• Richtig ärgerlich ist das Ganze für die SPD, denn diese gründete sich im Jahr des Mauerfalls neu als SDP, als Sozialdemokratiche Partei der DDR. Erst mit der Wiedervereinigung, ein Jahr später, schloss sie sich der SPD an. Dass die SDP/später SPD nicht nahtlos an vorhandene Partei-Organisationen in der DDR anknüpfte, hat jedoch auch nicht überall dazu beigetragen, große Wahlerfolge einzuheimsen und die Blockpartei CDU (heute die CDU in den fünf neuen Bundesländern) und die SED (PDS>Die Linkspartei heute Die Linke) alt aussehen zu lassen.

    Ganz im Gegenteil. Die Sozialdemokraten waren ja praktisch alleine und landeten weit unter allen Erwartungen, während die Ost-CDU massenhaft mit Material aus dem Westen gesponsert wurde (pikanterweise musste sich die CDU eines SED/KoKo-Betriebes bedienen, um das Material über die Grenze zu bringen ...) und auch die Liberalen mit Westmaterial um sich warf - und eben zugleich an Traditionen der Ost-CDU/LDPD/NDPD anknüpfen konnte. Das hatte man genauso unterschätzt wie den Wohlfühlfaktor von "Helmut, nimm uns an die Hand / führ uns ins Wirtschaftswunderland".

  • Danke, Yeti, dass du so klar und gleichzeitig plausibel und differenziert auf die für mich extrem irritierende Verharmlosung einer Zusammenarbeit mit der AfD antwortest, die von manchem mit den missliebigen Ansichten eines Taxifahrers über Radfahrende analogisiert wird.

    Ich hätte - trotz oder gerade wegen meines Berufs als Geschichtslehrer - gerade nicht die Contenance dazu.

    Bei mir hätte es wahrscheinlich nur zu Zynismus gereicht: "Hitler war so tierlieb und hatte nur einen Hoden."

  • die von manchem mit den missliebigen Ansichten eines Taxifahrers über Radfahrende analogisiert wird.

    Bitte nicht die Worte im Mund verdrehen. Ich habe die Diskussionen verglichen, nicht die Meinungen.

    Sobald man tatsächlich kontroverse Themen diskutiert, sind Diskussionen fast immer sehr mühevoll. Das hat nichts mit Verharmlosung zu tun, sondern mit Reflektion der Situationen.

  • Das Parteiprogramm ist in weiten Teilen neo- bzw. wirtschaftsliberal oder auch konservativ. Teile der Partei denken freilich völkisch, rassistisch, postfaktisch - oder gar nicht ...

    Aber man hat ein Herz für Kinder - also besonders für die biodeutschen, also die schwarzköpfigen weniger, und Hochzeitskorsos, na ja, sind ja auch irgendwie nervig und so ...

  • Ich weiß manchmal echt nicht.

    Manchmal stöbere ich in den Protokollen der Hamburger Bezirksversammlungen nach Radverkehrsthemen. Sowas weiß ich da echt nicht einzuordnen. Nie was von der Gruppe gehört aber die AfD ist gegen Antisemitismus? Müsste man sowas nicht stillschweigend tolerieren?

  • Sobald man tatsächlich kontroverse Themen diskutiert, sind Diskussionen fast immer sehr mühevoll.

    Ich hoffe sehr, dass du meine strikt ablehnende Haltung dazu nicht persönlich nimmst. Ich stimme dir zu, dass die AfD die Ausgrenzung auch dazu nutzt, sich weiter in der Opferrolle zu inszenieren. Aber ich sehe es eben auch wie Sascha Lobo, dass die AfD sich sowieso immer als Opfer darstellt: Als Opfer der unterdrückten Meinungsfreiheit ("das wird man ja wohl noch sagen dürfen"), als Opfer einer unfairen Berichterstattung ("Lügenpresse"), und auch als Opfer der Ausgrenzung ("wir sind nicht nur Rassisten, sondern haben neulich sogar einen vernünftigen Vorschlag gemacht, dem dann aus Prinzip nicht zugestimmt wurde, mimimi...").

