Schadet kostenfreier ÖPNV dem Radverkehr - oder ist das förderlich für den Radverkehr?


  • Die Kfz-Steuer wird aber nach (angeblich) erfüllter Schadstoffnorm und Hubraum berechnet und nicht nach Größe des Fahrzeuges. Eine Kfz-Steuer, die die Nutzung des öffentlichen Raumes besteuert, müsste aber genau das tun. Dazu eine nach Fahrzeuggewicht gestaffelte Maut für die Beanspruchung der Straßen und eine Besteuerung des CO2-Ausstoßes direkt über die Mineralölsteuer, denn nur aus verbranntem Kraftstoff entsteht CO2 und nicht aus zur Verbrennung vorhandenem Hubraum.

    Ein solches Modell könnte Anreize gegen den Kauf sinnlos großer SUV schaffen. Für Vielfahrer würden sich sparsamere Fahrzeuge umso mehr lohnen und wer meint, ohne 2 Tonnen Blech um sich herum nicht lebensfähig zu sein, soll dafür zahlen.

    Ich befürchte, dass es in weiten Kreisen von Politik und Wirtschaft nicht erwünscht ist, dass Fahrzeuge nach ihrer Größe und ihrem Gewicht besteuert werden. Denn nach wie vor gilt das "Dogma" beim Autokauf: "größer, schwerer, mehr PS, alles andere wäre ein Rückschritt".

    Aktuell gilt ja die Regel, dass die CO2-Werte bezogen auf die Gesamtzahl der verkauften Fahrzeuge eines Herstellers im Durchschnitt berechnet, nicht über 120 g/km liegen darf. Ab 2020 sind nur noch 95 g/km erlaubt. Für die Fahrzeughersteller wäre es ein leichtes, solche Autos zu bauen, sie bauen aber lieber schwere und PS-starke Modelle, die diese Grenzwerte nicht einhalten.

    Leider gibt es bei E-Autos keine Beschränkungen, die werden also noch mehr PS haben und noch größer und schwerer sein.

    Den von der Bundesregierung geforderten kostenfreien ÖPNV sehe ich in diesem Zusammenhang mal als Fördermaßnahme für große schwere Elektro-SUV's, denn deren Fahrer wollen damit doch auch in der Stadt unterwegs sein können und da würden viele kleine leichte Autos doch nur stören. Sollen doch die Fahrer der vielen Kleinwagen lieber gleich auf den kostenlosen ÖPNV umsteigen, dann hat der SUV-Fahrer doch gleich mehr Platz in der Stadt.

  • Aktuell gilt ja die Regel, dass die CO2-Werte bezogen auf die Gesamtzahl der verkauften Fahrzeuge eines Herstellers im Durchschnitt berechnet, nicht über 120 g/km liegen darf. Ab 2020 sind nur noch 95 g/km erlaubt.

    Das bedeutet, dass der Durchschnittsverbrauch aller verkauften Dieselfahrzeuge nicht höher als 4,5l/100km und der Durchschnittsverbrauch der Benziner nicht höher als 5,1l/100km sein dürfte.

    Wie Porsche das wohl hinbekommt? Egal, die anderen schaffen das auch nicht. Vermutlich schafft das nicht einmal das sparsamste Modell, das die Hersteller jeweils im Angebot haben.

    Dabei ist es leicht nachzurechnen:

    Bei der Verbrennung von 1 Liter Dieselkraftstoff entstehen 2650g CO2, also bei der Verbrennung von 4,5l Dieselkraftstoff 11,925kg CO2. Wenn diese Menge auf 100km verbrannt wird, sind das 119,25g/km. Die Rechnung für Benzin geht ebenso, jedoch mit 2320g/l.

    Künftig würden die Grenzwerte bei 3,6l/100km beim Diesel und bei 4,1l/100km für Benziner liegen, um unter 95g CO2/km zu bleiben.

  • Die Zahlen stimmen so nicht direkt, sondern sind eine arg vereinfachte Darstellung. Das erste Google-Link führt auf den Spritmonitor, die etwa die selben Werte angeben: https://www.spritmonitor.de/de/berechnung_co2_ausstoss.html ).

