„Critical Mass – erlaubt, toleriert oder doch verboten?“

  • Gerald Baier setzt sich in der Sommerausgabe des Polizeispiegels der DPolG (das ist die mit Rainer Wendt) mit der Critical Mass auseinander. Auf Seite 18 geht’s los: https://www.dpolg.de/fileadmin/user…el_20_08_07.pdf

    Ich schaue mir das in den nächsten Tagen mal genauer an, aber das Fazit ist interessant:

    Zitat

    Mit Erkennen entsprechender Ereignisse im Vorfeld sollte vonseiten der Polizei die Erwartungen und die rechtlichen Rahmenbedingungen (Versammlung, Verband, Sondernutzung, einzelner Verkehrsteilnehmer) zumindest dann aktiv kommuniziert werden, wenn aufgrund der Beurteilung der Lage (Art und Größe, Ankündigung, vorangegangene Veranstaltungen et cetera) nicht nur mit geringfügigen Behinderungen, sondern mit Gefährdungen oder sogar Straftaten durch die C.M. gerechnet werden muss. Dabei sind erforderliche Maßnahmen klar zu kommunizieren. In allen anderen Fällen ist ein Tolerieren der C.M.-Ausfahrt ohne polizeiliche Maßnahmen opportun.

  • Zitat von DPolG

    Zur Sicherstellung der Einhaltung geltender Vorschriften geschlossener Verbände verlangt § 27 Abs. 5 StVO einen Verbandsführer.

    Im Folgenden wird dargestellt, dass es tatsächlich keinen Verbandsführer gibt (dem stimme ich zu), und dass die CM deshalb kein Verband nach §27 StVO sein könne.

    Leider wurde die StVO vor paar Jahren gegendert, so dass es nun lautet:

    Zitat von StVO

    Wer einen Verband führt, hat dafür zu sorgen, dass die für geschlossene Verbände geltenden Vorschriften befolgt werden.

    Dem Wortlaut nach braucht es also keinen Verbandsführer zu geben. Aber wenn es diesen gibt, ...

    Gegen §27 StVO spricht aber natürlich auch, dass die CM nicht in 2er-Reihe fährt und auch keine Lücken für den Querverkehr lässt.

    Ich finde, dass der Artikel die CM und die Rechtslage gut einschätzt.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Kommt drauf an, zu welchem Ergebnis die Polizei kommt:

    Verband liegt nicht vor

    • keine besonderen Rechte der Teilnehmer

    • jeder für sich ist Verkehrsteilnehmer mit allen Rechten und Pflichten

    • Verbotene Ansammlung nach § 113 OWiG; Ordnungswidrigkeit nach § 29 StVO

    • Maßnahmen der Polizei in Abhängigkeit der Beurteilung der Lage (Gefahrenprognose) einschließlich der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten • ohne polizeiliche Maßnahmen tolerieren oder ignorieren

    • Kompromissfindung mit den Teilnehmern hinsichtlich Verband nach § 27 StVO – Ver-bandsstatus begründen (Beachte § 29 StVO)

    • ggf. Begleitung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit Sonder- und Wegerechten

    • polizeiliche Maßnahmen zur Unterbindung oder Beendigung als Ultima Ratio (taktische Möglichkeiten und Umsetzbarkeit beachten – oft nur mit größeren Planungsaufwand)

    • Massen-IDF

    • Platzverweise

    und mein Lieblingspunkt:

    • Beschlagnahme Ventile/Fahrrad etc.

  • Darüber:

    "bei dichtem Verkehr [kann] das Auseinanderziehen [der Zweierreihe] zur Einerreihe durchaus zugemutet werden"

    verstehe ich nicht.

    muss ich nachdenken.

    Fall a) - Fahrbahn mit 2 oder mehr Richtungsfahrstreifen

    vollständiger Spurwechsel beim Überholen.

