Hamburg - Unfälle mit Radfahrern

  • Zum tödlichen Verkehrsunfall in Kisdorf (21.10.2019) wird am 04.12.2020 ab 09:00 der Prozess gegen den mittlerweile 86-jährigen Fahrer des SUVs im Amtsgericht Bad Segeberg vor dem Schöffengericht stattfinden (Quelle: Kieler Nachrichten vom 25.08.2020). Interessant ist, dass üblicherweise fahrlässige Tötungen im Strassenverkehr nicht vor dem Schöffengericht ( ein Berufsrichter plus 2 Schöffen) verhandelt werden, sondern nur vor einem Richter. Das Schöffengericht verhandelt nur Strafverfahren mit einer im Falle der Verurteilung zu erwartenen maximalen Haftstrafe von 2 bis 4 Jahren. Ich werde versuchen hinzufahren, wer kommt mit?

    Das Ergebnis ist etwas ernüchternd: Schülerin überfahren: Rentner will Führerschein behalten

    Der 86-jährige Unfallverursacher wurde zwar zu 180 Tagessätzen verurteilt, durfte aber seine Fahrerlaubnis behalten und wird wohl auch weiterhin hinter dem Lenkrad sitzen — obwohl der Unfall mit entsprechender Sorgfalt, die womöglich im Alter fehlt, nicht passiert wäre.

  • Das Ergebnis ist etwas ernüchternd: Schülerin überfahren: Rentner will Führerschein behalten

    Der 86-jährige Unfallverursacher wurde zwar zu 180 Tagessätzen verurteilt, durfte aber seine Fahrerlaubnis behalten

    180 Tagessätze ist doch schonmal eine Hausnummer. Das ist mehr als das übliche Strafmaß für LKW-Rechtsabbieger, wo ich bei einer schnellen Recherche alles mögliche von 60-150 Tagessätzen gefunden habe.

    Angeblich entspricht ein Tagessatz ungefähr 1 Tag Gefängnis.

    Ein Entzug der Fahrerlaubnis ist nichts, was im Strafrecht als Option für eine Bestrafung vorgesehen ist. Kriterien für Führerscheinentzug müssten demnach nur sein:

    1) Wird dieser Autofahrer in Zukunft wahrscheinlicher an einem schweren Unfall beteiligt sein, als ein x-beliebiger anderer Verkehrsteilnehmer, der bisher noch niemanden totgefahren hat?

    2) Wird das ggf. erhöhte Risiko wahrscheinlich dadurch gesenkt, dass man den Sünder mal eine Weile ohne Auto schmachten lässt? Wenn ja, dann vorübergehende Bedenkpause. Wenn nein, dann dauerhafter Entzug und Neuerteilung erst nach erfolgreicher MPU.

  • Das Ergebnis ist etwas ernüchternd: Schülerin überfahren: Rentner will Führerschein behalten

    Der 86-jährige Unfallverursacher wurde zwar zu 180 Tagessätzen verurteilt, durfte aber seine Fahrerlaubnis behalten und wird wohl auch weiterhin hinter dem Lenkrad sitzen — obwohl der Unfall mit entsprechender Sorgfalt, die womöglich im Alter fehlt, nicht passiert wäre.

    "Sorgfalt, die womöglich im Alter fehlt" finde ich unfair, solange die exakt gleiche Entrüstung bzgl. nicht-eingezogener Fahrerlaubnisse in den übrigen geschätzten 200.000 vergleichbaren Fällen ausbleibt, wo lediglich der Fahrer/die Fahrerin jünger als 86 Jahre war.

    Meine Meinung: Die Worte "Rentner", "86-jährig", dürfen uns nicht beeinflussen.Es ist keineswegs so, dass alle anderen in vergleichbaren Situationen konsequent eliminiert werden würden, nur der Rentner nicht.

    Es wäre in der Tat falsch, einen 86-jährigen aufgrund seines Alters zu bevorzugen. Genau das passiert aber nicht. Verurteilenswert ist vielmehr, dass vergleichbare andere Fälle genauso behandelt werden: Als Nichtigkeit.

    Ich persönlich sehe die immer stärker werdende Hervorhebung der von Senioren verursachten Unfällen angesichts des "täglichen Gebirges" von sog. "Unfällen" sehr skeptisch. Es relativiert das tagtägliche Geschehen, das von Nicht-Rentnern verursacht wird und hat was von einem Sündenbock-Effekt.

