• Mich macht der Zeug*innenaufruf zu einem bestimmten Fahrzeug und dem "vorrangegangenen Geschehen" etwas stutzig. Vielleicht interpretiere ich dort auch zu viel hinein Vielleicht gab es aber auch allgemein Auffälligkeiten beim Kraftfahrer oder der Kontakt zwischen Rad- und Autofahrer beschränkte sich nicht punktuell auf den tötlichen Unfall.

  • der 77-jährige hätte mit großer Wahrscheinlichkeit auch den umgestürzten und in die Fahrbahn ragenden Baum angefahren.

    der 77-jährige hätte mit großer Wahrscheinlichkeit auch den auf der Fahrbahn liegenden Steinblock, der aus der Böschung herausgebrochen ist, angefahren.

    Was hat denn das mit "Altersstarrsinn" zu tun? Und woher der Reflex, direkt Einschränkungen in Reaktion zu postulieren.

    Wenn der Unfallfahrer 22 Jahre alt wär, dann wäre der erste Impuls "bekifft"? Oder besoffen? oder zu schnell? Oder Handy? :/


    Wenn er einen Baum oder einen Stein übersehn hätte, wäre es wahrscheinlich maximal nur für ihn dramatisch gewesen.

    Den Unterschied zwischen einem Baum oder Stein und einem beleuchteten Fahrrad mit Warnweste tragendem Fahrer merkste wahrscheinlich selber. Man kann dem Andreas sicher nicht vorwerfen, unauffällig und unsichtbar unterwegs gewesen zu sein.

    Ich kenne kaum einen 77jährigen, der nicht schon soweit körperliche oder geistige Einschränkungen hat, dass er nicht, oder zumindest nicht zu jeder Tageszeit oder Wetter, mit dem Auto fahren sollte. Die meisten machen es aber trotzdem, aus -> Altersstarsinn.

    Wenn der Unfallfahrer 22 gewesen wäre, würde sich natürlich auch die Frage stellen, wie es zu so einer Fehlleistung kommen konnte. Die Unterstellung zu schnell dürfte wohl auf jeden Fall zutreffen, sonst wäre es nicht passiert.

    Der Unfallfahrer hätte sicher auch ein S-Pedelec oder jedes andere langsame Kraftrad gerammt.

    Tja, und da stellt sich die Frage, wie man so jemanden rechtzeitig aus dem Verkehr zieht. Bevor S-Pedelc und Mofafahrer dran glauben müssen.

  • Den Unterschied zwischen einem Baum oder Stein und einem beleuchteten Fahrrad mit Warnweste tragendem Fahrer merkste wahrscheinlich selber. Man kann dem Andreas sicher nicht vorwerfen, unauffällig und unsichtbar unterwegs gewesen zu sein.

    Für den Fahrer eines KFZ ist dieser Unterschied irrelevant. Es hat nicht zu interessieren, ob da ein 6km/h-Krankenfahrstuhl, ein Reiter, Fußgänger oder sonstwas unterwegs ist. Wer im "Blindflug" bei Regel/Niesel und Blendung durch Gegenverkehr in eine Rechtskurve oder über eine Kuppe fährt - bei dem ist es reichlich egal, ob dort dann ein schwarzer Betonblock, ein Radfahrer mit Warnweste oder Pannen-LKW steht.

    Es gilt §3 StVO, der tagtäglich millionenfach ignoriert wird und es geht millionenfach gut. Hier nicht. Harte Formulierung: tragisches Unglück. falsche Stelle zur falschen Uhrzeit. anders ausgedrückt: Pech.


    Man kann sich gern der Märtyrer-Vorstellung hingeben, dass der 77-Unfallfahrer den Radfahrer schon von Weitem gesehen hat, aber trotz Gegenverkehr überholen wollte, sich dabei auf Grund seines Alters irgendschwie verschätzt hat. ?(

    Man kann auch gern der Polizei vorwerfen, dass sie Beschwerdelagen in der Vergangenheit nicht zum Anlass genommen hat, Überholabstände / Verhalten im fließenden Verkehr zu kontrollieren. Nur gibt es auch dort eben kein Szenario, was den Unfall an diesem Abend an dieser Stelle verhindert hätte. Denn aus Erhalt eines Bußgeldes wegen "Radfahrer zu dicht überholt" im Jahr 2023 folgt doch nicht die Annahme "es ist dunkel, ich sollte mal lieber langsamer fahren" mit der Folge, dass es zum Unfall 2024 nicht kommen wird.

