Mit Hamburgs Radverkehrsinfrastruktur, beziehungsweise mit Hamburgs Radverkehrsstrategie werde ich nicht so ganz warm. Echt nicht.
Ja, es werden teilweise brauchbare Hochbordradwege angelegt und ja, es gibt teilweise sogar brauche Radfahrstreifen oder Schutzstreifen. Und dann gibt’s ganz schön viel Müll, wenn selbst die neu angelegte Radverkehrsinfrastruktur auf kompletter Länge gerade einmal den Mindestvorgaben bezüglich der Breite entspricht. Oder man macht es sich einfach, hebt die Radwegbenutzungspflicht auf und lässt den Radlingen die Wahl zwischen der Fahrbahn und einem buckeligen Radweg. Klar, unsereins kommt mit der Fahrbahn gut zurecht, aber nach meiner Beobachtung bleiben die bekannten 98 Prozent der Radfahrer lieber auf dem Radweg. Super Sache, Hamburg.
Natürlich ist mir auch klar, dass man Hamburg nicht von heute auf morgen in eine Fahrradstadt verwandeln wird. Und mir ist auch klar, dass man noch nicht einmal von heute auf übermorgen eine brauchbare Infrastruktur schaffen kann. Aber das man hier und dort ein paar Meter oder sogar ein paar hundert Meter saniert, sich davor und danach aber eine grottige Infrastruktur auf dem Stand der 60er Jahre anschließt, ja, toll, das hilft doch niemandem etwas. Und wenn man in Hamburg in diesem Tempo weitermacht, hat man ungelogen noch nicht mal in dreißig Jahren, wenn angeblich ein Großteil der Kraftfahrzeuge elektrisch angetrieben werden soll, eine ordentliche Radverkehrsinfrastruktur parat.
Ein Beispiel ist ja der neu gestaltete Knoten Schanzenstraße / Stresemannstraße / Neuer Kamp / Budapester Straße. Da hat man sich teilweise etwas gedacht oder aber auch nicht, und abgesehen von den Radfahrstreifen im neuen Kamp geht’s in allen Himmelsrichtungen mit einer bescheuerten Infrastruktur weiter. Ja, ich weiß, in der Schanzenstraße darf man auf der Fahrbahn radeln, aber 98 Prozent der Radlinge bevorzugen es eben, durch die Außengastronomie und durch die Blumenläden zu radeln, anstatt sich auf der Fahrbahn anhupen zu lassen. Und man kann ja von Vorstadt-Günther und seinen Thesen halten was man will: Die meisten Radlinge lieben Radwege — das lässt sich nun kaum in Abrede stellen.
Die Radverkehrsinfrastruktur in der Stresemannstraße kann man wohl kaum so nennen, das ist ja bekanntlich eher ein schlechter Witz. In der Budapester Straße sieht es ähnlich aus, nur ist die Straße dort nicht ganz so mega-eng und die Radwege sind etwas breiter.
Egal, zurück zu dem, was man sich am Neuen Kamp gedacht hat und was nicht: Was bitte soll denn sowas hier?
Man kann an dieser Stelle also geradeaus zur Schanzenstraße fahren. Okay, das kriegt man hin.
Das ist aber auch schon das einzige, was man ungefähr hinbekommt, wenn man diese Infrastruktur zum allerersten Mal benutzt. Wenn man ins Schulterblatt möchte, soll man sich hier halb-links einordnen und dem Schutzstreifen in der Fahrbahnmitte folgen. Das weiß man aber erst, wenn man die Kreuzung ordentlich studiert hat — und selbst wenn man den Weg kennt, weiß man noch immer nicht, wie man ordentlich abbiegen soll.
Wenn diese Ampel rotes Licht zeigt, kann man sich nur mit grummelndem Magen links einordnen, weil man nicht so genau abschätzen kann, wann es wieder grünes Licht gibt. Und wenn man gerade in jenem Moment, wenn die Ampel wieder auf grün springt, nach links rüberfahren möchte, wird man vom durchstartenden Kraftverkehr über den Haufen gefahren — denn der Kraftverkehr hat’s eilig, der muss die nächste Ampel auch noch bei grünem Licht schaffen.
Wenn die Ampel grünes Licht zeigt, kann man das mit dem Einordnen an dieser Stelle schonmal vergessen. Man fährt also zunächst weiter geradeaus auf diesem tollen Radfahrstreifen ohne Zeichen 237 und nimmt dann seinen ganzen Mut zusammen, um zwischen dem Kraftverkehr über die durchgezogene Linie auf den Streifen in der Mitte zu wechseln. Super Sache — welcher normalsterbliche Radfahrer traut sich das zu?
