Anhupallee in der Holtenauer Straße

  • Ich glaube, die Holtenauer Straße in Kiel war hier schon mehrfach Thema im Forum, auch wenn ich trotz der Suchfunktion die einzelnen Threads nicht mehr finden kann.

    Es handelt sich um eine längere Straße mit gemischter Bebauung, also Geschäfte im Erdgeschoss, darüber Wohnungen. Der Querschnitt besteht aus vier Fahrstreifen, von denen die beiden äußeren tagsüber häufig ordnungswidrig beparkt werden, jeweils einem Seitenstreifen zum Parken, dann einem untermaßigen Radweg, ein paar Bäumchen und einem Gehweg.

    Der Radweg ist das hier. Ich glaube, ich muss denen hier im Forum anwesenden Nutzern nicht erklären, was hier alles problematisch sein könnte.

    Dieser Radweg soll nach dem Willen der Stadt Kiel nicht mehr genutzt werden. Das hört man sich relativ häufig an, beispielsweise bei den so genannten Stadtteilspaziergängen mit unterschiedlichen Kommunal-, Landes- und Bundespolitikern. Die Stadt Kiel möchte gerne, dass Radfahren auf der Fahrbahn stattfindet. Dazu wurden in den Kreuzungsbereichen der Holtenauer Straße Fahrradpiktogramme appliziert. Leider aber nur im direkten Kreuzungsbereich und nicht als Schutzstreifen über die gesamte Länge der Straße, so dass nicht jeder Verkehrsteilnehmer sofort kapiert, was das bedeuten soll.

    Eine relativ beliebte Interpretation dieser Markierungen lautet, dass man mit dem Auto beim Abbiegen auf Radfahrer achten möge und darum diese Symbole auf der Fahrbahn aufgebracht wären. Dass hier aber Radverkehr auf der Fahrbahn stattfinden soll, scheint für die meisten Leute ein Ding der Unvorstellbarkeit zu sein.

    Für mich ist die Holtenauer Straße eine relativ schnelle Verbindung von meiner Wohnung zum Bahnhof — ich brauche durchschnittlich elf Minuten, flitzte morgens einträchtig mit dem Kraftverkehr über eine einigermaßen grüne Welle zum Dreieicksplatz, warte dort kurz an einer Ampel zum Rechtsabbiegen und düse die Bergstraße herunter zum Bahnhof. Parallel verlaufen zwar Fahrradstraßen und der Knooper Weg, aber die Kieler Fahrradstraßen sind bekanntlich auch eher ein Parkplatz mit Fahrradpiktogramm in der Mitte: Wenn dort ein Kraftfahrzeug entgegenkommt, muss der Radverkehr abbremsen und zur Seite fahren und dass an den Kreuzungen der geradeausfahrende Radverkehr kraft abgesenkter Kantsteine Vorfahrt haben soll, klappt auch nur ganz mäßig.

    Seit der Kieler Woche Ende Juni ist die Holtenauer Straße allerdings sehr unangenehm zu befahren. Ich weiß nicht, ob die Leute dort aufgrund der Straßensperrungen gestresst waren oder abends zu lange an der Förde getrunken haben und morgens wieder früh hoch mussten, jedenfalls gab es jeden Tag (!) mehrere Übergriffe (!) in Form von Anhupen und Pöbeleien. Das Highlight war ein Lieferwagenfahrer, der mich vor Wut mit seinem Fahrzeug an eine Anti-Terror-Barriekade drängen wollte, weil ich nicht auf dem tollen Radweg gefahren bin.

    Dann war eine Zeit lang Ruhe, bis sich das Spiel mit den Straßensperrungen zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober wiederholte. Seitdem häufen sich die Übergriffe und ich werde mindestens jeden zweiten Tag relativ unfreundlich angesprochen, warum ich denn nicht auf dem Radweg führe. Heute morgen erfolgte die Ansprache aus einem Oberklassefahrzeug etwas unfreundlicher und weil der Fahrer kurz darauf nach rechts auf einen Parkplatz fuhr, wollte ich mich noch ein bisschen unterhalten, aber ich kam überhaupt nicht zu Wort: Radfahrer fahren nicht auf dem Radweg, Radfahrer fahren immer über rot, ich müsste mal bei ihm mitfahren, was er alles mit Radfahrern erlebt, Radfahrer pöbeln und beleidigen und so weiter und so fort. Und aus dieser Laune heraus erwächst dann mit der Zeit womöglich die Bereitschaft, auch mal das eigene Kraftfahrzeug als Waffe einzusetzen und den zweirädrigen Kontrahenten nach rechts auf den Bestimmungsort zu bugsieren.

