem Einkommen leichter mobil sein können. Oder dass es verkehrstechnisch vernünftig und wünschenswert ist, auf ÖPNV und Radverkehr basierende Mobilität an erste Stelle zu setzen. Oder dass kostenfreier ÖPNV dem Umweltschutz dient. Das alles spielt keine Rolle bei der Ankündigung oder bestenfalls eine ganz und gar untergeordnete Nebenrolle. Im Mittelpunkt aller Betrachtung jedoch steht, dass Fahrverbote für PKW verhindert werden. Nur im äußersten Notfall wird das in Betracht gezogen, wobei klar ist, dass es nicht einfach sein wird, diesen "Notfall" festzustellen. Und auch wenn dieser Notfall tatsächlich einmal festgestellt werden sollte, sollen jedenfalls flächendeckende Fahrverbote verhindert werden. In dem entsprechenden Brief der Bundesregierung an die EU-Kommission unterschrieben von den Ministern Barbara Hendricks, Christian Schmidt und Peter Altmaier, heißt es:

    “Wenn nötig, werden wir unsere Städte dabei unterstützen, wirksame Verkehrsbeschränkungen in ausgewiesenen Straßen einzuführen.” Quelle: POLITICO vom 13.2.18 https://www.politico.eu/newsletter/mor…-eigener-sache/

    Dem möchte ich ein Zitat entgegensetzen, das vom Verkehrsdezernenten der Region Hannover, Ulf Birger Franz, stammt und mit dem er Forderungen der Stadt Hannover nach Fahrpreissenkungen im ÖPNV kontert. Dazu muss man wissen, die Region Hannover (das ist die Stadt Hannover und 20 Städte und Gemeinden im Umland) und nicht jede einzelne Kommune unmittelbar selbst, ist für die Organisation und Finanzierung des ÖPNV zuständig.

    „Ich habe nie verstanden, was daran gut fürs Klima sein soll, wenn man die Preise senkt“, sagt Franz in der HAZ vom 8.1.2018 http://www.haz.de/Hannover/Aus-d…r-1-Euro-am-Tag

    Und bezogen auf den Radverkehr stimmt es mich nachdenklich, dass es in dem bereits weiter oben zitierten Spiegel-Artikel heißt:

    "Zwar sinkt die Anzahl der Autos auf den Straßen, während die Auslastung von Bussen und Bahnen steigt. Es steigen jedoch auch Fahrradfahrer, die bereits umweltfreundlich unterwegs sind, auf öffentliche Verkehrsmittel um. (Hervorhebung von mir) Durch die vielen Umsteiger wird eine deutlich höhere Kapazität zu den Stoßzeiten nötig und es kommen zusätzliche Ausgaben auf die Städte zu. So konnte auch die Stadt Tallinn nach dem Anstieg der Fahrgastzahlen die Kapazitäten aus finanziellen Gründen zunächst nicht erhöhen."

    Konkret bezogen auf Hannover: Zurzeit darf zumindest außerhalb der Hauptverkehrszeiten das Rad kostenlos mitgenommen werden in Bussen und Straßenbahnen. In S-Bahnen auch in den Hauptverkehrszeiten, aber dann gegen Bezahlung. Wovon ich gelegentlich auch Gebrauch mache. Aber geht das noch, wenn Busse und Bahnen noch voller werden? Vor allem aber befürchte ich, dass weniger Radfahrer auch bedeuten wird, dass der Ausbau der Radfahrerinfrastruktur damit gebremst wird.

    Ich bezweifle übrigens auch, dass die Anzahl der Autofahrer gesenkt wird durch kostenfreien ÖPNV. Vielleicht anfänglich ein bisschen, langfristig werden die Leerstellen, die sich da möglicherweise auftun, alle wieder zugefahren.

    Schaue ich mir noch mal die Plakate der letzten Kommunalwahl in Niedersachsen an, dann stelle ich fest, dass ausgerechnet die Piraten wohl am ehesten Regierungs-konform agiert haben:


  • Ich finde die Idee gut. Es begünstigt diejenigen, die wenig Geld haben und erleichtert das ausprobieren des ÖPNV. So doof es klingt, aber das Ticket kaufen zu müssen hat zwar geringere Kosten ein als PKW zu nutzen, trotzdem wird es genau anders herum empfunden.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • Für eine Woche Tanken (ca. 20 km einfache Wegstrecke) kostet mich etwa 50 Euro, Bahnfahren mit Tageskarten nur 30. Ich mag Stadtbahn fahren nicht sehr, Auto fahren aber noch weniger, vielleicht ist mir der Kostenunterschied deshalb schon bewusst. Mein Rad hat mich dagegen dieses Jahr nur einmal Aufpumpen gekostet...

