Elektrische Unterstützung bei Pedelecs bis zu welcher Geschwindigkeit?

  • An Ullis Wesen soll die Welt genesen. [Facepalm]

    Dieser Spruch geht im Original anders und wurde gern von Kaiser Wilhelm II gebraucht. Und viele damalige Zeitgenossen brachten das mit so was in Verbindung: Das deutsche Wesen, an dem die Welt genesen sollte, zeichnete sich durch eine gewisse Todesverachtung aus. Im Bereich des Radsports wurden trotz erwiesener hoher Unfallgefahr sogenannte "Steher-Rennen" durchgeführt, die zeigen sollten, zu welch geradezu überirdischer Kraftanstrengung der deutsche Mann befähigt sei.

    Beim Steher-Rennen fährt dem Fahrradfahrer ein Motorrad voran, dass Windschatten spendet, so dass hohe Geschwindigkeits-Dauerleistungen möglich werden. Die Leistung des Fahrradfahrers wird also durch Motorkraft gesteigert, so dass deutlich erhöhte Geschwindigkeiten gefahren werden können. Im Prinzip ist das schon nahe dran am "eingebauten Rückenwind" beim Pedelec.

    Infos und das folgende Zitat aus:

    "Die Rennbahnkatastrophe von Berlin, auch „Schwarzer Sonntag“ genannt, war ein Unfall auf der Berliner Radrennbahn „Botanischer Garten“ am 18. Juli 1909. Bei einem Steherrennen war das Motorrad eines Schrittmachers in die Zuschauertribüne gerast und sein Tank explodiert. Neun Menschen kamen ums Leben und mehr als 40 wurden verletzt. Kein anderes Unglück im deutschen Radsport forderte so viele Opfer." Opfer, besonders auch unter den Athleten, gab es damals in großer Anzahl bei den Steher-Rennen.

    Mit einem Pedelec kommt man zweifellos nicht in diese Geschwindigkeitsbereiche, die bei einem Steher-Rennen gefahren werden, bei denen schon vor über 100 Jahren mehr als 100 km in einer Zeit-Stunde zurückgelegt wurden. Beim Speed-Pedelec immerhin kommt man schon etwas dichter ran.

    Wenn ich mir die ganze Absurdität eines solchen "Sport"-Ereignisses vor Augen halte, dann komme ich doch irgendwie dahin Vergleiche anzustellen. Besonders auch dann, wenn wie im Mountainbike-Bereich besonders kräftige E-Motoren verbaut werden, bei denen es anscheinend einen Überbieterwettberwerb gibt in der Frage der Spitzenleistung. Denn die Nenndauerleistung ist ja gedeckelt.

  • Ich finde 25 km/h reichen völlig aus. Und viele Pedelcfahrer sind damit schon überfordert. Wer es schneller will kann ja ein S-Pedelec kaufen oder ein Moped.

    Im Prinzip sind Fahrradfahrerinnen nicht damit überfordert ein Pedelec zu fahren, das eine Tretunterstützung bis 25 km/h liefert. Es kommt halt sehr auf die damit befahrenen Wege an.

    Viele Fahrradwege sind nicht verkehrssicher befahrbar mit einem Tempo von 25 km/h. Zum Glück wissen das die meisten Fahrradfahrer*innen, denen es keine Mühe macht, ein solches Tempo und höher also bis 30 oder 35 km/h auf einem Bio-Bike (also ohne elektrische Tretunterstützung) zu fahren. Viele von denen benutzen deshalb die Fahrbahn wo es erlaubt ist und halten sich auf schlecht ausgebauten Fahrradwegen ggf. tempomäßig etwas zurück, zum Beispiel auf einem Fahrradweg, der trotz schlechten Zustandes und trotzdem er zu schmal ist, mit [Zeichen 240],[Zeichen 241-30]oder[Zeichen 237] benutzungspflichtig gemacht wurde.

    Die Mehrheit der Fahrradfahrer*innen ist nicht so gut trainiert und fährt ohne elektrische Tretunterstützung im ebenen Gelände nicht schneller als 12-15 km/h. Der renommierte Verkehrswissenschaftler Herrmann Knoflacher sagt: "Der öffentliche Verkehr ist ab zwölf km/h das effizienteste Verkehrsmittel. Bis zu vier oder fünf km/h ist es der Fußgänger. Dazwischen liegt die Nische des Radverkehrs, der einen großen Teil der städtischen und auch der ländlichen Mobilität abdecken kann.

    Wenig trainierte Fahrradfahrer*innen sind es gewohnt, auch auf schlechten und zu schmalen Radwegen so schnell zu fahren, wie sie es im Alltag auf einer längeren Strecke können, nämlich Geschwindigkeiten um die 15 km/h. Konditionell bedingt sind bei der Mehrheit der Fahrradfahrer*innen deutlich höhere Tempi nicht möglich.

    Wenn die jetzt auf's Pedelec umsteigen, dann kann das zu Problemen führen. Deshalb sollte verstärkt darauf hingewiesen werden, dass Pedelec-Fahrer*innen sich ihrer gestiegenen Verantwortung, die das neue Verkehrsmittel mit sich bringt, gerecht werden. Dass heißt auf Fahrradwegen die Höchstgeschwindigkeit mit Tretunterstützung von 25 km/h wirklich nur dann ausfahren, wenn es die Wegebeschaffenheit zweifelsfrei zulässt.

    Auf Fahrradwegen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit ein deutlich niedrigeres Tempo erfordern, bitte nicht schneller fahren als auch bisher ohne Tretunterstützung. Und auf Fahrradwegen, die nicht benutzungspflichtig sind, besser verzichten und dafür die Fahrbahn benutzen.

    Überhaupt sollte die ganze "E-Bike-Propaganda" auf deutlich kleinerer Flamme gekocht werden und dabei die Geschwindigkeit herausgenommen werden. Entscheidend ist letztlich die Infrastruktur im Sinne von großer Nähe von Einkaufsorten, Arbeitsstätten, Ärzteversorgung, Schulen und Kindergärten, Freizeitstätten und Wohnstätten insgesamt, sodass viele Alltagswege im besten Fall auch bequem und ohne großen Zeitaufwand zu Fuß zurückgelegt werden können.