    Nur setzt sich der Kraftstoff nicht nur aus Oktan zusammen, und im Fall von Diesel sind inzwischen 10% Ethanol dabei. Die Angabe CO2/Liter Kraftstoff ist deswegen erst mal falsch... könnte aber durchaus sein, dass alles noch viel viel schlimmer wird, weil ja auch der Energieinhalt abgenommen hat.

  • Die Werte schafft man, indem man schon vorher dafür sorgt, dass die Gesetze so gemacht werden, dass man die Grenzwerte einhalten kann. Dabei kommt es doch nur darauf an, wie gemessen und gerechnet wird. Mit den E-Autos die langsam ins Programm kommen klappt das schon, weil die Berechnungen so optimiert wurden, dass ein paar wenige Elektro oder Hybrid PKW den Wert kräftig beeinflussen.

    Würde man vernünftig rechnen und messen, dann sähen die Werte ganz anders aus. Man müsste nur im Messzyklus auch das ausfahren der Höchstgeschwindigkeit mit rein nehmen und schon wären die Zahlen für Verbrauch und Schadstoffausstoß ganz anders. Auf dem Papier kaufen sich Leute PS starke Autos um diese nur mit einem Bruchteil der Leistung zu bewegen, was offensichtlicher Unsinn ist. Gut okay, die Leute kaufen auch Geländeautos für die Stadt, was auch nicht sinnvoller ist. Um PKW sinnvoll zu besteuern müsste man Faktoren hinzu fügen: den maximalen Schadstoffausstoß, Gewicht, Höhe, Breite, Länge. Alles jeweils als Multiplikator von 1 bis X.

    Um zum Thema zurück zu kommen, wenn man wirklich die Leute vom PKW weg bekommen will in der Stadt, dann muss man erst mal davon weg, den PKWs überall Stellflächen an zu bieten. Der ÖPNV ist bereits jetzt viel preiswerter als ein PKW, hat bisher nichts gebracht. Er müsste auch komfortabler werden, als mit dem PKW.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • (...)

    Wie Porsche das wohl hinbekommt? Egal, die anderen schaffen das auch nicht. Vermutlich schafft das nicht einmal das sparsamste Modell, das die Hersteller jeweils im Angebot haben. (...)

    Das wird dann mit Hilfe der Hybridmodelle schöngerechnet, siehe https://www.porsche.com/international/…brid-executive/ .

    Panamera Turbo S E-Hybrid, 680 PS angeblich 2.9 l/100 km bei 66 g/km, naja wer es glaubt :thumbdown:

    Edit: KleverRadfahrer war etwas schneller

  • Die Werte schafft man, indem man schon vorher dafür sorgt, dass die Gesetze so gemacht werden, dass man die Grenzwerte einhalten kann. Dabei kommt es doch nur darauf an, wie gemessen und gerechnet wird. Mit den E-Autos die langsam ins Programm kommen klappt das schon, weil die Berechnungen so optimiert wurden, dass ein paar wenige Elektro oder Hybrid PKW den Wert kräftig beeinflussen.

    Ehrlich gesagt ist mir auch nicht ganz klar wie das berechnet wird. Was ich im Kopf habe ist, dass der CO2-Ausstoß der gesamten Fahrzeugflotte, die ein Hersteller verkauft, im Schnitt pro Fahrzeug gerechnet die angegebenen Grenzwerte (120g CO2/km, ab 2020 dann 95g/km) nicht überschreiten darf. Wäre ich Fahrzeughersteller, dann würde ich ein "saufwütiges" SUV mit hohem CO2-Ausstoß gemeinsam verkaufen mit einem reinen Elektro-Fahrzeug etwa von dem Format wie der Renault-Twizy und schon dürfte der fette SUV die doppelte CO2-Menge ausspucken.

    Und überhaupt frage ich mich, wie sich das mit Produktion und Verkauf und Einsatzort der Fahrzeuge verhält. In Deutschland fahren dann die fetten SUVs und in Griechenland die Elektroautos im Format Twizy?