    Zur Erinnerung: Es gibt allein in D ca. 2 Millionen polizeilich gemeldet Verkehrsunfälle pro Jahr, ca. alle 15 Sekunden einen. Das sind m.E. nun wirklich nicht die Rentner, das sind in erster Linie wir selbst.

  • Zur Erinnerung: Es gibt allein in D ca. 2 Millionen polizeilich gemeldet Verkehrsunfälle pro Jahr, ca. alle 15 Sekunden einen. Das sind m.E. nun wirklich nicht die Rentner, das sind in erster Linie wir selbst.

    Auch du bist ein Rentner, der Rentner von Morgen. Und dieses Morgen kann leider verdammt schnell kommen. (Stichwort Frühverrentung)

    In Hannover gab es einen Vorschlag eines Jugendparlaments, der vom Regionsrat aufgegriffen wurde, und der zum Inhalt hatte, dass Rentner, die ihren Führerschein dauerhaft abgeben, dafür ein Jahr Freie Fahrt im ÖPNV bekommen.

    Siehe auch NDR-Info vom 13.11.2020

    https://www.ndr.de/nachrichten/ni…nnover7098.html

    War sicher gut gemeint von den jungen Leuten, aber letztlich wenig zielführend und außerdem Alter-diskriminierend. Vor allem: Den Autofahrern selbst will man keine Einschränkungen zumuten.

    Stattdessen sollen Bus und Bahn kostenlos benutzt werden dürfen, werden solche "Renter fahren umsonst"-Aktionen gestartet oder es gibt die Adventswochenende kostenfrei mit dem ÖPNV-Aktion.

    Alles schön und gut, aber nur wenn wirklich die Bereitschaft besteht, auch dauerhafte Änderungen einzuläuten. Autofreie Innenstadt und autofreie Stadtteile, konsequenter ÖPNV-Vorrang und Vorrang für den Rad- und Fußverkehr zum Beispiel.

  • Viel gerechter und diskriminierungsfrei wäre hingegen eine Tauglichkeitsprüfung um weiterhin KFZ bewegen zu dürfen, U 50 alle 5 danach alle 2 Jahre.

    Das wäre nur dann gerecht und diskriminierungsfrei, wenn erwiesen wäre, dass von Senioren wirklich ein erhöhtes Unfallrisiko ausgeht. Es ist unfair, wenn man den Senioren nur einseitig ihre wachsenden Defizite ankreidet, ohne gleichzeitig zu berücksichtigen, dass sie wegen ihres hohen Alters idR auch große Erfahrung besitzen und im Übrigen ihre wachsenden Defizite auch durch freiwillige Anpassung der Strecken und Fahrzeiten (langsam fahren, größere Lücken abwarten, nur noch bekannte Wege nutzen, nicht mehr im Dunkeln fahren...) kompensieren.

    Da Senioren ja nicht nur als Unfallschuldige andere Verkehrsteilnehmer gefährden können, sondern auch durch ihr Fehlverhalten ggf. sich selber in Lebensgefahr bringen, kann man die These, dass Senioren nicht pauschal gefährlich für die Allgemeinheit sind, anhand ihrer Anteile unter den Verkehrsopfern prüfen. Demnach sieht es aber so aus, als müsste man regelmäßige Fahrtauglichkeitsprüfungen für die Gruppe 25-35 verpflichtend machen...:evil:

  • Es ist unfair, wenn man den Senioren nur einseitig ihre wachsenden Defizite ankreidet, ohne gleichzeitig zu berücksichtigen, dass sie wegen ihres hohen Alters idR auch große Erfahrung besitzen und im Übrigen ihre wachsenden Defizite auch durch freiwillige Anpassung der Strecken und Fahrzeiten (langsam fahren, größere Lücken abwarten, nur noch bekannte Wege nutzen, nicht mehr im Dunkeln fahren...) kompensieren.

    Puh, ich bin da zwiegespalten und mag dir nur zum Teil zustimmen. Unbestritten haben Senioren eine größere Erfahrung, allerdings habe ich nach empirischen Beobachtungen, wenn ich mit älteren Verwandten im Auto saß, Zweifel daran, ob dieser Erfahrungsschatz im richtigen Moment abgerufen werden kann, beziehungsweise die motorischen Fähigkeiten eine Umsetzung der Erfahrungen erlauben.