    Das Problem ist daher vielleicht nicht, dass die AfD zu wenig, sondern nicht von den richtigen Leuten ausgegrenzt wird. Auch das schreibt Sascha Lobo in seiner Kolumne: Dass Ausgrenzung seitens Linksliberaler von der AfD eher noch als Bestätigung aufgefasst wird ("wenn dieser Hahn dagegen ist, dann muss es richtig sein"). Daher wäre eine klare Abgrenzung der Konservativen umso wichtiger. Aber ausgerechnet da, wo es darauf ankäme, werden die Grenzen unscharf und die Bürgerlichen tolerieren das Spiel mit den braunen Schmuddels in ihren eigenen Reihen ("Werte"-Union, Sarrazin, Kemmerich...).

    Frage: Wenn der rechte Flügel der AfD nur eine Minderheit innerhalb der Partei darstellt: Warum schafft es die AfD dann nicht, sich davon klar abzugrenzen? Warum treten gemäßigte AfD-Mitglieder aus der Partei aus, anstatt dass Radikale ausgeschlossen werden? Mit der AfD, die Bernd Lucke mal gegründet hat, hat diese Partei doch heute allenfalls auf dem Papier etwas zu tun.

  • Nie was von der Gruppe gehört aber die AfD ist gegen Antisemitismus? Müsste man sowas nicht stillschweigend tolerieren?

    Das ist das tolle: Mit solchen Anträgen hat die AfD immer was, mit dem sie zeigen kann, dass sie ja gar nicht antisemitisch ist (egal, ob sie angenommen werden oder nicht), denn wer antisemitisch ist, würde sowas ja nicht machen, oder? Nur stimmt's halt für die AfD als ganzes nicht: Da haben sich schon viele an Analysen versucht: Google: Strategie der AfD Antisemitismus. Der Artikel von Sascha Lobo, den Yeti weiter oben verlinkt hatte, spricht auch genau das auch an. Kurz zusammengefasst: Die Außendarstellung der AfD bezüglich Antisemitismus ist eine andere als die Handlung führender Parteimitglieder. Man inszeniert sich lediglich als pro-jüdisch.

  • Aber ausgerechnet da, wo es darauf ankäme, werden die Grenzen unscharf und die Bürgerlichen tolerieren das Spiel mit den braunen Schmuddels in ihren eigenen Reihen ("Werte"-Union, Sarrazin, Kemmerich...).

    Es gibt diverse sehr kritische Stimmen aus der Union zur "Werte-Union". Letztere ist auch keine Organisation der CDU, sondern ein eigenständiger Verein. Formal kann die Parteispitze dort überhaupt nichts machen.

    Sarrazin würde ich jetzt auch nicht als "toleriert in der SPD" beschreiben. Ein Ausschluss aus der Partei ist aber offensichtlich nicht so einfach.

    Davon unabhängig finde ich es nicht überraschend, dass es auch inhaltliche Überschneidungen mit der AfD in einzelnen Fragen gibt. Denn wie geschrieben: Es ist nicht alles rechtsradikal. Und natürlich ist es sehr verlockend, die eigenen Positionen auch parlamentarisch durchzusetzen, wenn die Mehrheit dafür existiert.

    War vor 20 Jahren mit der PDS nicht anders. Die wurde auch jahrelang ausgegrenzt. Dann fingen die damaligen Brandmauern aufgrund von inhaltlichen Überschneidungen an zu wackeln. Und heute ist es ganz normal, dass eine Partei mit teilweise offen verfassungsfeindlichen Gruppierungen an der Regierung beteiligt ist.

    Ich bin selber gespannt, wie es mit der AfD weitergeht. Eine Beteiligung an der Regierung ist aktuell natürlich vollkommen indiskutabel. Den aktuellen Kurs, bei dem ein recht großer Teil der Wähler beschimpft wird, betrachte ich aber mit Sorge.

    Frage: Wenn der rechte Flügel der AfD nur eine Minderheit innerhalb der Partei darstellt: Warum schafft es die AfD dann nicht, sich davon klar abzugrenzen?

    Gute Frage.

    Meine beste Theorie ist eine selbst erfüllende Prophezeiung.

    Als Lucke die Partei gegründet hat, fand ich sie gut. Denn er brachte viele gute und fundierte Ansichten ein. Und ich stand staunend daneben, dass die Presse das alles als rechtsradikal diffamiert. Lucke konnte machen, was er wollte: die Presse schob in ständig in die Nazi-Ecke.

    Und dann erfüllte sich das halt: die Beschreibungen der Presse lockten radikales Personal an und Lucke wurde entmachtet.