    Aber erst mal blicken ja alle gespannt morgen nach Leipzig. Ist da eigentlich schon morgen mit einem Urteil zu rechnen? Und wenn ja, was wird sich dann möglicherweise tun? Bei den Koalitionsverhandlungen wurde ja das ganze Thema umschifft, so weit ich das bisher durchschaut habe. Wenn es aber "zum Schwur" kommen sollte, z. B. die Kommunen verlangen die Einführung der blauen Plakette, um die möglichen Leipziger Gerichtsentscheid-Konsequenzen umsetzen zu können, dann wird die neue Regierung vermutlich so tun, als sei das nie und nimmer vorhersehbar gewesen. Und was passiert dann?

    Aber erst mal müssen die Genossen ja in die Urabstimmung. Und bei den Unionsparteien sind die entsprechenden Parteitage auch noch nicht gelaufen. Ich kann schon verstehen, dass man bei den Koalitionsverhandlungen in dieser Frage nicht den aus Sicht der Autolobby worst-cast in Leipzig angenommen hat.

  • Im letzten Hanno-Rad, die ADFC-Mitgliederzeitschrift für die Mitglieder der Region Hannover, kommt der SPD-Ratsfraktions-Sprecher für Stadtentwicklung, Lars Kelich, zu Wort. Er zieht einen Vergleich zwischen Hannover und Kopenhagen, um deutlich zu machen, warum der Ausbau der Radverkehrinfrastruktur in Kopenhagen so viel besser ist als in Hannover. Seine These: Kopenhagen hat in den Radverkehr investiert und dafür beim ÖPNV gespart, in Hannover leif es laut Kelich umgekehrt: "In Hannover wurden die Grundsatzentscheidungen anders gefällt als in Kopenhagen. Kopenhagen hat sich 1971 entschieden, alles auf den Radverkehr zu setzen und seine Straßenbahnen abzuschaffen. In der Folge hat die Stadt dann massiv Geld in die Hand genommen, um zum Beispiel Brücken zu bauen. Was ich übrigens gut finde. In Hannover wurde damals eher in die Stadtbahn investiert. Deswegen wurde damals der Kröpcke aufgebuddelt und ein Tunnelsystem gebaut. Jetzt hat Hannover ein gutes sternförmiges ÖPNV-System. Das wurde inKopenhagen zeitgleich zurückgefahren. Im ÖPNV ist Hannover im Vergleich zu Kopenhagen ganz weit vorne. Dass in Kopenhagender Radverkehr auf nunmehr 50 Prozent gestiegen ist, war eine lange Entwicklung. Das würde in Hannover nicht von jetzt auf gleich funktionieren." hannorad 3/17, Seite 11 https://www.hannorad.de/wp-content/upl…oRad_2017_3.pdf

    Ich halte das für eine faustdick aufgetragene Schönfärberei, denn in Hannover wurden die Stadtbahntunnel, von denen Kelich redet, ja nicht gebaut, um den ÖPNV zu verbessern, den hätte man unter Zurückdrängen des Autoverkehrs auch oberirdisch verbessern können. Und man hätte dabei mit deutlich weniger Geld deutlich mehr ÖPNV haben können, als in die exorbitant teuren Stadtbahntunnel passt. Die Stadtbahntunnel wurden gebaut, um Platz zu schaffen für den Autoverkehr. Aus dem selben Grund setzt Hamburg ja heute noch voll auf U-Bahn-Erweiterungen und lehnt oberirdische Stadtbahnstrecken ab.