    Ich weiß nicht warum, aber die Leute sind schon morgens zwischen 5 und 7:30 Uhr ausgesprochen schlecht gelaunt, obwohl das Verkehrsaufkommen ausgesprochen mäßig ist und ein paar Fahrbahnradler in dem Moment nun wirklich keine Stresshormone ausschütten können. Tja.

    Die Stadt Kiel meint, man könnte da momentan nicht viel machen, weil ja bald, also irgendwann in ferner Zukunft, die StadtRegionalBahn durch die Holtenauer Straße fahren soll. Nach meiner Kenntnis ist noch nicht einmal ansatzweise klar, ob die wirklich gebaut wird, aber man möchte einigermaßen verständlicherweise nicht jetzt sehr viel Geld in die Hand nehmen, um dann in drei Jahren noch einmal alles umzubauen (als ob die Bahn bereits in drei Jahren wirklich gebaut würde!). Aber bis zu jenem fernen Tage bleibt der Straßenquerschnitt wie er ist — und man wird sich auf dem Rad wohl weiterhin maßregeln lassen müssen.

    Und nun? Habt ihr irgendwelche Ideen, was man bei der Stadt anregen oder sogar durchsetzen könnte? Durchgängige Schutzstreifen, die also eine Verknüpfung der Stummel in den Kreuzungsbereichen darstellten, wären ja wahrscheinlich am effektivsten um anzuzeigen, dass hier Radverkehr stattfinden soll, aber dafür mangelt es wohl bei diesem Querschnitt an Platz. Den ganzen rechten Fahrstreifen als Schutz- oder Fahrradstreifen zu markieren dürfte ebenfalls illusorisch sein, damit wäre das geliebte Parken in der zweiten Reihe nicht mehr möglich und dann hat nämlich der Einzelhandel noch ein Wörtchen mitzureden; das wird also kurzfristig nicht durchsetzbar sein.

    Einfach ein paar Fahrradpiktogramme auf dem rechten Fahrstreifen malen? Das tut niemanden weh, da kann dann weiter für den Einzelhandel „nur ganz kurz“ in zweiter Reihe geparkt werden, aber immerhin ist für ein paar mehr Leute sichtbar, dass der Radverkehr auf der Fahrbahn stattfinden soll.

    Andererseits — ob sich wütende Kraftfahrer von ein paar zusätzlichen Piktogrammen beruhigen lassen?

    Immerhin bin ich längst nicht mehr der einzige, der dort auf der Fahrbahn radelt. Trotz der häufigen Übergriffe, die ich auch bei anderen Radfahrern beobachte, rollt da wohl grob geschätzt ein Viertel bis ein Drittel der Radfahrerenden auf der Fahrbahn.

  • Ich finde Piktogrammketten nicht schlecht, wo die Verkehrsteilnehmer noch lernen müssen, dass Radfahrer auf der Fahrbahn fahren und nicht auf Gehwegen. Irgendwann sollte das aber überflüssig und als Normalfall akzeptiert werden. Leider ist das vielerorts noch ein weiter Weg dahin.

  • aber man möchte einigermaßen verständlicherweise nicht jetzt sehr viel Geld in die Hand nehmen, um dann in drei Jahren noch einmal alles umzubauen ...

    ... wenn der ganze Umbau dann ausschließlich aus ÖV-Geldern bezahlt würde, diese Gelegenheit kann sich doch kein Kämmerer entgehen lassen!!!11elf

    Ansonsten pro Piktogrammspur. das macht die Verhältnisse wirklich klarer. Gibt's jetzt schon eine Weile in Rheinstetten, das Bild ganz unten ist von mir und erst vor paar Tagen in der AG zum Rheinstettener Radverkehrskonzept nur positives drüber gehört. Dasselbe Büro hat auch in Waghäusel eine Variation hinpinseln lassen. Karlsruhe begnügt sich mit einfachen Piktogrammen, besser als nix. Obwohl, hier ist's mehr, auch eins weiterschalten! In der WP oder ggfs. direkt bei VAR+ finden sich evtl. Argumentationshilfen ...

