Er ist wieder da

  • Den wirklichen Krieg auf der Straße, den hielt ich jahrelang für eine Erfindung der Medien, wie man so schön sagt. Klar, hin und wieder hupt mal jemand, manchmal will mir auch jemand auf die Nase hauen, aber im Großen und Ganzen klappt’s doch mittlerweile ganz gut im Straßenverkehr, auch wenn man nicht-benutzungspflichtige Radwege einfach rechts liegen lässt. Es war zwar alles noch weit ab von irgendeiner Form der Harmonie, aber, ja, man kam irgendwie miteinander aus.

    Und nun bin ich seit über zwei Wochen nicht mehr Rad gefahren, weil mir die Sache einfach stinkt. Irgendwas muss sich in den letzten zwei Monaten getan haben, jedenfalls habe ich nicht nur unangenehme Situationen, sondern auch Beinahe-Unfälle quasi im Stundentakt gesammelt. Liegt das an der Jahreszeit, das alle schlecht drauf sind? Oder daran, dass gegen Winter nunmal der Radfahrer-Anteil sinkt und man gar nicht mehr mit diesen blöden Radfahrern auf der Straße rechnet? Oder hat sich mein Verhalten plötzlich geändert? Ich verstehe es einfach nicht. Mittlerweile fahre ich zusätzlich zu der BUMM-LUXOS-Photonenkanone mit einem Doppel-LED-Scheinwerfer von Cree herum, der einen absolut ätzend-nervigen Blinkmodus bietet. Wenn das jemand übersieht, dann hat das Schicksal es wohl nicht anders gewollt.

    Eine Ausnahme von dieser bislang zwei Wochen langen Pause war zum Beispiel der letzte Fahrradfreitag. Ich habe es allerdings noch nicht einmal bis zum S-Bahnhof geschafft. Nach fünfzig Metern nimmt mir jemand die Vorfahrt an einer Rechts-vor-links-Situation — das macht mir schon kaum was aus, denn damit rechne ich dort inzwischen, bremse rechtzeitig ab und wundere mich, dass die Leute an der Stelle noch nicht einmal mit den Augen nach rechts sehen. Wir fahren dann beide in die selbe Richtung, der Typ hält weiter vorne in einer Parklücke und ruft mir im Vorbeifahren noch zu, dass das ja ganz schön knapp gewesen wäre, ich solle mal besser aufpassen. Da fiel mir ja auch gar nichts mehr ein: Immerhin hat er ja meine Vorfahrt ignoriert, während ich einigermaßen seelenruhig und bremsbereit gewartet habe.

    Knapp einen Kilometer später überholt mich jemand und brüllt „Scheiß Radfahrer!“ aus dem Fenster, was ihn so sehr fordert, dass er Schlangenlinien fährt und mir dabei etwas zu nahe kommt. Was soll’s, bestimmt habe ich mir irgendetwas zu Schulden kommen lassen.

    Und dann, ausgerechnet an meiner Lieblings-Stelle in Wedel, haut’s mich fast vom Rad. Ich fahre auf dem benutzungspflichtigen Radweg Richtung Norden, von rechts nähert sich ein Kraftfahrzeug und guckt natürlich wiederum nur nach rechts, weil in einer Einbahnstraße niemand von links kommen könnte — rechnet ja auch niemand damit, dass diese blöden Radfahrer Sonderrechte haben und trotzdem Richtung Norden fahren dürfen. Leider habe ich aus irgendeinem Grunde den Typen zu spät wahrgenommen, weil noch Fußgänger über die Straße wuselten, und der Wagen stößt natürlich gleich bis zur Fahrbahnkante vor. Vollbremsung, das Hinterrad stellt sich auf und ich sause noch mit einer geringen Restgeschwindigkeit gegen die Motorhaube. Der Fahrer zuckt erst mit den Achseln, sagt, es wäre ja nichts passiert und ich wäre ja auch ganz schön schnell gewesen (dabei hat er mich ja überhaupt nicht gesehen?), entschuldigt sich dann und nach ein bisschen hin und her reichen wir uns die Flosse.

