Woche 24 vom 13. bis zum 19. Juni 2022

  • Und deshalb ist dir jetzt alles andere auch egal? Weil ja auch die Hochkultur der Azteken mal untergegangen ist...

    Oder sollte das gar kein "Argument" für oder gegen etwas sein?

    Die Nähe der Kipppunkte (oder deren teilweise bereits vollzogenes Überschreiten) bedeutet zunächst mal, dass selbst ein am 22.6.22 in Kraft tetendes weltweites vollständiges Treibhausemmissions-Verbot nicht weit genug gehen würde, um die Erde in ihrem bekannten Zustand zu retten. Da die Erwärmung dem CO2-Anstieg mit einem Nachlauf von Jahren bis Jahrzehnten folgt, müssten wir darüber hinaus zusätzlich auch gleich morgen anfangen, im großen Stil CO2 aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen, um den CO2-Gehalt schleunigst wieder auf vorindustrielle 270 ppm zurückzudrängen.

    Und jetzt überlege dir, warum der Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck die Kohleförderung hochfahren lässt und nicht einfach sagt "Dein Gasembargo, Wladimir, juckt uns nicht. Ich habe für morgen früh, 22.6.22, sowieso die Einstellung sämtlicher Gasverbrennung angeordnet!"

  • Es ist richtig, dass auch bei einem sofortigen (und daher absolut unrealistischen) Stopp aller vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen die globale Temperatur weiter ansteigen würde, weil wir bereits Effekte in Gang gesetzt haben, die die Temperatur weiter ansteigen lassen.

    Das Überschreiten einzelner Kipppunkte bedeutet aber nicht zwangsweise, dass eine Kaskade ausgelöst wird, in der alle anderen Kipppunkte auch überschritten werden. Aber das Risiko, weitere Kipppunkte zu überschreiten, steigt mit jedem Zehntel Grad weiterer Erwärmung.

    Der größte Hebel bleibt das Herunterfahren der Treibhausgasemissionen. Das muss auch nicht von einem Tag auf den anderen erfolgen, aber die verbleibende Zeit wird immer knapper. Ich verstehe das "Argument" nicht, dass man es gar nicht tun sollte, weil es nicht von einem Tag auf den anderen geht. Und um noch einmal auf das Beispiel mit der Mauer zurückzukommen: Vom Bremsen ist noch niemand gestorben.

    Die Fixierung auf den Kohleausstieg halte ich übrigens für zu kurz gedacht. Es muss darum gehen, Treibhausgasemissionen insgesamt zu reduzieren. Bei der Verbrennung von Erdgas (hauptsächlich Methan) entsteht zwar weniger CO2, aber leider hat Methan, das unverbrannt in die Atmosphäre gelangt, z.B. durch Leckagen beim Transport, eine vielfach höhere Klimawirkung als CO2. Unterm Strich ist daher Erdgas für den Klimaschutz nicht besser als Kohle, außer dass sich Methan in der Atmosphäre schneller abbaut als CO2 (trotzdem zu langsam). Dass nun kurzfristig für einen Ersatz von russischem Erdgas gesorgt werden muss, weil man jahrzehntelang versäumt hat, Alternativen zu schaffen, ist sicherlich nicht ausgerechnet Robert Habeck anzulasten.

    Die Leckage-Problematik bleibt auch bestehen, wenn wir irgendwann mal synthetisches Methan haben, das zu100% klimaneutral mit Sonnenenergie und CO2 aus der Atmosphäre erzeugt wurde.

    Falls gleich noch die Forderung nach einer Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, oder gar der Vorschlag, neue AKW zu bauen, folgt: Es ist dafür zu spät und kurzfristig ist die Entscheidung nicht rückgängig zu machen. Jedenfalls nicht so kurzfristig, dass es uns im kommenden Winter helfen würde, komplett auf russisches Öl und Gas zu verzichten. Für den Klimaschutz wäre es aber in der Tat besser gewesen, als erstes die ineffizientesten Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen und dafür die AKW länger laufen zu lassen.

    Der Bau neuer AKW wäre hingegen ökonomischer Unfug, weil man für das selbe Geld ein Vielfaches an erneuerbarer Energie bekäme. Abgesehen davon würde es viel zu lange dauern und die Endlagerproblematik ist ebenfalls bis heute ungelöst.

  • Ich verstehe das "Argument" nicht, dass man es gar nicht tun sollte, weil es nicht von einem Tag auf den anderen geht.