  • Was nicht alle Autofahrer davon abhält, einen anzuhupen, zu schneiden und anzupöbeln, wenn man sich mit dem Radl auf der Fahrbahn befindet.

    Liegt vielleicht daran, dass man lesen können müsste, um zu verstehen, was das Schild aussagt. Nicht zu vergessen, wir haben ~6-8 Millionen Analphabeten in diesem Land.

    Das ist der Vorteil der Piktogramme, wobei es ja auch Leute gibt, die an schwerer Piktogrammie leiden. Sogar gar nicht so wenige.

  • Dieses ganze, auf Gewohnheits"recht" basierende asoziale Autofahrer-Verhalten gehört wirklich mal soziologisch untersucht. Kennt denn niemand einen, der in dem Bereich forscht...? Jedenfalls kann sowas in dieser radikalen Form meiner Ansicht nach nur in Städten vorkommen, in denen Jahrzehntelang die geheiligte Separation vorherrschte. Im radweglosen Pirmasens (okay, einer nicht ganz so großen Stadt) wirst du das nie erleben, dass dich irgendwer anhupt, nur, weil du auf der Fahrbahn radelst.

    Aber ja, wir brauchen da ja unbedingt wieder viel mehr davon...! <X

  • Ist eigentlich schon mal jemand totgehupt worden?

    Ich werde vielleicht alle 2-3 Monate einmal mit dem Schallsignal begrüßt und grüße dann immer freundlich zurück. Ich fahre nun seit 7 Wochen auf dem Weg zur Arbeit immer noch mal eine Extraschleife hin und zurück durch eine Straße, in der im Januar die Gehwegbenutzungspflicht aufgehoben wurde, damit sich die Leute an den Anblick von Radfahrern auf der Fahrbahn gewöhnen. Da hat in der ganzen Zeit noch nie einer gehupt. Mache ich etwas falsch? :/ An zu wenigen "Radwegen" kann es in dieser Stadt eigentlich nicht liegen.

    OK, über unsere Critical Mass gibt man hinter uns gerne mal seiner Freude mit der Hupe Ausdruck. Aber das gehört wohl zu einem Autokorso dazu.

  • Das hier wäre die Münchener Lösung:

    In Hannover gibt es auch solche Schilder. Die Schilder in Hannover sind in jedem Fall größer, besser zu lesen und enthalten noch das Warnschild [Zeichen 138-10]:

    Erst das Schild, dann die Radweg-S plittung:

  • Ich finde Piktogrammketten nicht schlecht, wo die Verkehrsteilnehmer noch lernen müssen, dass Radfahrer auf der Fahrbahn fahren und nicht auf Gehwegen. Irgendwann sollte das aber überflüssig und als Normalfall akzeptiert werden. Leider ist das vielerorts noch ein weiter Weg dahin.

    Nicht alle Radfahrer fahren auf der Fahrbahn und wenn es keinen Hochbordradweg oder geschützten Radfahrstreifen gibt, dann fahren sie eben gar nicht. Und das fände ich wirklich schade!

    Ich habe auch kein großes Problem damit, wenn ein Radfahrer langsam, vorsichtig und defensiv (kein Klingeln und Drängeln) den Fußweg benutzt, auch dann nicht, wenn da kein Angebotsradweg vorhanden ist.

    Warum willst du unbedingt alle Radfahrer dazu erziehen, auf der Fahrbahn zu fahren?

    Es sollte möglichst umgehend als Normalfall akzeptiert werden, dass es den "Normalfall" nicht gibt! Es gibt Radler, die fahren auf dem Hochbord-Angebotsradweg oder dem Gehweg, der für den Radverkehr freigegeben ist (und in einzelnen Fällen auch dann, wenn der Gehweg nicht freigegeben ist) und es gibt Radler, die fahren auf der Fahrbahn. (Manche auch dann wenn die Fahrbahn nicht freigegeben ist für den Radverkehr, weil ein blaues Radwegeschild die Benutzung des Radweges vorschreibt.) Na und? Was soll's?

    Schau mal Bild 1 und 2 an! Das ist an einem Ortsausgang im ländlichen Raum. Normal gilt Benutzungspflicht auf einem Zweirichtungsfuß- und radweg [Zeichen 240]. Das Schild haben sie beim Baustellen-Ausschildern vergessen abzudecken. Der Zweirichtungsfuß- und radweg wird gerade renoviert. Die Straße wird in dem ca. 100 m langen Renovierungsabschnitt einspurig ausgeschildert und eine Absperrwand schützt einen Fußweg, der auf der einen Fahrbahn der Straße angelegt wurde.

