Die Bevölkerung ist ja angehalten, in der Öffentlichkeit einen Abstand von anderthalb Metern zu anderen Menschen einzuhalten. Je nach Bundesland klingt die Regelung unterschiedlich, in Schleswig-Holstein beispielsweise so:
9. Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet. Dabei sind die Kontakte zu anderen Personen auf ein absolut notwendiges Minimum zu reduzieren und, wo immer möglich, ein Mindestabstand von mindestens 1,5 m einzuhalten.
Das ist beim Spaziergehen schon spannend, weil man ja hin und wieder mal jemandem entgegen kommt. Gut, dann weicht man halt aus. Joggen ist noch viel schwieriger, weil man auch andere Fußgänger überholen muss. Das ist auf solchen Wegen schon einigermaßen schwierig:
Und jetzt schauen wir uns mal die üblichen Kieler Straßen und Gehwege an, beziehungsweise das, was abzüglich des Gehwegparkens von den Gehwegen noch übrig ist. Wie soll man dort überhaupt irgendeinen Abstand einhalten, wenn man sich stellenweise als Fußgänger nur seitwärts mit dem Rücken zur Wand bewegen kann?
Die VwV-StVO meint zu Zeichen 315:
ZitatDas Parken auf Gehwegen darf nur zugelassen werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt, die Gehwege und die darunter liegenden Leitungen durch die parkenden Fahrzeuge nicht beschädigt werden können und der Zugang zu Leitungen nicht beeinträchtigt werden kann.
Diese Vorschriften sehe ich hier in Kiel an keiner Stelle als erfüllt an, denn es müssten abzüglich des parkenden Kraftfahrzeuges mindestens zwei, vielleicht sogar eher 2,5 Meter Platz bleiben. In solchen Bereichen könnten sich auch wieder Fußgänger mit entsprechendem Abstand begegnen, auch wenn man sich ordentlich an die Seiten drücken müsste:
Und Notwege in Arbeitsstellen… naja, ich glaube, die Sache ist hoffnungslos. Man muss ja schon froh sein, wenn die Absperrelemente wenigstens einigermaßen standsicher aufgestellt werden und nicht noch die hohle Gasse verschmälern, weil sie beim nächstbesten Windstoß umgeworfen werden.
Nun blicke ich tatsächlich nicht so ganz durch:
Auf Gehwegen kann grundsätzlich kein nennenswerter Abstand von anderthalb Metern eingehalten werden, schon gar nicht in Gegenwart ordnungswidrig oder ordnungsgemäß auf dem Gehweg abgestellter Kraftfahrzeuge. Ich bin mir nicht sicher, was in diesem Spannungsfeld zwischen Straßenverkehrs-Ordnung, den Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrs-Ordnung und den ganzen Allgemeinverfügungen und Infektionsschutzgesetzen schwerer wiegt, aber wäre das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um derartige Gehwegparkereien abstellen zu lassen?
Wir betreiben hier gerade einen immensen Aufwand zur Eindämmung von SARS-CoV-2 mit Kontaktverboten und allem drum und dran, aber dass man sich als Fußgänger kaum mit ordentlichem Abstand durch die Stadt bewegen kann, wird offenbar einfach hingenommen?
Vor zwei Tagen wurde der Hamburger Oberbürgermeister Peter Tschentscher bei einem Chat von NDR 90,3 zu dem Thema befragt und gab sich bewusst sozialdemokratisch: Dem Kraftfahrer dürfe kein Platz weggenommen werden, man könne ja auch mal warten:
Das scheint allerdings keine Hamburger oder Kieler Spezialität zu sein, auch in anderen Städten tut man sich naturgemäß schwer, nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern etwas mehr Platz anzudienen: