Komplizierte Fahrrad-Ampeln

  • Wir drehen uns im Kreis.

    Im Beispiel davor kann man davor ausgehen dies nicht zu tun.

    Wieso? Die Ampel zeigt doch Rot. Oder? Lichtzeichen für den Fahrverkehr gelten auch für Radfahrer. Wie kommt man dann auf die Idee, jetzt nicht in den (temporär) für Fußgänger geschützten Bereich einzufahren?

    Und nochmal: Wo steht, daß das kein geschützter Bereich sei? Die Fußgänger müssen doch über den Radweg hinweg, um ihren Schutzraum, den Fußweg nämlich, zu erreichen.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Nach Gutdünken die passende Auslegung jeweils auszuwählen, geht jedenfalls nicht.

    (Das bleibt den Schwarzkitteln vorbehalten, wird dann Rechtsbeugung genannt und ist in der Regel straffrei. Deshalb machen die das fast jeden Tag.)

    So einfach ist das nicht. Aufgabe der Richter ist ja, ausgehend vom Wortlaut des Gesetzes den tatsächlichen Willen des Gesetzgebers zu erforschen.
    Die Formulierung des Gesetzes ist für mich absolut eindeutig. Wenn ich mir nur den Satz durchlese, ohne an die Auswirkungen in der Realität zu achten, steht da sinngemäß folgendes:
    Auf Radverkehrsführungen gelten Fahrbahnampeln für Radfahrer niemals. Es sind ausschließlich die speziellen Fahrradampeln zu beachten.

    Das ist natürlich totaler Quatsch. Aber was soll ein Richter daraus machen?

    Soll er jetzt entgegen dem Wortlaut des Gesetzes urteilen? Also das Gesetz im Kopf komplett umformulieren?
    "Wer ein Rad fährt, hat die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten. Davon abweichend sind in der Nähe von Kreuzungen ohne solche Ampeln die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten."

    Das geht natürlich auch nicht.
    Also wird halt nach Protokollnotizen und ähnlichem gesucht, was der Gesetzgeber sich wohl dabei gedacht hat. Wenn das alles auch nichts bringt, steht der arme Richter ganz schön dumm da.
    Also denkt er bzw. die Fachliteratur sich eine Regelung aus, die zu möglichst wenig Inkonsistenzen führt.

    In Deinem Beispiel gilt für den Radfahrer nach dem Wortlaut übrigens noch "Vorfahrt achten". Das wäre dann schon fast ein Idaho-Stop :)

  • Du leitest aus einem vergilbten Strich auf einem schwer definierbaren Radwegrudiment ab,[...] Ich würde dann doch eher von ausgeprägter Regelunkenntnis und völligem Desinteresse bei Malermeister Klecks und StVB ausgehen.

    Bei einer Gestaltung, die Noppenpflaster (Bodenindikatoren für Blinde) verwendet, um Radweg und Gehweg optisch zu trennen, hat die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer ohnehin von Anfang an keine Rolle gespielt. Wo laufen denn nun die Sehbehinderten mit ihrem Taststock?
    In so einer Situation kann ein blasser Strich am Boden alles bedeuten oder gar nichts.

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Wir drehen uns im Kreis.
    Lichtzeichen für den Fahrverkehr gelten auch für Radfahrer. Wie kommt man dann auf die Idee, jetzt nicht in den (temporär) für Fußgänger geschützten Bereich einzufahren?
    Und nochmal: Wo steht, daß das kein geschützter Bereich sei? Die Fußgänger müssen doch über den Radweg hinweg, um ihren Schutzraum, den Fußweg nämlich, zu erreichen.


    Würde deine Auslegung der Situation aus diesem Post bedeuten, dass man in Situationen wie dieser (angenommen die Ampel zeigt rot, man fährt auf dem Radweg und möchte dem Radweg weiter nach rechts folgen) auch anhalten müsste?