    Währenddessen passieren zwei Unanehmlichkeiten: Die Kraftfahrer, die wegen unseres Pläuschchens nicht weiterfahren können, hupen ungeduldig, fahren ans uns vorbei und nehmen dabei beinahe noch einen weiteren Radling auf die Hörner und unsere Diskussion zog noch weitere Passanten an, die alles genau gesehen haben. Eine Dame wollte schon gleich die Polizei rufen, weil ich das Auto beschädigt hätte, sie habe alles genau gesehen, ein anderer wusste auch, dass ich ja viel zu schnell gewesen wäre. Außerdem wäre ich ohne Licht unterwegs gewesen (obwohl ich mit bestimmt zweihundert Lux herumgeballert habe und es kurz vor Mittag war) und hätte ja sowieso keine Vorfahrt an der Stelle und überhaupt kennt man ja diese Radfahrer, die sich nie an die Regeln halten und mitten auf der Straße fahren, obwohl es einen Radweg gibt und gestern hatte er erst gestern gesehen, dass ein Radfahrer in der S-Bahn mitgefahren ist und keinen Platz gemacht hat und bla bla bla. Immerhin hat der eigentliche Unfallverursacher dem Geschwätz auch nichts beigemessen und ist nach gegenseitigem Einverständnis weitergefahren. Das ist vielleicht noch ein weiterer Grund für eine Lenkerkamera: Nach einem Unfall tauchen plötzlich überall Zeugen auf, die alles ganz genau gesehen haben, aber ihre Aussage dann mit ihrem angestauten Frust über diese blöden Radfahrer vermengen. Der eine Typ hätte bestimmt auch vor dem Strafrichter noch die Story mit dem Radfahrer in der S-Bahn zum Besten gegeben, um zu beweisen, dass ich ja Schuld sein müsste.

    Naja. Critical Mass war dann immerhin ganz witzig, obwohl es bitterkalt war.

    Einen Monat vorher hatte ich ja beinahe meinen ersten „richtigen Unfall“: Eine Dame will rechts abbiegen, lässt die drei Radfahrer vor mir noch durch, übersieht mich dann aber dummerweise, so dass ich mit meinem Bike — ich weiß gar nicht mehr so genau, wie das lief — noch gerade an ihrem Außenspiegel vorbei kam und mich dabei fast zweimal maulte. Sie zuckte zwei Mal mit den Schultern und bedeutete mir anschließend, doch jetzt endlich Platz zu machen. Das machte mich wiederum ziemlich sauer und es entwickelte sich ein Gespräch, das auch die üblichen Anschuldigungen enthielt bezüglich viel zu schnell und diese blöden Radfahrer und erst gestern ist einer bei rot gefahren und ich zahle ja eh keine Steuern und einen Helm hätte ich ja auch nicht und überhaupt ist nicht immer der Autofahrer schuld, wenn es kracht und ich könnte ja auch mal aufpassen und ich hätte doch sehen müssen, was da passiert und so weiter und so fort. Dann fuhr sie weiter.

    Nun wird das ein bisschen blöd, denn diese Situation empfand ich als vollkommen unbefriedigend. Ich würde mich eine ganze Weile ärgern, sie würde sich eventuell Sorgen, ob doch mal die Polizei vor der Tür steht und am liebsten löse ich sowas mit einem Handschlag wie ein paar Absätze weiter oben. Also fuhr ich ihr hinterher. Das erneute Gesprächsangebot wurde abgelehnt, stattdessen wollte mir ein anderer Autofahrer aufs Maul hauen, weil ich ja den Verkehr aufhielt und ein Arschloch wäre und er würde alle ficken, die ich kenne. Oh Mann.

    Ich überlege immer noch, ob man sowas nicht mal zur Anzeige bringen sollte, denn schließlich habe ich mir bei dem Bremsmanöver nicht nur den linken Bremshebel hinter die Kniescheibe gebohrt, sondern auch noch einen ganz ordentlichen, Kreditkarten-großen blauen Fleck am Oberschenkel davon getragen, so dass ich immerhin zwei Tage nicht so ganz gut zu Fuß war. Andererseits habe ich auch keine Lust, dauernd als Zeuge vor Gericht herumzusitzen — das mache ich schon häufig genug, weil ich ja leider nicht wie viele andere Verkehrsteilnehmer einfach wegsehen kann, wenn irgendwo jemand über den Haufen gefahren wird.