    Ebenso bei Strecken und Fahrzeiten: Ich kenne durchaus Senioren, die auch im hohen Alter am Rande der Fahruntüchtigkeit unterwegs sind, zum Einkaufen doch noch in den Nachbarort fahren — die Strecke dann allerdings auf Überlandstraßen mit 30 km/h zurücklegen, was dann wiederum andere Probleme verursacht…

    Ich will auch gar nicht so tun, als ob ich nur die Gruppe der Senioren als Problem im Straßenverkehr sähe, ganz und gar nicht, nein. Andererseits sehe ich bei jüngeren Verkehrsteilnehmern, etwa in meinem Alter, noch die Möglichkeit, eventuelle Leichtsinnigkeiten oder einen rücksichtslosen Fahrstil durch entsprechende Bestrafungen oder zeitlich begrenzte Fahrverbote formen zu können. Bei Senioren spielen hingegen nach meinem Dafürhalten eher kognitive oder motorische Defizite rein, etwa als mich mal eine Seniorin einfach von hinten mit dem Auto auf dem Radweg angefahren hat, weil sie auf dem rechten Auge quasi blind war, und anschließend aus ihrem Wagen mehr krabbelte als stieg: Bei solchen Leuten denke ich mir schon, wer keine Kraft in den Beinen hat, um alleine aus dem Auto zu steigen, hat im Zweifelsfall auch nicht genügend Kraft für das Bremspedal, mag es sich aber womöglich nicht eingestehen.

    Und in der Vergangenheit war es so, dass jedes Mal, wenn ein älteres Mitglied der Verwandschaft aus dem Leben schied, beim Sortieren des Nachlasses plötzlich Bußgeldbescheide oder gar Strafbefehle ans Tageslicht kamen, von denen wir noch nie etwas gehört haben. Hier mal ein bisschen zu schnell, da mal eine rote Ampel übersehen und dann die obligatorische Unfallflucht auf dem Supermarktparkplatz, nachdem ein anderer Wagen gerammt wurde. Darüber spricht man natürlich ungern gegenüber der Verwandtschaft und ich bin mir unsicher, inwiefern es das Gesamtbild der Problematik trübt.

    Wenn aber jemand im hohen Alter mit 80 Sachen durch die Stadt braust oder über eine rote Ampel durch den fließenden Querverkehr bricht, dann hat das ja nichts mehr mit einem rücksichtslosen Fahrstil zu tun, sondern eher mit einer völligen Fehleinschätzung der Gesamtsituation. Da wird dann im Fall des Falles auch nicht mehr rechtzeitig das Bremspedal gedrückt werden.

    Und ich finde, in solchen Situationen sollte man älteren Verkehrsteilnehmern tatsächlich lieber präventiv die Fahrerlaubnis abnehmen, bevor jemand zu Schaden kommt. Ganz unabhängig davon, dass auch jüngere Kraftfahrer im Sinne eines sicheren Straßenverkehrs viel häufiger und viel länger zu Fuß gehen sollten.

  • Interessant auch die Fuß- und Radstatistik ... Noch 7 Jahr Best Ager, danach brauche ich wohl einen leHm? *d&r*

    Geben die Zahlen eine feinere Unterteilung her?

    ... damit ich das Kaufjahr genauer definieren kann ...

    Äh ...

    Und um mal den evtl. Zusammenhang mit dem derzeitigen Renteneintreittsjahr anzuschauen ...

  • Wenn aber jemand im hohen Alter mit 80 Sachen durch die Stadt braust oder über eine rote Ampel durch den fließenden Querverkehr bricht, dann hat das ja nichts mehr mit einem rücksichtslosen Fahrstil zu tun, sondern eher mit einer völligen Fehleinschätzung der Gesamtsituation. Da wird dann im Fall des Falles auch nicht mehr rechtzeitig das Bremspedal gedrückt werden.

    Und ich finde, in solchen Situationen sollte man älteren Verkehrsteilnehmern tatsächlich lieber präventiv die Fahrerlaubnis abnehmen, bevor jemand zu Schaden kommt. Ganz unabhängig davon, dass auch jüngere Kraftfahrer im Sinne eines sicheren Straßenverkehrs viel häufiger und viel länger zu Fuß gehen sollten.