    Ob Zweierreihe oder Einerreihe: kein Unterschied

    kein Radfahrer ist auf gegenläufigem RiFa unterwegs

    Fall b) - Fahrbahn mit genau 1 Richtungsfahrstreifen

    vollständiger Spurwechsel in den Gegenverkehr beim Überholen.

    Ob Zweierreihe oder Einerreihe: kein Unterschied

    kein Radfahrer ist auf gegenläufigem RiFa unterwegs

    Fall c) - Fahrbahn ohne Mittelmarkierung, keine Richtungsfahrstreifen (T30-Zonen etc)

    c1) - Fahrbahnbreite < 5m

    hier kann eine Einerreihe nicht regelkonform überholt werden.

    Ob Zweierreihe oder Einerreihe: kein Unterschied

    Radfahrer im Gegenverkehr? wenn Zweierreihe, dann nein

    c2) - Fahrbahnbreite > 5m

    hier kann eine Einerreihe überholt werden, eine Zweierreihe nicht

    Radfahrer im Gegenverkehr? wenn Zweierreihe, dann nein

  • Das mit den Zweierreihen ist mir auch aufgefallen. Ich gehe von einem Irrtum aus. Als Verband darf man explizit nebeneinander fahren. Als Spezialregel geht der Grundregel nach § 2 vor. Keine Abwägung. Als einzige Ausnahme kann ich den Begegnungsverkehr auf engen Fahrbahnen erkennen.

  • Beitrag von krapotke (31. August 2020 um 17:23)

    Dieser Beitrag wurde vom Autor gelöscht (5. Januar 2023 um 10:37).
  • Es gibt eine vergleichsweise schöne Auslegung des Verbandes im Radsport: Bei den Quäldich Touren wird immer in Gruppen größer 16 Personen gefahren. Die Gruppen sollen aber nicht viel größer sein - angestrebt sind 18 bis 20. Diese fahren dann in Zweierreihen und dichtem Verband, außer bei Abfahrten bei denen sich die einzelnen Verbände völlig auflösen und erst unten wieder formieren.

    Ich meine mich zu erinnern, dass dort die "Einzelreihe" eingeführt wurde, wenn ein zweiter, schnellerer Verband überholt (dann auch in Einzelreihe) - das ist aber alles schon etwas her.

    Die Gruppen sollten vor allem deswegen überschaubar kompakt bleiben, damit regelgerecht überholende KFZ nach einem Block eine Chance haben einzuscheren und Gegenverkehr Platz zu machen. Das ist bei einem großen CM Verband nicht möglich. Die getrennten Verbände/Gruppen bedeuten aber natürlich auch, dass möglicherweise die zweite Gruppe an einer Ampel halten muss. Für den Verkehrsfluss insgesamt ist das m.A. nach besser. Für CM trotzdem nicht die richtige Wahl - dort soll ja durch die Masse der Radler schon ein gewisse "Wachrütteleffekt" auftreten.

  • Beitrag von krapotke (31. August 2020 um 21:31)

    Dieser Beitrag wurde vom Autor gelöscht (5. Januar 2023 um 10:37).
  • Die Quäldich-Organisatoren zeigen die Touren (zumindest größere mit vielen Teilnehmern) schon den Behörden an, ob eine Genehmigung notwendig ist, das hängt dann davon ab, wo es losgeht (die Straßenverkehrsbehörde am Start ist für die gesamte Tour zuständig). Ich war vor einigen Jahren mal in Augsburg am Verwaltungsgericht in einer Verhandlung, wo im Nachhinein ziemlich absurde Auflagen für die "Deutschlandfahrt" zum Großteil im Nachgang vom Gericht kassiert wurden.

    Urteil zum Nachlesen. Beklagte war die Regierung von Oberbayern. Im Jahr drauf startete die Tour irgendwo in Franken, die dort zuständige Regierung war dann - offenbar auch eingedenk dieses Urteils - der Meinung, für die Veranstaltung sei keine behördliche Genehmigung notwendig ;).