    Im Hinblick auf die aktuelle Diskussion über kostenlosen ÖPNV wird Kelichs Aussage völlig absurd. Denn von Seite der Stadt und der Region ist zu vernehmen, Hannover verfüge gar nicht über ausreichend ÖPNV-Kapazitäten, um einen nennenswerten Teil von MIV-Umsteigern aufzunehmen. Dabei wird strikt in der Kategorie Tunnel-ÖPNV gedacht. Und die Tunnel sind tatsächlich schon ganz schön stark ausgelastet. Aber oberirdisch ist noch eine Menge Platz für Busse und oberirdische Stadtbahnen. Es fehlt jedoch der politische Wille, die vorhandenen Verkehrsflächen vom MIV in Richtung ÖPNV umzuwidmen. Außerdem stellt sich Kelichs These in Anbetracht der aktuellen Diskussion so dar, als gäbe es einen festen Anteil Autofahrer am Verkehrsgeschehen, dem es egal ist ob es gute Radwege gibt oder guten ÖPNV, die fahren sowieso Auto. Und es gibt einen Teil Nicht-Autofahrer, die entweder den ÖPNV benutzen oder das Fahrrad, je nach dem was vor Ort besser ausgebaut ist. Dem stimme ich nicht zu!

  • Einfach nur genial. Die Bundesregierung soll Netflix kostenlos machen, damit die Leute mehr zu Hause bleiben, was zu weniger Abgasen führt. :D

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • »Der Bus kommt ja trotzdem nur alle 20 Minuten.«

    Nee, der Bus kommt dann alle 5 Minuten. Oder es kommt alle 5 Minuten eine Tram. Dafür ja die 12 Mrd. Investitionen, die Heiner Monheim geschätzt hat.

    Häuserabriss - das wurde in Stuttgart schon diskutiert, und zwar ernsthaft. Da wies man darauf hin, dass die Frischluftschneisen im Kessel in der Vergangenheit zugebaut wurden.

  • Unabhängig davon, ob es die Kommunen machen, zweifele ich daran, dass es sinnvoll wäre.

    Nur mal angenommen, die Kommunen hätten diesen Betrag zusätzlich und ohne Zweckbindung zur Verfügung. Sollten Sie das dann wirklich komplett in den ÖPNV stecken? Oder wäre nicht eine Aufteilung auf verschiedene Bereiche sinnvoll?

  • Die Kommunen müssten eine angebotsorientierte Verkehrspolitik machen. Das könnte für Städte der Größenordnung B / HH / M heißen:

    - U-Bahn und S-Bahn-Strecken im Stadtgebiet mo-so 4:30-0:30 alle 5 Minuten, außerhalb je nach Siedlungsstruktur und Tageszeit alle 5 bis 10 Minuten

    - hochfrequentierte Strecken alle 2,5 Minuten

    - Tram und Busse: durch Linienbündelung Vielzahl von Verbindungen mit dem Ziel, auf den Strecken zu einer ähnlichen Frequenz zu kommen wie oben

    - neue Linien, um besser in die Fläche zu kommen

    So, und dann kann man ausrechnen, wie viele Fahrzeuge und wie viele Mitarbeiter/innen man zusätzlich braucht und was das kostet.

  • Unabhängig davon, ob es die Kommunen machen, zweifele ich daran, dass es sinnvoll wäre.

    Nur mal angenommen, die Kommunen hätten diesen Betrag zusätzlich und ohne Zweckbindung zur Verfügung. Sollten Sie das dann wirklich komplett in den ÖPNV stecken? Oder wäre nicht eine Aufteilung auf verschiedene Bereiche sinnvoll?

    Das Problem ist doch, dass viele so tun, als sei es mit zusätzlichen Investitionen in den ÖPNV möglich, die Menschen dazu zu bewegen, vom Auto auf den ÖPNV umzusteigen. Auch wenn ich von der Sendung extra3 sonst nicht sehr begeistert bin, der eine Satz, "Wenn man ein SUV fährt, dann denkt man sich: Ich soll den Bus ... Hä, Hä, Hä - Ich hab einen Porsche Cayenne! ... Leute, sorry, warum soll ich ein Fahrzeug umsteigen, das kleiner ist als meins?" (bei 1 Minute, 10 Sek), der trifft es ganz gut.

    Es ist eben nicht damit getan, den ÖPNV auszubauen. Das wird dem ÖPNV zwar jede Menge zusätzliche Fahrgäste bescheren, die Anzahl der Autofahrer aber wird es nur geringfügig reduzieren, denn nur wenige sind bereit umzusteigen, auch dann wenn der ÖPNV komplett kostenfrei ist.

