Vor ein paar Tagen lag die Clubzeitschrift des ACE im Kasten, darin dieser Artikel:
ZitatÜber 80 Prozent der Deutschen nutzen das Fahrrad. Doch die Infrastruktur kann nicht so schnell umgebaut werden, wie es der Trend zum Zweirad erfordern würde. Gerade im Großstadtverkehr fehlt es oft an geschützten und ausreichend breiten Radwegen, die Straße bleibt als einziger Ausweg. Das birgt Gefahren. „Hauptunfallgegner für Fahrradfahrende sind nicht andere Fahrräder, sondern Autos“, so Unfallforscher Brockmann.
Straßenraum für Radfahrende sicherer gestalten
An Kreuzungen verunglücken Radfahrende besonders häufig und schwer, wenn sie von rechtsabbiegenden Fahrzeugen übersehen werden. Helfen würden geschützte Kreuzungen nach niederländischem Vorbild – hier wird der Auto- und Radverkehr durch Schutzinseln räumlich voneinander getrennt – oder baulich getrennte Radwege, auf denen Räder Kreuzungen erreichen können, wie sie der ACE fordert.
Ich habe der Redaktion geschrieben:
ZitatGuten Tag,
mit großer Verwunderung und einigem Entsetzen lese ich, dass im Artikel auf den Seiten 20 bis 23 die beiden unsichersten Kreuzungsdesigns als Lösung gegen Abbiegeunfälle propagiert werden. Daher bitte ich um Veröffentlichung der Leserzuschrift.
Gegen Rechtsabbiegeunfälle zwischen Autos und Fahrrädern helfen Kreuzungen mit Verkehrsinseln zwischen Fahrbahn und Radweg nicht - ganz im Gegenteil: sie sind das Gefährlichste, was man bauen kann, weil sie die Fahrräder aus dem Sichtbereich der Autos herausführen und den Eindruck erzeugen, man wolle rechts abbiegen. Dann macht man aber einen Schlenker nach links, um über die Querstraße zu kommen, während das Auto dank der Verkehrsinsel schon ein Stück weit abgebogen ist und man deswegen nicht mehr im Rückspiegel zu sehen ist. Im Pkw würde noch ein Schulterblick helfen, aber im Transporter oder im Lkw ist das genau der Winkel, bei dem man nichts mehr sieht. Dass sowas in den Niederlanden nicht zu täglichen Toten führt, liegt einzig und allein an der extrem defensiven Fahrweise der Pkws im Verhältnis zum Fahrrad und an der Vielzahl der Fahrräder.
Die zweite genannte Lösung, nämlich die Kreuzung auf baulich getrennten Radwege zu erreichen, ist leider auch alles andere als sicher, denn sie provoziert die Situationen, bei denen man scheinbar „aus dem Nichts angeschossen“ kommt, wie es nach Unfällen so häufig heißt. Sprich: man war nicht im Seitenspiegel zu sehen, weil der Radweg nicht direkt neben der Fahrbahn geführt wurde, sondern ein paar Meter weiter rechts, womöglich noch versteckt hinter parkenden Autos, Werbetafeln, Schaltkästen oder Büschen. Und wenn er dann nicht wenigstens ein paar Dutzend Meter vor der Einmündung direkt an die Fahrbahn geführt wird, sondern zusammen mit den Fußgängern in einigen Metern Abstand auf die Fahrbahn der Querstraße trifft, entsteht dieselbe fatale Situation wie bei den Verkehrsinseln: die abbiegenden Autos stehen schräg, und die Spiegel sind nutzlos. Das sicherste Kreuzungsdesign ist eines, bei dem man die ganze Zeit im Sichtbereich der Autos fährt: auf der Fahrbahn („Mischverkehr“) oder direkt rechts davon (Radfahrstreifen, Schutzstreifen, „protected bike lane“, Hochbordradweg direkt an der Bordsteinkante). Und wenn immer wieder klargemacht wird, dass die - schon nach wenigen Sekunden auf Rot springende - Fußgängerampel eben nicht für den Radverkehr gilt, sondern entweder die große Ampel, nach der sich auch die Autos richten, oder eine eigene Fahrradampel.
Am liebsten würde ich denen schreiben: ladet den Malte und den Yeti und den Hamburgize-Macher und den Pepschmier ein und lasst Euch von denen mal sagen, was von "getrennter Infrastruktur" und "Verkehrsinseln" an Kreuzungen zu halten ist.
(Anstatt auf "Einer aus Darmstadt fährt Rad" hereinzufallen.)