    Wie die Verteilung der Positionen innerhalb der Partei heute aussieht, weiß ich nicht. Ich wüsste nichtmal, wo ich mich darüber informieren könnte. Insbesondere habe ich nirgends behauptet, dass die Radikalen eine Minderheit darstellen. Ich weiß es einfach nicht.

    Einmal editiert, zuletzt von Epaminaidos (20. Februar 2020 um 10:50)

  • Den Vorwurf, dass Ramelow mit der AfD zusammen gearbeitet hat, finde ich auch nicht angemessen. Das Wahlergebnis in Thüringen ließ einfach nichts anderes zu als RRG. Eine rot-schwarze Koalition scheitert ja schon am Grundsatzbeschluss der CDU. Die Alternative zur Minderheitsregierung wären wohl Neuwahlen gewesen.

    Mir fallen 31 Alternative ein, davon 23 ohne Union-Linke-Problem, davon 1 mit Mehrheit. Die 31 sind nicht alle Blödsinn. Wurde die FDP ernsthaft gefragt? Was ist mit Kenia oder - mein Favorit - Wien? Rot-Rot-Grün scheint nur deswegen alternativlos, weil Rot-Rot-Grün es so entschieden hat.

    Deswegen sehe ich es als traditionelle Parteienkoalition aber ohne Mehrheit, deren Möglichkeit dem Wahlergebnis, dem Wahlrecht und der Unvereinbarkeit mit der AfD emergent ist. Die Unvereinbarkeit ist essentieller Baustein dieser Regierung.

    Ab diesem Punkt, an dem wegen der AfD keine Mehrheit mehr gebastelt werden kann, müssen ganz andere Regeln gelten. Dann gilt der Zusammenhalt gegen Rechts. Das bedeutet: Alle müssen eine Kröte schlucken. Rot-Rot-Grün wollte aber Kaviar.

    Den haben sie aber nicht bekommen. Und statt Selbsterkenntnis gehen die Schuldzuweisungen los:

    Zitat

    Das Vorgehen der CDU in Thüringen finde ich auch deshalb so unappetitlich und schurkenhaft, weil sich die Partei damit quasi komplett selbst verleugnet. Die CDU argumentiert, um einen Ministerpräsidenten der Linken zu beschädigen und zu stürzen, ist es erlaubt mit den Rechten zuammenzuarbeiten, weil die Linken (Partei Die Linke) genauso "schlimme Finger" sind, wie die Rechten (Partei AdF).

    Sich an die beschlossenen Roten Linien nach Rechts und Links so halten, halte ich für das Gegenteil von Selbstverleugnung. Die CDU konnte Ramelow gar nicht stürzen, weil er gar nicht im Amt war. Und selbst wenn: Das nennt sich Demokratie. Und einen Bürgerlichen zu wählen, ist auch keine Zusammenarbeit mit der AfD. Kümmerlich hat dann den Bock geschossen. Und dass die Linken für die CDU genauso schlimm seien wie die Rechten, behaupten auch nur die Linken.

    Apropos schlimm: Die Abgrenzung zur Linke kann ich nachvollziehen und akzeptieren. (Fürs Protokoll, bevor mir das unterstellt wird: Das bedeutet weder, dass ich sie gut finde, noch, dass die DDR so schlimm war, wie das Dritte Reiche.) Von einer demokratischen Partei kann man erwarten, sich von einem totalitären Regime und der tragenden Partei zu distanzieren. Für die Linke wäre es kaum mehr als ein Federstrich, um diese Rote Linie auszuradieren. OK, einen neunen Vorsitzenden der Ältestenrates müsste man schon wählen.

  • Ich habe das komplett anders wahrgenommen, Lucke und die AfD wurde am Anfang nicht in die (ganz) rechte Ecke gestellt.

    Sondern in die Europakritische, was ja auch gepasst hat und das riecht nach recht weit rechts, oder eben vielleicht auch weit links.

    Aber, wie bis jetzt immer im Nachkriegsdeutschland, wenn eine neue Partei auftaucht, die noch nicht genau definiert ist, wie z. B. bei den Piraten und auch bei den Grünen, versuchen verschiedene Ausrichtungen die Partei zu übernehmen und auch bei den Piraten haben am Anfang versucht weit rechts stehende Gruppen die Partei zu kapern. Bei der AfD war das ganz offensichtlich sehr viel einfacher, weil die Grundausrichtung schon gepasst hat.