  • Die Formulierung des Gesetzes ist für mich absolut eindeutig. Wenn ich mir nur den Satz durchlese, ohne an die Auswirkungen in der Realität zu achten, steht da sinngemäß folgendes:
    Auf Radverkehrsführungen gelten Fahrbahnampeln für Radfahrer niemals. Es sind ausschließlich die speziellen Fahrradampeln zu beachten.

    Die Formulierung des Gesetzes ist für mich absolut misslungen. Dennoch käme ich nicht auf die Idee, da herauszulesen, dass die Fahrbahnampeln auf Radverkehrsführungen nicht gälten, sofern es keine eigene Signalisierung für Radfahrer gibt.

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Dennoch käme ich nicht auf die Idee, da herauszulesen, dass die Fahrbahnampeln auf Radverkehrsführungen nicht gälten, sofern es keine eigene Signalisierung für Radfahrer gibt.

    Ich nehme mal den Praxisbezug aus dem Wortlaut raus:

    Es gilt Regelung "A". Davon abweichend gilt für Verkehrsteilnehmer "B" Regelung "C".

    Da gibt es nicht viel zu diskutieren, oder?
    Für Verkehrsteilnehmer "B" gilt niemals die Regelung "A", oder?

    Nichts anderes steht in §37 Abs. 6 StVO.
    A: Es gilt die Fahrbahnampel
    B: Radfahrer auf Radverkehrsführungen
    C: Es gelten Fahrradampeln

  • Du leitest aus einem vergilbten Strich auf einem schwer definierbaren Radwegrudiment ab, Fußgänger daran hindern zu dürfen, ungefährdet den geschützten und für sie vorgesehenen Fußweg zu erreichen, obwohl diese Grün haben/hatten?
    Interessant. Das würde ich niemals. Ich würde dann doch eher von ausgeprägter Regelunkenntnis und völligem Desinteresse bei Malermeister Klecks und StVB ausgehen. Und warten, zumindest dann, wenn ein Fußgänger auch nur entfernt den Anschein erweckt, da möglicherweise gleich entlanggehen zu wollen.

    Die einzige Lösung besteht eigentlich in einer Nachfrage bei der Behörde, wo genau man diesen geschützten Bereich angedacht hat. Rein vom Gefühl her und meiner Erfahrung mit anderen Kreuzungen ginge ich allerdings davon aus, dass der Radweg nicht durch den geschützten Bereich führt.

    Andererseits habe ich mir heute morgen an dieser Stelle auch wieder gedacht, dass wir eigentlich eine recht theoretische Diskussion führen, denn weder Behörde noch Planer noch Malermeister werden sich darüber Gedanken gemacht haben. Aber, wie wir schon in einem anderen Thread festgestellt haben: Diese neue Infrastruktur ist ohnehin vollkommen überlastet.

  • Die einzige Lösung besteht eigentlich in einer Nachfrage bei der Behörde, wo genau man diesen geschützten Bereich angedacht hat.

    Dann weißt Du aber nur, was der Beamte sich gedacht hat.
    Wie das vor Gericht aussieht, wenn Du ein Knöllchen bekommen hast, ist eine ganz andere Frage.

  • Kommt diese "Schutzbereich"-Sache nicht sogar ursprünglich aus der Rechtsprechung und nicht aus der Gesetzgebung?

    Aus dem Gesetzestext definitiv nicht.
    Ich hatte mal aufgrund einer der Ampeln auf meinem Arbeitsweg (an der kontrolliert wurde) aus Neugier bei der Rechtsberatung beim ADAC angerufen.
    Der hat mir diese Theorie vom geschützten Kreuzungsbereich erzählt, die viele Richter anwenden. Einzelne Richter verwenden wohl auch die wörtliche Auslegung: Radverkehrsführung ohne Fahrradampel = freie Fahrt.

