Die Hamburger Polizei veranstaltet in der so genannten dunklen Jahreszeit regelmäßig Informationstermine, um Fußgänger und Radfahrer über die Wichtigkeit reflektierender Kleidung aufzuklären. In diesem Herbst gab es bislang zwei Termine und beide waren eher so… naja.
Verkehrssicherheit in der dunklen Jahreszeit
Verkehrssicherheit in der dunklen Jahreszeit
Ich hoffe, ich tue den Beamten jetzt nicht Unrecht, aber es geht eben tatsächlich nur darum: Fußgänger und Radfahrer aufklären, dass man mit dunkler Kleidung im Straßenverkehr leicht „übersehen“ wird. Dazu verteilen die Beamten so genannte rote Karten als Erinnerung und reflektierende Geschenke, die besonders bei Kindern sehr beliebt sind.
Bei beiden Veranstaltungen habe ich versucht mit einem der Beamten ins Gespräch zu kommen, allerdings war die ganze Sache dann doch relativ ernüchternd. Klar, es ist nicht verkehrt, die Verkehrsteilnehmer über Sichtverhältnisse aufzuklären und es ist schon gar nicht verkehrt darauf hinzuweisen, dass man zwischen zwei parkenden Kraftfahrzeugen nicht einfach so auf die Fahrbahn tritt. Bis dahin kein Widerspruch.
Allein: Ich glaube nicht, dass in der Praxis dort draußen auf der Straße jemand nicht „übersehen“ wird, nur weil er plötzlich diesen reflektierenden Krams am Oberarm klemmen hat. Meine Beobachtungen halten sicherlich keiner wissenschaftlichen Untersuchung stand, aber wenn ich überlege, wo man als Fußgänger oder Radfahrer am häufigsten übersehen wird, dann sind das mitnichten schnurgerade Straßen, in denen man plötzlich mit schwarzer Kleidung unvermittelt vor der Motorhaube auftaucht, sondern ganz normale Situationen im Straßenverkehr, wo meistens der Kraftfahrer nach rechts oder links abbiegen möchte, aber man als ungeschützter Verkehrsteilnehmer plötzlich hinter parkenden Kraftfahrzeugen auftaucht.
Ich denke da beispielsweise an solche Ecken, wo jeder parkt wie er möchte — und sei es tatsächlich mitten auf der Kreuzung. Oder wo man eben „einfach so“ in einem unmöglichen Winkel hinter einem Bushaltestellenhäuschen wieder an die Kreuzung herangeführt wird. Oder, oder, oder. Überall dort werden Sichtbeziehungen wirkungsvoll unterbrochen, da achtet nunmal niemand mehr beim Abbiegen drauf, ob ihm vielleicht ein bevorrechtigter Radfahrer oder Fußgänger in die Quere kommen könnte. Wenn der Paketdienst und zwei andere Kraftfahrzeuge „mitten auf der Kreuzung“ parken, dann kurbelt man mit Mühe drumherum, achtet aber nicht mehr drauf, ob hinter der Ecke vielleicht jemand die Fahrbahn überquert. Wenn Sichtachsen bis auf den letzten Zentimeter dichtgeparkt werden, braucht man auch keine Warnschilder mehr aufstellen: Man sieht die Leute eben gar nicht mehr, die verschwinden einfach hinter den parkenden Kraftfahrzeugen.
Und was man nicht sieht, das ist bekanntlich auch nicht dort. Ich brauche wohl nicht lange ausführen, dass die Antwort der meisten Kraftfahrer leider nicht eine angemessene Geschwindigkeit beim Abbiegen an solchen Stellen ist.
Von der Polizei kam leider nur die übliche Antwort: Man habe zu wenig Personal, außerdem müssten die Leute ja irgendwo parken. Man könnte den Anwohnern ja schlecht das Parken verbieten, denn die könnten nach einem anstrengenden Tag auf der Arbeit nicht noch stundenlang durch die Gegend fahren, um einen Parkplatz zu suchen. Man baue darauf, dass Fußgänger und Radfahrer entsprechend Rücksicht nehmen.