In der Praxis hat sich die Variante etabliert, dass man geradeaus zur nächsten Ampel fährt, dort kurz auf den Radweg wechselt und dann nach links ins Schulterblatt abbiegt.
Dann kann man aber auch noch ganz links in die Stresemannstraße abbiegen und muss sich dazu… aha, ganz rechts einordnen. Das hat man sich ja auch toll überlegt. Wenn ich jetzt in die Stresemannstraße abbiegen will und diese Ampel hier für mich rotes Licht zeigt, muss ich dann erst an der Haltlinie warten oder darf ich mich rechts vorbeimogeln? Und warte ich dann noch mal bei der quer verlaufenden Fußgängerampel oder biege ich dann einfach ab? Und was passiert, wenn schon zwei oder drei Radfahrer geradeausfahren wollen und vor der roten Ampel warten, trage ich dann mein Rad über das Blumenbeet? Und wie viele Radfahrer dürfen sich hier eigentlich zum Linksabbiegen aufstellen? Zwei? Drei? Vier?
Man stelle sich vor, es gäbe eine ähnlich tolle Infrastruktur für den Kraftverkehr. Ich erinnere mich noch daran, wie in den Medien gejammert wurde, dass man sich oben am Siemersplatz zum Linksabbiegen rechts einordnen soll. Aber hej: Für den Kraftverkehr ist der Siemersplatz mehrfach ausgeschildert. Als Radfahrer darf man sich hier selbst überlegen, wie man sich wo einordnet — und ob die rote Ampel gilt oder nicht oder doch.
Und als wäre das noch nicht kompliziert genug, wird noch ständig unter erschwerten Bedingungen gespielt. Ich habe mich vor ein paar Tagen eine Weile dort postiert und zwei Dinge festgestellt. Erstmal fahren Kraftfahrzeuge in der Regel in die Fahrradschleuse hinein, so dass sich das Abbiegen ins Schulterblatt für Radfahrer an dieser Stelle schon mal verbietet. Und zweitens gibt es dort Geisterradler ohne Ende. Auf dem Radfahrstreifen auf Fahrbahnniveau. Kann man sich gar nicht ausdenken: Da fahren in Stoßzeiten mindestens zwei pro Minute in die falsche Richtung.
Worauf ich eigentlich mit dem reißerischen Titel hinaus wollte, sind aber solche Sachen hier:
Zwei Radfahrer passen in den Kasten, der Richtung Feldstraße vorgesehen ist. Die dritte Dame wartet freundlicherweise sehr weit hinten. Morgens stehen hier zehn Radlinge und machen es wie am Lenkrad: Sie stellen den ganzen Kreuzungsbereich dicht. Mit welchen Zahlen hat man denn gerechnet, wenn ein Kasten für zwei Radlinge an einer Strecke, die eigentlich die Radverkehrsströme bündelt, ausreichen soll?
Das ist genauso toll wie diese Kästen zum indirekten Linksabbiegen:
Wenn man von der Kieler Straße über die Stresemmannstraße in die Innenstadt fahren will, können sich zwei Radlinge zum indirekten Linksabbiegen aufstellen. Der Rest… naja, der Rest sucht sich halt seinen Weg. Das ist an Kreuzungen wie dieser noch einigermaßen unproblematisch, aber teilweise wird man ja mittlerweile wie am Siemersplatz in die Fahrbahnmitte gelenkt und der dritte oder vierte Radling steht dann dem rechtsabbiegendem Fahrbahnverkehr im Wege herum.
Ich weiß einfach nicht, wie man sich das vorstellt: Angenommen, der Radverkehrsanteil steigt weiter an oder es wird ein warmer Sommer, soll diese Infrastruktur dann ausreichen? Das sieht vielleicht auf diesen 3D-modellierten Planungsbildern toll aus, wo auf der sanierten Straße zwei Autos, vier Radfahrer und sieben Fußgänger unterwegs sind, aber wenn man bedenkt, dass diese Infrastruktur offenbar mindestens ein Jahrzehnt überdauern soll, äh, ja, wie soll das funktionieren?
Oder reißt man dann im Jahr 2020 alles wieder auf, um breitere Radwege anzulegen und den Straßenraum ein weiteres Mal neu zu verteilen? Wer erklärt’s Christoph Ploß oder Wieland Schinneburg? Oder wie hat man sich das überhaupt mit Olympia in Hamburg vorgestellt? Sollten da auch diese Aufstellflächen für drei Radfahrer genügen, um die Hauptradverkehrsströme zum Olympiastadion zu leiten?