Rothenstein Tunnel - B88

  • Sachverhalt: Die B 88 verläuft von Jena aus in südliche Richtung nach Kahla, weiter nach Saalfeld. Die Straße wurde am Stadtgrenze Jena vor einigen Jahren ausgebaut zu 2|2 bzw. 1|2 und im neu gebauten Tunnel Rothenstein ist es eine 1|1-Variante.

    Der Kraftfahrstraßenteil ist hier blau dargestellt, Radwege / Radrouten sind rot dargestellt

    Was ist Stein des Anstoßes? Die Brücke zwischen Rothenstein und Oelknitz muss saniert werden. Dafür sollte sie voll gesperrt werden, ein temporärer Ersatzbau sei nicht möglich. Das hätte zur Folge gehabt, dass zwar ein Großteil des Kraftverkehrs den Weg über die Kraftfahrstraße hätte nehmen können, der Rest (Landwirtschaftlicher Verkehr, Radverkehr, Fußverkehr, Mofas) etliche Kilometer Umweg hätten in Kauf nehmen müssen.

    Erster Schritt: man hat für die Brückensanierung die umständliche Variante gewählt = Sanierung bei eingeschränkter Passierbarkeit. Für den Fuß- und Radverkehr. Gemeint ist: man hat eine Brückenseite erhalten und beschildert mit [Zeichen 240][Zusatzzeichen 1012-32]

    Und meinte damit: Radverkehr kann über die Brücke. aber muss schieben.

    Nach Klarstellung steht jetzt an der Brücke [Zeichen 239][Zusatzzeichen 1012-32]

    Für Fußgänger und Radfahrer ist also aus Sicht der StVB gesorgt

    Zweiter Schritt: Aufhebung der Anordnung Kraftfahrstraße für den südlichen Teil der bisherigen Regelung, um eben der "Restmenge Verkehr" auch noch die enormen Umwege zu ersparen.

    Grün: aufhebung Kraftfahrstraßenregelung

    Und weil in Schritt 1 ja nach Meinung der StVB der Radverkehr versorgt ist, hat man an den Zufahrten zum grünen Abschnitt jeweils [Zeichen 254] aufgestellt.

    Folge: der Radverkehr kann fahrend keinen der dargestellten Wege nehmen. Bundesstraße verboten, Brücke ist Gehweg.

    Wer darf im grün hervorgehobenen Teil verkehren?

    • Mofa
    • landwirtschaftlicher Verkehr
    • Mopeds
    • Pferde, Pferdekutschen
    • Fußgänger

    Fußgänger?! Ja, denn die Regelung Kraftfahrstraße wurde aufgehoben. Damit ist es eine "normale Straße", auf der Fußverkehr erlaubt ist. Mit Handkarren, ohne Handkarren... es ist ausschließlich der Radverkehr verboten. :evil:

    Im Tunnel selbst ist zhG-60 angeordnet. Wer mit Streetview von Norden nach Süden durchfahren will: klick. das ist die Anschlussstelle nördlich des Tunnels, hier ist das VZ zur Kraftfahrstraßen-Regelung verhüllt. Hinweis: bei Streetview sind aufnahmen aus 2022 drin, als das noch keine Kraftfahrstraße war, man aber damals schon brav den Radverkehr raushaben wollte und vorher einfach so VZ.254 aufgestellt hat (und Fußverkehr, Pferde... ach, lassen wir das)

    Also: Widerspruch geschrieben

    Widerspruch_B88_Z254_geschw.pdf

    Und kurz vor dem Urlaub kommt die Antwort: nö, weil: nö.

    Antwort_Widerspruch_geschwärzt_.pdf

    Wie sieht das eigentlich aus, wenn ich das nun an obere StVB eskalieren lasse und die Baumaßnahme Ende Nov. beendet ist?

  • Damit ist es eine "normale Straße", auf der Fußverkehr erlaubt ist. Mit Handkarren, ohne Handkarren... es ist ausschließlich der Radverkehr verboten.

    Hol dir einen Fahrradanhänger und stell dein Fahrrad oben rauf. Den ziehst du dann paarmal per Hand durch den für Fahrräder gesperrten Bereich. Spätestens beim 3. mal wird dich die Polizei fragen was du da tust und die Beschilderung ändern.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Radfahrer, welche ihr Fahrzeug schieben, sind verkehrsrechtlich Fußgänger und damit dort doch auch erlaubt? :/

    Wie sieht das eigentlich aus, wenn ich das nun an obere StVB eskalieren lasse und die Baumaßnahme Ende Nov. beendet ist?