  • Dazu hätte ich aber zu gerne mal ein Beispiel (Link zum Urteil)

    Habe ich nicht. Der Anwalt in dem Telefonat hat nur gesagt, dass ein Widerspruch bei einem Knöllchen in entsprechender Situation ergebnisoffen ist. Ein Teil der Richter verwendet die Auslegung mit dem Kreuzungsbereich, ein kleinerer Teil wohl die wörtliche.
    Es dürfte grundsätzlich schwierig sein, Urteile zu Knöllchenwidersprüchen zu finden. Noch dazu bei einer so niedrigen Strafe.

    Irgendwann wird es vielleicht mal ein besonderer Dickschädel vor eine höhere Instanz treiben. Mal schauen.

  • Dieses Urteil ist aber auch auf der Straße unnötig. Im Nürnberger Beispiel etwa könnte man sehr schön bei roter Ampel weiter fahren. Sollte gerade in diesem Moment ein Fußgänger die Straße überqueren wäre ja in jedem Fall Vorsicht angebracht. Selbst wenn der Radler grün hätte und der Fußgänger völlig illegal bei rot über die Straße hupfte - zusammen fahren ist halt nicht.

    Im Berliner Beispiel (das war Berlin, oder?) ist es doch völlig genau so. Dort könnte man wohl nachts um halb drei schön bei rot fahren, allein der Wunsch am Leben zu bleiben verbietet es aber im Feierabendverkehr.

    So ... und nun ist wahrscheinlich beides gleich illegal. Darum ging doch die Diskussion. Ob das Nürnberger Beispiel zulässig ist, oder nicht. Ich behaupte einfach mal frech: In Nürnberg spielt es keine Rolle. Wenn man dort bei Rotlicht fährt und niemanden nieder streckt, dann wird man auch nicht angehalten. Weil dem durchschnittlich verständigen Bürger die Radwegführung dort suggeriert, das es völlig okay ist die Ampel zu umfahren.

    Von finstren Radler-abzocken an roten Ampeln höre ich ja normalerweise nur aus Köln und Dresden.

    Aus akademischem Interesse kann man dort ja Klarstellung fordern. Und mir wäre es durchaus auch recht, wenn es Fälle gäbe, an denen an einer T-Kreuzung der Radverkehr weiter fahren kann, während breite Autos warten müssen (hier zum Beispiel: - da steht auf dem Google-Bild gerade sehr ungünstig ein LKW). Als Ideallösung stelle ich mir dort ein "fahr weiter, aber lass die Fußgänger durch, wenn welche kommen sollten" vor. So was klappt als Regel niemals. Nie!

  • Von finstren Radler-abzocken an roten Ampeln höre ich ja normalerweise nur aus Köln und Dresden.

    Aus akademischem Interesse kann man dort ja Klarstellung fordern.

    Wie soll das gehen? Die Kölner StVB hat bereits mehrfach Stellung genommen und der Richter war anschliessend anderer Meinung. Die rechtliche Einschätzung der StVB ist im Zweifelsfall uninteressant. Zumal die Kölner StVB auf Fragen zu zweifelhafter Vorfahrt gar nicht antwortet. Wüsste auch nicht, dass man einen Rechtsanspruch darauf hat.

    Beim Beispiel aus Nürnberg geht es um meinen alten Schulweg :love: Bin damals aber schon immer auf der Fahrbahn gefahren, auch die B2 weiter vorne, nach dem Ortsausgang. Zumindest damals haben sich die Polizisten überhaupt nicht um Radfahrer gekümmert. Selbst wenn in erster Reihe eine Streife stand, bin ich bei rot rüber. Durch die Ampeln alle paar Meter und die rote Welle für Radfahrer ging das eigentlich auch nicht anders, ohne ewig zu brauchen.

    Und bitte den Fall eines Unfalls nicht vergessen: Dann geht es um die Haftung und ggf. um eine Straftat (Körperverletzung). Die Wahrscheinlichkeit, dass es dann vor Gericht landet, ist viel größer.

  • Und nochmal: Wo steht, daß das kein geschützter Bereich sei? Die Fußgänger müssen doch über den Radweg hinweg, um ihren Schutzraum, den Fußweg nämlich, zu erreichen.

