Ich war ja nun am Wochenende in Paris. Paris kenne ich noch von ein paar Urlaubsreisen meiner Jugend, wobei „kennen“ eine ziemliche Übertreibung ist: Ich war damals noch ziemlich jung, insofern sind ohnehin sämtliche Erinnerungen von einem romantisch verklärenden Schleier überzogen. Dennoch hatte ich im Vorfeld dieses Wochenendes einige Erwartungen, die auf ebenjenen Erinnerungen basierten: Romantische Gässchen, Cafés mit Blick auf den Eifelturm, staunend die Avenue des Champs-Élysées entlanglaufen.
Okay, es war grundsätzlich ein schönes Wochenende, weil jedes Wochenende mit meiner Freundin ein schönes Wochenende ist, aber diese Stadt ist eher… nicht so, dass ich noch mal nach Paris müsste.
Das hier war zum Beispiel der Blick auf den Eifelturm:
Wir dachten erst, das wäre Nebel — stattdessen stellte sich abends heraus, dass Paris unter der schlimmsten Luftverschmutzung seit Jahrzehnten leidet.
Das muss man sich mal ins Bewusstsein rufen: Wir leben im Jahr 2016 des Herrn, aber geht man in einer Großstadt vor die Tür, hat man nicht den Eindruck, dass sich in den letzten vierzig Jahren bezüglich des Klimaschutzes etwas bewegt hätte. Wow, was bin ich stolz darauf, mein Leben ohne Auto im Griff zu haben, möglichst wenig Müll zu „produzieren“ und irgendwie eine Art von Lebensstil zu pflegen, der mit einem möglichst kleinen Fußabdruck einhergeht — aber in einer Millionen-Metropole wie Paris verschwinden plötzlich die Wahrzeichen im Dunst der Abgase (Disclaimer: Ich hätte ja lieber den Zug genommen, aber wir sind tatsächlich mit dem Flugzeug gereist).
Was den Straßenverkehr angeht, ist Paris ernsthaft der Horror. An einem Wochenende! Und am Sonntag noch fast mehr als am Sonnabend! Es gibt keine romantischen Gassen, es gibt nur Autos. Es gibt auch keine lauschigen Cafés mit Blick auf den Eifelturm, weil man vor lauter Motorenbrummen sein eigenes Wort nicht mehr versteht (und dem Blick auf den Eifelturm mangelt’s am Eifelturm). Selbst die Avenue des Champs-Élysées ist so eine Sache, dort wechseln sich weihnachtliche Düfte von einem endlos langen (und furchtbar durchkommerzialisierten) Weihnachtsmarkt mit Abgasen von acht Fahrstreifen ab, die inmitten dieser Prachtstraße liegen. Und am Rand quetschen sich dann abertausende Fußgänger auf überbreite Gehwege und geraten trotzdem aneinander.
Herrje, bis jetzt dachte ich, der Straßenverkehr in Hamburg oder Berlin oder Frankfurt wäre schlimm, aber all das ist ja noch gar nichts gegen diese Blechlandschaft in Paris. Ich wüsste ja zu gerne, wie meine Eltern damals im Urlaub den dortigen Straßenverkehr empfunden haben oder wie Einheimische diese Zustände beurteilen. Für mich, der ja bezüglich des Verkehrs-Themas ein bisschen sehr sensibilisiert ist, waren diese Blechlawinen jedenfalls Grund genug, erst einmal nicht wieder in diese Stadt fahren zu müssen. Das war mir wirklich zu viel.
Und nein, ich bin kein Fahrrad gefahren. Es gab dort zwar Unmengen von Leihrädern, aber ich habe mich tatsächlich nicht getraut, dort herumzudüsen. Das war mir echt zu heikel. Andererseits: Wo soll man denn dort auch herumdüsen — typisch kampfradlerisch auf dem Gehweg?
Was den Radverkehr angeht, gibt es dort offenbar grundsätzlich nur zwei Typen von Radfahrern: Junge, durchtrainierte Männer auf Rennrädern und Touristen auf den furchtbar hässlichen Leihrädern, wobei letztere aus Respekt vor dem Straßenverkehr meistens ordnungswidrig auf dem Gehweg unterwegs waren — ich vermag es ihnen kaum zu verdenken. Ich bin ja eigentlich kein Weichei, was Fahrbahnradelei angeht, auch wenn ich mittlerweile nach zwei Unfällen mit Gehirnerschütterung auch die Vorzüge eines langsameren Fahrstils zu schätzen weiß. Aber im Ernst: Dann sowas wie den Kreisverkehr am Triumphbogen bezwingen?
Wir haben dort während zwanzig Minuten nicht einen einzigen Radfahrer gesehen. Das ist total heftig: Der Kreisverkehr wird teilweise mit bis zu acht Fahrzeugen nebeneinander befahren; wer rechts fährt biegt gezwungenermaßen ab, alle anderen fahren weiter im Kreis, während sich an jeder Einfahrt neue Fahrzeuge in die Kreisfahrbahn hineinkämpfen. Der Begriff „Kampf“ ist wirklich nicht übertrieben, denn es gibt dort keine Lichtzeichen oder ähnliche Regelungen, man erobert sich einfach einen Fahrstreifen. Man hupt sich erstmal in die mittleren Fahrstreifen hinein, dann kämpft man sich an der angepeilten Ausfahrt wieder zurück nach rechts. Wie soll sowas mit dem Rad funktionieren, auf dem man in Paris wie in Hamburg keinerlei Autorität ausstrahlt und als derart verletzlicher Verkehrsteilnehmer überhaupt gar nicht in der Lage ist, seinen Fahrstreifen in irgendeiner Weise gegen einen Kraftfahrer zu verteidigen?
Abgesehen davon will ein Teil der dortigen Radfahrer wahrscheinlich gar nicht kämpfen, sondern einfach ganz in Ruhe zur nächsten Sehenswürdigkeit düsen.
Ich weiß nicht — was den Straßenverkehr angeht, ist Paris eine grauenvolle Stadt. Ja, die Sehenswürdigkeiten sind schön, ja, allein die Museen sind eine mehrtägige Reise wert, aber… wow, leider muss man ja irgendwie vom Hotel bis zum Museum kommen.
Wie auch immer: Ich will mal versuchen, in den nächsten Tagen ein paar Eindrücke niederzuschreiben. Momentan bin ich dafür, man merkt es am Schreibstil, schon viel zu müde.