    Warum der nicht deutlich breiter gemacht wurde und als gemeinsamer Fuß- und Radweg ausgeschildert wurde ist mir ein Rätsel, aber dem will ich hier nicht nachgehen.

         

    Der Radfahrer auf Bild 1 macht alles richtig, aber vermutlich hat er ein bisschen die Sorge, ob er sich beeilen muss, die einspurige Fahrbahn-Strecke zu durchfahren, weil es ihm andernfalls passieren kann, dass der Gegenverkehr bereits auf ihn zugerollt kommt, bevor er den Baustellenabschnitt verlassen kann.

    Ich habe da größtes Verständnis für, wenn der Radfahrer auf diesem Abschnitt den als Fußweg ausgeschilderten Weg benutzt. Zumal da ohnehin nur sehr selten Fußgänger unterwegs sind. (Bild 2)

    Oder schau mal auf Bild 3! Ortsdurchfahrt im ländlichen Raum. Es gilt keine Radwegbenutzungspflicht. Hochbord gibt es einen Angebotsradweg. (Kann man an der unterschiedlichen Pflasterung erkennen. Den Angebotsradweg benutzen auch viele Radfahrer, weil mit Tempo 50 (darf) und Tempo 60 bis 70 (darf eigentlich nicht) mit Autos und Lastwagen durch den Ort durchgebrettert wird. Hin- und wieder wird von Autofahrern auch gehupt, wenn Radfahrer die Fahrbahn benutzen.

    Warum stellt da einer an dieser Stelle ein "Radfahrer absteigen" [Zusatzzeichen 1012-32] auf?

    Das wird dich sicher freuen Yeti, denn es könnte ja einen Radfahrer auf die Idee bringen, dass er auf der Fahrbahn weiter fährt. Die allermeisten Radfahrer, die sich für den Angebots-Hochbordradweg entschieden haben, ignorieren jedoch das [Zusatzzeichen 1012-32] und da mache ich auch keinem von denen ein Vorwurf draus. Auch dann nicht, wenn ich selbst immer die Fahrbahn benutze, um durch diesen Ort zu fahren.

    Wenn du wirklich willst, dass mehr Radfahrer auf solchen Ortsdurchfahrten die Fahrbahn benutzen, dann stelle sicher, dass dort der Autoverkehr nicht schneller als 30 km/h fährt. Und dass das so kontrolliert wird, dass die Tempo 30 auch wirklich eingehalten werden!

  • Warum willst du unbedingt alle Radfahrer dazu erziehen, auf der Fahrbahn zu fahren?

    Ich will niemanden erziehen, sondern

    1. die Möglichkeit schaffen, legal auf der Fahrbahn zu fahren, indem die Benutzungspflicht auf "Radwegen" aufgehoben wird

    2. über die Risiken aufklären, die insbesondere Gehwegradler und Geisterradler eingehen und die grundsätzlich auch auf "guten Radwegen" lauern

    3. ihnen die Angst nehmen, auf der Fahrbahn zu fahren

    Das alles will ich, damit Radfahrer als vollwertige Verkehrsteilnehmer wahrgenommen werden und nicht immer wie Fußgänger mit Rädern behandelt werden, die sich in erster Linie so verhalten sollen, dass sie den Autoverkehr nicht stören.

    Im Gegensatz zu anderen möchte ich aber vorhandene Radwege nicht komplett abschaffen, sondern sie (*edit: zunächst) als Angebot an Hauptstraßen bestehen lassen. Weil vorhandene "Radwege" auch ohne Benutzungspflicht benutzt werden, möchte ich auch, dass Gefahrenstellen auf "Radwegen" entschärft werden. Wo das nicht möglich ist, muss man die Benutzung solcher Wege verbieten. Ebenso muss man zum Schutz der Fußgänger das Radfahren auf Gehwegen unterbinden.

    Warum stellt da einer an dieser Stelle ein "Radfahrer absteigen" [Zusatzzeichen 1012-32] auf?

    Weil er offenbar keine Ahnung von der Bedeutung von Verkehrszeichen hat.