    Betrachten denn die Fußgänger das auch als geschützten Bereich? Betritt denn wirklich keiner bei Fußgängerrot den Radweg?

  • Wie soll das gehen? Die Kölner StVB hat bereits mehrfach Stellung genommen und der Richter war anschliessend anderer Meinung. Die rechtliche Einschätzung der StVB ist im Zweifelsfall uninteressant. Zumal die Kölner StVB auf Fragen zu zweifelhafter Vorfahrt gar nicht antwortet. Wüsste auch nicht, dass man einen Rechtsanspruch darauf hat.
    Beim Beispiel aus Nürnberg geht es um meinen alten Schulweg :love: Bin damals aber schon immer auf der Fahrbahn gefahren, auch die B2 weiter vorne, nach dem Ortsausgang. Zumindest damals haben sich die Polizisten überhaupt nicht um Radfahrer gekümmert. Selbst wenn in erster Reihe eine Streife stand, bin ich bei rot rüber. Durch die Ampeln alle paar Meter und die rote Welle für Radfahrer ging das eigentlich auch nicht anders, ohne ewig zu brauchen.

    Und bitte den Fall eines Unfalls nicht vergessen: Dann geht es um die Haftung und ggf. um eine Straftat (Körperverletzung). Die Wahrscheinlichkeit, dass es dann vor Gericht landet, ist viel größer.

    Das war unklar formuliert, ich versuche es noch mal. Ich halte immer noch die Reaktion "hier sieht der Straßenmaler einen Gesetzesbruch vor, deswegen werden wir dort zahlen müssen" für falsch. In meiner Stadt habe ich noch keine Radverkehrskontrollen erlebt, die Ampeln/Zebrastreifen/sonst irgendwas kontrollieren. Hier in Nürnberg scheint die Reaktion der Polizei auf anwesende Radler immer noch zu sein: so lange nichts passiert ist uns alles egal.

    Das gilt auch für Autofahrer (scheint mir), ist aber im Endeffekt eine mir angenehme Lösung. Der wichtigste Teil ist das "so lange nichts passiert". Alles an Mehraufwand für Kontrollen ist dann das durchsetzen eines Gesetzes ohne Not. Mir wäre ein gemeinsamer, einvernehmlicher, möglicherweise Gesetze ignorierender (wenn angenehmerer) Verkehr lieber. Mir ist aber klar, dass ich mit dieser Einschätzung nicht unbedingt die Mehrheit hinter mich ziehe. :)

    Der Teilsatz mit dem akademischen Interesse kommt aus der ungewöhnlichen Umsetzung (hier). Beispiel:

    Dorten geht an der alten Südkaserne ein Fuß- und Radweg entlang. Der ist benutzungspflichtig und getrennt (also Zeichen 241). An der gezeigten Stelle ist eine T-Kreuzung. Gilt die Ampel auch für Fußgänger? Gilt sie auch für radelnde Kinder unter 10 (die ja den Fußweg benutzen dürfen)? Gilt sie für Radfahrer? Auch für Erwachsene Radfahrer, die ein Kind unter 10 auf dem Fußweg begleiten? Ist irgend eine dieser möglichen Gültigkeiten vom Straßenbauer vorgesehen, oder dachte der nur "Radler und Fußgänger können ruhig weiter, ist ja eine T-Kreuzung"?

    So etwas ist unglücklich, weil unklar.

    Ich halte aber das fürchterliche Wehklagen an dieser Stelle schlicht für unnötig (ebenso wie an der gezeigten Auffahrt in der Bayreuther Straße). Dort passieren schlicht keine Unfälle, weil Radfahrer und Fußgänger leicht mal einen halben Schritt zurückstecken und unfallfrei und ohne großes Gezeter aneinander vorbei kommen. Die Situation erscheint (mir zumindest) grundsätzlich viel entspannter als es zwischen rechtsabbiegenden und eng überholenden Autofahrern und Radlern der Fall ist.

