Rotlichtverstoß: Rechtsbeschwerde beim OLG Hamburg

  • In Bezug auf die Notwendigkeit der "Fortbildung des Rechts" sollte meines Erachtens auch die folgende Petition Erwähnung finden:

    Pet 1-18-12-9213-024335Straßenverkehrs-Ordnung

    Plenarprotokoll 18/179 vom 23.06.16 unter TOP 30 b

    Bundestagsdrucksache 18/8728 (Sammelübersicht 327 zu Petitionen, Petition Nr.5)

    Der Bundestag schließt sich bezüglich der Einführung einer Gelbphase der folgenden Meinung des Verkehrsministeriums an:

    D.h. das Ministerium ist schon der Meinung, dass es sich um "Zuwiderhandlungen", also Ordnungswidrigkeiten handelt.

    Die Einräumung der Toleranzzeiten wäre nach dieser Rechtsansicht also eine Nichtverfolgung von OWi's nach dem Opportunitätsprinzip.

    Zur Fortbildung des Rechts ist aber zu klären, ob sich die Nichtverfolgung nicht bereits aus dem Erfordernis des Nachweises von fahrlässigem Handeln und damit aus dem Legalitätsprinzip ergibt. Ebenso ist zu klären, wie lang diese Toleranzzeiten zu bemessen sind.

    Wenig professionell wirkt die Argumentation auch durch die Bezugnahme auf den deutlich verkürzten Bremsweg. Zum einen wird damit der Reaktionsweg außer Acht gelassen, zum anderen geht es um zu berücksichtigende Zeiten, denn "Gelb" wird ja nur für eine gewisse Zeit und nicht für einen Weg gewährt. Die Reaktionszeit düfte aber für Radfahrer nicht kürzer sein als für Kraftfahrer. Und die Zeit für die Bremsung bzw. für das Durchfahren des Bremsweges sinkt zwar bei niedrigeren Geschwindigkeiten, sie verlängert sich aber, wenn man mit niedrigeren Verzögerungen bremst.

  • https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__337.html

    Zitat

    (1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.
    (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

    https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__344.html

    Zitat

    (1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
    (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.


    Wenn man das Urteil angreifen will, muss man also darlegen, welche Rechtsnorm wie verletzt wurde.

    Im OWiG finde ich spontan nichts. Es bleibt aus meiner Sicht der allgemeine Gleichheitssatz nach §3 Abs. 1 GG.

    Fall 1: Radfahrer fährt 0.6 Sekunden nach Ende der Grünphase in die Kreuzung ein. Es war unmöglich (Anhalteweg, Physik) noch rechtzeitig zu halten.

    Fall 2: Autofahrer fährt 0.6 Sekunden nach Ende der Grünphase in die Kreuzung ein. Es war unmöglich (Anhalteweg, Physik) noch rechtzeitig zu halten.

    Es darf nicht sein, dass einer eine OWI begeht, der andere aber legal handelt.

    Zitat von BVerfG

    Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die rechtliche Unterscheidung muss also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden.

    Natürlich fahren Radfahrer langsamer als Autofahrer. Wenn man daraus verschieden lange Gelbphasen oder Tolerenzen ableitet, wäre das gerechtfertigt. Aber Radfahrern wird laut Gesetz keinerlei Tolerenz zugestanden.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • DasOWiG ist Verfahrensrecht und insofern für die Frage einer Rechtsverletzung unerheblich.

    Verletzt ist aber das materielle Recht, in diesem Fall das Straßenverkehrsgesetz § 24, wonach nur vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln ordnungswidrig ist:

    Zitat von StVG § 24 (1) Satz 1

    (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Vorschrift einer auf Grund des § 6 Absatz 1, des § 6e Absatz 1 oder des § 6g Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung oder einer auf Grund einer solchen Rechtsverordnung ergangenen Anordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist.

    Zitat von StVO § 49 Absatz 3

    (3) Ordnungswidrig im Sinne des § 24 des Straßenverkehrsgesetzes handelt ferner, wer vorsätzlich oder fahrlässig

    ...

    2.einer Vorschrift des § 37 über das Verhalten an Wechsellichtzeichen, Dauerlichtzeichen oder beim Rechtsabbiegen mit Grünpfeil zuwiderhandelt,

  • Verletzt ist aber das materielle Recht, in diesem Fall das Straßenverkehrsgesetz § 24, wonach nur vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln ordnungswidrig ist:

    Und laut Urteil war es fahrlässiges Handeln. Damit entspricht das Urteil doch dem StVG und verletzt es nicht?

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Unfassbar - aber halt gelebte Bundesautobahnrepublik. Es bräuchte so eine Art "Rote Hilfe" für Fahrradfahrer, damit die entsprechenden Verfahrenskosten auf mehrere Schultern verteilt würden. Zumal da auch teilweise Strafrecht im Raum steht

  • Die Feststellung der Fahrlässigkeit gehört doch bereits zur Anwendung des Rechts, oder?

    Ja, aber ich mache dem Gericht hier keinen Vorwurf. Es steht nunmal geschrieben, dass man bei Rot nicht in Kreuzungen einfahren darf und dass es 60€+1P kostet, wenn man's doch tut. Es wurde in der mündlichen Verhandlung auch klar gesagt, dass Radfahrer notfalls mit Schritttempo an grüne Ampeln ranfahren müssen. Das Zitat vom Verkehrsministeriums stößt ins selbe Horn. Es ist eine Owi, sie wird in der Praxis aber nach Lust und Laune nicht geahndet, außer der Täter hört auf den Namen Malte.