    Das wird dich sicher freuen Yeti, denn es könnte ja einen Radfahrer auf die Idee bringen, dass er auf der Fahrbahn weiter fährt.

    Nein, ich freue mich nie, wenn Verkehrsbehörden Murks anordnen oder durchgehen lassen.

    Wenn du wirklich willst, dass mehr Radfahrer auf solchen Ortsdurchfahrten die Fahrbahn benutzen, dann stelle sicher, dass dort der Autoverkehr nicht schneller als 30 km/h fährt. Und dass das so kontrolliert wird, dass die Tempo 30 auch wirklich eingehalten werden!

    Das alleine reicht nicht. Hier fahren selbst in den Tempo 30 Zonen die Leute lieber auf dem Gehweg als auf der Fahrbahn. Das liegt aber weniger daran, dass sie Angst vor dem Autoverkehr haben, sondern daran, dass die Fahrbahnen zu großen Teilen in den Wohngebieten mit einem ganz üblen Kopfsteinpflaster aus den 1960er Jahren belegt sind, auf dem Radfahren einfach keinen Spaß macht.

    Ich selbst kann bei 30km/h ganz gut im Verkehr mitschwimmen, aber die meisten Radfahrer sind dann immer noch deutlich langsamer als der Autoverkehr und werden folglich auch bei angeordnetem Tempo 30 überholt werden.

    Vor einiger Zeit habe ich mit einer Bekannten gesprochen, die mir sagte, dass sie Angst habe, mit dem Fahrrad auf der Fahrbahn zu fahren. Es stellte sich dann heraus, dass das keine Angst davor war, überfahren zu werden, sondern Angst, den Autoverkehr zu behindern. Es mag sein, dass diese Angst bei 30km/h geringer wird, aber das Problem ist doch viel tiefer verwurzelt und ist mit rationalen Argumenten und Unfallstatistiken nicht zu lösen.

    Zunächst einmal muss man aufhören, Radfahrern vorzulügen, dass Radwege zu ihrer Sicherheit angelegt werden, sondern eingestehen, dass Radwege vor allem dem Autoverkehr freie Fahrt schaffen sollen. Es wäre schön, wenn der ADFC sich nicht noch vor den Karren spannen lassen würde. Statt mehr exklusiven Platz für den Radverkehr zu fordern, müsste man mehr darauf hinarbeiten, sich den verfügbaren Platz besser zu teilen und aufeinander Rücksicht zu nehmen. Anstatt den Radverkehr als Verkehrsproblem zu betrachten, muss man Radverkehr als Lösung von Verkehrsproblemen sehen. Das wird aber nicht gelingen, wenn man neben exklusiven Flächen für Kraftfahrzeuge und exklusiven Flächen für Fußgänger auch noch mehr exklusive Flächen für den Radverkehr fordert. Nicht zu vergessen exklusive Flächen für E-Scooter, Skateboards, Rollschuhfahrer, Rollatoren-Nutzer, Hundebesitzer, Jogger, für Kleinkinder, Jugendliche und Senioren, weil ja alle irgendwie spezielle Bedürfnisse haben, die untereinander nicht vereinbar sind.

  • Nicht alle Radfahrer fahren auf der Fahrbahn und wenn es keinen Hochbordradweg oder geschützten Radfahrstreifen gibt, dann fahren sie eben gar nicht. Und das fände ich wirklich schade!

    Ich habe auch kein großes Problem damit, wenn ein Radfahrer langsam, vorsichtig und defensiv (kein Klingeln und Drängeln) den Fußweg benutzt, auch dann nicht, wenn da kein Angebotsradweg vorhanden ist.

    Warum willst du unbedingt alle Radfahrer dazu erziehen, auf der Fahrbahn zu fahren?

    Es sollte möglichst umgehend als Normalfall akzeptiert werden, dass es den "Normalfall" nicht gibt! Es gibt Radler, die fahren auf dem Hochbord-Angebotsradweg oder dem Gehweg, der für den Radverkehr freigegeben ist (und in einzelnen Fällen auch dann, wenn der Gehweg nicht freigegeben ist) und es gibt Radler, die fahren auf der Fahrbahn. (Manche auch dann wenn die Fahrbahn nicht freigegeben ist für den Radverkehr, weil ein blaues Radwegeschild die Benutzung des Radweges vorschreibt.) Na und? Was soll's?