  • Zum Thema dämliche Formulierung von Gesetzen gibt es eine nette Episode aus dem Steuerrecht, betreffend die Anerkennung von Studienkosten entweder als Sonderausgaben oder als Werbungskosten. Der Gesetzgeber war mit der studierenden- (und piloten-) freundlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes nicht einverstanden und wollte zur Rechtslage aus 1937 zurück. Also schrieb er ins Gesetz:

    Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden: ... Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung bis zu 4 000 Euro im Kalenderjahr.

    Der Bundesfinanzhof sagte: "Netter Versuch, und wir haben Eure Gesetzesbegründung gelesen, dass ihr Studienkosten immer als Sonderausgaben behandeln wollt. Aber der - dieser Begründung widersprechende - Wortlaut mit dem "wenn" ist derart eindeutig, dass sich eine Abweichung vom Wortlaut verbietet. Es ist somit durch das Finanzamt vorrangig zu prüfen, ob Ausbildungskosten Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben sind. Wenn sie das nicht sind, dann können 4.000 Euro davon als Sonderausgaben anerkannt werden."

    Genau vier Tage nach Veröffentlichung der entsprechenden Urteile gab Finanzminister Schäuble in einem Zeitungsinterview ungefragt bekannt, dass er diese Klatsche nicht auf sich sitzen lassen wollte. Also wurden binnen weniger Wochen in die §§ 4 und 6 neue Absätze eingefügt, um apodiktisch zu erklären: "Kosten eines Erststudiums sind keine ...".

    Der Bundesfinanzhof hatte daraufhin die Faxen dicke und hat das Bundesverfassungsgericht angerufen, um klären zu lassen, ob diese Diskriminierung verfassungskonform ist. Das Verfahren läuft noch.


    So, nach diesem Ausflug in ein anderes Rechtsgebiet wieder zurück zu Ampeln und Radverkehrsführungen. Da gibt es also einen Wortlaut in § 37 Absatz 2 Ziffer 6 StVO:

    [stvo]Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten. Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten. An Lichtzeichenanlagen mit Radverkehrsführungen ohne besondere Lichtzeichen für Rad Fahrende müssen Rad Fahrende bis zum 31. Dezember 2016 weiterhin die Lichtzeichen für zu Fuß Gehende beachten, soweit eine Radfahrerfurt an eine Fußgängerfurt grenzt.[/stvo]

    Seit dem 1.1.2017 ist der dritte Satz obsolet, es gilt also nur noch:

    Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten. Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten.

    Jetzt sage ich als Nichtjurist, aber Germanist: Setzt der Verordnungsgeber voraus, dass an Radverkehrsführungen STETS besondere Lichtzeichen für den Radverkehr existieren, wenn irgendwelche Lichtzeichen für den Radverkehr gelten sollen? Da steht immerhin der bestimmte Artikel "die" vor den besonderen Lichtzeichen, und es folgt hinter dem "beachten" ein Punkt und kein Nebensatz ", sofern welche vorhanden sind". Ist also das Anlegen einer Radverkehrsführung an die Anbringung besonderer Lichtzeichen für den Radverkehr geknüpft?

    Der Nutzer steht vor der schlichten Frage: Muss ich auf einer Radverkehrsführung IMMER von der Fahrbahnampel abweichen, oder nur dann, wenn es dort eine eigene Fahrradampel gibt?

    Das ist leider nicht so eindeutig wie der Fall Schäuble.
    Aber jetzt kommt der dritte Satz mit der seit Neujahr nicht mehr geltenden Handlungsanweisung ins Spiel.
    »An Lichtzeichenanlagen mit Radverkehrsführungen ohne besondere Lichtzeichen für Rad Fahrende ...« - Aha! Für solche Orte sind also die Abweichungen gedacht! Das legt nahe, dass auch bei den »Radverkehrsführungen« im zweiten Satz »Lichtzeichenanlagen mit Radverkehrsführungen« gemeint sind.