  • Habe gerade im Radio die Nachricht gehört, dass die Bundesregierung den kostenfreien ÖPNV einführen möchte.

    Zwischen „die Bundesregierung denke zusammen mit den Ländern und Kommunen über einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr nach.“ und „einführen möchte“ besteht ein signifikanter Unterschied. Laut Politico steht in der „Selbstverpflichtung aller drei alten und womöglich neuen Koalitionsparteien“:

    Freier öffentlicher Nahverkehr: Zusammen mit den Ländern und der kommunalen Ebene erwägen wir, den öffentlichen Nahverkehr gratis anzubieten, um die Zahl der Privatfahrzeuge zu reduzieren.

    … und das ist nur eine der möglichen Maßnahmen. => Abwarten und Tee trinken.

  • Zwischen „die Bundesregierung denke zusammen mit den Ländern und Kommunen über einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr nach.“ und „einführen möchte“ besteht ein signifikanter Unterschied. Laut Politico steht in der „Selbstverpflichtung aller drei alten und womöglich neuen Koalitionsparteien“:

    Ich halte es für einen gewissen Widerspruch, dass man den kostenlosen ÖPNV als Maßnahme gegen schlechte Luft verkaufen will. Nach meiner vorsichtigen Einschätzung ist ein wirklich kostenloser, durch Steuergelder oder anderweitig finanzierter ÖPNV eher eine Sache, mit der eventuell meine Enkelkinder zur Schule fahren sollen. Ich blicke bei diesem ganzen Zuständigkeitswirrwarr beim ÖPNV gar nicht mehr so richtig durch, kann mir aber nicht vorstellen, dass man den einzelnen Verkehrsunternehmen in absehbarer Zeit ein komplett anderes Finanzierungsmodell unterjubelt.

    Mal ganz davon abgesehen, dass eben andere Punkte wie Kapazitätserweiterungen und Taktverdichtungen da drin noch gar nicht berücksichtigt wurden.

  • Für eine Woche Tanken (ca. 20 km einfache Wegstrecke) kostet mich etwa 50 Euro, [...]

    20x2x5 = 200km, oder?

    10l/100km wäre schon recht viel für ein Auto ... selbst mein 15 Jahre alter Kombi braucht weniger. Also 20l Benzin? Da sind aber höchstens 25€ Kosten fürs Tanken drin ...

  • Ich finde die Idee grundsätzlich auch gut. Langfristig denke ich würde das auch den Radfahreranteil in den Städten steigern, wenn man dank weniger Verkehr besser und sicherer vorankommt.

    Viele von denen die von außerhalb kommen fahren mit dem Auto nicht mehr in die Innenstadt, sondern stellen die Kiste am Stadtrand auf P&R Parkplätzen ab und steigen dann in den kostenlosen ÖPNV. Etwas später wird dann das Autofahren in der Stadt immer weiter eingeschränkt, bis es irgendwann mehr Fahrräder als Autos in der Stadt gibt. (Hach etwas träumen wird ja wohl noch erlaubt sein)

  • Ich finde die Idee auch sehr gut und finde es endlich mal wieder eine progressive Idee über die man in 50 Jahren sagen wird - "wie? Das gab es nicht schon immer? Früher mussten Leute für die Busfahrt bezahlen?"

    Auch wenn es ein paar Leute vom Fahrrad in die Bahnen/Busse treibt, die Anzahl der Autofahrer die ihre Karre stehen lassen wird mit sicherheit wesentlich größer sein.

    Die Finanzierung ist sicherlich nicht so einfach aber man wird sich da garantiert etwas "praktikables" einfallen lassen, was dann 2-3 Reformen später auch wirklich praktikabel ist.

