Woche 45 vom 05. bis 11. November 2018

  • Ich mache mit der Sprachkritik mal weiter.

    »Gegen 5.50 Uhr fuhr ein Nissan auf einem Verbindungsweg von Berkheim nach Unteropfingen. Vor ihm war ein Radfahrer unterwegs. Der Pkw stieß gegen das Zweirad.«

    Das ist Grundschul-Deutsch. Hauptsatz. Punkt. Hauptsatz. Punkt. Hauptsatz. Punkt. Das entspricht ungefähr dem, was Polizisten in ihre Notizblöcke schreiben, wenn sie in freier Wildbahn eine Anzeige notieren, es entspricht aber keiner Presseinformation.

    Dann war »ein Nissan« unterwegs. So ganz autonom? Und was für einer? Micra, Qashwai, Juke, X-Trail, Leaf, E370Z?

    Und der Pkw »stieß« gegen das Zweirad. Ein bisschen Anstupsen, wie beim Parkrempler?

    »Dessen Fahrer prallte gegen die Windschutzscheibe, rollte über das Dach und fiel in den Acker.«

    Klingt wie die letzte Ausgabe von »Wetten Dass« mit Thomas Gottschalk. Hier hat sich aber kein Stuntman auf ein Auto gestürzt, sondern ein Opfer wurde mit solcher Wucht gerammt, dass er hochgeschleudert und über das Auto katapultiert wurde. Bei einem »Anstoßen« wäre der Radfahrer unters Auto gekommen, aber nicht drüber.

    »Dabei erlitt der 55-Jährige schwerste Verletzungen. Er starb noch an der Unfallstelle.«

    Das ist in der Tat korrekt formuliert im Gegensatz zum üblichen »verletzte sich«. Ansonsten schweigt der Linguist. Und der Mitmensch ist wütend und traurig.

    »Den Sachschaden an dem Fahrzeug des 21-Jährige schätzt die Polizei auf ungefähr 1.000 Euro.«

    Das mit dem Sachschaden am Tötungswerkzeug muss offenbar in jede Pressemitteilung. Auch wenn es angesichts eines um Leben gebrachten Menschen mehr als peinlich ist. Aber wenn es schon mal da steht: Ich wurde gestern Zeuge eines Unfalls zwischen zwei PKW bei 10 bis 15 km/h. Frontpartie gegen hintere Seitentür an der C-Säule. Den Sachschaden schätze ich auf 5.000 bis 10.000 Euro. Für 1.000 Euro bekommt man doch nicht mal eine Frontpartie neu lackiert und eine Motorhaube ausgedellt. Was sind das für Fahrzeuge, die kaum eine Schramme abbekommen, wenn ein Mensch ihretwegen stirbt?

    Ach - und jetzt kommt quasi aus dem Nichts ein 21-jähriger ins Spiel. Der fehlte im ersten Satz, der eigentlich hätte lauten müssen »Gegen 5.50 Uhr fuhr ein 21-jähriger mit einem PKW Nissan [Modell] auf einem Verbindungsweg von Berkheim nach Unteropfingen. Vor ihm war ein 55-jähriger Radfahrer unterwegs. Der Fahrer rammte mit seinem Pkw das Zweirad.«

    »Ersten Erkenntnissen zufolge hatte der Radfahrer an seinem Fahrrad die Beleuchtung eingeschaltet.«

    Okay, das ist um 5:50 Uhr in der Tat ein erwähnenswertes Kriterium. Was aber war mit der Beleuchtung des Pkw?

    »Auch hatte er einen Helm getragen.«

    Der nichts genützt hat.

    Hatte die Polizei keine ersten Erkenntnisse gewonnen über die Geschwindigkeit des Pkw, über den Alkoholspiegel des Fahrers, über den Betriebszustand des Handys, über die Lautstärke des Radios? Und über den Zustand des »Verbindungsweges«, der offenbar eine Art Feldweg ist?

    https://www.google.de/maps/place/Unt…68!4d10.1280381

    edit: Autokorrektur korrigiert

  • Habe den Artikel gelesen und er erinnert mich einmal mehr daran, dass eine Verkehrspolitik, die wirksam den Autoverkehr reduzieren möchte, es versäumt, die Konflikte zwischen Autofahrern untereinander, wirksam dafür zu nutzen, den Autoverkehr tatsächlich zu reduzieren. Da hält ein LKW in zweiter Reihe, obwohl ein gefahrloses Halten in einer Lieferzone möglich wäre. „Die ist aber von Pkw verbotenerweise vollgeparkt.“, heißt es in dem Artikel. Warum wird darüber nicht sehr viel häufiger berichtet? Und warum gehen die Verkehrsbehörden so lax vor, wenn Lieferzonen-Parkplätze ordnungswidrig zugeparkt werden? Würde man darüber nur halb so viel berichten, wie über Radfahrer, die sich angeblich selbst gefährden, wenn sie keinen Helm tragen, dann wäre schon viel gewonnen. Und es wäre auch kein grotesker Aufschrei ("Abzocke", "Wegelagerei") aus der Autofahrerecke zu befürchten, wenn die Verkehrsbehörden "mit einem robusten Mandat ausgestattet" gegen Falschparker in Lieferzonen vorgehen würden.

    Lieferzone, Beispiel aus Lille in Nordfrankreich

  • Bei allen Beiträgen zum so genannten Mobilitätswandel, die bei AchGut oder Tichys Einblick Erscheinen, klingt es immerzu danach, als wäre das alles nur ein lustiger Zeitvertreib der Grünen. Dass dahinter ein relativ straffer Zeitplan steht, der nicht von ebenjenen Grünen, sondern von den Naturwissenschaften hinsichtlich des Klimawandels vorgegeben wird, findet leider keine Erwähnung. Wenigstens bei Tichys Einblick bekennt man sich offen dazu, das so genannte Klimamärchen abzulehnen. Aus der komfortablen Position lässt es sich natürlich ganz besonders herzlich gegen Radfahrer schreiben.

  • Im Prinzip eine überwiegend sachliche Darstellung der Gegenposition, aber dann das Ende:

    Zitat

    Die Autokrise offenbart also, dass es im heutigen Deutschland nicht nur an Verständnis für die berechtigten Belange der Industrie fehlt, sondern auch an einem adäquaten Verständnis der modernen Großstadt und ihrer Legitimität.

    Einerseits wird eine Schwarz-weiß Malerei kritisiert, die der Autor dann aber selbst betreibt: Es geht gar nicht darum, welches Verkehrsmittel wann und wo seine Berechtigung, Stärken und Schwächen hat, sondern es geht letztlich wieder einmal nur darum, die ausschließliche Bevorrechtigung des Autos gegenüber allen anderen Verkehrsarten zu legitimieren. Wer das anders sieht, hat eben "kein Verständnis", so einfach ist das.

    Natürlich gibt es Wege, auf denen das Auto unschlagbare Vorteile hat (Entfernung, Individualität, Lastentransport, Bequemlichkeit...). Aber es gibt eben auch die 40% aller in Deutschland mit dem Auto zurückgelegten Wege, die kürzer als 5km sind (75% unter 10km), und auf denen außer dem Fahrer keine Last transportiert wird. Wendet man die Argumentation des Autors auf diese Wege an, bleibt am Ende nur noch das Argument, das Auto zu benutzen, um die Automobilindustrie zu unterstützen. Nicht zu vergessen die Gesundheitsindustrie, die sich um Unfallopfer, um chronische Krankheiten infolge Bewegungsmangel (Diabetes, Herz-Kreislauf Erkrankungen), Atemwegserkrankungen infolge von Luftschadstoffen, sowie um psychische Erkrankungen infolge von Lärm "kümmert".

  • Das wundert mich beim Hintergrund dieser Quelle nicht.

    Zitat von https://de.wikipedia.org/wiki/Gerd_Held

    Seit 2008 ist Held freier Publizist, unter anderem für Die Welt, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die Achse des Guten, The European, Novo und Tichys Einblick, und Privatdozent an der Technischen Universität Berlin.

    http://www.taz.de/!5330795/

    https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Achse_des_Guten

    https://de.wikipedia.org/wiki/Tichys_Einblick

  • Wendet man die Argumentation des Autors auf diese Wege an, bleibt am Ende nur noch das Argument, das Auto zu benutzen, um die Automobilindustrie zu unterstützen. Nicht zu vergessen die Gesundheitsindustrie, die sich um Unfallopfer, um chronische Krankheiten infolge Bewegungsmangel (Diabetes, Herz-Kreislauf Erkrankungen), Atemwegserkrankungen infolge von Luftschadstoffen, sowie um psychische Erkrankungen infolge von Lärm "kümmert".

    Aaaaah. Ich möchte ja widerstehen, aber ich kann einfach nicht! ;)

    Nach den gültigen "marktwirtschaftlichen" Prinzipien ist das ja auch alles richtig. Alles, was "Arbeit" und "Wachstum" schafft oder ermöglicht, wird begrüßt, sei es noch so schädlich. Wer dafür sorgt (wie auch immer - gar aufgrund sowas Absurdes wie Vernunft oder Logik...), dass die Automobilindustrie (und der ganze Rattenschwanz dahinter) schrumpft, sorgt halt auch dafür dass das, was von nicht wenigen gerne als "unser aller Wohlstand" bezeichnet wird, ebenfalls schrumpft; vor allem, weil man mit denkbaren Alternativen keinen (auch nur annähernd vergleichbaren) Reibach machen könnte. Aber weiter will ich es an dieser Stelle mal nicht vertiefen...! :evil:

  • Nach den gültigen "marktwirtschaftlichen" Prinzipien ist das ja auch alles richtig. Alles, was "Arbeit" und "Wachstum" schafft oder ermöglicht, wird begrüßt, sei es noch so schädlich

    Das ist kein marktwirtschaftliches Prinzip.

    Die theoretischen Grundlagen zum Fall "Auto" (und noch einigen mehr) liefert die VWL:

    Es geht darum, den Markt zu beobachtet und prüfen, ob er "effizient funktioniert" und regulierend einzugreifen, wenn er es nicht tut.

    Ob ein Markt "effizient funktioniert" ist über diverse Kriterien gut definiert. Insbesondere gehört dazu, dass jeder Marktteilnehmer sämtliche aus seiner Entscheidungen resultierenden Kosten zu tragen hat. Ist das nicht der Fall, ist das ein "negativer externer Effekt". Das Gut kann dann zu billig angeboten werden. Das wiederum führt dazu, dass dieses Gut normalerweise stärker konsumiert wird, als es volkswirtschaftlich wünschenswert wäre. Zur Regulierung von negativen externen Effekten gibt es diverse Möglichkeiten. Beispielsweise allgemeine Steuern. Oder auch eine Verhandlungslösung zwischen Verursacher und Betroffenen.

    Übertragen auf das Auto: Ein Fahrer sollte sämtliche mit seiner Entscheidung "ich fahre mit dem Auto von A nach B" verbundenen Kosten tragen. Dazu gehören natürlich das Auto selbst und die Betriebskosten (Abnutzung, Produktionskosten für den Kraftstoff). Aber auch Dinge, die er nicht ohne weiteres selbst trägt: Instandhaltung der Straßen, Lärmbelästigung von Dritten, Abgase, etc. Das sind die oben genannten "negativen externen Effekte".

    Und um die sollte sich der Staat durch Regulierung kümmern. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Im Fall vom Auto ist eine zusätzliche Besteuerung mWn der beste Weg. Und genau das passiert über die Steuern auf Kraftstoff.

    Wissenschaftlich ist eigentlich zuverlässig festgestellt worden, dass die erhobenen Steuern weiterhin zu niedrig sind - und damit das Autofahren von der Allgemeinheit subventioniert wird. Selbst der VDA hat das vor einiger Zeit anerkannt und man müsste nur noch über die genaue Höhe diskutieren. Umgerechnet auf den Liter Kraftstoff reden wir hier über einen Bereich zwischen ein paar Cent und ca. einem Euro. Leider entsteht aus diesen eigentlich eindeutigen Fakten praktisch kein politisches Handeln.