    Teile der AfD sind eben inzwischen so weit rechtsnational, und das nicht nur in Thüringen, sondern unter anderem hier in Bayern, das es zu einfach ist zu sagen, weil sie gewählt wurden muss man die AfD teilhaben lassen.

  • Rot-Rot-Grün scheint nur deswegen alternativlos, weil Rot-Rot-Grün es so entschieden hat.

    Mit "1 mit Mehrheit" meinst Du vermutlich Rot-Rot-Grün-FDP. Die FDP hat aber eine Koalition mit der Linkspartei ausgeschlossen.

    Dann nennst Du noch CDU-Grün oder CDU-Grün-SPD. Die kommen auf 26 bzw. 34 von 90 Sitzen. Erstere hätte nichtmal eine Sperrminorität gegen Neuwahlen.

    Und auch diese beiden müssten sich Deinem anfänglichen Vorwurf aussetzen, dass es nur aufgrund der Anwesenheit der AfD nicht genügend Gegenstimmen gibt.

  • Sondern in die Europakritische, was ja auch gepasst hat und das riecht nach recht weit rechts

    Er hat auf durchaus fundierte Weise einige der großen Entscheidungen auf europäischer Ebene kritisiert. Hauptsächlich Entscheidungen bezüglich des Euro. Und er hat Alternativen vorgeschlagen, die für Deutschland und Europa besser gewesen wären und weiterhin sein könnten.

    Das hat in meinen Augen nichts mit "weit rechts" zu tun. Es muss immer zulassig sein, Entscheidungen konstruktiv zu hinterfragen. Und als Professor für Makroökonomie hat er sich sicher sehr intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt, bevor er eine Partei dazu gegründet hat.

    Meiner Überzeugung nach war das Thema aber zu kompliziert für viele Journalisten und stand ihren Überzeugungen häufig entgegen. "zu kompliziert" ist nichtmal ein Vorwurf. Denn Makroökonomie ist nunmal kompliziert. Es wird erst zum Vorwurf, wenn der abweichenden Meinung deshalb nichtmal eine Chance gegeben wird.

  • Sich an die beschlossenen Roten Linien nach Rechts und Links so halten, halte ich für das Gegenteil von Selbstverleugnung. Die CDU konnte Ramelow gar nicht stürzen, weil er gar nicht im Amt war. Und selbst wenn: Das nennt sich Demokratie. Und einen Bürgerlichen zu wählen, ist auch keine Zusammenarbeit mit der AfD. Kümmerlich hat dann den Bock geschossen. Und dass die Linken für die CDU genauso schlimm seien wie die Rechten, behaupten auch nur die Linken.

    Ramelow war im Amt, geschäftsführend. Denn es war ja noch kein neuer Ministerpräsident gewählt.

    Wenn es der CDU daran gelegen gewesen wäre, einen anderen Ministerpräsidenten als Ramelow zu installieren, dann hätte sie dafür eine Mehrheit im Landtag begeistern müssen und zum Beispiel Kemmerich als einen mehrheitlich akzeptierten Kandidaten der Mitte vorschlagen können. Ich habe allerdings meine Zweifel, das Kemmerich auf viel Unterstützung hätte zählen können. Er ist ja auch nur dadurch gewählt worden, dass die AfD-Abgeordneten ihren eigenen Kandidaten nicht gewählt haben, sondern stattdessen für einen Kandidaten stimmten, der gar nicht von ihrer Partei vorgeschlagen wurde.

    Das heißt im Grunde genommen hatte Kemmerich in keiner Form eine wirklich Ernst zu nehmende Mehrheit.

    Er hatte keine Mehrheit der Abgeordneten im Parlament ohne die AfD. Also keine Mehrheit von wirklich demokratisch agierenden Parteien. Und er hatte keine Mehrheit, weil die AfD-Abgeordneten eigentlich einen anderen Kandidaten, nämlich ihren eigenen Kandidaten hätten wählen müssen, oder warum haben sie den überhaupt aufgestellt?

    Nur wenige Tage nach der Wahl ist Kemmerich zurückgetreten. Er hatte wohl nicht nur keine echten Unterstützer, sondern auch keine ernsthaften Absichten als Ministerpräsident tätig zu werden. Ich hatte tatsächlich befürchtet, die (CDU+AfD+FDP) ziehen das durch und versuchen Kemmerich ernsthaft als einen neuen Ministerpräsidenten aufzubauen. Inzwischen habe ich den Eindruck, das war von vornherein gar nicht beabsichtigt.

    Wenn du schreibst, "dass die Linken für die CDU genauso schlimm seien wie die Rechten, behaupten auch nur die Linken"., dann frage ich mich, warum du die CDU dafür lobst, dass sich die CDU an die beschlossenen Roten Linien nach Rechts und Links so halten. Oder meintest du das als indirekte Kritik daran, dass die CDU diese "Rote Linien" nach Rechts genauso wie nach Links aufgestellt hat?

    Ich finde das ja okay, dass sich Parteien Rote Linien nach Rechts und Links setzen. Es gibt allerdings Parteien, wie z. B. die MLPD, die ich tatsächlich vergleichbar weit links einordne, wie die AfD rechts steht.

  • Und auch diese beiden müssten sich Deinem anfänglichen Vorwurf aussetzen, dass es nur aufgrund der Anwesenheit der AfD nicht genügend Gegenstimmen gibt.

    Es kommt nicht darauf an, wer es geworden wäre, sondern wie. Ramelow hat mit Mohring geredet, dem ich abnehme, den Spagat zwischen Partei- und Staatsräson versucht zu haben. Die ganze Frage ist ohne Frage nicht einfach. Aber Ramelow hat sich irgendwann zu Wahl gestellt ohne klare Absprachen. Er war halt der Meinung, sie nicht wirklich zu brauchen. Ich habe den Eindruck, dass jetzt ernsthaft verhandelt wird. Das hätte ich mir vorher gewünscht.

    Um mein Bild von Oben zu gebrauchen, Ramelow wollte keine Kröte schlucken.

  • Und er hatte keine Mehrheit, weil die AfD-Abgeordneten eigentlich einen anderen Kandidaten, nämlich ihren eigenen Kandidaten hätten wählen müssen, oder warum haben sie den überhaupt aufgestellt?

    Müssen tun die Abgeordneten bei solchen Abstimmungen schonmal gar nichts. Das ist ein Grundsatz unserer repräsentativen Demokratie.

    Zitat

    Nur wenige Tage nach der Wahl ist Kemmerich zurückgetreten. Er hatte wohl nicht nur keine echten Unterstützer, sondern auch keine ernsthaften Absichten als Ministerpräsident tätig zu werden.

    Auf mich wirkte der Rücktritt eher, als sei er auf Grund von erheblichem Druck von außen (u.a. der Bundesparteien von CDU und FDP) zustandegekommen und weniger dadurch, dass Kemmerich selbst keine Perspektive sah zu regieren.

  • Er hatte wohl nicht nur keine echten Unterstützer, sondern auch keine ernsthaften Absichten als Ministerpräsident tätig zu werden

    Vorneweg: Man schaut den Leuten ja immer nur auf die Stirn, nicht ins Hirn.

    Die Möglichkeit, dass er eventuell von der AfD gewählt wird, war ihm ja scheinbar vorher bekannt. Er muss sich also irgendwas überlegt haben. Sehr kurz nach der Wahl, noch bevor der Shitstorm so richtig an Fahrt gewann, hat er deutlich gesagt, auf keinen Fall mit der AfD zusammen arbeiten zu wollen. Statt dessen wolle er eine Regierung der Mitte anführen, die sich Mehrheiten ohne Beteiligung der AfD sucht.

    Muss nun jeder für sich selbst entscheiden, ob er ihm das abnimmt. Ich halte es für etwas naiv, aber durchaus glaubwürdig.

    RRG hat dann sehr schnell klar gemacht, dass sie Fundamentalopposition gegen ihn betreiben werden. Und kurz danach war dann klar, dass er zurück treten wird.

    Mit der Aussage von RRG haben auch Kubicki und Lindner ihren Wechsel von "Glückwunsch" auf "Rücktritt" begründet. Bei den beiden würde ich wirklich gerne mal ins Hirn schauen. Die hätten eigentlich erfahren genug sein müssen, um die Probleme nach der Wahl zu erkennen.

    Es war ja schon arg naiv, von RRG nach der gescheiterten Wahl Ramelows konstruktive Regierungsarbeit unter einem anderen MP zu erwarten.