  • Zur Ausgangsfrage: Ob kostenloser ÖPNV dem Radverkehr schadet oder hilft hängt ganz von der Ausgestaltung des ÖPNVs und des weiteren Verkehrs ab. Meiner Ansicht nach sollte man eher Ideen formulieren, wie kostenloser ÖPNV mit Verbesserungen für den Radverkehr, Erhöhung des Radverkehrsaufkommens und Verringerung des MIVs einhergehen könnte.

    Ein bloßes Kostenlosmachen wird viele Autofahrer nicht in den ÖPNV treiben. Wenn ich morgens vor der Arbeit ein bis mehrere Kinder in einen Kindergarten bringen müsste und das mit dem Auto machen würde (weil die Strecken fürs Zufußgehen zu weit sind und ich dafür nicht das Fahrrad nehme), würde ich bei dem ÖPNV-Angebot in meiner Umgebung nicht auf den ÖPNV wechseln, weil

    • es keine guten Verbindungen gibt.
    • es zu den "Kitazeiten" so voll ist, dass es immer ungewiss wäre, ob man noch reinkommt (mit Kinderwagen/Buggy). Das ist morgens problematisch, wenn man zu einer festen Zeit auf der Arbeit sein muss und abends, wenn man vor Schließung des Kindergartens bzw. vor Ende der Betreuungszeit wieder zurück sein muss. Das Problem potenziert sich natürlich, wenn man auch noch umsteigen muss.
    • es länger dauert als direkt zu fahren.

    Ich persönlich würde jedenfalls in meiner aktuellen Wohn- und Arbeitssituation für meine Arbeitswegen nicht vom Fahrrad auf den ÖPNV umsteigen. In einer anderen Situation würde ich es auch nicht von den Kosten abhängig machen.

    Ein anderes Problem wäre mit dem kostenlosen ÖPNV auch "gelöst": Schwarzfahrer im Gefängnis und Staat zahlt Millionen für Schwarzfahrer im Knast

  • Die Finanzierung ist sicherlich nicht so einfach aber man wird sich da garantiert etwas "praktikables" einfallen lassen, was dann 2-3 Reformen später auch wirklich praktikabel ist.

    Die Kommunen würden eine Menge Geld sparen, wenn ein kostenloser ÖPNV tatsächlich zu einer deutlichen Abnahme des MIV führen würde. Straßen müssten nicht immer weiter ausgebaut und nicht so häufig in Stand gesetzt werden.

    Die belgische Stadt Hasselt hat sich in den 1990er Jahren mit diesem Ansatz finanziell saniert: https://de.wikipedia.org/wiki/Personennahverkehr_in_Hasselt

    Aber in Zeiten von Verkehrsverbünden wird natürlich als erstes darüber gestritten, wer zahlt und wer profitiert.

    Für mich gehört die Förderung des Radverkehrs und ein attraktiver ÖPNV zusammen und stellt keinen Widerspruch dar, aber es ist natürlich zu befürchten, dass beides gegeneinander ausgespielt wird.

    Ich bin trotzdem skeptisch, dass diese und die absehbare Regierung ernsthaft Maßnahmen umsetzen wird, die einen spürbaren Rückgang des MIV in den Städten zur Folge haben werden. Am Ende wird es vermutlich auf irgendeinen halbgaren Kompromiss hinauslaufen, der wenig Effekt zeigt und viel Geld kostet und dann sehen die Gegner solcher Konzepte darin den Beweis des Scheiterns. Diejenigen, die gar nichts verändern wollen, haben einfach zu viel Einfluss.

    Aber immerhin wird überhaupt mal darüber diskutiert, dass es Alternativen zum Autoverkehr gibt und das alleine ist schon was wert.

  • Die Kommunen würden eine Menge Geld sparen, wenn ein kostenloser ÖPNV tatsächlich zu einer deutlichen Abnahme des MIV führen würde. Straßen müssten nicht immer weiter ausgebaut und nicht so häufig in Stand gesetzt werden.

    Nun ist das Geld ja nicht plötzlich auf dem Konto, sondern erst einmal nur woanders. Salopp formuliert: Statt der Straßen müsste dann plötzlich das Schienennetz viel häufiger instandgesetzt werden, zumal auch nur zusätzliche Fahrzeuge angeschafft und eine tragfähige Infrastruktur überhaupt erst gebaut und ausgebaut werden müsste.