    Ganz allgemein:

    Ich wäre sehr dafür, ein Schulfach für solche Grundlagen einzuführen. Ich habe das zufällig im Studium so nebenher mitgenommen und war überrascht, wie viele Details es um das einfache "Angebot und Nachfrage" herum gibt. Die Theorie liefert hier jede Menge Mechanismen, um Fehlentwicklungen zu begegnen und die volkswirtschaftlichen Kosten dafür so niedrig wie möglich zu halten. Der oft ungeliebte Handel mit Emissionszertifikaten beispielsweise ist ein sehr effizienter Mechanismus zur Reduktion der Emissionen. Auch diverse Privatisierungen wären wesentlich besser gelaufen, wenn jemand mit etwas Sachverstand in VWL am Tisch verhandelt hätte.

    Aber dafür muss halt das Wissen über diese Möglichkeiten breit gestreut werden. Und das passiert aktuell in der Schule leider viel zu wenig.

  • Im Prinzip eine überwiegend sachliche Darstellung der Gegenposition, aber dann das Ende:

    Ja. Unfundiert ist der Standpunkt nicht (sonst hätte ich auch nicht darauf hingewiesen).

    An einigen Stellen wird aber verschwommen mit Begriffen hantiert. Die Mobilität zum Beispiel ist ja mit dem Auto eben nicht gegeben. Weil man im Stau steht. Die Freiheit besteht eben nicht, weil ich mancherorts ja keine wirkliche Wahl des Verkehrsmittels habe (man denke sich eine beliebige Ausfallstraße einer Großstadt).

    Völlig außer Acht gelassen wird, dass es ja durchaus Beispiele für funktionierende Verkehrskonzepte gibt, die nicht auf Auto als priorisiertem Verkehrsträger basieren.

    Und zuletzt wird ja so getan, als sei die Rolle der Planung rein sachwalterisch und (blödes Wort) alternativlos. Die künftige Stadtplanung muss - so oder so! - auch im Blick haben, wie Stadräume zu gestalten sind und wie Mobilität erreicht werden kann. Die Haltung "Ohne Auto geht es nicht" führt (für mich ohne jeden Zweifel) dahin, dass es eben nicht mehr geht.

    Auch der Hinweis auf den ländlichen Raum geht fehl. Jedenfalls dann, wenn damit der Pendelverkehr vom Speckgürtel in die Stadt gemeint ist.

  • Das ist kein marktwirtschaftliches Prinzip.

    Die theoretischen Grundlagen zum Fall "Auto" (und noch einigen mehr) liefert die VWL:

    Es geht darum, den Markt zu beobachtet und prüfen, ob er "effizient funktioniert" und regulierend einzugreifen, wenn er es nicht tut.

    Ob ein Markt "effizient funktioniert" ist über diverse Kriterien gut definiert. Insbesondere gehört dazu, dass jeder Marktteilnehmer sämtliche aus seiner Entscheidungen resultierenden Kosten zu tragen hat. Ist das nicht der Fall, ist das ein "negativer externer Effekt". Das Gut kann dann zu billig angeboten werden. Das wiederum führt dazu, dass dieses Gut normalerweise stärker konsumiert wird, als es volkswirtschaftlich wünschenswert wäre. Zur Regulierung von negativen externen Effekten gibt es diverse Möglichkeiten. Beispielsweise allgemeine Steuern. Oder auch eine Verhandlungslösung zwischen Verursacher und Betroffenen.

    Das Schwierige daran ist immer, die negativen Effekte dem Verursacher zuzuordnen und die Schäden zu beziffern. Es spielt auch eine Rolle, wo man die Grenze zieht. Es steht wohl außer Frage, dass der Klimawandel erhebliche Schäden verursachen wird. Aber bereits da ist es nicht möglich, den vom Menschen gemachten Anteil zu beziffern: Hätte es einen Sturm/Sturmflut ohne die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung überhaupt gegeben? Ist der Sturm komplett vom Menschen gemacht und müssen die Verursacher des CO2-Ausstoßes entsprechend ihres Anteils für den Schaden komplett aufkommen? Wie viel geringer wäre der Schaden ohne den zusätzlichen CO2-Ausstoß gewesen? Welche Kosten kommen noch in späterer Zukunft auf uns zu, die wir bereits heute verursachen? Was kostet überhaupt ein Mensch, der künftig seine Existenzgrundlage aufgrund von Dürren oder Überflutungen verlieren wird? Sollen wir schon mal das Umsiedelungsprogamm für die 400 Millionen Menschen starten, die Ende dieses Jahrhunderts bis 5m über dem Meeresspiegel voraussichtlich leben werden? Im Prinzip sollte jeder Autofahrer schon mal in den Bausparvertrag einzahlen.

    Ich fürchte, dass man in 50 Jahren auf die heutige Zeit mit Verachtung zurückblicken wird: Warum haben die damals ( = wir) denn nichts getan? War denn nicht alles bekannt und absehbar, wohin es führen wird? Warum hat man zu lange an etwas festgehalten, das völlig absehbar in den Abgrund führte?

    Jeder einzelne kann sich auch gerne damit beruhigen, dass er es alleine ja sowieso nicht aufhalten kann und dann ist es bequemer, mitzumachen, was alle anderen auch machen. Ein zugegebenermaßen recht pessimistisches Szenario, aber ich erkenne derzeit keinen Umkehrtrend, im Gegenteil.

    Aber selbst wenn das Verursacherprinzip nicht 1:1 greifen kann, ist es dennoch möglich, das Handeln der Leute zu beeinflussen, indem man unerwünschtes Handeln stärker sanktioniert oder höher besteuert. Dafür müsste es aber einen mehrheitlichen Konsens geben, der den demokratisch legitimierten Organen auch ermöglicht, die Rahmenbedingungen entsprechend zu setzen. Der derzeitige Höhenflug der Grünen dürfte ein jähes Ende finden, wenn die Partei wieder Themen wie Tempolimits auf Autobahnen, höhere Steuern auf Treibstoff, autofreie Innenstädte, eine flächendeckende PKW-Maut, etc. auf die Tagesordnung bringen würde.

    Man muss ja den Automobilkonzernen fast für ihre Skandale dankbar sein, weil das erhebliche Flecken auf der Weste der deutschen Vorzeigeindustrie hinterlassen hat. Letztlich war es der Skandal um manipulierte Abgaswerte, der das Thema Verkehrswende neu in Gang gesetzt hat.

  • Das Schwierige daran ist immer, die negativen Effekte dem Verursacher zuzuordnen und die Schäden zu beziffern.

    Das stimmt. Darüber wird immer diskutiert werden und auch müssen. Durch das Konzept an sich gibt es erstmal nur einen Rahmen, der die Objektivierung der Diskussion ermöglicht. Dabei wird das große Probleme in Teilbereiche zerlegt und jeweils einzeln evaluiert bzw. diskutiert.

    Natürlich werden sich die Positionen je nach Auslegung unterscheiden. Das liegt in der Natur der Sache. Zumindest hat man danach aber mal eine Menge von nachvollziehbaren Einzelpositionen, aus denen dann die sinnvollen Handlungen abgeleitet werden können.

    Von sowas müsste Politik viel mehr getrieben sein: grundsätzlich wissenschaftliche Herangehensweise mit klarer Benennung der Stellen, an denen die eigenen Ansichten eingeflossen sind.

    Ob es jemals eine Partei gibt, die sich das auf die Fahnen schreibt?

    Das wäre doch mal was:

    "Wir erhöhen die Steuern auf Kraftstoffe und in folgendem Dokument steht die wissenschaftlich fundierte Herleitung, warum genau diese Höhe richtig ist."

    Würde wohl eine Nischenpartei bleiben. Denn leider sind solche Dokumente sehr einfach populistisch angreifbar: Einfach das schwächste Argument rausgreifen. Und egal wie irrelevant es für das Gesamtergebnis ist so lange drauf rumreiten, bis die ganze Position diskreditiert ist. Sehr schade, dass solche Taktiken in der Praxis so gut funktionieren. Ich erinnere mich mit Grauen an die Bezeichnung "Professor aus Heidelberg", die Schröders Wiederwahl gesichert hat. Da genügte es schon, dass die gegnerische Position "wissenschaftlich" war und der Drops war gelutscht. Zur Diskussion über Inhalte kam es gar nicht mehr.