Ich hätte das gerne neutraler wiedergegeben, aber… es gelingt mir nicht. Ich finde das echt blöd. Es gibt Situationen, an denen kann ich so viel Rücksicht nehmen wie ich will, wenn der Kurvenbereich in einer Kreuzung wie auf dem vorletzten Bild komplett dichtgeparkt wird, werde ich von abbiegenden Kraftfahrzeugen erst im letzten Moment wahrgenommen — und wenn der Abbiegevorgang mit unangemessener Geschwindigkeit stattfindet, ist dann eben keine Zeit mehr zum Bremsen, dann lande ich erst auf der Motorhaube, dann im Krankenhaus und womöglich auf dem Friedhof. Meine einzige Möglichkeit der Rücksichtnahme besteht dann darin, die Fahrbahn nicht im Kreuzungsbereich zu queren, sondern dreißig Meter davon entfernt, wo ich zwar keinen Vorrang mehr habe, aber wenigstens den Gefahrenbereich hinreichend überblicken kann. Mit dem Rad gelingt das aber auch nicht, denn zwischen den parkenden Kraftfahrzeugen kommt man mit dem Rad nicht durch, abgesehen davon müsste ich in vielen Fällen absteigen und auf dem Gehweg weiterschieben.
Die einzig angemessene Antwort für diese Rücksichtnahme ist eigentlich zu Hause zu bleiben. Ich schaffe es ja sonst noch nicht einmal zur U-Bahn, zum Bus oder zum eigenen Auto.
Klar, natürlich hat die Polizei zu wenig Personal, aber ich begreife in dieser Hinsicht auf nicht, warum die Verkehrsüberwachung eine derart hoheitliche Aufgabe sein muss, dass nur die Polizei diese falsch parkenden Kraftfahrzeuge entfernen kann. Naja.
Ich habe mir dann noch eine rote Karte eingefangen, weil mein Schneeweißchen keine gelben Speichenreflektoren, sondern nur so einen weißen Reflektorring am Reifen hat.
Beim heutigen Termin habe ich einen Beamten noch mal angesprochen, wie es denn nun mit den Handys ist. Er dachte, ich spielte auf Fußgänger an, die unaufmerksam mit dem Blick aufs Handy die Fahrbahn beträten, aber ich meinte abgelenkte Kraftfahrer: Gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit kann man in vielen Fahrgastzellen dieses weiß-blaue Leuchten erkennen, weil jemand mit dem Smartphone am Steuer hantiert, manchmal könnte ich bei abbiegenden Kraftfahrern auch problemlos die WhatsApp-Nachrichten mitlesen.
Aber auch bei dieser Thematik gilt eben, dass die Polizei zu wenig Personal hat. Tja.
Nun hat man die Strafen für die Nutzung von Mobiltelefonen am Lenkrad zwar deutlich erhöht, aber generell ist es in Deutschland mit dem Auto eben so wie in Amerika mit den Schusswaffen: Wenn man hier in Deutschland erklärt, als Kraftfahrer dürfe man während der Fahrt das Smartphone bitteschön nicht mehr nutzen, gibt’s eben eine Rebellion, weil viele das eben als Eingriff in ihre persönliche Freiheit betrachten.
Und solange sowohl die Handynutzung am Lenkrad als auch das Falschparken nur als Kavaliersdelikt und Ausleben der persönlichen Freiheit betrachtet werden, liegt es wohl tatsächlich an Fußgängern und Radfahrern, sich in Rücksicht zu üben und mit Reflektionsmaterial zu schmücken.
Wenn man viel Geld in ein Entertainment-System im Auto investiert, will man das ja schließlich auch nutzen. Persönliche Freiheit und so, da kann man nicht immer den Straßenverkehr in Blick haben.