    Mal abgesehen von der Sicherheit für Fußgänger und Radler, mit deiner sehr auf Radfahrer eingeschränkten Sichtweise ist das sicher ganz schön und der Alltag funktioniert ja auch genau so. Insofern müsste sich da dann (fast) gar nix ändern.

    Erweitert man deine Sichtweise um Fußgänger, Autofahrer und was so kreucht und fleucht, dann ist es ja auch kein Problem, wenn Autos auf Radwegen parken, Fußgänger auf Radwegen stehen und gehen und Hundebesitzer die Hunde auf dem Kinderspielplatz kacken lassen.

    Bei dem im zweiten Absatz genannten schätze ich würdest Du schon ein, zwei Probleme erkennen ;)

    Ich finde, man sollte das ganze von unten nach oben aufziehen und so ähnlich steht das ja auch in der StVO §1, auf die schwächsten und langsamsten, das sind im Straßenverkehr Fußgänger, besonders Kinder und ältere Menschen, die übrigens überproportional bei Kreuzungsunfällen, mit und ohne Rad, vertreten sind, besonders Rücksicht nehmen und dazu gehört auch ein geschützter Bereich sofern vorhanden, der heißt Gehweg. Wenn Shared Space, dann sind das eben die Verkehrs-Teilnehmer, die die Geschwindigkeit bestimmen.

    KFZ sollten dann auch auf die nächste Kategorie, das wären dann Radfahrer/E-Bikes/Mofafahrer/Motorradfahrer Rücksicht nehmen müssen. Und so fort.

  • Im Großen und Ganzen stimme ich dir in allen Punkten zu, Yeti. Allerdings sehe ich den Teil kritisch, in dem es um deine Kritik am ADFC geht. Überhaupt möchte ich deinem letzten Absatz so nicht zustimmen.

    In Hannover steht beispielsweise diese Straße zum Umbau an: Die Geibelstraße (hier Ecke Stephansplatz)

    Nach dem was ich bisher darüber in Erfahrung bringen konnte, ist die Verkehrsverwaltung nicht bereit, dort das Tempo auf 30 km /h zu reduzieren. (Erschließungsstraße und starke Ausladstung der Straße durch den Autoverkehr, argumentiert die Verwaltung.)

    Dass dort quer geparkt wird und sich Radfahrer den aufgrundessen extrem schmalen verbleibenden Bordstein für einen schmalen Gehweg und sehr schmalen benutzungspflichtigen Radweg teilen müssen, finde ich unmöglich.

    Immerhin hatte die Verwaltung Signale gesendet, eine Reduktion der Autostellplätze anzustreben. (Wenn das was werden soll, dann müsste dafür statt Querparken Längsparken angeordnet werden.

    Dazu kommt der vorhandene Baumbestand. Die Fahrbahn lässt sich nicht beliebig verbreitern.

    Ideal fände ich: Fahrradstraße, Auto-Durchgangsverkehr auf ein Minimum reduzieren, breite Gehwege.

    Fakt ist, es wird ein Umbau stattfinden und die Option "Fahrradstraße" ist nicht realistisch (und das ist zurückhaltend formuliert).

    Es wird dort (leider!) weiter viel Autoverkehr stattfinden. Die Fahrbahn wird wegen der Bäume schmal bleiben.

    Längsparken statt Querparken anzuordnen kann gelingen, wenn als zusätzliches Argument zu (die Anzahl der Parkplätze ist zu reduzieren, was für viele kein Argument sondern ein rotes Tuch ist) hinzukommt: Der Radweg muss verbreitert werden, ohne dass der Gehweg schmaler wird!

    Vermutlich ist es wichtig, dass sich der ADFC an dieser Stelle vehement für diese Lösung(Hochbordradweg) stark macht. Wenn dann einer dazwischenfunkt und sagt, der Radverkehr wäre aber auf der Straße viel sicherer und besser aufgehoben, dann wäre das meines Erachtens sehr kontraproduktiv.

    Hier ein google-Street-view-Link von der Stelle auf dem Link ist auch das Foto aufgenommen worden: https://www.google.de/maps/@52.36036…!7i13312!8i6656

    Übrigens: Du bedauerst ja, dass es die Radwegebenutzungspflicht gibt. Und ich sehe das genau so.