  • Ob es jemals eine Partei gibt, die sich das auf die Fahnen schreibt?

    Das wäre doch mal was:

    "Wir erhöhen die Steuern auf Kraftstoffe und in folgendem Dokument steht die wissenschaftlich fundierte Herleitung, warum genau diese Höhe richtig ist."

    Würde wohl eine Nischenpartei bleiben. Denn leider sind solche Dokumente sehr einfach populistisch angreifbar: Einfach das schwächste Argument rausgreifen. Und egal wie irrelevant es für das Gesamtergebnis ist so lange drauf rumreiten, bis die ganze Position diskreditiert ist. Sehr schade, dass solche Taktiken in der Praxis so gut funktionieren. Ich erinnere mich mit Grauen an die Bezeichnung "Professor aus Heidelberg", die Schröders Wiederwahl gesichert hat. Da genügte es schon, dass die gegnerische Position "wissenschaftlich" war und der Drops war gelutscht. Zur Diskussion über Inhalte kam es gar nicht mehr.

    Ich wiederum erinnere mich mit Grauen an die Formulierung "Buchhändler aus Würselen", mit der Martin Schulz plattgemacht wurde. Und "Dachdecker aus Wiebelskirchen" war auch mal eine Beschimpfung.

    Zum Thema Steuervorschläge des Herrn Sinn fange ich jetzt nicht an, sonst muss Malte drei weitere Foren aufmachen ...

    Aber was ich eigentlich schreiben wollte:

    Die von Dir visionierte Partei gibt es doch längst:

    »Die 10. ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen fand vom 6. bis 8. März 1998 in Magdeburg statt. Auf dieser Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) wurde das Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen für die Bundestagswahl 1998 beschlossen. Für ein großes Medienecho sorgte der sogenannte „Fünf-Mark-Beschluss“. Mit diesem Beschluss forderten die Grünen, der Preis für einen Liter Benzin müsse schrittweise auf 5 DM angehoben werden.«

    Gerüchteweise kann sie derzeit vor Kraft kaum laufen ...

  • Das ist kein marktwirtschaftliches Prinzip.

    Natürlich ist es ein marktwirtschaftliches Prinzip, einen Bedarf für ein Produkt (Kfz) zu schaffen und jenes zu bedienen. Mit allem, was dann dranhängt. Und dann spielt gesellschaftlicher Nutzen keine Rolle mehr, denn der "Markt" weiß bekanntlich alles besser und findet stets die beste Lösung...

    Übertragen auf das Auto: Ein Fahrer sollte sämtliche mit seiner Entscheidung "ich fahre mit dem Auto von A nach B" verbundenen Kosten tragen. Dazu gehören natürlich das Auto selbst und die Betriebskosten (Abnutzung, Produktionskosten für den Kraftstoff). Aber auch Dinge, die er nicht ohne weiteres selbst trägt: Instandhaltung der Straßen, Lärmbelästigung von Dritten, Abgase, etc. Das sind die oben genannten "negativen externen Effekte". Und um die sollte sich der Staat durch Regulierung kümmern. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Im Fall vom Auto ist eine zusätzliche Besteuerung mWn der beste Weg. Und genau das passiert über die Steuern auf Kraftstoff.Und um die sollte sich der Staat durch Regulierung kümmern. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Im Fall vom Auto ist eine zusätzliche Besteuerung mWn der beste Weg. Und genau das passiert über die Steuern auf Kraftstoff.