    Ich schon :). Vor ca. 15 Jahren hat mir mal ein BT-Abgeordneter auf meine Anfrage, ob die Berechnungen korrekt sind, dass in manchen Bundesländern ab 2021 ca. jeder 4. Steuer-Euro für Pensionszahlungen draufgehen wird, geantwortet: "Das ist weit außerhalb der aktuellen Legislaturperiode, das interessiert hier nicht."

  • Und deshalb ist dir jetzt alles andere auch egal? Weil ja auch die Hochkultur der Azteken mal untergegangen ist...

    Ich mache natürlich weiterhin meinen kleinen Teil pro Verkehrswende via VCD etc., denn das verbessert ja auch die aktuelle Lebensqualität hier in der Innenstadt bspw., aber mein Optimismus für die nachfolgenden Generationen bewegt sich eher unter Null und hoffe nur noch auf die Sintflut erst NACH mir und bin froh, keine Kinder in die Welt gesetzt zu haben (meines Wissens nach), die das ganze ausbaden müssen ... Nur dass ich hier im HOTspot Karlsruhe schwitzen muss ... Vielleicht doch wieder Bremerhaven als Altersruhesitz?

    Das mit dem Permafrost hat durchaus Potential für die Kaskade ...

    PS: Nicht alles CO2 wegsperren, bissele was brauchen wir noch, weil wir ohne die Erhöhung ja evtl, auf den Weg in eine Eiszeit wären, sagen einige ...

  • ...bissele was brauchen wir noch, weil wir ohne die Erhöhung ja evtl, auf den Weg in eine Eiszeit wären, sagen einige ...

    Die natürlichen Zyklen zwischen Warm- und Eiszeiten liegen in der Größenordnung von 100.000 Jahren. Aktuell reden wir über eine Zunahme der globalen Temperatur um 3-4° innerhalb von 100 Jahren.

    Zusammenhänge erklärt von Prof. Stefan Rahmstorf: Am Puls der Klimakrise - Forschungsergebnisse zu Temperatur, Eis und Wetterextremen on Vimeo

    *edit: leider ist das Video schon 9 Jahre alt, aber die physikalischen Zusammenhänge sind natürlich weiterhin gültig.

    Einmal editiert, zuletzt von Yeti (22. Juni 2022 um 15:54)

  • Klar, Hausboot fertig machen und abwarten :S

    Eigentlich wollte ich hier ja beim Umbau des Karlsruher Binnenhafens (durchaus nicht klein) zum Seehafen mithelfen, aber die Ölverbrenner kommen ja nicht rechtzeitig in die Pötte, um die Antarktis zeitnah abzuschmelzen, außerdem habe ich mich leicht verkalkuliert, die Antarktis reicht nicht ganz bis KA und bis sich der oberrheinische Grabenbruch noch bissele weiter absenkt, um das auszugleichen, dauert's auch zu lange ... Also muss ich umdisponieren, vielleicht ein Häuschen in der Wingst, eine Insel in spe? ;) Eine Weile reicht vielleicht auch die Hohe Lieth, ein Geestrücken zwischen Bremr- und Cuxhaven ... Und dann für die Wiedereinführung der Bremerhavener Straßenbahn kämpfen und gleich eine wasserfeste Hybridversion vorschlagen ... ;)

    Die natürlichen Zyklen zwischen Warm- und Eiszeiten liegen in der Größenordnung von 100.000 Jahren. Aktuell reden wir über eine Zunahme der globalen Temperatur um 3-4° innerhalb von 100 Jahren.

    Ich hatte in Erinnerung, dass es "zuletzt" vor Erfindung der Dampfmaschine a weng frischer wurde, aber in der Tat müssen wir uns da vorerst keine Sorgen machen, weil wir die "Eiszeitverhinderung" arg übertrieben haben.

  • Und jetzt überlege dir, warum der Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck die Kohleförderung hochfahren lässt und nicht einfach sagt "Dein Gasembargo, Wladimir, juckt uns nicht. Ich habe für morgen früh, 22.6.22, sowieso die Einstellung sämtlicher Gasverbrennung angeordnet!"

    Diese Frage beantwortet Prof. Claudia Kemfert hier: Putins volle Kriegskasse: Der Preis der verschleppten Energiewende | Wirtschaft (rga.de)

  • Dass nun kurzfristig für einen Ersatz von russischem Erdgas gesorgt werden muss, weil man jahrzehntelang versäumt hat, Alternativen zu schaffen, ist sicherlich nicht ausgerechnet Robert Habeck anzulasten.

