Der Tote Winkel lebt

  • Dass das Übel hinter dem Lenkrad sitzt und sich nicht beherrschen kann, das halte ich für zu kurz gedacht. Wenn du dir die Diskussionen aus den 70ern nochmal durch den Kopf gehen lässt, dann erkennst du sehr schnell die hohe Opferbereitschaft der Verkehrsteilnehmer. Klar ist Autofahren ohne Gurt und Geschwindigkeitslimits gefährlich. Aber verdammt nochmal, Leute, wollt ihr ewig leben?, so hieß das damals.
    Mangelnde Beherrschung hieße, jemand macht etwas entgegengesetzt der gültigen Vorschriften, weil er sich davon einen persönlichen Vorteil oder Lustgewinn verspricht. Es ist jedoch viel schlimmer: Jemand der zu schnell fährt, die gültigen Tempolimits ignoriert, der tut das oft deshalb, weil er glaubt damit die gesellschaftlichen Erwartungen zu erfüllen. (Ergebnis vieler Gespräche mit Taxifahrern. Frag mal einen, wenn er grad' mal wieder deutlich über dem Limit fährt. Häufige Antwort: "Das darf doch der Fahrgast auch erwarten, dass er möglichst schnell von A nach B gebracht wird. Aber wenn sie das unbedingt wünschen, dann kann ich auch das Tempolimit beachten." Und dabei spüre ich die nicht ausgeführte "Scheibenwischer-Handbewegung.)

    Übrigens waren Taxifahrer lange Zeit von der Gurt-Pflicht ausgenommen. Klar ist Autofahren ohne Gurt und Geschwindigkeitslimits gefährlich. Aber verdammt nochmal, Leute, wollt ihr ewig leben?

    Das ist - so mein Eindruck - damals in den 70ern der Tenor gewesen. Und bei sehr vielen besonders bei älteren Menschen ist das heute noch der Tenor, wenn es um Verkehrsdiskussionen geht. Immerhin benutzen mittlerweile die allermeisten den Gurt. Risiken werden trotzdem weiter ignoriert. Vielleicht begünstigt durch den Gurt?

    Beim Rauchen hatte es übrigens auch ziemlich lange gedauert, bis ein Rauchverbot ausgesprochen wurde. Wann kommt das Privat-KFZ-Verbot?

  • Immerhin benutzen mittlerweile die allermeisten den Gurt.

    Hauptsächlich wohl deswegen, weil die Autos seit ca. 10 Jahren standardmäßig nervige Gurtwarner haben. Es macht keinen Spaß und stresst, bei dem Gepiepse ohne Gurt zu fahren. Und die Schnalle zu schließen und sich auf den geschlossenen Gurt zu setzen, um das Gefühl "von Freiheit und Abenteuer" zu genießen, ist auch keine Option, wenn die Gurtschnallen so dick sind wie sie sind -- das wird verdammt unbequem unter dem Popöchen.

  • In meinem Auto nicht. Und ganz ehrlich: Mich nerven sie ungemein: Ein zusätzliches Elektronikteil, das einen Defekt haben kann. Beim Rückwärtseinparken den Gurt gelöst: Es piept. Schwere Tasche auf Beifahrersitz: Es piept.

    Ich kauf' mir sofort den obigen Adapter. ;)

  • Nein, hängt teilweise wohl auch mit dem Airbag zusammen. Bei mir defekt in beiden Autos. Skoda: Schloss lies sich schnell tauschen, Opel: Sensor liegt irgendwie so dass das nicht so einfach zu tauschen ist, daher muss ich mit gelegentlichen Fehlalarmen leben. Ich schnalle mich sowieso an, daher überflüssig und nervig.

  • Ich finde ja eine Rückfahr-Kamera am Transporter manchmal ganz praktisch. Weil ich sonst gar nichts sehen würde. Aber konventionelle Außenspiegel haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber Displays: Das Bild ist dreidimensional. Man braucht sich nicht zusätzlich anzustrengen, um Entfernungen abzuschätzen.

    Der Bildschirm im gezeigten Lkw zeigt dasselbe wie ein 'normaler' Außenspiegel, nur schlechter. Natürlich, der CW-Wert...

  • Der Bildschirm im gezeigten Lkw zeigt dasselbe wie ein 'normaler' Außenspiegel, nur schlechter.

    Dass sich der dargestellte Bildbereich in Kurven ändert, sehe ich schon als Vorteil. Außerdem die Platzierung der Bildschirme direkt vor den A-Säulen: Das schafft zusätzlichen direkten Sichtbereich, der sonst hinter den Spiegeln verschwindet.

    Jetzt müsste nur noch sichergestellt sein, dass sich der Motor nicht starten lässt, sobald nur ein einziger Bildschirm oder Kamera ausgefallen ist.

  • Man braucht sich nicht zusätzlich anzustrengen, um Entfernungen abzuschätzen.

    Der Effekt nimmt mit der Entfernung schnell ab. Laut Wikipedia gibt es zwei physikalische Mechanismen, um Entfernung direkt zu ermitteln. Der erste endet bei 3 m, der zweite bei 10 m.

    Alles darüber ist eine freie und meist überraschend akkurate Erfindung des Gehirns.