    Für mich klingt das grade nicht nach marktwirtschaftlicher Weisheit, sondern eher nach der sonst so verteufelten "Planwirtschaft". :P Es gäbe doch überhaupt gar keinen Grund für staatliche Regulierung, wenn "der Markt" bei so ziemlich dem (vor allem für das System selbst) wichtigsten Konsumprodukt (dem Kfz) nicht schon derart versagen würde! Es passt aber ins Bild, dass dir natürlich die Regulierung über den Preis am besten gefällt. Schädliches Verhalten wie Umweltverschmutzung und Ressourcenvergeudung soll also primär weiter ein Privileg der Besserverdiener bleiben, den die Geringverdiener durch einen Verzicht auf ein Auto "gegenfinanzieren" dürfen. Das ist genau wieder die pervertierte Form von angeblicher "Marktwirtschaft", die man schon bei der "Finanzkrise" beobachten konnte: Die Gewinne werden privatisiert, die Verluste sozialisiert!

    Wissenschaftlich ist eigentlich zuverlässig festgestellt worden, dass die erhobenen Steuern weiterhin zu niedrig sind

    Sind sie in der Tat. Vor allem auf Kapitaleinkünfte, Unternehmensgewinne, hohe Einkommen im Allgemeinen, Besitz, Vermögen und Erbschaften. Aber die hast du natürlich nicht gemeint. Lieber an den Konsumsteuern drehen... und "Haltet den Dieb" (der böse, umweltverschmutzende Niedriglöhner mit seinem Auto) schreien!

    Um Mal Volker Pispers abzuwandeln:

    Zitat

    Wer noch Geld über hat, um sich nen SUV zu kaufen - da können die Einkommensteuern gar nicht hoch genug sein!

    Zur Bildung:

    Ich wäre sehr dafür, ein Schulfach für solche Grundlagen einzuführen. Ich habe das zufällig im Studium so nebenher mitgenommen und war überrascht, wie viele Details es um das einfache "Angebot und Nachfrage" herum gibt.

    Du wärst noch überraschter, welche unterschiedlichen Blickwinkel es zum Thema Wirtschaftswissenschaften gibt und dass diese Art von "freier Marktwirtschaft", die du so abfeierst, bspw. von einem John Maynard Keynes heftigst kritisiert wird. Und Marx "das Kapital" ist bis heute nicht widerlegt. Es gibt vor allem in weiterführenden Schulen bereits genug Fächer, in denen vermeintlich objektive Bwl und Vwl gelehrt werden. Dass Wirtschafts"wissenschaften" lediglich Soziologie (manchmal fast schon mit Theologischem Anklang...), aber keine Naturwissenschaft sind, wird weitestgehend verschwiegen.

    Der oft ungeliebte Handel mit Emissionszertifikaten beispielsweise ist ein sehr effizienter Mechanismus zur Reduktion der Emissionen.

    Was für'n Blödsinn. Da bläht man einmal mehr das Finanzkasino auf und es "verdienen" nichtsnutzige Spekulanten und Bänker Geld mit "Rechten", die Umwelt zu verpesten...! Ja, was für eine "Effizienz".

    Es braucht wahrlich kein Fach "Wirtschaft" in der Grundschule, die neoliberale Propaganda prasselt doch von allen Seiten auf die Leute ein. Auch in Radverkehrsforen...! :rolleyes:

  • denn der "Markt" weiß bekanntlich alles besser und findet stets die beste Lösung

    Wer das behauptet, hat sich noch nicht ausreichend mit dem Thema beschäftigt. Insbesondere habe ich das nirgends behauptet.

    Für mich klingt das grade nicht nach marktwirtschaftlicher Weisheit, sondern eher nach der sonst so verteufelten "Planwirtschaft".

    In einer Planwirtschaft wird den einzelnen Produzenten ziemlich exakt vorgegeben, was sie zu produzieren haben. Das gibt es in einer Marktwirtschaft nur in Ausnahmefällen

    diese Art von "freier Marktwirtschaft", die du so abfeierst

    Wo feiere ich eine freie Marktwirtschaft?

    Und Marx "das Kapital" ist bis heute nicht widerlegt.

    Also bei mir liegt es einfach daran, dass ich dieses Werk nicht länger als 10 Minuten aushalte.