  • Das sagte ich ja: Das Geld, das am einen Ende gespart wird, muss am anderen Ende aufgewendet werden. Ich glaube, dass es sich unterm Strich rechnen wird, aber dafür muss man bereit sein, die finanziellen Mittel anders zu verteilen.

    Es geht ja bereits los mit dem Gejammer: http://www.spiegel.de/auto/aktuell/k…-a-1193400.html

    Zitat

    Der HVV erziele durch Fahrscheinverkäufe jährlich rund 830 Millionen Euro, sagte ein Sprecher. Diese Mittel müssten bei einem Gratis-Angebot zusätzlich vom Steuerzahler aufgebracht werden.

    Gleichzeitig sparen Steuerzahler im Bereich des HVV jährlich 830 Millionen Euro für Fahrscheine. Allerdings nur diejenigen, die das Angebot auch nutzen. Momentan werden meine Steuergelder auch für die Instandhaltung von Straßen genutzt, die ich nur selten mit dem Kfz befahre, so what?

    Hier https://www.uni-kassel.de/fb14bau/filead…NRVP_VB1211.pdf gibt es eine Untersuchung zu den Kosten des Fuß-, Rad-, Kfz- und Öffentlichen Nahverkehrs in Kassel, Kiel und Bremen. Demnach bezuschusste die Stadt Bremen den Kfz-Verkehr in den Jahren 2009-2011 im Durchschnitt mit 85 Mio EUR jährlich, den ÖPNV mit 63 Mio EUR und den Radverkehr mit 5,1 Mio EUR pro Jahr.

    Eine Reduktion des MIV durch gezielte Förderung des Radverkehrs wäre demnach für die Kommunen die preiswerteste Lösung.

  • Welche Vor- und Nachteile hat ein kostenloser ÖPNV? Werden Autofahrer wirklich zur ÖPNV-Nutzung animiert?

    Der Erfolg in Hasselt lag auch nicht nur an der kostenfreien Nutzung des ÖPNV, sondern vor allem in den flankierenden Maßnahmen. So wurde die Zahl der Parkplätze verringert und die Parkgebühren angehoben. Hinzu kamen flächendeckende Geschwindigkeitsreduktionen und Verkehrsberuhigungsmaßnahmen (siehe dieser Artikel über verschiedene Maßnahmen der Verkehrsberuhigung). Die Einführung eines kostenlosen ÖPNV sollte in ein Gesamtkonzept eingebettet werden, das zum einen den ÖPNV attraktiver macht und den Pkw-Verkehr schwächt. Dem Parkraumangebot kommt hier eine spezielle Rolle zu. Ebenso sollten konkrete Pläne existieren um Netzüberlastungen schnell und flexibel begegnen zu können. Die Einführung sollte von einer Überarbeitung des Liniennetzes, der Fahrpläne und Organisation begleitet werden. Im Vorfeld sollten sich Kommune und Verkehrsunternehmen Gedanken über die Bestellung zusätzlicher Fahrzeuge und Einstellung / Ausbildung neuer Mitarbeiter machen.

    „Kostenloser ÖPNV“. Eigentlich eine gute Idee, die stark von der Umsetzung abhängt. Und für dessen Bewertung man unbedingt die Rückkoppelungseffekte auf das Gesamtsystem beachten muss!

  • Hier https://www.uni-kassel.de/fb14bau/filead…NRVP_VB1211.pdf gibt es eine Untersuchung zu den Kosten des Fuß-, Rad-, Kfz- und Öffentlichen Nahverkehrs in Kassel, Kiel und Bremen. Demnach bezuschusste die Stadt Bremen den Kfz-Verkehr in den Jahren 2009-2011 im Durchschnitt mit 85 Mio EUR jährlich, den ÖPNV mit 63 Mio EUR und den Radverkehr mit 5,1 Mio EUR pro Jahr.

    Habe den Bericht bislang nur überflogen. Es ist ja schon mal toll, dass es so was gibt. Aber das eigentliche Problem besteht doch darin, dass der KFZ-Verkehr in den Städten nur deshalb auf den wenigen vorhandenen Flächen funktioniert, weil es genug Menschen gibt, die den deutlich platzsparenderen ÖPNV benutzen oder auch das Rad, das zwar mehr Verkehrsfläche benötigt als der ÖPNV aber immer noch deutlich weniger als der MIV.