    Wenn du schreibst, "dass die Linken für die CDU genauso schlimm seien wie die Rechten, behaupten auch nur die Linken"., dann frage ich mich, warum du die CDU dafür lobst, dass sich die CDU an die beschlossenen Roten Linien nach Rechts und Links so halten.

    Die Schlussfolgerung der Linken ist einfach logisch falsch:

    Der Beschluss der Union besagt, dass sie weder mit der Linkspartei, noch mit der AfD zusammen arbeiten möchten. Beide Parteien befinden sich für die CDU also außerhalb des für sie akzeptablen Spektrums. Aber aus völlig verschiedenen Gründen.

    Bei der Linkspartei vermisst die Union eine klare Distanzierung von einigen Vorkommnissen in der DDR. Das könnte die Linkspartei jederzeit machen, ohne ihr Programm ändern zu müssen. Tut sie aber nicht. Vermutlich, weil es zu viele Mitglieder nicht wollen.

    Die AfD hingegen ist einfach eine rechtsradikale Partei und dadurch inakzeptabel.

    Die Linke steht quasi knapp außerhalb des akzeptablen Bereichs, die AfD meilenweit.

    Die Linken stellen trotzdem die falsche Behauptung auf, dass zu beiden Parteien der gleiche Abstand besteht.

  • Bei der Linkspartei vermisst die Union eine klare Distanzierung von einigen Vorkommnissen in der DDR. Das könnte die Linkspartei jederzeit machen, ohne ihr Programm ändern zu müssen. Tut sie aber nicht. Vermutlich, weil es zu viele Mitglieder nicht wollen.

    Die Linke und vorher die PDS haben sich derart häufig mit diversen Vorkommnissen in der DDR kritisch auseinandergesetzt, dass wir Wessis die Augen gerollt haben. Was findest Du am folgenden Statement unzureichend?

    Zitat

    Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik war der legitime Versuch, nach dem alliierten Sieg über Nazi-Deutschland ein Wiedererstarken sozialer Antriebskräfte des Nationalsozialismus zu verhindern - Stichworte hierfür sind die Bodenreform und die Zerschlagung des Großkapitals - und einen sozialistischen Staat auf deutschem Boden aufzubauen. Dieser Versuch ist gescheitert. Dazu führten nicht nur die äußeren Bedingungen wie Blockkonfrontation und Kalter Krieg. Misslingen musste dieser Versuch vor allem aus inneren Gründen: wegen eines eklatanten Mangels an Demokratie und Missachtung elementarer Bürgerrechte, wegen des grundsätzlichen Misstrauens des Staatsapparates gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und, schließlich, wegen der mangelhaften Fähigkeit des Wirtschaftssystems, den Konsumbedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden.

    Mir ist kein Statement einer staatstragenden Partei der alten BRD bekannt, das sich mit diversen Vorkommnissen in der BRD ähnlich kritisch auseinandergesetzt hätte.

  • Sie betrachten die Gründung einer Diktatur auf deutschem Boden inklusive massiver Enteignungen von Einwohnern als legitimen Versuch, einen Systemwechsel herbeizuführen.

    Im weiteren Verlauf nennen sie wenigstens die Dinge beim Namen, an denen es gescheitert ist. Das ist ja schonmal ein Anfang. Es fehlt leider vollständig eine Distanzierung zu dem Vorgang an sich. Ganz im Gegenteil: er wird weder abgelehnt, noch einfach neutral benannt. Statt dessen wird er explizit als "legitim" bezeichnet.

    Sie bereuen also nicht den Vorgang an sich, sondern nur das Scheitern des Experiments.

    Und wenn die Partei diese Vorgänge explizit als legitim bezeichnet, dann gehören sie wohl auch zu den legitimen Möglichkeiten für die Zukunft.

  • Zuvor war etwas anderes gescheitert, und die Schlussfolgerung daraus liest sich so:

    Zitat

    Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen.

    Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinwirtschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.

    In der Inflation 1922/1923, bei der Einführung von Hartz IV und beim Abbau von Braunkohle im Tagebau waren mehr Einwohner von Enteignungen betroffen als beim Zugriff auf die Vermögen von Kriegsverbrechern und Großgrundbesitzern.

    Und das, was der Westen mit Hilfe der Treuhand gemacht hat, war ebenfalls massive Enteignung zwecks Systemwechsel.