    Und dann gibt’s zum Beispiel diese Stelle an der Walddörferstraße. Um dem Verlauf der Straße folgen zu können, muss man der Geradeaus-Fahrspur in die Fahrbahnmitte folgen, die dort für die Rechtsabbieger-Spur verschwenkt wird. Das klappte eigentlich viele Male schon ganz gut, auch wenn vielleicht hin und wieder jemand hupte, weil nach meiner Beobachtung außer den üblichen Verdächtigen in der Gegend niemand in der Fahrbahnmitte fährt, sondern fast alle entweder auf der linken Straßenseite auf dem Radweg geisterradeln oder auf der rechten Straßenseite den Gehweg bekampfradeln.

    Und nun fangen die Kraftfahrer plötzlich an, aus lauter Ungeduld rechts über die Rechtsabbieger-Fahrspur zu überholen. Das ist natürlich total toll, wenn ich mitten auf der Kreuzung wieder nach rechts rüber muss und da schon ein Kraftfahrzeug fährt oder von hinten angesaust kommt. Vor ein paar Wochen fing auch erst wieder einer an zu hupen, um mir dann Schläge aufs Maul anzudrohen, weil ich nicht den Radweg befahren hatte. Dass ich weder den linksseitigen Radweg noch den rechtsseitigen Gehweg befahren darf, war ihm nicht klarzumachen, er fragte stattdessen mehrfach, ob ich dumm oder besoffen wäre, rollte mir gegens Knie und haute ab. Naja.

    Oder die Wedeler Landstraße in Rissen. Radverkehrstechnisch hat das Ding eine ganz bewegte Geschichte hinter sich. Es gibt auf der Südseite der Straße eine, naja, knapp 2,5 Meter breite Fläche, die sich Radfahrer und Fußgänger teilen müssen oder dürfen, hin und wieder ist auch für ein paar Meter ein Radweg ausgebildet. Auf der Nordseite ist der nutzbare Verkehrsraum des Gehweges einen knappen Meter breit, weil das Straßenbegleitgrün üppig wächst und irgendwo ja auch die Autofahrer parken müssen.

    Beide Wege waren früher mal mit Zeichen 240 verziert, bis wohl jemand mal angeregt hat, die Dinger abzubauen. Damit trotzdem nicht jeder auf die Idee kommt, dort jetzt auf der Fahrbahn zu radeln, wurden die blauen Schilder gegen einfache Zusatzzeichen mit einem Fahrrad-Piktogramm ausgetauscht. Das ist für jeden Verkehrsteilnehmer ja eigentlich eine vermeintlich eindeutige Sache: Radfahrer müssen auf dem Radweg fahren, obwohl es dieses Zeichen in der Straßenverkehrs-Ordnung überhaupt nicht gibt. Dann wurden vor zwei Jahren auch diese Schilder entfernt, nun hängen dort in der einen Fahrtrichtung wieder Zeichen 240, während die Verwaltung wohl darauf baut, dass die Radfahrer in der anderen Fahrtrichtung auf der linken Straßenseite kampfradeln werden: Für eine vernünftige Radverkehrsinfrastruktur fehlt der Platz, eine Freigabe der linken Straßenseite kommt nicht in Frage, weil die Mindestmaße nicht einmal im Ansatz erreicht werden, also lässt man das halt so.

    Normalerweise fahre ich einen Umweg über eine Parallelstraße durch ein Wohngebiet, weil ich keine Lust habe, mich dort anhuben oder anfahren zu lassen. Eines Tages war jene Straße leider wegen eines Feuerwehreinsatzes (oder irgendwas anderem mit viel Blaulicht) gesperrt, also fuhr ich dann doch wieder dort entlang. Ich glaube, ich wurde noch nie so häufig angehupt oder dicht überholt. Und alle Kraftfahrer erzählen natürlich beim Abendessen davon, dass wieder einer dieser Radfahrer die Regeln missachtet hat und mitten auf der Straße fuhr und sie gerade noch eben so ausweichen konnten, weil alle anderen ja ordnungswidrig auf dem linken oder rechten Gehweg unterwegs sind.

    Und dann kommen noch diese ganzen anderen Vorfälle dazu: Hier mal gehupt, dort eng überholt, hier die Vorfahrt missachtet und als Dauerbrenner natürlich das ständige und unablässige Halten auf irgendwelchen Radwegen. Wahnsinn.