    Habeck war (noch aus der Opposition heraus) einer der Haupttreiber des Atomausstiegs, dem es damit kaum schnell genug gehen konnte. Er ist also sehr wohl verantwortlich.

  • Habeck war (noch aus der Opposition heraus) einer der Haupttreiber des Atomausstiegs, dem es damit kaum schnell genug gehen konnte. Er ist also sehr wohl verantwortlich.

    Was du da indirekt vorschlägst, Adsche, ist den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Übrigens ist Russland und sein Verbündeter im Militärbündnis OVKS, Kasachstan nicht nur Öl- und Gaslieferant, sondern auch Uran-Lieferant:

    So kritisiert der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt in einer Pressemeldung vom 21.4.2022 den bayrischen Ministerpräsidenten Söder:

    "Seine Rufe nach Atomkraft sind angesichts der nuklearen Bedrohungen durch AKW im Kriegsgebiet und Putins Atombomben-Drohungen ein politisches und moralisches Armutszeugnis. Das gilt erst recht angesichts der Abhängigkeit Europas von russischem und kasachischem Uran. Auch die noch bis zum Jahresende laufenden deutschen AKW werden zum großen Teil damit betrieben."

    Atomkraft schafft keine Energieunabhängigkeit: Uran aus Russland ist Treibstoff für europäische AKW
    Anlässlich des 36. Jahrestages der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl warnen Umweltverbände und Stiftungen vor der großen Abhängigkeit von der weltweit…
    www.bund.net

    Was viele nicht erkennen:

    Die Gaslieferungen (und Öl-Lieferungen und Uran-Lieferungen) aus Russland waren eine Möglichkeit, mit Russland wirtschaftliche Beziehungen zu unterhalten. Es wird immerzu darauf herumgeritten, Deutschland und die EU hätten sich in unverantwortlicher Weise anhängig gemacht von russischen Energielieferungen. Dass umgekehrt die Länder, die russisches Öl und Gas kauften, auch davon profitierten, dass Russland im Gegenzug Technologie einkaufte, ist die andere Seite der Medaille.

    Und leider macht sich derzeit fast niemand Gedanken darüber, wie in Zukunft Beziehungen zu Russland geknüpft werden können, zum beiderseitigen Interesse und als friedenserhaltende Maßnahme. Stattdessen gefallen sich manche Protagonisten darin, den Russland-Ukraine-Krieg zu einem lange anhaltenden Ereignis zu erklären. Hoffentlich gibt es genug intelligente Mitarbeiter in den Regierungen, (auch in der russischen und in den Regierungen von Russlands Verbündeten), die an Frieden und Abrüstung interessiert sind. Krieg darf kein Dauerzustand werden. Das ist kein "frommer Wunsch", sondern überlebensnotwendig.

    Die Fotos oben zeigen den russischen Oldtimer Lada Schiguli aus den 70er-Jahren. Und er sieht nicht zufällig so aus wie ein alter Fiat, denn die damalige Sowjetunion hatte die Lizenz zum Bau beim italienischen Autohersteller Fiat erworben.

    Wenn du, Adsche, partout den Grünen was anhängen willst, dann kritisiere sie dafür, dass sie zwar den Ausstieg aus fossilen und atomaren Energien vorangetrieben haben, aber keine Ideen erkennbar sind, wie Russland weiter wirtschaftlich an Deutschland und die EU angebunden sein sollte.

    Was dabei rauskommen kann, ist absehbar: Russland pfeift auf Klimaziele. Die USA, so ist nach dem jüngsten Supreme-Court-Urteil zu befürchten, übrigens auch.

    "URTEIL DES SUPREME COURT:

    Schwerer Rückschlag für Bidens Klimapolitik"

    faz vom 30.6.22

    Urteil des Supreme Court: Schwerer Rückschlag für Bidens Klimapolitik
    Amerikas Präsident Biden spricht von einer schrecklichen Entscheidung, nachdem der Oberste Gerichtshof die Kompetenzen der US-Umweltbehörde EPA beschnitten…
    www.faz.net
  • Der Atomausstieg wurde von der Rotgrünen Koalition 2005 beschlossen, Die erneuerbaren wurden bis zur schwarz/Gelben Koalition gut gefördert. Danach wurde die Uhr zurückgedreht. Zugunsten der Atomenergie.2009 wurde die Laufzeitverlängerung dank der Schwarz Gelben Koalition beschlossen. Das endgültige Aus 2011 "dank" Fukushima hätte man sich sparen können, indem die rückwärts gewandte Koalition den

    ersten Ausstieg gelassen hätte und die erneuerbaren nicht so arg kaputtreguliert hätten.

