@radwegh und Nötigung in Wandsbek

  • Gegeben sei dieser Thread, insbesondere die dort als Stellungnahme eingebetteten Bilder mit Text:

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    Meine Einschätzung: PK 37 hat das Blockieren eines ordnungswidrigen fahrenden Kraftfahrzeuges als Nötigung eingeschätzt. Es ist natürlich nicht verboten, als Fußgänger den Gehweg zu benutzen und dort zur Querung der Straße an der Ampel zu warten, es ist aber verboten, als Fußgänger den Gehweg zu nutzen und lediglich dort zu warten, um Kraftfahrzeuge vom ordnungswidrigen Befahren des Parkplatzes abzuhalten. Wenn man dann auch noch „ungeschickt genug“ ist, das gegenüber der Polizei so anzugeben, dann hat man die Strafanzeige so gut wie gebucht.

    Das ist natürlich eine einigermaßen skurrile Situation, aber passt nunmal zu unserem Rechtsverständnis. Genauso handelt es sich nunmal um eine Nötigung, wenn ich mit dem Rad auf dem Radweg stehenbleibe, um ein dort ordnungswidrig fahrendes Kraftfahrzeug an der Weiterfahrt zu hindern. Leider ist es aber keine Nötigung, mit einem Kraftfahrzeug auf dem Radweg zu parken, und damit Radfahrer zum Ausweichen zu zwingen.

    Was meint ihr dazu?

  • Ich sehe keine Nötigung.

    Weder wurde gegen den Autofahrer Gewalt ausgeübt. -> Nach der zweite-Reihe-Rechtsprechung hätte der Autofahrer zynisch gesagt über den Fußgänger drüberfahren können.
    Noch ist die Zweck-Mittel-Relation verwerflich. -> Der Fußgänger durfte dort stehen, der Autofahrer durfte dort nicht fahren.

    Anders herum hingegegen...

  • Selbstverständlich liegt eine Nötigung vor. Der Fußgänger hat den Autofahrer genötigt (ihm den Willen aufgezwungen), nicht weiterzufahren, unter Drohung des empfindlichen Übels, den Fußgänger umzufahren.

    Auch liegt eine Nötigung durch den Autofahrer vor: Der Fußgänger soll Platz machen, sonst wird er von einem 2t-Panzer aus dem Weg geschoben.

    "Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Der Versuch ist strafbar."

    Die Aktion des Autofahrers halte ich für verwerflich. Schließlich hat er versucht, Unrecht (Verstoß gegen die StVO) durch Nötigung durchsetzen.

    Der angestrebte Zweck des Fußgängers war es nach meinem Verständnis, der rechtswidrigen Nötigung durch den Autofahrer nicht nachzugeben.

    Einerseits finde ich das Verhalten des Fußgängers richtig. Hier könnte sogar eine Notwehrsituation vorliegen. Das Recht muss dem Unrecht nicht weichen.
    Es ist aber das mildeste geeignete Mittel anzuwenden.
    Reicht es aus, aus dem Weg zu gehen und eine Anzeige wegen Owi + Nötigung zu stellen, wohl wissend, dass das Verfahren sehr wahrscheinlich eh eingestellt wird?

    Wenn man zum Schluss kommt, dass hier wegen der Nötigung eine Notwehrlage vorliegt, gegen die das Opfer selbst vorgehen darf: Wie sieht es aus, wenn ein Radfahrer regelwidrig auf der Fahrbahn fährt und den "Verkehr" behindert?

    Das eigentliche Problem ist, dass wir in Deutschland kein funktionierendes Rechtssystem haben, was die Durchsetzung der StVO angeht. Erst dadurch ergeben sich Situationen wie diese, dass der stärkere seinen Willen durchsetzen kann.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Das Recht muss dem Unrecht nicht weichen.

    Das ordnungswidrige Einfahren in einen gesperrten Bereich ist aber nur eine Ordnungswidrigkeit, das Unterbinden dieses Einfahrens aber eine Straftat.

    Und dann fällt mir eigentlich noch eine lustige Wette ein: Wer wettet dagegen, dass es für dieses [Zeichen 250] überhaupt eine Anordnung gibt?

  • Das ordnungswidrige Einfahren in einen gesperrten Bereich ist aber nur eine Ordnungswidrigkeit, das Unterbinden dieses Einfahrens aber eine Straftat.

    Das Wegscheuchen von Fußgängern mit Hupe + 2t-Panzer ist meiner Meinung nach eine Straftat.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Selbstverständlich liegt eine Nötigung vor.