    Und das sorgt zusammen mit den eisigen Temperaturen dann tatsächlich dafür, dass ich erst einmal gar keine Lust mehr aufs Radfahren habe. Das ist mir tatsächlich im Moment erst einmal zu gefährlich. Mal sehen, wie es in zwei Wochen aussieht.

    Trotzdem frage ich mich natürlich, ob gerade alle Planeten in einer Linie zur Sonne stehen oder ob ich irgendwas an meinem Verhalten geändert habe. Dass ich als so genannter Kampfradler den Ärger geradezu anziehe, das ist mir ja klar: Ich fahre auf der Fahrbahn, wo es erlaubt ist, verstecke mich nicht ordnungswidrig auf Gehwegen, wo es 98 Prozent der übrigen Radfahrer tun, und fahre auch nicht unbedingt sehr langsam. Trotzdem fahre ich nie ohne Licht, nie über rote Ampeln, nie auf der falschen Straßenseite. Und weil mir Ruhe wichtiger ist als Rechthaberei, fahre ich sogar Umwege, um konfliktträchtige Strecken zu umgehen; beispielsweise solche bestens ausgebauten und breiten Radwege ohne Benutzungspflicht. Ich fahre eigentlich relativ defensiv und drücke schon die Bremse, sobald mein siebter Sinn irgendeinen Unsinn meldet.

    Aber dann kommen Dinge, die kann ich einfach nicht mit einer Verhaltensänderung meinerseits erklären. Wenn ein Rechtsabbieger ein paar Radfahrer passieren lässt, wer rechnet denn schon damit, dass der dann doch noch plötzlich losfährt, ohne dass der Strom der querenden Radfahrer abreißt? Und wenn ein Kraftfahrer sogar Sichtkontakt herstellt, anhält, aber dann doch losfährt, weil irgendwo im Querverkehr eine Lücke winkt, tja, wie soll man das noch erfassen?

    Und gerade solche Vorfälle sind meiner Beobachtung nach in letzter Zeit deutlich häufiger geworden. So häufig, dass ich tatsächlich erst einmal auf Busse und Bahnen umsteige.

    Habt ihr dazu auch Beobachtungen anstellen können?

  • Habt ihr dazu auch Beobachtungen anstellen können?

    Ja. Scheint z.Zt. wieder von schlimm auf schlimmer umzuspringen. Ich hab' zwar wenig Begegnungen der dritten Art (im Schnitt 0,5 / Monat?), davon aber diese Woche bisher drei einsammeln dürfen. Das mit "Zeugen" diesen Kalibers habe ich aber noch nicht miterleben dürfen, das muss bei euch ja wirklich schlimm sein.

    Ich gehe schon geraume Zeit mit der Idee einer "Radfahrerwehr" schwanger. Sowas wie Blitzer, nur mit Radfahrern die dort fahren wo sie es dürfen und dabei von anderen kontrolliert werden, komplett mit Photos etc. Damit zum Einen das doof grinsende "haben Sie den Fahrer denn erkannt?" bei unseren Dress(wo)men erstmal weggewischt ist und sich zum Anderen die Staatsanwaltschaft bei mehreren Zeugen mit dem "mangelnden öffentlichen Interesse" evtl. etwas schwerer tut.

    Das kostet aber halt viel Zeit und Geld und beides hat eingentlich keiner. Die die Zeit und Geld haben kaufen sich damit eine Dose und stehn im Stau.

    Und so bleibt halt alles beim alten.

  • Kann auch bestätigen, dass die Autofahrer im Moment wieder seltsamer als üblich sind. Aber ich hab auch besseres mit meiner Zeit zu tun, als hinter denen noch herzufahren. So ergeben sich dann gar keine Diskussionen.

    Woran mag's liegen? Vorweihnachtszeit, Dunkelheit, Zeitumstellung. Oder es ist kälter und Radfahrer fahren wieder mehr mit dem Auto, was mehr Stau+Frust bedeutet.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Habt ihr dazu auch Beobachtungen anstellen können?