  • Theoretisch könnte man mit dem neuen System den 'toten Winkel' endlich beerdigen. Die Frage ist, ob der Fahrer in der Lage ist, die Masse an Bildern überhaupt zu verarbeiten. Vielleicht muss man bald mit einer 3D-Brille fahren, die das Fahrzeug komplett ausblendet? Für manche Verkehrsteilnehmer ist es ja schon zu schwierig, in die Richtung zu schauen, in die man zu fahren beabsichtigt...

  • Die Frage ist, ob der Fahrer in der Lage ist, die Masse an Bildern überhaupt zu verarbeiten.

    Man muss sie halt anständig aufbereiten. Ich war etwas überrascht, dass die im Ergebnis einfach die heutigen Spiegel simulieren. Mit einer Kamera und Display gibt es doch wesentlich bessere Möglichkeiten, die Umgebung darzustellen.

    Entweder haben sie sich nicht getraut oder die Vorschriften geben es nicht her.

  • Vermutlich Letzteres. Die Anordnung der Bilder auf den Displays entspricht den sonst verwendeten Spiegeln.

    Die Frage ist, ob der Fahrer in der Lage ist, die Masse an Bildern überhaupt zu verarbeiten

    Die Fülle an Informationen ändert sich durch das System nicht, denn die Displays zeigen die selben Bilder, die man auch im Spiegel sehen würde.

    Es würde hier eher noch die Möglichkeit bestehen, Informationen hervorzuheben und deutlicher darzustellen: Fußgänger oder Radfahrer farbig hervorheben, Schleppkurven einblenden, etc.

  • Hier mal "Kameraspiegel" in einem bald erhältlichen PKW im Einsatz.

    Der Tester ist ja hochgradig begeistert!

    Mich irritieren die Rücklichter: Sehen aus wie Frontscheinwerfer. Das Fahrzeug sieht damit von hinten aus, als ob es auf einen zukäme... Vielleicht überredet das Design ja den Nachfolgenden zu mehr Sicherheitsabstand.:).

  • Die neuen TW 3000 Stadtbahnen in Hannover haben Kamera-Rückspiegel. Beim Fahren zeigt das Display für den rechten Außenspiegel das Bild der rechten Kamera und das Bild der linken Kamera wird auf dem linken Display angezeigt.

    Beim Halten muss der Fahrer die Haltestellenseite gut beobachten. Bei einen Zweiwagenzug wird dann der nicht benötigte "Außenspiegel" umgeschaltet auf die Kamera des zweiten Wagens. So sieht der Fahrer mehr von der Haltestelle.

  • Ich saß letzten September auf der IAA mal in so einem Fahrzeug. Insgesamt halte ich die Kameraspiegel für eine sinnvolle Weiterentwicklung. Kollegen, die schon damit gefahren sind, hatten auch einen positiven Eindruck.

    Der Hauptvorteil aus Verkehrssicherheitssicht, ist, dass sich mit der Einführung der Kameras zumindest eine Komponente der "Übersehen" Problematik löst: Dies "Spiegel" sind immer korrekt eingestellt! Gerade im Verteilerverkehr wechselt der Fahrer regelmäßig, wodurch eine Neueinstellung erforderlich werden würden. In Ermangelung von Zeit und Spiegeleinstellplätzen, entfällt das gerne.

    Für die Entfernungseinschätzung lassen sich im Spiegel Linien einblenden. Diese lassen sich z.B. auch auf die Abmaße des Anhängers einstellen. Die Kameras sind beheizt, um einem Beschlagen entgegenzuwirken.

    Jetzt müsste nur noch sichergestellt sein, dass sich der Motor nicht starten lässt, sobald nur ein einziger Bildschirm oder Kamera ausgefallen ist.

    Über das Thema Kameraausfall habe ich mit einem Daimler Entwickler diskutiert. Für mich einleuchtend war seine Argumentation im Vergleich zu einem normalen Außenspiegel. Bei diesen ist es viel wahrscheinlich ihn sich abzufahren, da wesentlich größer und weiter abstehend. Für diesen Fall sind Klemmspiegel vorgesehen, welche man auch bei den Fahrzeugen mit Kamerasystem verwenden kann.

    Bei der Funktion der MirrorCams abgesehen von Unfällen, gehe ich davon aus, dass diese entsprechend im System abgesichert sind. Dies ist bei allen elektronischen Komponenten der Fall, die eine Sicherheitsrelevanz haben (gibt dazu aufwendige Sicherheitskonzepte, die bei der Entwicklung obligatorisch zu erstellen sind)

    Entweder haben sie sich nicht getraut oder die Vorschriften geben es nicht her.

    Ja näher man am herkömmlichen Look&Feel ist, desto einfach gestaltet sich für die Fahrer der Umstieg, wodurch sich die Akzeptanz erhöht.

  • Wenn man wirklich will, kann man elektrische Komponenten so bauen, dass diese länger halten als das Fahrzeug selber.


    Dieser Wille ist bei vielen Herstellern von Konsumprodukten abhanden gekommen. Daraus sollte man nicht schließen, dass diese Kameras aber garantiert alle paar Jahre kaputt gehen, damit die Werkstatt was zu tun hat.