  • Ich persönlich sehe die Verbandseigenschaft der CM auch kritisch

    Im Verkehrsportalläuft ja eine Diskussion darüber.

    Dort ist ein recht ausführlicher Artikel der Polizei zu dem Thema verlinkt (ab Seite 18):

    https://www.dpolg.de/fileadmin/user…el_20_08_07.pdf

    Das Ergebnis kurz zusammen gefasst:

    - Die CM ist keine Demonstration, sondern in erster Linie eine Spaßveranstaltung

    - Die CM ist KEIN Verband nach § 27 StVO, da dafür zwingend ein Verbandsführer erforderlich ist.

    Der erste Punkt entspricht ja dem Selbstverständnis der CM.

    Der zweite nicht.

  • Die CM ist KEIN Verband nach § 27 StVO, da dafür zwingend ein Verbandsführer erforderlich ist.

    Nun, dann hat der Herr Baier den §27 StVO nicht gelesen. Oder er lügt. Er kann sich ja aussuchen, was ihm lieber ist. Zur Bekräftigung nochmal ein Blick in den §27 (5) StVO, das ist nämlich die einzige Stelle, an der überhaupt von einer Führung eines Verbandes die Rede ist:

    Wer einen Verband führt, hat dafür zu sorgen, dass die für geschlossene Verbände geltenden Vorschriften befolgt werden.

    Daß ein solcher Verband überhaupt eine Verbandsführung verlangt, steht da nirgends. Es steht lediglich da, was ein Verbandsführer zu tun hat, *wenn* es denn einen gibt.

    Der Herr Baier mag sich ja eine solche Vorschrift, die eine Verbandsführung vorschreibt, wünschen. Das bedeutet jedoch noch lange nicht, daß dies schon Realität sei.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Daß ein solcher Verband überhaupt eine Verbandsführung verlangt, steht da nirgends.

    Dazu verweist er im Artikel zwei Quellen: einen StVO-Kommentar und ein VG-Urteil.

    Für weitere Details müsste man in die Quellen und vielleicht auch andere StVO-Kommentare schauen. Einfach vom Tisch wischen mit "hat er halt nicht richtig gelesen", genügt da mMn nicht mehr.

  • Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, daß er, wo er und womit er ein angebliches Erfordernis eines Verbandsführers lt. §27 (5) StVO belegt. Also wische ich das sehrwohl einfach beiseite, denn allein der Wortlaut §27 StVO gibt das nunmal nicht her.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • StVO §23 Abs 3

    "Die Füße dürfen nur dann von den Pedalen oder den Fußrasten genommen werden, wenn der Straßenzustand das erfordert."

    Muss ich dann dem Wortlaut zu Folge an der Ampel umkippen, wenn ich kein Trackstand kann?

    Dem Wortlaut der StVO folgend, dürfen Rad Fahrende auch nur bei Bedarf auf dem Schutzstreifen fahren. Aber beabsichtigt ist das so auch nicht.

  • StVO §23 Abs 3

    "Die Füße dürfen nur dann von den Pedalen oder den Fußrasten genommen werden, wenn der Straßenzustand das erfordert."

    Muss ich dann dem Wortlaut zu Folge an der Ampel umkippen, wenn ich kein Trackstand kann?

    Ach Leute... Bitte Kontext beachten: Der §23 (3) lautet:

    Wer ein Fahrrad oder ein Kraftrad *fährt*, darf sich nicht an Fahrzeuge anhängen. Es darf nicht freihändig gefahren werden. Die Füße dürfen nur dann von den Pedalen oder den Fußrasten genommen werden, wenn der Straßenzustand das erfordert.

    Hervorhebung von mir.

    Wenn man an einer Lichtzeichenanlage *hält*, fährt man nicht mehr, sondern *führt* das Fahrzeug nur noch, man ist noch immer Fahrzeugführer. Der Satz über Füße, Fußrasten und Pedale gilt aber nur während der *Fahrt*.

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    Peter Viehrig

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