    Hallo Malte!
    So krasse Geschichten habe ich selbst noch nie erlebt.
    Gut, die eine oder andere missachtete Vorfahrt und die ständigen Radwegparker gehören auch hier zum guten Ton. Aber so massive Gefährdungen sind auch über Jahre betrachtet doch eine Seltenheit geblieben.
    Ich glaube nicht einmal, dass die Aggression der Verkehrsteilnehmer in den vergangenen Wochen wesentlich zugenommen hat. Aber die verminderte Helligkeit und die Herbstwitterung setzt einfach höhere Anforderungen an Aufmerksamkeit und Visus, denen leider viele Verkehrsteilnehmer nicht gerecht werden.
    Sobald die Tage kürzer, die Abende dunkler, die Strassen nasser und die Radler weniger geworden sind, rechnet irgendwie keiner mehr mit Radfahrern. Bei Euch sind das anscheinend hauptsächlich die aggressiven Autopöbler. Hier habe ich eher mit trotteligen Fußgängern im Innenstadtbereich zu kämpfen. Der Christkindlesmarkt tut sein übriges dazu, dass ich wegen der versoffenen und verträumten Fußgänger mittlerweile einen gut 500m längeren Weg für den täglichen Weg zur Arbeit bevorzuge.

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Malte, Du hast wohl irgendwie die A....-Karte gezogen... :/

    Ich fahre einen ähnlichen Stil, wie Du. Meine persönliche "Aggressions-Messlatte" sind die großen Hauptstraßen, auf denen das Radeln seit kurzem erlaubt ist. Und da kann ich feststellen, dass deutlich weniger Autler hupen, als noch vor längerer Zeit (es gab schon immer mehr als genug Anlässe, um legal auf die Fahrbahn zu wechseln). Es sind aber noch einige dabei, bei denen man merkt, dass es ihnen schlichtweg nicht passt, die Fahrbahn immer öfter mit Radlern teilen zu müssen. Sie hupen zwar nicht scheren aber nach dem Überholen äußerst knapp wieder vor einem ein und der Überholabstand ist auch selten > 1 m. Die Botschaft ist eindeutig.

    Meiner unmaßgeblichen Meinung nach ist es eine Mischung aus täglichem Stau-Frust, allgemeiner Vorweihnachtszeitstressgenervtheit, der täglichen Lektüre, der zu entnehmen ist, dass NOCH mehr für den Radverkehr getan wird werden soll, während die Staus, den die Autler verursachen in denen die armen Autler "geraten", immer länger werden und dem stets willkommenen "kollektivem Wutabbau". Es ist ein Klassiker, dass Unbeteiligte sich gern mal einmischen und Partei für denjenigen ergreifen, der das von ihnen selbst favorisierte Verkehrsmittel benutzt.

    Was ich persönlich dabei am schlimmsten finde: Der sehr geringe Anteil von Radlern, die die Fahrbahn benutzen. Wären es nur 30 Prozent (anstatt der gefühlten 3), würde das gesamte Verkehrsgeschehen auf Hamburgs Straßen anders aussehen. Das "anders" würde natürlich von Autlern und Radlern sehr unterschiedlich bewertet werden, womit wir wieder beim kollektiven Frust wären... ;)

    Das eigentliche Problem ist tabu: Man weigert sich beharrlich zu akzeptieren, dass das Auto in der Stadt nur so lange funktioniert hat, bis zu viele eines hatten. Unsere Straßen sind einfach zu voll. Punkt. Selbst außerhalb der Berufsverkehrszeiten quält man sich von Ampel zu Ampel, von Stau zu Stau (kürzlich betrug meine Durchschnittsgeschwindigkeit im Auto einmal quer durch Hamburg 17 Km/h! Und das wochentags um 11 Uhr vormttags ohne große Baustellen und ohne Unfallstelle auf der Strecke). Die vielleicht mal vorhandene "Freude am Fahren" gibt es nicht mehr. Das will der Normalo-Autler nicht hören, schließlich fahren in der Werbung die tollen Schlitten auch allein durch die Gegend. Unter den ganzen supertollen Extras, die zum blechernen Traum angeboten werden, fehlt leider das mit Abstand ersehnteste: Die freie Fahrt. Dann noch mit ansehen zu müssen, wie sämtliche Radler am Stau vorbei fahren, treibt so manchen Autler auf die Palme.

    Aber wie schon gesagt, das ist natürlich nur meine eigene unmaßgebliche Meinung.

    "Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen"
    Peter Ustinov

  • Er ist wieder da.