    Man muss also beurteilen können, ob die Radverkehrsführung zur Lichtzeichenanlage gehört. Die breite Allee in Berlin hatten wir schon - bei einem so großen Abstand, hinter einem Grünstreifen würde ich daran zweifeln. Nächster Fall:

    Benutzungspflichtiger Hochbordradweg. Irgendwann verläuft der hinter einer Reihe geparkter Autos.

    Oh - eine Ampel! Ist das eine »Lichtzeichenanlage mit Radverkehrsführung«? Ich sehe keine.

    Noch ein Fall: Auf der Südseite der in die Bergedorfer Straße übergehenden Eiffestraße verläuft ein benutzungspflichtiger Zweirichtungsradweg.

    Ein paar Meter weiter aus Richtung Osten fotografiert:

    Eine Ampel. Und links hinter der Hecke verläuft eine Radverkehrsführung.
    Muss ich da anhalten, wenn die Ampel rot zeigt? Für mich hat die Ampel nichts, aber auch gar nichts mit der Radverkehrsführung zu tun.

  • Ist also das Anlegen einer Radverkehrsführung an die Anbringung besonderer Lichtzeichen für den Radverkehr geknüpft?

    Aus juristischer Sicht könnte man überlegen, ob überhaupt eine Radverkehrsführung vorliegt, wenn es keine gesonderten Ampeln für Radfahrer gibt.
    Wie Du aber schon richtig anmerkst, gibt es schon nach dem Gesetz offensichtlich auch Radverkehrsführungen ohne solche Ampeln. Auch aus dem allgemeinen Sprachgebrauch heraus ist das wohl nicht haltbar.

    Irgendwann verläuft der hinter einer Reihe geparkter Autos.
    http://google.de/maps/@53.5786505,9.9…e0!7i13312!8i6656!6m1!1e1
    Oh - eine Ampel! Ist das eine »Lichtzeichenanlage mit Radverkehrsführung«? Ich sehe keine.

    Parallel zur hinteren Fußgängerfurt mündet ein zwei-Richtungs-Radweg von links ein. Da muss man ja die Kreuzung vorher gründlich besichtigen, bevor man den (vielleicht) geschützten Kreuzungsbereich findet.

    Das zweite Beispiel ist auch klasse.

    Manchmal freue ich mich, dass ich keine Rechtschutzversicherung habe. Denn dann würde ich vermutlich meine Zeit mit solchen lustigen Prozessen verschwenden.
    Im Sommer 2015 wurde auf meinem Arbeitsweg zweimal an der gleichen Stelle kontrolliert: T-Kreuzung, Radfahrstreifen ohne Einmündung von rechts, keine Fahrradampel.
    Beim ersten mal hatte ich zufällig einen Termin im Rathaus und kam erst hinter der Ampel wieder auf die Strecke, beim zweiten mal war zufällig grün.
    Beim zweiten mal war ich alter Dickschädel tatsächlich versucht, zu wenden und nochmal bei Rot zu fahren. Aber die fehlende Rechtschutzversicherung hat mich davon abgehalten.

  • Die Formulierung des Gesetzes ist für mich absolut eindeutig. Wenn ich mir nur den Satz durchlese, ohne an die Auswirkungen in der Realität zu achten, steht da sinngemäß folgendes:
    Auf Radverkehrsführungen gelten Fahrbahnampeln für Radfahrer niemals. Es sind ausschließlich die speziellen Fahrradampeln zu beachten.

    Das ist natürlich totaler Quatsch.

    In der Tat, das ist totaler Quatsch. Auch das hatten wir ja bereits: Die spezielle Regel gilt natürlich nur, wenn sie überhaupt greifen kann. Gibt es keine "besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr", kann man sie auch nicht beachten, folglich greift diese Spezialnorm auch nicht, also zurück zur nächstallgemeinen Vorschrift (einen Satz zuvor): Lichtzeichen für den Fahrverkehr beachten. Daß der Gesetzgeber hätte deutlicher formulieren sollen, zeigt bereits unsere Diskussion hier.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)