    Aber täglich brausen tausende Nicht-Senioren mit 80 Sachen durch die Stadt - oder Ortschaft. Warum nicht sagen: Wenn die alle weg sind, dann kümmern wir uns um die Senioren?

    Meine Behauptung: Die "Zusatzgefärdung" durch senile Autofahrer ist marginal angesichts der "Normalität". Ich würde sogar erwarten, dass es relativ gesehen weniger Unfälle gäbe, wenn ausschließlich Senioren Autofahren dürften.

  • Viel gerechter und diskriminierungsfrei wäre hingegen eine Tauglichkeitsprüfung um weiterhin KFZ bewegen zu dürfen, U 50 alle 5 danach alle 2 Jahre.

    Was machst du mit den 39,9 Millionen, die "Tauglichkeitsprüfung" nicht bestehen? Und ich wär sicher auch dabei, wenn das Ding seinen Namen verdient (Buhu ;()

    Vielleicht würden ja sogar nur Senioren übrigbleiben?

  • Meine Behauptung: Die "Zusatzgefärdung" durch senile Autofahrer ist marginal angesichts der "Normalität". Ich würde sogar erwarten, dass es relativ gesehen weniger Unfälle gäbe, wenn ausschließlich Senioren Autofahren dürften.

    Dem scheint nicht so zu sein. Die angeführte Statistik zu den Todesfällen beschreibt schön, dass alte Menschen vorsichtiger fahren und weniger schnell. Sie bschreibt aber nicht die Unfallzahl an sich:

    https://de.statista.com/statistik/date…trassenverkehr/

    Spannenderweise sind in dieser Statistik die Fahranfänger erheblich unterrepresentiert. Das hatte ich ganz anders in Erinnerung.

  • Das wäre nur dann gerecht und diskriminierungsfrei, wenn erwiesen wäre, dass von Senioren wirklich ein erhöhtes Unfallrisiko ausgeht. Es ist unfair, wenn man den Senioren nur einseitig ihre wachsenden Defizite ankreidet, ohne gleichzeitig zu berücksichtigen, dass sie wegen ihres hohen Alters idR auch große Erfahrung besitzen und im Übrigen ihre wachsenden Defizite auch durch freiwillige Anpassung der Strecken und Fahrzeiten (langsam fahren, größere Lücken abwarten, nur noch bekannte Wege nutzen, nicht mehr im Dunkeln fahren...) kompensieren.

    Da Senioren ja nicht nur als Unfallschuldige andere Verkehrsteilnehmer gefährden können, sondern auch durch ihr Fehlverhalten ggf. sich selber in Lebensgefahr bringen, kann man die These, dass Senioren nicht pauschal gefährlich für die Allgemeinheit sind, anhand ihrer Anteile unter den Verkehrsopfern prüfen. Demnach sieht es aber so aus, als müsste man regelmäßige Fahrtauglichkeitsprüfungen für die Gruppe 25-35 verpflichtend machen...:evil:

    Es wäre generell sinnvoll, regelmäßige Tests einzuführen. Das ginge dank heutiger Technik auch sehr niederschwellig. Man müsste sich nur bundesweit auf einen zugelassenen Simulator (Hard- und Software) einigen bzw. selbst einen entwickeln - die Vorgaben sind ja überall gleich, die Updates auch. Dann könnte man in jede Gemeinde so ein Ding reinsetzen, zur Not in einem bundesweit einheitlich entworfenen Standard-Container, falls die verfügbaren Büros nichts hergeben. Jeder Führerscheininhaber muss dann - analog zum TÜV - alle zwei Jahre eine zufällig erzeugte digitale Testfahrt von 10-20 Minuten absolvieren. Darin können sowohl Reaktionsfähigkeit im Verkehr als auch Kenntnis neuer Verkehrszeichen und -regeln geprüft werden. Wer durchfällt, darf es noch zweimal innerhalb von drei Monaten versuchen und muss danach zur Begutachtung und/oder MPU. Wer dem nicht nachkommt, fährt analog zum TÜV mit einer erhöhten Mithaftungsquote bei Unfällen, nach mehr als sechs Monaten dann mit Punkten in Flensburg. Durch automatisierte Terminvergabe, straffe Taktung und einheitlicher Ausgestaltung (wer einmal einen Test gemacht hat, weiß wie es läuft) käme man z. B. auf zwei bis vier Personen pro Stunde, 16 Stunden täglich an sieben Tagen, also im Schnitt 10000 Personen alle zwei Jahre für einen einzelnen Simulator. Man könnte also ganz Deutschland mit unter 10000 Geräten komplett versorgen (oder mit mehr, wenn es komfortabler sein soll). Das ganze könnte auch noch durch einen vom Computer durchgeführten Seh- und Hörtest sowie einen Reaktionstest ergänzt werden, ohne Mehrkosten. Das nur am Rande.