    Und weil der Unfallfahrer 77 Jahre alt ist, haben wir wieder die Diskussion um "körperliche Eignung". Ja, ok. Ich hab jetzt knapp 40 Jahre aufm Rad in den Beinen. Was ich seit längerem Bemerke:

    • Schulterblick aufm Rad funktioniert nach links hinten deutlich besser als rechts hinten
    • bin früher noch bei 5°C längere Zeit ohne Handschuhe gefahren.. Heute werden meine Finger dabei recht steif, bremsen ist schlechter..
    • Meine Augen werden auch nicht besser, was natürlich bei Niesel und als Brillenträger nicht die beste Kombi ist, gerade bei Dunkelheit

    Ich bin mir relativ sicher, dass ich heute ein größeres Risiko für mich und andere darstelle als noch vor 20 Jahren. Wie groß das Delta ist? keine ahnung. Aber ab wann sollte ich mich nicht mehr aufs Rad setzen? Und ab wann nicht mehr hinters Steuer?

  • Aber ab wann sollte ich mich nicht mehr aufs Rad setzen? Und ab wann nicht mehr hinters Steuer?

    Hmm, die Frage ist für einen selber wahrscheinlich schwerer zu beantworten, aber es wird wahrscheinlich Hinweise aus deinem sozialen Umfeld geben und wenn man Nachts schlecht sieht und empfindlich gegen Blendung ist, das merkt man schon selber.

    Ich seh auch nicht mehr so gut, Altersweitsicht, deswegen fällt aufs Telefon schauen beim Fahren inzwischen flach, dazu müsste ich eine Brille aufsetzen.

    Ich habe das Thema, dank meines fortgeschrittenen Alters gerade im Umfeld. Sowohl bei der buckligen Verwandschaft, wie auch in deren Umfeld. Und es ist ein leidiges Thema. Da gibts alles, von geistig gut dement, aber körperlich noch ganz fit, fährt weg kommt halt dann nicht mehr wieder, weil zum Teil orientierungslosm, bis geistig fit aber Nachts blind wie ein Maulwurf.

    Bei dem ein oder anderen werd ich wohl in nächster Zeit mal die Zündkerzen rauschrauben oder den Stecker von der Einspitzpumpe abziehen.


    Auf dem Abschnitt Landstraße, auf der der Unfall passiert sein müsste, gibts übrigens keine Kurve, die die Sicht auf wenige 10 Meter einschränken würde. Da sind immer mehrere 100m Sicht. Insofern ist der Unfall schon eine gewaltige Fehlleistung des Autolenkers.

  • Ich bin mir relativ sicher, dass ich heute ein größeres Risiko für mich und andere darstelle als noch vor 20 Jahren. Wie groß das Delta ist? keine ahnung. Aber ab wann sollte ich mich nicht mehr aufs Rad setzen? Und ab wann nicht mehr hinters Steuer?

    Der erste Schritt ist die Beachtung von §3 (1). Wer bei Dunkelheit schlechter sehen kann, muss langsamer fahren. Das gilt für alle, egal ob hinterm Steuer eine Kfz oder auf dem Fahrrad. Wenn du das berücksichtigst, darfst du auch in 30 Jahren noch Rad oder Auto fahren.

    Wer andere gefährdet oder schädigt oder einen Unfall verursacht und das damit begründet / rechtfertigt, dass man schlecht sehen konnte, war zu schnell.

    So lange die Beachtung von §3 (1) regelmäßig zu Nötigungen, Drangsalierungen bis hin zu bewussten Gefährdungen führt und so lange das als völlig normal hingenommen wird, während es von der Polizei nicht geahndet wird und von der Rechtsprechung eher als mildernder Umstand denn als strafverschärfend angesehen wird, wenn man einen Unfall baut, weil man nichts gesehen hat, sind wir davon aber weit entfernt.

  • Mich macht der Zeug*innenaufruf zu einem bestimmten Fahrzeug und dem "vorrangegangenen Geschehen" etwas stutzig. Vielleicht interpretiere ich dort auch zu viel hinein Vielleicht gab es aber auch allgemein Auffälligkeiten beim Kraftfahrer oder der Kontakt zwischen Rad- und Autofahrer beschränkte sich nicht punktuell auf den tötlichen Unfall.