    Es gibt allerdings auch eine Option mit dem Fahrrad ganz legal die Fahrradbenutzungspflicht zu umgehen. Du musst dir dazu allerdings ein S-Pedelec zulegen.

    Siehe diesen Bericht:

    https://www.bike-bild.de/fahrrad/ebike/…kes-370715.html

    Oder diesen Bericht:

    https://www.pd-f.de/2018/04/05/s-p…zeug-wird_12377

    pressedienst-fahrrad,

    S‑Pedelecs: Wenn das Fahrrad zum Kraftfahrzeug wird

    Darin heißt es:

    „Die Erfahrungen in der Schweiz zeigen ein anderes und unproblematisches Bild“, sagt Anja Knaus von Flyer. „Der Marktanteil der S‑Pedelecs ist hier 25 mal so hoch wie in Deutschland!“ Der Grund: Die schnellen E‑Räder dürfen in der Schweiz den Radweg benutzen. Fachjournalist Marius Graber aus Luzern bewertet die Erfahrungen als durchweg gut: „Konflikte, die es gibt, ordne ich eher der gestiegenen Dichte auf den Radwegen zu. Je mehr Velofahrer es gibt, desto mehr Rücksichtslose gibt es. Und die fallen auf.“ Auch Graber verdeutlicht: So viel schneller als andere Radfahrer sind solche mit S‑Pedelecs nicht. „Daher verträgt sich das gar nicht so schlecht . Wenn die Radwege gut gebaut sind, erst recht nicht.“

    Offensichtlich ist es für viele S-Pedelec-Fahrer extrem unangenehm, auf der Fahrbahn zu fahren, deshalb möchten sie gerne, dass so wie in der Schweiz auch in Deutschland das S-Pedelec fahren auf den Radwegen erlaubt wird.

    Es wäre sehr ambitioniert, wenn der ADFC in dieser Situation herginge und grundsätzlich solchen Überlegungen eine Abfuhr erteilt.

    Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was der ADFC dazu sagt, dass die S-Pedelec-Fahrer auf die Radwege wollen. Und ehrlich gesagt, ich weiß es selber nicht einmal so richtig. Grundsätzlich natürlich schon: Der Autoverkehr auf den Fahrbahnen muss deutlich weniger und deutlich langsamer werden.

    NACHTRAG: Habe grad noch mal hier https://www.pd-f.de/2018/04/05/s-p…zeug-wird_12377 (den Link hatte ich weiter oben schon angegeben) nachgelesen:

    "Der Bundesgeschäftsführer des ADFC, Burkhard Stork, sieht eine deutliche Stärke von S‑Pedelecs darin, Kfz-Fahrten von Pendlern aufs Rad zu bringen. „Der ADFC tritt allerdings entschieden gegen S‑Pedelecs auf Radwegen innerorts ein, vor allem mit Blick auf den Schutz schwächerer und unsicherer Radfahrer, wie etwa Kindern und Senioren.""

    Innerorts nicht sagt der ADFC, das deutet so ein bisschen an, dass außerorts vielleicht doch auf Radwegen mit dem S-Pedelec gefahren werden können soll dürfen. (NACHTRAG)

    Und wenn es um die Frage geht: Querparken weiter zulassen und dafür auf Radweg (egal ob Hochbord oder Radfahrstreifen, geschützt oder ungeschützt) verzichten. Dann bin ich ganz energisch für breite Bürgersteige entweder mit Hochbordradweg oder mit Freigabe für Radverkehr, oder auch mit benutzungspflichtigem Radweg. Am liebsten Radfahrstreifen.

    Aber auf keinen Fall bin ich bereit, an der schlechten Situation für den Radverkehr fest zu halten, damit die Autos in der Geibelstraße weiter quer parken können!

    Einmal editiert, zuletzt von Ullie (21. Oktober 2019 um 11:48) aus folgendem Grund: NACHTRAG in blauer Farbe

  • Mal abgesehen von der Sicherheit für Fußgänger und Radler, mit deiner sehr auf Radfahrer eingeschränkten Sichtweise ist das sicher ganz schön und der Alltag funktioniert ja auch genau so. Insofern müsste sich da dann (fast) gar nix ändern.

    Erweitert man deine Sichtweise um Fußgänger, Autofahrer und was so kreucht und fleucht, dann ist es ja auch kein Problem, wenn Autos auf Radwegen parken, Fußgänger auf Radwegen stehen und gehen und Hundebesitzer die Hunde auf dem Kinderspielplatz kacken lassen.