    Zudem ist zu bedenken, dass schon in den vergangenen Jahrzehnten Milliarden von Euro für den ÖPNV im wahrsten Sinne des Wortes "versenkt" wurden. Es wurden exorbitant teure Tunnel für U-Bahnen gebaut und für unterirdisch fahrende Stadtbahnen. Aber nicht etwa um den ÖPNV zu verbessern, sondern um auf den oberirdischen Verkehrsflächen Platz zu schaffen für immer mehr Autoverkehr. Und wenn es trotz Verbannung des ÖPNV dort zu eng wurde, dann hat man auch noch - ebenfalls sündhaft teure - innerstädtische Straßentunnel gebaut.

    Dabei stand stets das Ziel im Mittelpunkt, die MIV-Infrastrukturen zu maximieren. Der ÖPNV dagegen sollte bestenfalls den Nicht-Autofahrern ein gewisses Mindestmaß an Mobilität gewährleisten. Nicht umsonst werden im Fachjargon ÖPNV-Fahrgäste als "Beförderungsfälle" bezeichnet.

    Leider ist - aus gutem Grund - kein Politiker bereit auch nur ansatzweise darauf hinzuweisen, dass die MIV-Infrastruktur zurückgebaut werden muss. Wenn das dennoch hin und wieder geschieht, dann löst es üblicherweise ein wildes Protestgeschrei aus, weshalb solche Maßnahmen - sofern sie denn überhaupt durchgeführt werden - lieber mit möglichst wenig Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt werden.

  • Ja, Ullie, bei der Investitionsstrategie bin ich ganz bei Dir:

    Wenn man für den Betrag X entweder 10 km U-Bahn bauen und die Fahrspur für die Autos »freimachen« kann oder aber 200 km Straßenbahn in den Straßenquerschnitt setzen kann, dann nimmt der typische deutsche Behördenmichel die 10 km U-Bahn. Aber das muss ja nicht so bleiben (zumal Stadtbahn/Tram schneller zu bauen ist als U-Bahn).

    So, und jetzt stellen wir uns mal die sechsspurigen Asphaltschluchten neu sortiert vor: pro Richtung ein, zwei Spuren weniger für die Autos und dafür Tram und Radfahrspuren. Das verändert die Entscheidungsfindung, welches Verkehrsmittel man nutzt.

    Anders formuliert: Wenn die öffentliche Hand nicht genügend ÖPNV anbietet, um Abwanderer aus den Autos aufnehmen zu können, dann werden die Argumente »die Busse und Bahnen sind doch jetzt schon voll« oder »ich kann nicht 60 Minuten auf den nächsten Bus warten« Totschlagsargumente bleiben.

  • Von dem was ich so gehört habe, kam mir die Reaktion des Tübinger Bürgermeisters Boris Palmer auf die Offerte der Bundesregierung zum kostenlosen Nahverkehr recht intelligent vor. Der hat nämlich nicht wie andere Bürgermeister rumgejammert nach dem Motto, da fehlen uns die Kapazitäten usw., sondern ist in die Offensive gegangen. Wir machen das mit dem kostenlosen ÖPNV und sehen uns in der Lage mehr als die Hälfte der Kosten selbst zu schultern und der Bund zahlt dann den Rest: "„Wir bräuchten nicht einmal unbedingt das Geld (vom Bund)“, sagte Palmer dem SWR am Wochenende. „Es wäre auch schon hilfreich, wenn in einem Gesetz geregelt würde, dass Modellkommunen eine Abgabe von ihren Bürgern erheben dürfen, um den Nahverkehr zu finanzieren.“ In Tübingen würden dafür 15 Euro pro Erwachsenem im Monat reichen. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir da mit einem kleinen Ergänzungszuschuss des Bundes im Gemeinderat eine Mehrheit hätten, um das Experiment zu starten.“" Focus online vom 18.2.2018 https://www.focus.de/auto/news/bori…id_8486461.html Ob Palmer nun davon ausgeht, dass es ohnehin nicht zum "Schwur" kommt, oder aber tatsächlich die entsprechenden Pläne in den Schubladen liegen? - Geschenkt! Alles ist besser als dieses elende Rumgejammere anderer Kommunen. Und direkt angesprochen hat Palmer nicht, dass der Ausbau des ÖPNV mit einem Rückbau der MIV-Infrastrukturen verbunden ist. In dem Focus-Artikel heißt es dazu: "Wenn das Konzept aufgeht, entspannt sich gleichzeitig die Verkehrssituation für diejenigen, die doch mit dem Auto fahren wollen - sie hätten weniger Stau und würden dadurch auch noch Sprit sparen." Das ist meines Erachtens Quatsch, selbst wenn sich eine nennenswerte Anzahl Autofahrer fände, die auf den ÖPNV umsteigen würden, dann würden die Lücken, die sich auftun würden in den Autoschlangen, von anderen Autofahrern wieder zugefahren. Trotzdem ist Palmers Vorstoß deutlich cleverer als die Reaktionen aus vielen anderen Kommunen.