    Ist der Zeugenaufruf hier schon verlinkt worden? :/ Falls nicht: https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/137462/5705162

    Ich denke, dass hier einfach alle Informationen rund um den Unfall zusammengetragen werden sollen. Ein Zeugenaufruf ist doch ein gängiges Vorgehen? Die Formulierung selbst ist dahingehend offen, dass man ja nicht ausschließen kann, dass vorher schon etwas passiert ist oder dass es irgendwelche Auffälligkeiten gab (unsichere Fahrweise etc.), aber ich würde da nicht reinlesen, dass es dafür Anhaltspunkte jenseits des öffentlich Bekannten gibt. Auf keinen Fall würde ich daraus lesen, dass es bereits Hinweise auf einen vorangegangen Kontakt gegeben hat.

  • Ich weiß zwar nicht wie intensiv bei ähnlichen Kollisionen in der Gegend sonst ermittelt wird, aber ich könnte mir in dem Fall aufgrund des öffentlichen Interesses durchaus vorstellen, dass die Polizei alles tun wird, um nicht das Bild zu bestätigen, das im entsprechenden Blog über die letzten Jahre gezeichnet wurde.

  • Tja, und da stellt sich die Frage, wie man so jemanden rechtzeitig aus dem Verkehr zieht. Bevor S-Pedelc und Mofafahrer dran glauben müssen.

    Es gibt zu meiner Überzeugung keinen eng definierten "so jemanden". Wir alle sind leider -zu überraschend geringfügig unterschiedlichen Anteilen und aus jeweils unterschiedlichen Anlässen- von Zeit zu Zeit Dr. Jeckyll und von Zeit zu Zeit Mr. Hyde. Wer sich für einen fehlerfreien Supermann hält, dem noch nie ein Blackout passiert ist, und dem das deswegen auch künftig nie passieren kann, der sitzt dem Trugschluss auf, dass seine bisherige Unfallfreiheit beweisen würde, dass er noch nie grobe Fehler gemacht hätte. Schwere Verkehrsunfälle bedürfen regelmäßig der Verkettung vieler ungünstiger Umstände, weswegen es sich insgesamt denn doch um sehr seltene Ereignisse handelt. Daher ist ein vollendeter Verkehrsunfall ganz offensichtlich einem riesigen Zufallsfaktor unterlegen, womit eine persönliche Beteiligung daran weniger persönliches Verschulden ist als schlicht und ergreifend Pech (zur falschen Zeit am falschen Ort...).

    Das bedeutet nicht, dass der Zufallsfaktor eine Naturkonstante wäre, die man nicht doch günstig beeinflussen könnte. Aussieben von prädestinierten "Unfällern" ist halt nur kein Hebel dafür, weil es solche "Unfäller" einfach nicht gibt. Die effektivste Stellschraube heißt stattdessen "Geschwindigkeit senken".

  • Ist das nur mein Eindruck, oder schwingt sowohl in dem Polizeibericht wie auch in dem Spiegel-Artikel ein "man sollte auch Vorsatz nicht völlig ausschließen" mit?

    Passt nicht unbedingt zum Interview in den BNN mit einem Freund natenoms, der auch den Autofahrer kennt:

    Zitat

    Wichtig ist Müller noch ein weiterer Aspekt: „Ich finde es wahnsinnig toll, wie die Menschen mit dem Unfall umgehen“, sagt er unserer Redaktion. Was er damit meint? Viele äußern auch Mitgefühl für den Autofahrer. Er kenne den 77-Jährigen selbst, sagt Müller. „Es tut mir so leid für diesen Mann, er ist kein aggressiver Fahrer. Die ein bis zwei Prozent aggressive Fahrer, die Andreas in Gefahr gebracht haben, haben ihn nicht erwischt“, stellt der Freund klar.

    Ob natenom Kameras mitlaufen hatte?

    Glaub im einen Nachruf wird Gegenverkehr erwähnt. Vielleicht hat der geblendet und wird deswegen gesucht ...

  • Passt nicht unbedingt zum Interview in den BNN mit einem Freund natenoms, der auch den Autofahrer kennt:

    Ob natenom Kameras mitlaufen hatte?