    Den erneuerbaren wurden Steine in den Weg gelegt, was sich auch in der Ausbaugeschwindigkeit wiederspiegelt.

    Jetzt wurde das letzte WKA Werk geschlossen.Die Solaranlagenhersteller sind auch schon einige Jahre weg.

  • Und jetzt überlege dir, warum der Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck die Kohleförderung hochfahren lässt und nicht einfach sagt "Dein Gasembargo, Wladimir, juckt uns nicht. Ich habe für morgen früh, 22.6.22, sowieso die Einstellung sämtlicher Gasverbrennung angeordnet!"

    Vielleicht will Habeck ja wieder Gas aus Kohle gewinnen. Das machte man seit Ende des 19. Jh. und bis zu Beginn der 60er Jahre so. Stadtgas heißt das Produkt, das aus Kohle gewonnen wird.

  • Stadtgas oder auch Leuchtgas wurde durch Pyrolyse bzw. Fischer-Tropsch-Synthese gewonnen. Allein das Verfahren an sich hat einen krassen CO2-Footprint ( weil man die dazu notwendige Wärme durch Kohleverbreñnung erzeugt). Mein Standpunkt zu Ideen in diese Richtung: Wenn schon Kohle verbrennen und CO2 emittieren, dann doch bitte wenigstens die enthaltene Energie möglichst effizient nutzen.

  • Vielleicht will Habeck ja wieder Gas aus Kohle gewinnen. Das machte man seit Ende des 19. Jh. und bis zu Beginn der 60er Jahre so. Stadtgas heißt das Produkt, das aus Kohle gewonnen wird.

    Egal, was der Grund war. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass das Beispiel zeigt, dass Politiker und Parteien wissen, dass sie, wenn sie beim CO2-Sparen wirklich ernst machen würden, sofort weg vom Fenster wären. Und wenn noch nicht einmal so ein idealer Anlass ausreicht, um die gebotenen kurzfristigen grundlegenden Veränderungen anzufangen, was dann?

    Diktatoren könnten die notwendigen Transformationen wohl noch am ehesten durchboxen, haben aber leider aufgrund des zum Erreichen ihrer Stellung erforderlichen Persönlichkeitsstruktur gleichzeitig noch am allerwenigsten Interesse daran…

  • Diktatoren könnten die notwendigen Transformationen wohl noch am ehesten durchboxen

    Man kann auch in die andere Richtung denken. Wenn da nicht die weitverbreitete Meinung wäre, die lieben Mitbürger sind mehrheitlich zu doof, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Irgendwie scheint die Idee einer echten Bürgerdemokratie inzwischen noch abstruser zu klingen, als einen "Führer" zu haben. Was hab ich eigentlich verpasst?

  • Diktatoren könnten die notwendigen Transformationen wohl noch am ehesten durchboxen, haben aber leider aufgrund des zum Erreichen ihrer Stellung erforderlichen Persönlichkeitsstruktur gleichzeitig noch am allerwenigsten Interesse daran…

    "Kasachstan: Proteste gegen Tank-Preise – Regierung tritt zurück

    Gewaltsame Proteste gegen hohe Preise an den Tankstellen haben Kasachstan in Zentralasien in eine Krise gestürzt. Am Mittwoch trat die Regierung zurück. In mehreren Landesteilen der autoritär geführten Republik wurde der Ausnahmezustand verhängt."

    BR24 vom 5.1.22

    Kasachstan: Proteste gegen Tank-Preise – Regierung tritt zurück
    Gewaltsame Proteste gegen hohe Preise an den Tankstellen haben Kasachstan in Zentralasien in eine Krise gestürzt. Am Mittwoch trat die Regierung zurück. In…
    www.br.de

    Aber gegen hohe Spritpreise wird auch in Deutschland demonstriert. Siehe z. B. hier:

    Protest gegen Spritpreis: Alle News | autozeitung.de
    Aus Protest gegen die hohen Spritpreise bremsten Lkw-Fahrer:innen den Verkehr auf Autobahnen, Bundesstraßen und Innenstädten aus. Die Hintergründe!
    www.autozeitung.de

    Allerdings gelingt es zurzeit den Regierenden mit der "Wir müssen Putin in die Knie zwingen"-Masche, die Proteste einzugrenzen. Vermutlich besser, als das der Fall wäre, wenn es bei teurem Sprit "nur" darum ginge, mehr Klimagerechtigkeit herbeizuführen.