    Nö.

    Natürlich gibt es immer mal wieder "Wellen", die ich aber als normale Streuung der Verteilung innerhalb einer doch eher konstanten Gesamtmenge verbuche. Hinzu kommt sicher, daß ich recht defensiv unterwegs bin, jedenfalls in puncto Geschwindigkeit. Eine weithin sichtbare, sehr holländische Sitzposition - ich sitze quasi senkrecht wie eine Kerze auf meinem Eisenschwein - tut erfahrungsgemäß ihr übriges. Und vor mir bekannten Stellen, an denen ich häufiger ein Rudel Autofahrer an meinem Hinterrad zu erwarten hätte, laß ich dieses zunächst vorbei, bevor ich mit ausreichend Abstand zu Bordstein und parkenden Fahrzeugen meist die Fahrspur dichtmache.

    Alles läßt sich nicht vermeiden, es bleibt ein Bodensatz an Verkehrsteilnehmern, die nie über die Entwicklung des Kleinhirns im Devon oder Karbon hinausgekommen sind. Das ist ein Konstruktionsfehler der Natur, da alle Säugetiere vorgeburtlich während der embryonalen Entwicklung die stammesbäumliche Entwicklungsgeschichte nochmal durchlaufen müssen, bei manchen geht da halt etwas schief. Aber diese ganz harten sind nur ein Promilleanteil aller Verkehrsteilnehmer. Fast allen anderen kann man mittels vorausschauender und defensiver Fahrweise beikommen.

    Und gegen unvorhergesehens kann man schlicht nichts machen. Jeder hat mal Aussetzer. Ich auch.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Ich sehe auch keine erhöhte Aggresivität im Hamburger Straßenverkehr, ich würde sagen, dass das hier recht konstant auf hohem Niveau (verglichen mit meinen Erfahrungen in und um Karlsruhe) ist.
    Klar, dass mir Fahrzeuge die Vorfahrt nehmen kommt fast täglich vor. Hupen, eng überholen,... mehrmals täglich. Ebenso Geisterradler.

    Angedrohte Gewalt gab es aber bisher (in meinen knapp 3 Jahren in Hamburg) nur von 5 KFZ-Führern. Und ausgeübte körperliche Gewalt von einem Fahrradführer.

    Die letzten Wochen jedoch fand ich sowohl was den fließenden als auch den ruhenden Verkehr angeht ausgesprochen ruhig. Seit ich das "alte" Smartphone meiner Frau benutze, fand ich noch keinen Anlass es für ein Bild von einem Radwegparker zu zücken.

    Ich halte die erhöht wahrgenommene Aggresivität für a) Pech und b) für ein Wahrnehmungsproblem: Wenn mein Weltbild gerade sagt: "Autofahrer sind doof" (weil mir z.B. innerhalb von 15 Minuten 2 rechtsabbiegende Autofahrer die Vorfahrt genommen haben) dann nehme ich auch mehr Aggresivität wahr, als wenn ich mit meinem Motto (ähnlich den letzten Worten von Peter Viehrig) unterwegs bin: "Jeder macht Fehler im Straßenverkehr, auch ich"

  • "Jeder macht Fehler im Straßenverkehr, auch ich"


    Keine Frage, jeder macht mal Fehler. Aber ist es auch noch ein "Fehler", wenn man sein Auto auf einem Radweg parkt? Nein, sondern es ist eine mutwillige, da bewusste, Behinderung des Radverkehrs. Dass dies in aller Regel nicht zu einem "Krieg" führt, ist den überwiegend den Radlern zu verdanken, die keine Zeit oder Lust haben, den Autofahrer anzuzeigen.

    Würde alle paar hundert Meter ein anderer Radler sein Fahrrad mitten auf die Fahrbahn stellen, kämen die Reaktionen der Autler schon eher einem "Krieg" gleich, dazu braucht man nicht viel Fantasie...

    "Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen"
    Peter Ustinov

  • Es wird hier die Behauptung aufgestellt bzw. die Frage aufgeworfen, daß/ob ein Krieg gegen Radfahrer "wieder da" sei.

    Krieg ist vorsätzliche Aggression einer geschlossenen Gruppe gegen andere.

    In meinem Erleben hat das weder zugenommen, noch ist er da. Ein paar Sauropoden im Blechmantel gab es lange und gibt es noch eine Weile. Das sind aber Promille.

    Nachhaltige Gedankenlosigkeit ist kein "Krieg", auch wenn sie tödliche Folgen haben kann. Und gesellschaftlich äußerst fragwürdige Verschiebungen der Wertmaßstäbe sind auch kein Krieg.

    Ein bißchen verbale Abrüstung, stattdessen möglichst konsequent korrekte Benennung und Nachhaltigkeit (beispielsweise im Blauschildabbau) sind ergiebiger.

    Einen Krieg jedenfalls attestiere ich nicht, denn da ist keiner. Nur ein paar Idioten und viel Gedankenlosigkeit. Das ist aber nunmal etwas anderes.

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    Peter Viehrig

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    (Andreas Müller)


  • Die letzten Wochen jedoch fand ich sowohl was den fließenden als auch den ruhenden Verkehr angeht ausgesprochen ruhig. Seit ich das "alte" Smartphone meiner Frau benutze, fand ich noch keinen Anlass es für ein Bild von einem Radwegparker zu zücken.

    Wenn du es ein setzt, halte einen Schlüsselbund, oder ähnliche "Schlagkraftverstärker" griffbereit. Manche Autofahrer reagieren sehr aggressiv wenn man ihr falsch geparktes Auto ab lichtet. Habe genau das mal versucht um zu zeigen, dass mir dieses Fahrzeug im Weg steht. Genutzt haben ich die Bilder übrigens nie irgendwie mag ich die Rolle des Anschwärzers nicht. Die Quote von Leuten die mir Prügel an gedroht haben und dabei auf mich zu gekommen sind war bei locker 20%.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • Nachhaltige Gedankenlosigkeit ist kein "Krieg", auch wenn sie tödliche Folgen haben kann.


    Genau deshalb habe ich das Wort "Krieg" in Anführungszeichen gesetzt. Wobei die immer wieder stattfindenden Drangsalierungsmanöver einiger Autler nicht mehr als "Gedankenlosigkeit" zu bezeichnen sind.

    irgendwie mag ich die Rolle des Anschwärzers nicht


    Es ist jedem freigestellt, ob er das massenhafte Geh- und Radwegparken quasi als "natürliche Gegebenheit" wahrnimmt oder aber etwas dagegen unternimmt. Als Radfahrer begegnen mir Autler mitunter mit unglaublicher Aggressivität, weil ich auf der Fahrbahn fahre, obwohl das nicht verboten ist. Wäre es verboten, könnte ich mit einem kurzen Spruch oder Hinweis gut leben, nicht aber mit Angriffen, die nicht selten lebensgefährlich sind. Ist das Fahrbahnradeln erlaubt, brauche ich gar keine vermeintliche Belehrung. Wenn die gleichen Zeitgenossen (auch wenn es praktisch nie dieselben Personen sind) sich ihrerseits herausnehmen, was sie anderen Vorwerfen, bin ich gern "Anschwärzer".

    "Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen"
    Peter Ustinov

  • Hi
    Teil des Probs ist, dass alle Bundesländer und Kommunen beim Personaleinsatz gerade der Polizei und der Ordnungsämter den Rotstift seit Jahrzehnten angesetzt haben. Die Ordnungsmacht hat keine Chance mehr, alle Verstöße in der Fläche selbst mitzukriegen und zu ahnden. Die sind mittlerweile froh, wenn sie innerhalb der Citilagen die Parkraumbewirtschaftung und ansonsten wenigstens den fließenden KFZ-Verkehr am Laufen halten. Für mehr haben die kein Personal.
    Wer also nicht in der Citi wohnt und nicht KFZ fährt, muss wohl oder übel selbst die Behörden informieren, wenn was nicht klappt.
    Für mich hat das nix mit Anschwärzen oder Denunziantentum zu tun. Das ist reine Selbsthilfe. Das, was ansonsten abläuft, ist Faustrecht. Und das kann niemand wollen.

    bye
    Explosiv smilie_be_131.gif

  • Ich habe letzte Woche auch das erste mal eine OWI-Anzeige gegen einen Radwegparker aufgegeben. Der Typ hat es aber wirklich nicht anders gewollt. Ich habe ihn zwei mal persönlich angesprochen und ihm beim zweiten mal versprochen, dass ich ihn das nächste mal anzeige. Als ich ihn an der gleichen Stelle ein drittes mal stehen sah, musste ich dann leider mein Versprechen einlösen...