    Zurück zu den Senioren: Erfahrung ist schwer messbar. Es gibt eine weite Spanne zwischen der (klischeehaft gesagt) Oma vom Dorf, die einmal in der Woche die gleichen 10 km zum Wochenmarkt schleicht, und dem in ganz Deutschland tätigen Vertreter mit 40000 Dienst-Kilometer Autobahn pro Jahr, der am Wochenende dazu gerne Rallye in Finnland fährt. Die meisten Leute überschätzen ihre Erfahrung, ansonsten gäbe es nicht so viele Unfälle. Ich kann 20 Winter ohne Schaden gefahren sein, wenn ich an einer blöden Stelle zu schnell bin und es eben doch glatt ist, dann fliege ich, da hilft keine Erfahrung mehr. Im Gegenteil führt die eher dazu, dass die Situation falsch eingeschätzt wird, weil man selbstsicher denkt und handelt, anstatt vorsichtig zu sein ("ich bin ja erfahren, ich war so lange schon unfallfrei!"). Das merkt man jedes Jahr wieder beim ersten Schneefall, der ja eigentlich nur 18-Jährige überraschen sollte, regelmäßig aber zu Auffahrunfällen "erfahrener" Fahrer führt, die ja eigentlich schon viele Winter hinter sich hatten und es besser wissen müssten.

    Eine gewisse Kompensation findet bestimmt statt, allerdings ist die in den Zahlen ja schon enthalten. Dazu hilft das auch nicht immer, denn die wenigsten älteren Menschen schränken sich ausreichend ein - ansonsten würden sie das teure Auto verkaufen und ein 25 km/h-Fahrzeug zulassungsfrei erwerben, denn schneller sollten sie ohnehin nicht fahren, wenn sie nicht ausgezeichnet sehen, hören und reagieren können. Zudem ist der Prozess fließend - man muss nur mal einen beliebigen Optiker oder Hörgeräteakustiker fragen, ob die Leute dann kommen, wenn sie sollten, oder dann, wenn es gar nicht mehr anders geht. Vorher wird die Zeitung von sich gestreckt und der Fernseher lauter gedreht, bis es nicht mehr geht, weil man sich eben ungern selber eingestehen mag, dass man körperlich abbaut. Während es bei den genannten Beispielen aber nur schrullig oder nervig ist, ist es beim Autofahren potentiell tödlich. Ansonsten wären die meisten LKW-Fahrer ja 80+ - sehr sicheres Fahrzeug, ihre Erfahrung hilft ihnen enorm und körperliche Einschränkungen sind egal.

    Die reinen Todeszahlen bzw. tödlichen Unfälle sind aus meiner Sicht in dieser Sache ungeeignet, aus mehreren Gründen: zum einen fahren Senioren eher zurückhaltend und insgesamt langsamer als junge Leute bzw. Fahranfänger (die zweite große Unfallgruppe, siehe Versicherungsklassen), daher sind die Unfälle seltener tödlich (Geschwindigkeit ist in den meisten Fällen der dafür entscheidende Faktor). Zum anderen sind sie finanzstark und konsumfreudig und fahren damit im Schnitt neuere, größere und sicherere Fahrzeuge. Die Oma mit dem alten Golf ist Geschichte, heute dominieren SUV und Hochdachkombis. Diese modernen Fahrzeuge schützen ihre Insassen besser: es ist nicht mehr ungewöhnlich, dass selbst bei Frontalkollisionen auf Landstraßen einzelne Teilnehmer (oft die Verursacher) ohne oder mit leichten Verletzungen davonkommen, während die andere Seite schwerverletzt oder tot ist - einfach nur aufgrund der Autos. Diese einseitige Hochrüstung (die junge Familie mit zwei Kindern kann nicht mal eben 50000 für ein Auto auf den Tisch legen wie der Nachbar frisch in Pension) führt zu einer zeitweisen Verschiebung, die die mangelnde Einsicht einiger älterer Fahrer verdeckt - zumindest solange, bis alle Autos wieder auf einem Level sind. Früher war das nicht so extrem, denn auch die S-Klasse hat einen bei einem Crash nicht vor dem Tod bewahren können, und die die dann gestorben sind, konnten logischerweise nicht mehr weiterfahren. Heute sind sie im SUV vor dem Tod geschützt, von Assistenzsystemen umgeben und von der Überzeugung geleitet, der beste Fahrer zu sein, anstatt sich kritisch mit sich selbst auseinanderzusetzen.