    Dann hat sich die ganze Sache durch "Zeitablauf" erledigt - du musst in dem Fall dann eine "Erledigterklärung" abgeben, denn die Beschwer ist ja dann weg.

    Im Verwaltungsrecht gibt es für gewisse Fälle die Möglichkeit, eine (bereits laufende Anfechtungsklage) in eine Fortsetzungsfeststellungsklage (FFK) umzuwandeln. Das geht wohl analog auch, wenn erstmal nur der Widerspruch erhoben wurde.

    Allerdings wird grundsätzlich ein "berechtigtes Interesse" vorausgesetzt (§ 113 Abs. 1 S. 4 StVO). Ein solches liegt in der Regel vor bei:

    1. Konkreter Wiederholungsgefahr (eher nicht?)
    2. Rehabilitationsinteresse (nein)
    3. Tiefgreifendem Grundrechtseingriff (hm, vermutlich nicht "tiefgreifend" genug)

    Wenn sich die Sache nach Klageerhebung erledigt und die FFK nicht infrage kommt, stellt sich immer noch die Frage nach der Kostentragung. Im Zuge dieser Klärung muss das Gericht dann aber zumindest grob abwägen, inwieweit der Klage denn Erfolg beschieden gewesen wäre. Für Widerspruchsverfahren dürfte ähnliches gelten, nachdem es den Widerspruch in Bayern aber nicht mehr gibt, ist mir das bisher nicht untergekommen.

  • Der übliche Scheiß halt. An der B 10 im Pfälzerwald auf rund 40 km seit 30 Jahren üblich. Interessiert auch keinen.

    Dass Radfahrer, die ihr Rad schieben, keine Radfahrer mehr sind, müsste auch mal durch Gesetz oder ein Höchstgericht festgestellt werden. Wobei. Dafür bräuchten wir ja erst einmal so etwas wie einen "Rechtsstaat".

    Allerdings wird grundsätzlich ein "berechtigtes Interesse" vorausgesetzt (§ 113 Abs. 1 S. 4 StVO).

    Es ist nicht nur eine Farce, dass sogenannten Verwaltungsgerichte in aller Regel mehrere Jahre bis zu einem Urteil benötigen, sondern auch, dass die Gesetze so gestaltet sind, dass man gerade bei "kurzfristigen" Sachen gar nicht erst zu klagen braucht, weil man auch kein Recht(!) darauf hat, dass das Gericht wenigstens im Nachhinein die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme feststellt; also einen Beitrag zur "Fortbildung des Rechts" leistet, um sich in vergleichbaren Fällen darauf berufen zu können.

    Und dass es in dieser beschissenen Bananenrepublik faktisch keinerlei (effektiven) Rechtsschutz gegen willkürliches und verfassungswidriges Handeln der Exekutive gibt, haben vor allem auch die unzähligen Corona-Verordnungen und -Allgemeinverfügungen gezeigt. Auch hier haben viele Verwaltungsgerichte, die über Jahre den Scheiß des RKI als gottgegebene und unhinterfragbare (Schöne Grüße von Lothar Wieler!) Wahrheiten akzeptiert haben, ein Feststellungsinteresse verneint.

    Link zu meinem X-Account. Poste dort u. a. regelmäßig Videoclips zu meinen Erlebnissen auf der Straße.

  • Nach Klarstellung steht jetzt an der Brücke [Zeichen 239] [Zusatzzeichen 1012-32]

    Stehen die Vz noch so?

    Ein OSMler war vor 20 Stunden offenbar anderer Meinung:

    Wegverlauf: ‪Jägersdorfer Straße‬ (‪638788638‬)
    OpenStreetMap ist eine Karte der Welt, erstellt von Menschen wie dir und frei verwendbar unter einer offenen Lizenz.
    www.openstreetmap.org

    (... mal davon abgesehen, dass ich positive access-Rechte an eine highway=construction für etwas ... hmmm ... gewagt halte ...)

  • Grundsätzlich kann man einen Antrag nach § 80 VwGO stellen und das Gericht entscheidet dann, ob die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederhergestellt wird. Das ganze kostet die Hälfte des Klageverfahrens.

  • Besten Dank für die Veröffentlichung der Dokumente. Ich habe eine aus ähnlichen Textblöcken zusammengesetzte Begründung für die Ablehnung meines Widerspruchs gegen das Radverkehrsverbot auf der erwähnten Saalebrücke erhalten.
    Schmunzeln musste ich vor allem beim Satz zur Gefährdung der Schulkinder. Hier hat man wohl die gleichen Ghostwriter beschäftigt, die sonst für den Jenaer Mängelmelder texten.

    Ein kleine Unschärfe ist mir beim Durchlesen des Widerspruchs noch aufgefallen: Die zHG von 60km/h gilt in beiden Fahrtrichtungen standardmäßig in dem Tunnel, sodass man mit Blick auf die Aufhebung der Kraftfahrtstraße exakt nichts gemacht hat, außer (einige der) Kraftfahrstraßenschilder mit Müllsäcken und orangenem Klebeband zu verpacken.
    2022 wurde zu der Geschwindigkeitsbegrenzung noch geschrieben, dass die nur in der Anfangszeit gelten soll, damit sich der Kraftfahrer - das scheue Reh - an die neue Situation "Tunneldurchfahrt" gewöhnen kann. Zwei Jahre später scheint diese Eingewöhnungsphase anscheinend immer noch nicht abgeschlossen zu sein und dass obwohl es im Tunnel keinen Blitzer o.ä. gibt, dem man dann die Kundschaft nehmen würde.

    ...also die Beschilderung um ein [Zeichen 259] ergänzen.

    Ist ohnehin ungewöhnlich, dass das nicht von vornherein realisiert wurde, denn normalerweise hat der selbe Verkehrssicherer die Zeichenkombination [Zeichen 254][Zeichen 259] schon dutzendfach am selben Mast vormontiert, um sie in Jena generell an jeder Baustelle aufzustellen.

  • oh, mir war nicht bewusst, dass im Tunnel bisher auch zhG60 galt :|

    ich bin wirklich davon ausgegangen, dass die zhG60 (immerhin per LED) nur für den Zeitraum der Aufhebung Kraftfahrstraße galt.

    Ich werd wohl Montag eine Antwort direkt an die höhere StVB schicken, SHK im CC / z.K.

    Es ist absurd, dass 1km weiter in richtung Süden die identische Verkehrsmenge durchläuft, da aber zhG100 angeordnet ist. Und in meiner Antwort werd ich auch erwähnen, dass ich mittlerweile mehrfach mit dem Rad durch den Tunnel gefahren bin.

    Und 1 Woche vor Ende der Maßnahme bekommt die StVB des Landkreises die Fragen präsentiert, wieso die Beschilderung seit 3 Monaten unkorrigiert und ungeprüft blieb. Denn Aufhebung der KRaftfahrstraße gibt's ja aus Richtung Jena kommend nicht... Schrödingers Verkehrsregelung: gleichzeitig Kraftfahrstraße und keine Kraftfahrstraße. :evil:

  • Radfahren durch den Tunnel = Gefahr für die öffentliche Sicherheit?

    Das Muster fällt mir seit 25 Jahren derart regelmäßig auf, dass ich mich frage, ob das irgendwo mal schriftlich als Empfehlung ausgesprochen wurde. Ich bin tatsächlich jedesmal sehr überrascht, wenn ich auf einen Tunnel treffe, der nicht mit [Zeichen 254][Zeichen 259] ausgeschildert ist.

  • Sagen wir mal so:
    Als die Kraftfahrstr. durch den Wattkopftunnel aufgehoben war, weil die alte Straße durch den Ort wegen komplexer Maßnahmen am Hang darüber gesperrt war (man dachte bei der Aufhebung sicher nur an Treckers ....), habe ich mir das mal testhalber angetan, aber vergnügungssteuerpflichtig ist das nicht: laut und schlechte Luft. Bei kurzen Tunneln mag das anders sein. Beim 100-m-Tunnelchen der B3 in Bruchsal sehe ich so spontan nur ein Fußgängerverbot.

  • Also unzureichende Infrastruktur. Der neue Elbtunnel in Hamburg ist 3,3 km lang, und da ist kein Radfahrer und kein Skater beim Durchfahren umgekippt ...


    ... als Anfang der 1980 es noch zum Programm der Hafengeburtstages gehörte, eine Röhre zu sperren, damit man von Othmarschen nach Waltershof und dann über die Köhlbrandbrücke radeln und skaten konnte.

  • Natürlich ist so eine Tunneldurchfahrt nicht immer angenehm, aber je nach Wetter kann sie angenehmer als die Alternative sein. Oder eben einen größeren Umweg vermeiden.

    Ich habe in meiner Umgebung dieses Beispiel zu bieten:

    Das sprichwörtliche Licht am Ende ist hier auf dem Bild schön zu sehen. Welchem Reflex entspricht diese Beschilderung?