    Es ist zumindest nicht eindeutig. Vergleiche die "Zweite-Reihe-Rechtsprechung" von BGH und BVerfG. Die Kurzfassung:
    Es ging darum, ob eine Sitzblockade den Tatbestand der Nötigung erfüllt.
    Der BGH sagte: "Ja".
    In Revision verwies das BVerfG das Verfahren wieder zurück: "Ein Autofahrer kann eine Sitzblockade durchbrechen. Also keine Nötigung."
    Darauf der BGH: "OK, aber das erste stehende Auto nötigte das zweite zum Anhalten. Diese Nötigung müssen sich die Demonstranten anrechnen lassen, da sie genau dies wollten. Also doch Nötigung.".
    Revision durch BVerfG: "OK".

    Fazit: Ein einzelner herumstehender Fußgänger kann einen Autofahrer gar nicht nötigen.

    Ich ganz persönlich finde die Linie vom BVerfG lächerlich und habe den Verdacht, dass da die politische Meinung der Richter eine Rolle gespielt hat.
    Aber wer bin ich, unseren höchsten Richtern sowas zu unterstellen?

    Also nehme ich nur die Rechtsprechung zur Kenntnis.


  • Das Wegscheuchen von Fußgängern mit Hupe + 2t-Panzer ist meiner Meinung nach eine Straftat.

    Das sehe ich durchaus so, aber angefangen hat’s halt mit (eventuell) mit einer Straftat des Fußgängers.

    Ich ganz persönlich finde die Linie vom BVerfG lächerlich und habe den Verdacht, dass da die politische Meinung der Richter eine Rolle gespielt hat.
    Aber wer bin ich, unseren höchsten Richtern sowas zu unterstellen?

    Also nehme ich nur die Rechtsprechung zur Kenntnis.

    Ich habe auch das Gefühl, dass dieses Urteil zwar dem Bundesverfassungsgericht genügte, aber nicht unbedingt in jeder Situation einsetzbar ist, an dem jemand von jemandem genötigt wurde.

  • Selbstverständlich liegt eine Nötigung vor. Der Fußgänger hat den Autofahrer genötigt (ihm den Willen aufgezwungen), nicht weiterzufahren, unter Drohung des empfindlichen Übels, den Fußgänger umzufahren.

    Die Drohung mit einem empfindlichen Übel ist per juristischer Definition das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Ich sehe nicht, wie der Fußgänger hier Einfluss darauf haben könnte, durch das Auto umgefahren zu werden. Dieses Übel beherrscht alleine der Autofahrer selbst. Und dessen Angst, dieses Übel zu verwirklichen, ist genau die psychische Gewaltausübung, die das BVerfG m.E. zu Recht als nicht ausreichend ansieht.

    Und das eingesetzte Mittel, das Stehen auf einem Gehweg, ist auch nicht verwerflich. Weder für sich betrachtet, noch in Relation zum verfolgten Zweck. Weil es ein erlaubtes Verhalten ist.


    Sonst wäre jeder wegen Nötigung (mit bis zu drei Jahren Gefängnis) dran, der einem klingelnden Radfahrer auf dem Gehweg nicht aus dem Weg geht. Oder einem pöbelnden Geisterradler nicht ausweicht.

    P.S. Auf Seiten des Autofahrers würde ich hier auch noch keine (versuchte) Nötigung bejahen, solange zu dem bloßen Hupen keine weiteren Handlungen hinzutreten, die eine wirkliche Drohung enthalten. Also Draufzufahren, Motor aufheulen lassen, entsprechende verbale Äußerungen und Gesten. Ein "Geh aus dem Weg"- Hupen ist nur eine Ordnungswidrigkeit, die allerdings meinetwegen sehr gerne mit einem hohen Bußgeld belegt werden dürfte.

  • Eine ganz andere Sicht:
    Autofahrer dürfen über den Gehweg fahren, um dahinter liegende Parkplätze zu erreichen. Hinten im Bild sehe ich ein P-Schild. Nicht abgehängt o.ä.
    Schilder stehen regelmässig rechts oder mittig über der Fahrspur, die sie betreffen (§41). Wenn man nun das Bild wörtlich nimmt und "gesperrte Zufahrt" als durch das Schild tatsächlich gesperrte Zufahrt betrachtet, wieso darf der Autofahrer dann nicht rechts zum ausgeschilderten Parkplatz fahren? Weil dort eine Furt ist?