  • Puh, ich bin da zwiegespalten und mag dir nur zum Teil zustimmen. Unbestritten haben Senioren eine größere Erfahrung, allerdings habe ich nach empirischen Beobachtungen, wenn ich mit älteren Verwandten im Auto saß, Zweifel daran, ob dieser Erfahrungsschatz im richtigen Moment abgerufen werden kann, beziehungsweise die motorischen Fähigkeiten eine Umsetzung der Erfahrungen erlauben.

    Meines Erachtens wird die Problematik von der falschen Seite aufgedröselt, wenn man versucht, es zu personalisieren.

    Ich habe es im Verwandtenkreis so erlebt:

    Die einen sind ihr Leben lang regelmäßig Bus und Bahn gefahren, die hatten gar kein Problem damit, ihr Auto abzuschaffen. Sie waren ohnehin schon die meiste Zeit mit Bus und Bahn gefahren und hatten das Auto quasi nur für besondere zusätzliche nicht alltägliche Fahrten benutzt.

    Für andere in der Verwandtschaft war es quasi in keinerlei Weise diskutierbar, anstatt alltägliche Fahrten mit dem Auto zu machen, dafür Bus und Bahn zu benutzen.

    Da hätte eine Netzkarte rein gar nix genutzt. Das Ding wäre nie zum Einsatz gekommen, weil die Vertrautheit mit dem ÖPNV nicht gegeben ist.

    Dieses Vertrauensverhältnis zum ÖPNV als Transportmittel herzustellen, ist das A und O. Ab einem gewissen Alter ist es je nach persönlichen Voraussetzungen nur mit hohem Aufwand oder auch gar nicht mehr hinzukriegen.

    Gilt übrigens auch für manche hartnäckige und durchaus auch jüngere Radfahrer*innen. Bevor du die dazu bekommst, Bus und Bahn zu benutzen fahren die egal bei welchem Wetter auf Teufel komm raus ausschließlich nur mit dem Rad. Und wenn's dann wirklich nicht mehr geht, mit einem geliehenen Auto oder Carsharing-Auto. Habe ich im Arbeits-Kolleg*innenkreis so erlebt. Auf diese Art und Weise bin ich dann auch schon zu der ein- oder anderen Auto-Mitfahrt gekommen.

    Umgekehrt ist das vermutlich genau so gültig: Wer sein Leben lang kein Auto gefahren ist, der wird es vermutlich im hohen Alter nicht unbedingt drauf anlegen, es noch zu erlernen.

  • Wobei ich diese Währung "Zahl der Getöteten" schon immer makaber fand. Ein abgetrenntes Bein zählt nicht? Ein verlorenes Auge? Ein Leben im Rollstuhl?

    Die Idee dahinter ist, dass die Anzahl der schwersten, schweren und leichten Verletzungen sich (mit stetig wachsendem Skalierungsfaktor) weitgehend proportional zur verlässlich ohne Dunkelziffer ermittelten Zahl der Toten verhält.

    Aufgrund der mit dem Alter zunehmend größeren Wahrscheinlichkeit, bei einem an sich mechanisch gleich schweren Unfallereignis zu versterben, sollte allerdings die Situation bei leichteren Unfällen eher noch günstiger für die Senioren aussehen.