    In der aktuell angestoßenen Debatte gehen viele davon aus, dass eine höhere Subventionierung des ÖPNV mit dem Zweck der Reduktion der ÖPNV-Fahrpreise ein Umsteigen von Autos auf Bussen und Bahnen begünstigt.

    Aber: Diese Subventionierung findet doch ohnehin schon statt. Und sie bewirkt auch bereits, dass Menschen Busse und Bahnen statt des Autos benutzen, denn es gäbe vermutlich weniger ÖPNV-Kunden, wenn die den vollen (nicht subventionierten Preis) bezahlen müssten. Und von denen wären dann viele mit dem Auto unterwegs und würden damit dafür sorgen, dass der MIV noch mehr zum Stillstand käme, als er ohnehin schon in Staus und "stop und go" vor sich hin dümpelt.

    Deshalb sind diese angeblichen Subventionierungen des ÖPNV eigentlich eine Subventionierung des MIV. Dadurch dass Menschen mit "Niedrigpreisangeboten" in den ÖPNV gelockt werden, was nur möglich ist, weil der subventioniert wird, wird die Straße frei (zumindest ein bisschen) um den vorhandenen Autoverkehr abzuwickeln. ÖPNV-Subvenbtionen sind also eigentlich KFZ-Subventionen zusätzlich zu den gigantischen direkten Subventionen des ÖPNV von denen in der Studie berichtet wird.


    Eine Reduktion des MIV durch gezielte Förderung des Radverkehrs wäre demnach für die Kommunen die preiswerteste Lösung.

    Mobilität sollte gar nicht subventioniert werden, nur so kann eine nachhaltige Verbesserung der Verkehrsverhältnisse erreicht werden und letztlich auch eine Mobilität, die mehr Möglichkeiten an Zugang zu Kultur, Bildung, Arbeit, ärztliche Versorgung usw. ermöglicht. Nämlich eine Mobilität, die sich daraus ergibt, dass die Menschen in dicht besiedelten kleinen und großen Städten wohnen, wo nur in Ausnahmefällen eine Besorgung nicht zu Fuß gemacht werden kann. Der MIV wird durch die Förderung des Radverkehrs genau so wenig reduziert wie durch die Förderung des ÖPNV durch Billig- bis Umsonstangebote für die Nutzer. So lange jedoch solche Regeln gelten, wie die dass z. B. für den Bau von Wohnungen Stellplätze nachgewiesen werden müssen, ist es schwierig in dieser Sache echte Fortschritte zu erzielen.

  • Auch wenn es ein paar Leute vom Fahrrad in die Bahnen/Busse treibt, die Anzahl der Autofahrer die ihre Karre stehen lassen wird mit sicherheit wesentlich größer sein.

    Laut FAZ-online sieht der VCD das allerdings anders: "Der VCD verweist außerdem auf ein Phänomen, das Ökonomen „unerwünschten Verlagerungseffekt“ nennen: Überproportional viele Menschen, die normalerweise eigentlich Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen, würden auf den ÖPNV umsteigen. Autofahrer hingegen ließen sich weniger gut zum Wechsel motivieren." "Kostenloser Nahverkehr für alle?" in FAZ vom 13.2.18 http://www.faz.net/aktuell/wirtsc…5446630-p2.html

  • Zwischen „die Bundesregierung denke zusammen mit den Ländern und Kommunen über einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr nach.“ und „einführen möchte“ besteht ein signifikanter Unterschied. Laut Politico steht in der „Selbstverpflichtung aller drei alten und womöglich neuen Koalitionsparteien“:

    … und das ist nur eine der möglichen Maßnahmen. => Abwarten und Tee trinken.

    Da hast du natürlich Recht damit, dass hier keine fertige Ankündigung mit Vollzugsdaten in den Raum gestellt wurde mit dem Brief. Aber der schlägt trotzdem ganz schön hohe mediale Welten und es wird darauf geschaut, wer was dazu sagt. Und je nach dem, wie's weiter verläuft könnte es eine Sache sein, an der auch die neue Groko, wenn sie denn zustande kommt, zu knabbern haben wird. Die könnte jedenfalls nicht einfach drüber hinweggehen, dass der Vorschlag von der (Alt-)Regierungsseite in den Raum gestellt wurde. Und ich bin schon mal gespannt, wann die ersten Aufrufe kommen, dass doch die Regierungschefin zu den Aktivitäten ihrer Noch-Regierung mal etwas sagen möge.