    Dabei fällt mir auf, warum wurden in dem Bild die Linien so schräg eingezeichnet? Die Furtmarkierung geht rechts am Auto vorbei...

  • Die Sache ist jetzt eingestellt worden:

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  • das ist wieder mal typisch.
    eine Einstellung. Keine Auseinandersetzung mit der Situation und "keine Schuld". Nein, "nur geringe Schuld" und "kein öffentliches Interesse". Anders ausgedrückt: "wir haben keine Lust, das jetzt richtig zu begründen und stellen ein. Freuen Sie sich doch!"

  • sicher?

    Nein.
    §153 ist halt meines Wissens nach die einfachste (früheste) Möglichkeit zur Einstellung. Wenn schon von Anfang an klar ist, dass das zu nichts führt, wird halt nach §153 eingestellt und fertig. Die Alternativen sind mWn komplizierter und enthalten auch keine Aussage "erwiesene Unschuld" oder so.
    Sicherlich wäre es befriedigender, wenn da ein freundlicher Brief käme: "Die Anzeige war lächerlich, wir stellen das ein. Tut uns leid, dass die Polizisten zu doof waren." :)
    Sowas ist in der Juristerei aber unwichtig. Da zählt nur das Ergebnis.

  • Antwort nach §153 Stpo ist ziemlich unbefriedigend. Eigentlich möchte man §170 (Einstellung mangels Tatverdachts) haben, kann es aber leider nicht erzwingen, da es keine Rechtsmittel gegen eine Einstellung nach §153 gibt. Das Problem mit §153 ist, dass die Einstellung in Akten bleibt und in manchen Fällen negative Effekte haben kann. Udo Vetter schreibt, dass z.B. ein Flugschein davon abhängen kann.

    Ich hatte mal eine Einstellung nach §170 (Vorwurf: Verstoß gegen §26 VersammlG im Rahmen einer Critical Mass). Mein Anwalt meinte, dass man zusätzlich dazu, dass der Vorwurf offensichtlich unhaltbar ist, noch eine Portion Glück haben muss. Hatte ich offensichtlich.

  • Ich begrüße diese Art der Einstellung des Verfahrens gegen den Radfahrer. Wäre ja noch schöner, wenn man sich plötzlich dauernd juristischen Beistand holen müsste, weil man auf einem Gehweg herumsteht.

    So geht das halt als Laie auch ganz schnell. Ohne Urlaubstag einplanen, Anwaltskosten (Malte schrieb ja oft genug davon) und weitere Auseinandersetzung (Adressübermittlung u.a.) mit dem sich im Recht wähnenden Kraftfahrer vor Gericht, am besten noch mit entspechender "Dieser böse Kampfradler"-Presse.


    das ist wieder mal typisch.
    eine Einstellung. Keine Auseinandersetzung mit der Situation und "keine Schuld". Nein, "nur geringe Schuld" und "kein öffentliches Interesse". Anders ausgedrückt: "wir haben keine Lust, das jetzt richtig zu begründen und stellen ein. Freuen Sie sich doch!"

    Der Schuldvorwurf ist keiner, weil im Konjunktiv verfasst. Schuld stellt bei uns die Judikative fest und nur die. Es wurde somit keine (geringe) Schuld festgestellt. -> Volle Unschuld wegen der Unschuldsvermutung.

  • Der Schuldvorwurf ist keiner, weil im Konjunktiv verfasst. Schuld stellt bei uns die Judikative fest und nur die. Es wurde somit keine (geringe) Schuld festgestellt. -> Volle Unschuld wegen der Unschuldsvermutung.

    Aber hier äußert sich doch die Judikative.

    Und mit der Einstellungsbegründung wird eben gesagt: "naja, wenn wir uns das genauer ansehen würden, käme wohl nur eine geringe Schuld bei heraus".
    Deswegen wird eingestellt. Das ist nicht zu verwechseln mit "am Tatvorwurf ist nichts dran, das ist keine Nötigung gewesen" = keine Schuld.

    Festgestellt wird hier nur eines: "kein öffentliches Interesse".

  • Die Staatsanwaltschaft ist Exekutive.

    Eben. "Würde" und "käme" ist etwas anderes als "hat" (geringe Schuld o.ä.) Es drückt aus, dass eine tiefere Prüfung überhaupt nicht stattgefunden hat. Und wenn man schon nicht prüft, kann man auch nicht freisprechen, weil es nichtmal einen geringen Schuldvorwurf gibt.