    Hier geht es zu dem swr-Interview mit Palmer zum Thema kostenfreien ÖPNV: https://www.swr.de/swraktuell/bw/…mc2d/index.html

  • Wenn ich mir dann noch mit anschauen muss, wie Hannover plötzlich den Radverkehr neu priorisieren will*, während es an anderer Stelle herumjammert, dass die Busse ohnehin schon voll seien, dann krieg ich Lust, öffentlichkeitswirksam mein Fahrrad dem Bürgermeister vor die Füße zu schmeißen frei nach Vercingetorix nach dem Motto: Ich fahre doch nicht deshalb Rad, weil ihr Angst habt, dass die Busse und Bahnen zu voll werden.

    http://www.asterix.com/la-collection/first/11de.jpg

    * Siehe auch dieses neue Thema: Radverkehr in Hannover soll mit durchgehenden roten Streifen sicherer gemacht werden. Radverkehr in Hannover soll mit durchgehenden roten Streifen sicherer gemacht werden

  • Man muss beides tun, den ÖPNV stärken und den MIV schwächen. Aber eines nach dem anderen. Und die Stärkung des ÖPNV muss zuerst erfolgen, damit die anschließende Schwächung des MIV verträglich ist.

    bye
    Explosiv smilie_be_131.gif

  • Wieso kann denn nicht beides gleichzeitig erfolgen? Wenn ich eine Spur für den Bus einpacke, also für MIV sperre, stärke ich damit Busverkehr (kommt staufrei voran) und schwäche MIV... Und meines Erachtens bringen Busspuren schon etwas. Ich wohnte mal so, dass ich die Wahl hatte, busspurlos von der Gärtnerstraße zur Holstenstraße zu fahren oder mit Busspur von der Gärtnerstraße zum Dammtor. Erstere Strecke ist eigentlich kürzer, aber ich habe immer die zweite genommen, da ich darauf vertrauen konnte, dass der Bus nicht im morgendlichen Autostau feststeckt.

    UBahnen ergeben wohl, wenn man in die Zukunft denkt, mehr Sinn als Straßenbahnen... Zumindest wurde mir das neulich so erklärt, als es um die UBahn ging, die am Siemersplatz auch eine Station haben soll. In die UBahn passen bei gleicher Taktung mehr Leute rein als in eine Straßenbahn.

    Wobei in Hamburg echt noch die Querverbindungen aufgebaut werden dürfen. Wenn ich, in Hamm Süd wohnend, in die City Nord möchte, muss ich mit dem Bus bis zum Bahnhof Steinstraße, kurz vorm Hauptbahnhof, und dann fahre ich westlich der Alster mit der UBahn entlang. Hääää? Es gibt tatsächlich nichts, was mich fix und direkt zum Ziel bringen würde. Da fahre ich doch lieber Fahrrad... Ein Autobesitzender wird sich denken: Da fahre ich doch lieber Auto.

    LG
    Anna