    Da ich in Diskussionen des Öfteren auf dieses Werk verwiesen wurde, habe ich inzwischen mehrere Anläufe hinter mir, mich mal damit zu beschäftigen. Und egal bei welchem Thema ich angefangen habe, es hat maximal 10 Minuten gedauert, bis ich auf so üble Fehler gestoßen bin, dass ich es nicht mehr ausgehalten habe.

    Beim letzten Anlauf war es beispielsweise die Aussage, dass ein Geschäft zwischen zwei Kapitalisten niemals einen Mehrwert erzeugen kann. Das ist einfach Blödsinn.

    Keynes hingegen hat sich für sehr ähnliche Eingriffe in den Markt eingesetzt, die ich auch oben beschrieben habe. Er hat dabei stets Wert darauf gelegt, die marktwirtschaftlichen Freiheiten weitgehend zu erhalten. Marx hat er abgelehnt.

    Was für'n Blödsinn. Da bläht man einmal mehr das Finanzkasino auf und es "verdienen" nichtsnutzige Spekulanten und Bänker Geld mit "Rechten", die Umwelt zu verpesten...! Ja, was für eine "Effizienz".

    Die Politik steht aktuell vor dem Problem, dass die CO2-Emissionen sinken sollen. Wie macht man das?

    Irgendwie sollte man möglichst genau die Stellen finden, an denen CO2 am preiswertesten eingespart werden kann. Aber wie findet man genau diese Stellen? Das ist gar nicht so einfach.

    Genau das erledigt der Zertifikatehandel von selbst: Der Staat legt eine Höchstmenge an CO2 fest, die insgesamt emittiert werden darf. Anschließend gibt er in genau diesem Umfang frei handelbare CO2-Zertifikate aus und verbietet Emissionen ohne Zertifikate.

    Jeder einzelne Unternehmer steht nun vor der Wahl: kauft er ein Zertifikat oder spart er doch lieber CO2 ein.

    Jemand, der CO2 besonders günstig einsparen kann, wird das Zertifikat an jemanden verkaufen, für den die CO2-Einsparung teurer ist. An der gesamten CO2-Bilanz ändert der Verkauf nichts.

    Und - schwups - durch die Magie des Marktes wird CO2 quasi von alleine an den Stellen eingespart, wo es am preiswertesten ist.

    Als Bonus kann man am Marktpreis der Zertifikate erkennen, wie teuer die Einsparung von CO2 gerade ist. Und wenn mehr CO2 eingespart werden soll, gibt der Staat einfach immer weniger Zertifikate aus.

    Eine viel schlechtere Variante möchte die EU gerade im Autoverkehr umsetzen:

    Pauschale Kappung der CO2-Emissionen bis 2030 um 35% für Autos. Kein Mensch weiß, was das tatsächlich kosten wird. Und deshalb weiß auch niemand, ob nicht ein anderer Weg bei gleichem Ergebnis insgesamt preiswerter gewesen wäre.

    Deshalb wäre es viel besser gewesen, Autos einfach mit in den Zertifikatehandel aufzunehmen.

    Es braucht wahrlich kein Fach "Wirtschaft" in der Grundschule, die neoliberale Propaganda prasselt doch von allen Seiten auf die Leute ein. Auch in Radverkehrsforen...!

    In der Grundschule natürlich nicht. Eher auf den weiterführenden Schulen so ab Klasse 9.

    Ich finde es komisch, dass Du Dich über "einprasselnde Propaganda" beklagst. Dabei bist Du es, der das Thema hier immer wieder platziert.

  • Die Einfädelung von Südost, also aus dem Harvestehude weg, dürfte spannend werden. Das Ende der Radspur und die Verengung fallen zusammen. Da ist damit zu rechnen, dass Autofahrer rabiat nach rechts ziehen.

    Mit Fehlverhalten ist immer und überall zu rechnen. Letztlich muss an Verengungen ein Reißverschluss zugemacht werden, die Verkehrsteilnehmer müssen damit klarkommen.

    Ich seh das hier nicht so wild, aber wird sich dann in der Praxis zeigen. Grundsätzliche begrüße ich die Planung. Die Ampel hat, aus Südosten kommend, fast immer rot. Das stört :)

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.