Diesen Absatz aus dem von dir verlinkten tagesspiegel-Artikel finde ich richtungsweisend für die weitere Diskussion: "So sind beispielsweise Bars, Cafes und Restaurants unter Auflagen geöffnet und werden gut besucht, wie die ersten warmen Frühlingstage zeigten. Auch shoppen und Frisörbesuche sind weiter möglich, Versammlungen sind bis zu 50 Personen erlaubt. Carlson sagt dazu: „Während andere Länder den so genannten Lockdown gewählt haben und nun einen Weg finden müssen, wie die Gesellschaft wieder geöffnet wird, hat Schweden ein Modell, das über eine lange Zeit funktionieren kann.“ Und weiter: „Wir können so bis 2022 leben, wenn wir müssen.“ (Hier noch mal der Link von yeti: https://www.tagesspiegel.de/wissen/kampf-g…g/25750526.html )
Besonders der von mir in dem Zitat unterstrichene Satz scheint der "springenden Punkt" zu sein. Nach meiner Beobachtung gibt es inzwischen kaum noch jemand (zumindest in den westeuropäischen Staaten), der ernsthaft auf eine "Durchseuchung" setzt, schon gar nicht auf eine "schnelle Durchseuchung", wie es anfangs der britische Premier Boris Johnson getan hat.
Stattdessen wird zunehmend lauter darüber nachgedacht, dass langfristige Einschränkungen nötig sein werden, um mit der Corona-Pandemie umzugehen. Einschränkungen, die bis zu zwei Jahren aufrecht erhalten werden können.
Wenn es zutrifft, was die schwedische Außenministerin Ann Linde in dem tagesspiegel-Artikel sagt, "Und so sagt Außenministerin Ann Linde: „Es ist ein Mythos, dass das Leben in Schweden so weitergeht wie gewöhnlich.“ Viele Bereiche der schwedischen Gesellschaft seien eingeschränkt und viele Unternehmen würden unter der aktuellen Situation leiden.", dann hat Schweden möglicherweise ausreichend Vorsorge getroffen, bzw. hat noch den Spielraum auf eine besorgniserregende Verschlechterung der Lage mit zusätzlichen Verschärfungen zu reagieren.
Währenddessen wird an diesem Wochenende in Deutschland hauptsächlich darüber diskutiert noch mehr Öffnungen z. B. auch von großen Möbelgeschäften zuzulassen. Die Maßgabe, dass nur Geschäfte bis 800 Quadratmeter öffnen dürfen, wurde bereits unterlaufen, indem größere Geschäfte ganz einfach ankündigen, ihre Verkaufsfläche entsprechend zu reduzieren. Riesige Einkaufsgalerien, wie die Ernst-August-Galerie in Hannover mit deutlich mehr als 800 Quadratmeter Fläche dürfen öffnen, weil in einer solchen Einkaufsgalerie viele kleine Geschäfte angesiedelt sind, die jeweils für sich betrachtet weniger als 800 Quadratmeter Fläche haben. Das ist eine juristische Haarspalterei. Aber leider: Was große Möbelgeschäfte, oder große Elektronikmärkte oder auch die Ernst-August-Galerie da betreiben, die Kaufrausch-Riesen haben Erfolg mit ihren Widersprüchen, möglicherweise auch deshalb, weil kein Landesparlament, keine Behörde und kein Gericht als "Spaßverderber" da stehen möchte. Und auch das Wiedereröffnen der Friseurbetriebe, die in Schweden gar nicht erst geschlossen wurden, wird bereits in vielen Bundesländern in Aussicht gestellt.
Gleichzeitig appellieren viele Medien geradezu an die potenziellen Kunden, sich nun bloß nicht zum großen Kaufrausch hinreißen zu lassen, weil es dann mit dem Einkaufsspaß ganz schnell wieder vorbei sein könnte.
Das Hin- und Her, dass sich da andeutet bei der Frage, wie weit die Kontaktbeschränkungen greifen sollen, wird vermutlich nicht dazu beitragen, die Durchsetzbarkeit von Corona-Schutzmaßnahmen zu erleichtern. Sind die Schweden da vielleicht tatsächlich auf einem besseren Weg, wie es der Titel der Tagesspiegel-Berichterstattung andeutet: Liegt Schweden am Ende doch richtig?
Die vergleichenden Diagrammkurven, die du da in deinem Beitrag eingebaut hast, die können jedenfalls in wenigen Wochen schon wieder ganz anders aussehen.