    Glaub im einen Nachruf wird Gegenverkehr erwähnt. Vielleicht hat der geblendet und wird deswegen gesucht ...

    Meine in der Gegend wohnende Schwester, die eine Menge von solchen Strecken kennt, sagte: "Wenn Dir einer entgegenkommt und Dich blendet, was bei Kurven leicht passieren kann, dann musst Du höllisch aufpassen, um einen Radfahrer zu sehen und zu erkennen, wie schnell der fährt."


    Mir kommt dieser Zeugenaufruf auch ungewöhnlich umfangreich vor, und ich kann mir auch keinen anderen Grund als die institutionelle Betroffenheit vorstellen, dass derjenige, der sich über Jahre hinweg am massivsten über unsichere Verkehrssituationen und Infrastruktur für Radfahrer beschwert hat und den man schikaniert hat, anstatt seiner Pflicht nachzukommen, in genau so einer Situation ums Leben gekommen ist, die er vermieden sehen wollte.

    Und vielleicht ... vielleicht gibt es ja bei Polizei und Verwaltung in Pforzheim Leute, die sich bewusst sind, dass die Pforzheimer Exekutive seit dem Fall Harry Wörz einen ganz, ganz dicken Eintrag in der Skandalchronik der Bundesrepublik hat (was so oft beschönigend und entschuldigend als "Justizirrtum" bezeichnet wird, waren/sind ja in Wirklichkeit bewusste Manipulationen von Beweismitteln, Zeugenaussagen und Akten usw.) und man wirklich keinen weiteren Fall gebrauchen kann, bei dem der Verwaltung/Justiz die Haltung "das musste ja mal so kommen, so wie der fuhr" nachgesagt werden kann.

  • keine noch so dichte Kontrolle von Überholabständen, keine Sanktionierung gefährdenden Verhaltens hätte diesen Unfall verhindert.

    Es war ja nach ersten Erkenntnissen gerade nicht so, dass einer der "Bekannten Idioten" wie z.B. Fahrer der REgionalbuslinien dort ihn am Unfalltag eng überholt haben, es schiefgegangen ist und er den Außenspiegel an Kopf bekam und in Sturzfolge überfahren wurde.

    Wäre es zu so einem Unfall gekommen, hätte man mit Fug und Recht mit allen Fingern auf die Polizei und das Busunternehmen zeigen können: Dieser Fahrer wurde mehrfach angezeigt, ihr habt nichts getan. Dieser Fahrer hat weitergemacht und mit diesem Verhalten einen tödlichen Unfall verursacht!

    Es war jetzt ein 77-jähriger aus der Gegend. Das hätte prinzipiell auch ich sein können, der dort das erste Mal in meinem Leben entlangfährt.

    Wie hätte die Polizei mit Mitteln der Kontrolle und Prävention diesen Unfall verhindern sollen?

    Ja, ok:

    zHg50 anordnen, Achtung Radfahrer aufstellen, Radweg bauen (auf dass ich dann den Reiter umfahre oder denjenigen, der dort gerade sein Pannenfahrzeug verlässt)...

    Aber das sind allgemeine Maßnahmen, die dann überall hinmüssen. Selbst auf der schnurgeraden und 0%-Gefälle-Straße in der brandenburgischen Pampa mit 100kfz/Tag

  • .... und es bei 100 km/h belässt, weil da fährt ja eh nur ein einziger Radler auf der Fahrbahn ...

    Was viele dabei übersehen: bei den zum Unfallzeitpunkt gegebenen Sicht- und Lichtverhältnissen sind nirgendwo in Deutschland "100" erlaubt, insbesondere gibt es da auch Null Unterschied, der von der Frage abhinge, ob es möglich ist, dass Fahrräder auf der Fahrbahn vorkommen könnten.

  • Fragwürdig ist allerdings, dass man einen Weg HAT und statt den in Ordnung zu bringen lieber die Benutzungspflicht raus nimmt.

    Was bringt es einen Weg mitten durch den Wald fernab der Straße in Ordnung zu bringen. Wenn es dunkel ist, dann fährt man wegen der sozialen Sicherheit sowieso die Straße lang… Ergo ist das Gerede bzgl. dieses angeblichen Radwegs sinnlos…