  • Die könnte jedenfalls nicht einfach drüber hinweggehen, dass der Vorschlag von der (Alt-)Regierungsseite in den Raum gestellt wurde.

    Natürlich könnte sie das und sie wird es tun.

    Dazu muss man nur den Kontext betrachten, in dem diese Aussage steht. Die Aussage steht ja nicht in einem Koalitionsvertrag oder sonst einem ernst zu nehmenden Papier.

    Viel mehr ist sie Bestandteil einer Liste, die aus purer Verzweifelung entstanden ist: Aktuell droht Brüssel damit, Deutschland wegen der schlechten Luft zu verklagen. Deshalb wurde die Regierung vorgeladen, um sich zu rechtfertigen und guten Willen zu demonstrieren. Also haben die sich schnell diese Liste aus den Fingern gesaugt und warten nur auf die erstbeste Gelegenheit, sie wieder in der Schublade verschwinden zu lassen. Ein ziemlich durchsichtiges Manöver. Nie im Leben möchte die Union kostenlosen ÖPNV durchsetzen (ich selber auch nicht).

    Die aktuelle Aufregung wird sich in ein paar Tagen legen und dann verschwindet das Thema wieder.

  • Nie im Leben möchte die Union kostenlosen ÖPNV durchsetzen (ich selber auch nicht).


    Den kostenlosen ÖPNV sehe ich ja auch skeptisch, vor allem deshalb, weil dann noch mehr herumgefahren wird. Und es macht keinen Sinn, den ÖPNV zu vergünstigen, das spiegelt die Realität nicht wieder. Es werden ja Fahrzeuge, Personal, Energie usw. benötigt um den ÖPNV zu organisieren. Das muss auch in Form von Fahrpreisen deutlich werden. Was sind deine Bedenken in Bezug auf einen kostenlosen ÖPNV?

    Die aktuelle Aufregung wird sich in ein paar Tagen legen und dann verschwindet das Thema wieder.

    Da wurde natürlich auch ein Stück weit was hochgepuscht, aber es gab auch guten Grund dafür. Auch wenn es nur einer Liste entstammt, die "entstanden ist aus purer Verzweiflung", wie du formulierst. Es wurde von namhaften Regierungsvertretern unterschrieben.

    In diesem Tagesschau-Beitrag kann man hören, wie jetzt Altmeyer versucht die Sache kleinzureden. Aber sie ist nun mal draußen und es kam von der Spitze. Und vielleicht hat die Initiatoren mehr dabei angetrieben als nur "die pure Verzweiflung".

    http://media.tagesschau.de/audio/2018/021…4-1656-1701.mp3

    An der Stelle 0:45 Min. wird übrigens die Forderung nach kostenlosem ÖPNV reduziert auf kostenlosen ÖPNV an Tagen, an denen die Abgasgrenzwerte überschritten werden. Und an der Stelle 1:40 wird deine Einschätzung wiederholt, dass das Brief an Brüssel vor allem mit Angst zu tun hat.

    Den Beitrag hab' ich auf dieser Seite von tagesschau.de gefunden: https://www.tagesschau.de/inland/oeffent…tenlos-101.html

    Trotzdem bin ich mir sicher, dass die von der Bundesregierung angestoßene Diskussion zum kostenlosen ÖPNV ein wichtziges Zeichen darstellt, weil sie nämlich von Regierungsseite aus angestoßen wurde.

  • http://media.tagesschau.de/audio/2018/021…4-1656-1701.mp3

    An der Stelle 0:45 Min. wird übrigens die Forderung nach kostenlosem ÖPNV reduziert auf kostenlosen ÖPNV an Tagen, an denen die Abgasgrenzwerte überschritten werden.

    Das bringt dann natürlich gar nichts außer überfüllte Busse und Bahnen an einzelnen Tagen, sowie freie(re) Fahrt für diejenigen, die nie und nimmer in einen Bus steigen würden.