    Bei dem im zweiten Absatz genannten schätze ich würdest Du schon ein, zwei Probleme erkennen ;)

    Da schätzt du mich aber ganz schön falsch ein, bzw. ich habe wohl zu missverständlich geschrieben.

    Du schreibst ja selbst, dass der Schwächere auf den Stärkeren Rücksicht zu nehmen hat, deshalb ist es eben nicht in Ordnung, wenn Autofahrer Fußwege zuparken. Oder Hunde in die Sandkiste kacken. Und es ist auch nicht in Ordnung, dass Radfahrer auf dem Gehweg fahren. Es kommt aber trotzdem vor. Wie zum Beipiel auf der von mir dargestellten Ortsdurchfahrt mit dem Angebotsradweg. Und da ist es ja sogar erlaubt, dass Radfahrer hochbord fahren. Aber sie sollen und da stimme ich dir zu, dabei keine Fußgänger gefährden oder behindern. Im Prinzip ist ein Angebotsradweg so zu benutzen wie ein Fußgängerweg, der für den Radverkehr frei gegeben ist. Aber ich würde eben nicht gegen jeden Angebotsradweg Sturm laufen und dafür plädieren, umgehend umzupflastern, so dass dort kein Angebotsradweg mehr hineininterpretiert werden kann. In meinem Beispiel könnte man das ja machen. Noch ist das Pflaster unterschiedlich, noch gibt es da einen Angebotsradweg. Aber wäre das Pflaster einheitlich, dann würde das gelten, was auf dem Baustellenschild steht [Zusatzzeichen 1012-32]! Oder der Radfahrer müsste eben auf die Fahrbahn wechseln.

    Wo ebenfalls die Stärkeren auf die Schwächeren Rücksicht nehmen müssten, das ist an Bushaltestellen.

    Ich habe kein Verständnis dafür, dass Radfahrer danach verlangen, dass Radwege so zu führen seien, dass sie rechts an den Bushaltestellen-Halteborden vorbeifahren können. (Siehe Bild)

    Vielmehr ist es richtig, dass der Verkehr auf der Fahrbahn stattfindet auch der Radverkehr ( je nach Verkehrsdichte auf einem Radfahrstreifen oder Schutzstreifen oder gemeinsam mit den Autos), und dass der gesamte Verkehr steht, wenn der Bus an der Haltestelle hält. Dann können zunächst die schwächeren Verkehrsteilnehmer ungefährdet den Bus besteigen und verlassen, auch dann ungefährdet, wenn mal eben einer auf dem letzten Drücker von der gegenüberliegenden Seite herangeeilt kommt. Oder wenn ein ganz eiliger Fahrgast oder eine ganze Gruppe eiliger Fahrgäste direkt nach dem Aussteigen vor oder hinter dem Bus die Fahrbahn kreuzen.

  • Ich habe heute Abend mal den frühen Feierabend genutzt, um die Holtenauer Straße einmal mit der Kamera rauf und runter zu fahren:

    https://youtu.be/hCuyPxBux90

    Was fehlt sind tatsächlich tätliche Übergriffe von Kraftfahrern — ansonsten bekommt man aber einen guten Eindruck, warum die meisten Radfahrer wohl eher auf dem Radweg bleiben. Es ist auch fast alles dabei, von engen Überholern bis zum „Übersehen“ auf der Fahrbahn und einem Wagen, der beim Einparken beinahe ein Verkehrsschild umgeschmissen hat. Ich möchte an dieser Stelle um Entschuldigung für mein Mansplaining in dieser Situation bitten, aber ich war nach der Fahrt tatsächlich ein bisschen fassungslos, was mir da heute alles widerfahren ist.

  • Etwas erstaunlich ist, dass sich die Autofahrer bei einer Straße, wo abschnittsweise eine Radspur markiert ist, doch ständig "danebenbenehmen"

    Warum ist den da teilweise Radwegpflicht und dann wieder nicht?

    Ist der Radweg sichtbar schlechter, enger?

    Bin froh, das ich eher selten in der Stadt fahre, würde ich vielleicht auch weniger Radl fahren. Wenn ich in der Münchner Innenstadt unterwegs bin, frag ich mich auch oft, ob das noch Spaß macht.

    Da kann man über Land schon deutlich entspannter fahren.