  • Das wäre nur dann gerecht und diskriminierungsfrei, wenn erwiesen wäre, dass von Senioren wirklich ein erhöhtes Unfallrisiko ausgeht. Es ist unfair, wenn man den Senioren nur einseitig ihre wachsenden Defizite ankreidet, ohne gleichzeitig zu berücksichtigen, dass sie wegen ihres hohen Alters idR auch große Erfahrung besitzen und im Übrigen ihre wachsenden Defizite auch durch freiwillige Anpassung der Strecken und Fahrzeiten (langsam fahren, größere Lücken abwarten, nur noch bekannte Wege nutzen, nicht mehr im Dunkeln fahren...) kompensieren.

    Da Senioren ja nicht nur als Unfallschuldige andere Verkehrsteilnehmer gefährden können, sondern auch durch ihr Fehlverhalten ggf. sich selber in Lebensgefahr bringen, kann man die These, dass Senioren nicht pauschal gefährlich für die Allgemeinheit sind, anhand ihrer Anteile unter den Verkehrsopfern prüfen. Demnach sieht es aber so aus, als müsste man regelmäßige Fahrtauglichkeitsprüfungen für die Gruppe 25-35 verpflichtend machen...:evil:

    Wo diskriminiere ich denn eine Gruppe, wenn ich für alle Führer von KFZ eine "Tauglichkeitsprüfung" wünsche?

  • Wo diskriminiere ich denn eine Gruppe, wenn ich für alle Führer von KFZ eine "Tauglichkeitsprüfung" wünsche?

    Nirgends. Aber so wie die "Stimmung im Lande ist", würde das in Realiter vermutlich dazu führen, dass bei Senioren einfach "genauer hingeschaut" wird. Ich kenne Leute, die wollen Senioren ausschließen, weil die ihnen "zu langsam" fahren. Zitat: "Dann muss ich so 'nen Opa an einer gefährlichen Stelle überholen, das ist doch unverantwortlich [von dem Opa]." Weil hinterherfahren geht ja bekanntlich nicht.

    Im Übrigen glaube ich persönlich, der "Tauglichkeitstest" findet sowieso jeden Tag statt. Allerdings ohne Konsequenzen für die Durchgefallenen. Wenn jeder "rausfliegen" würde, der in der geschlossenen Ortschaft zu schnell fährt, keine Lust zum Blinken hat, es psychisch nicht erträgt 1000 Meter mit maximal 30 km/h zu fahren, wär ein separater Tauglichkeitstest doch völlig obsolet?

  • Dem scheint nicht so zu sein. Die angeführte Statistik zu den Todesfällen beschreibt schön, dass alte Menschen vorsichtiger fahren und weniger schnell. Sie bschreibt aber nicht die Unfallzahl an sich:

    https://de.statista.com/statistik/date…trassenverkehr/

    Spannenderweise sind in dieser Statistik die Fahranfänger erheblich unterrepresentiert. Das hatte ich ganz anders in Erinnerung.

    Die "exklusie Premiumstatistik" hat leider eine Bezahlschranke. Aber drunter steht

    Zitat

    Männliche Verkehrsteilnehmer im Alter zwischen 45 und 55 Jahren waren im Jahr 2019 am häufigsten an Verkehrsunfällen mit Personenschaden beteiligt - insgesamt waren es rund 63.000. Bei den Frauen waren die 25- bis 35-Jährigen besonders häufig in Unfälle mit Personenschaden im Straßenverkehr involviert.

    Die Senioren scheinen jedenfalls nicht "der Peak" zu sein...

  • Ich dachte da eher an messbare Indikatoren,- Seh, Hör, Reaktionstests und das Vorliegen von beeinträchtigenden Krankheiten, wo man da welche Anforderungen setzt ist letztlich Formulierungssache des Gesetzes. In vielen Ländern der Welt gibt es solche obligatorischen Tests und teils ab 45 (Spanien https://www.autozeitung.de/pflicht-fahrtest-senioren-181552)

    Also mir persönlich ist das zu "TÜV-mäßig". Es berücksichtigt das Verhalten im Straßenverkehr überhaupt nicht. M.M.n ist Agressivität - "Road Rage" - ein völlig unterbewertetes Kriterium in der gesamten Verkehrsdiskussion. Ich fand den Ansatz "einmalig erheblich zu schnell = Führerschein weg" ehrlich gesagt wesentlich vielversprechender um die Straßen sicherer zu machen.