    Irgendwie scheint der den (benutzungspflichtigen) Radweg vor seiner Haustür für seinen Privatparkplatz zu halten. Erschreckend fand ich, dass ein Kumpel mich daraufhin auch als Denunziant angesehen hat und meinte, ich hätte ihm doch lieber den Außenspiegel ab treten sollen. ?( Ich denke eher, dass solche OWI-Anzeigen die einzige legale Möglichkeit sind, für sein Recht einzutreten und für die eigene Sicherheit zu sorgen. Für mich hat es absolut gar nichts mit Anschwärzerei oder Denunziantentum zu tun, wenn man sich mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen das rücksichtslose und gefährdende Verhalten seiner Mitverkehrsteilnehmer wehrt.

  • @UliB, du könntest auch einen Abschleppdienst bestellen bzw. die Polizei bitten dies zu tun. Aber das würde ich erst nach paar erfolglosen Anzeigen tun.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Für mich hat es absolut gar nichts mit Anschwärzerei oder Denunziantentum zu tun, wenn man sich mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen das rücksichtslose und gefährdende Verhalten seiner Mitverkehrsteilnehmer wehrt.

    Das sich Kriminelle mit abstruser Logik ihr Verhalten als gerechtfertigt zusammenbiegen und gerne sich selber als "die Guten" darstellen ist normal. Im entsprechenden Millieu sind auch Ladendiebe, Räuber, Einbrecher etc. die "Helden".
    Das ist das Prinzip nachdem auch Mafia, Camorra usw. existieren: gegenseitiges Schulterklopfen und gleichzeitige Bedrohung bis hin zum Mord an Leuten die ihnen nicht gehorchen - ein eigener Gesetzescodex halt. Wennn dann noch Teile der Staatsmacht unterwandert sind kann man das eigentlich kodifizierte Recht vergessen.

    ... und etwaige Ähnlichkeiten mit dem deutschen Straßenverkehr sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

  • Wer den Abschleppdienst bestellt, bezahlt ihn allerdings auch erstmal. Und das Ordnungsamt resp. die Polizei werden wegen einem Radwegparker keineswegs gleich den Abschlepper rufen.

    Hi
    wobei es Gerichtsurteile gibt, nach denen bei Radwegparkern regelmäßig eine Behinderung gesehen wird, die sofortiges Abschleppen rechtfertigt. Das OA muss also nicht warten, bis sich ein konkret behinderter Radfahrer meldet, sondern kann sofort abschleppen. Sogar die üblichen Versuche, über Halterfeststellung eventuell jemanden ans Fahrzeug zu bekommen, der es wegfährt, sind nicht notwendig.
    Fragt mich nicht nach dem Aktenzeichen, ich bin irgendwo mal über den Verweis auf das Urteil gstolpert.

    Problem ist halt nur, ob von den zuständigen Stellen jemand sich die Zeit nimmt, vorbeizukommen und den Abschlepper zu beauftragen. Als Privatperson kann man den jedenfalls nicht beauftragen, von öffentlichem Straßenraum jemanden abzuschleppen. Nur von Privatgelände.

    bye
    Explosiv smilie_be_131.gif

  • Problem ist halt nur, ob von den zuständigen Stellen jemand sich die Zeit nimmt, vorbeizukommen und den Abschlepper zu beauftragen. Als Privatperson kann man den jedenfalls nicht beauftragen, von öffentlichem Straßenraum jemanden abzuschleppen. Nur von Privatgelände.

    »Öffentlicher Straßenraum« ... hmm ... mir ist in Norderstedt vor dem Herold-Center mal passiert, dass der Greenwheels-Parkplatz

    (da wo das rote Auto steht)
    und der damit in einer Reihe mit Schrägparkplätzen liegt (für die anderen muss man einen Parkschein ziehen),
    dass also dieser Stellplatz von einem anderen Auto belegt war. Zufällig kam eine Streife vorbei, als ich das Auto abstellen wollte. Antwort der Beamten: "Dafür sind wir nicht zuständig, da müssen Sie das Abschleppen veranlassen."