    Da das Urteil aus meiner Sicht den unteren Gesetzen und der StVO entspricht, greife ich auf unser Grundgesetz zurück, gegen welches die StVO verstößt. Die StVO muss korrigiert werden, danach kann das Urteil in einen Freispruch geändert werden.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • In der Tat gehört die Feststellung der Fahrlässigkeit bereits zur Anwendung des Rechts und unterliegt damit der Überprüfung durch das OLG.

    In §37 StVO steht im übrigen nicht geschrieben, dass man bei Rot nicht in Kreuzungen einfahren darf, sondern welche Bedeutung die Lichtsignale haben:

    Zitat

    Gelb ordnet an: „Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten“.

    Rot ordnet an: „Halt vor der Kreuzung“.

    D.h. die Lichtsignale ordnen etwas an. Es liegt aber auf der Hand, dass man gegen eine solche Anordnung nur verstoßen kann, wenn es objektiv möglich ist, die Anordnung auch zu befolgen. Aus diesem Grund darf man bei Gelb auch noch durchfahren, wenn man nicht mehr in der Lage ist, das Fahrzeug vor der Kreuzung gefahrlos anzuhalten. Wer zu Beginn der Rotphase durchfährt, handelt nur deshalb ordnungswidrig, weil er das Anhaltegebot des gelben Signals nicht beachtet hat, wobei aber eine ausreichend lange Gelbphase vorauszusetzen ist (3 Sekunden innerorts). Das wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auch durchgehend so formuliert (siehe Thread im Verkehrsportal). Man kann auch die These vertreten, dass Gelb und Rot dasselbe anordnen, denn auch beim Halt vor einer roten Ampel wartet man ja auf das nächste Zeichen, und wenn man vor der Kreuzung wartet, dann hält man doch vor der Kreuzung.

    Insofern kann man "rot" an einer normalen Ampel als "gelb" ansehen, welches schon mindestens 3 Sekunden andauert.

    Verstöße gegen das gelbe Licht (langsames Einfahren in die Kreuzung am Ende der Gelbphase) sind ebenfalls Ordnungswidrigkeiten im Sinne von § 49 StVO in Verbindung mit § 24 StVG.

    Man könnte im übrigen auch mit dem Verwaltungsverfahrensrecht argumentieren: Verkehrszeichen sind ja Verwaltungsakte in der Form einer Allgemeinverfügung.

    Nun ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn ihn aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann (§ 44 (2) Nr. 5 Hamburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz). Direkt (d.h. innerhalb von 0,0 Sekunden) kann kein Radfahrer sein Fahrrad zum Stehen bringen, wenn er beim Umschalten von Grün auf Rot direkt vor der Kreuzung ist und eine normale Radfahrergeschwindigkeit drauf hat.

    Deshalb würde es zu einem nichtigen (=unbeachtlichen) Verwaltungsakt führen, wenn man das Rotlicht so interpretiert, dass unmittelbar nach dem Aufleuchten des Rotlichts jedes Einfahren in die Kreuzung strikt verboten ist.

    Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann aber in einen rechtmäßigen Verwaltungsakt umgedeutet werden ( § 47 VwVfG Hamburg). Deshalb sind Rotlichter nicht unbeachtlich, sondern sind Anordnungen, die man befolgen muss, wenn man sie biologisch (Reaktionszeit) und physikalisch befolgen kann.

    Die Bußgeldkatalogverordnung kann nicht zur Begründung fahrlässigen Verhaltens herangezogen werden. § 24 StVG erklärt ja Verstöße nur gegen Verordnungen für ordnungswidrig, die wie die StVO aufgrund von § 6 StVG erlassen wurden. Die BKatV ist aber aufgrund von § 26a StVG erlassen worden, so dass sie keine neuen Bußgeldtatbestände einführen kann, sondern nur die Bußgeldhöhe bei Taten regelt, die bereits nach anderen Vorschriften als ordnungswidrig einzustufen sind.

    Ordnungswidrig kann man das Verhalten von Malte also nur einstufen, wenn man bereits das Grünlicht der Kombiampel als Gebot interpretiert, sich der Ampel nur mit Schrittgeschwindigkeit zu nähern.

  • Ich wollte mal die Tabellenfunktion der Forensoftware ausprobieren, um das unterschiedliche Räumungsverhalten von Fußgängern, Radfahrern und Kraftfahrern nach den RiLSA (Richtlinien für Lichtsignalanlagen) zu dokumentieren.

    Ausgangszeitpunkt ist dabei das Ende der Grünphase. Die RiLSA machen keinen Unterschied, ob danach eine Gelb- oder direkt eine Rotphase folgt bzw. wie lange die Gelbphase dauert.

    Nach Ende der Grünphase rechnet man noch für die Überfahrzeit mit der Einfahrt von Fahrzeugen. In der Tabelle (ab Zeile 5) findet man dann die Zeit ab Ende der Grünphase, die das Heck des einfahrenden Fahrzeugs braucht, um eine bestimmte Strecke (3 bis 27 Meter) zurückzulegen.

    Man sieht sofort, dass der RiLSA-Radfahrer immer schneller ist als der Fußgänger. Erst ab einer Entfernung von 18 Metern ist er langsamer als ein Kraftfahrer.

    Das liegt daran, dass der RiLSA-Radfahrer nur eine Überfahrzeit von 1 Sekunde haben soll. Das erscheint mir bei 4 m/s doch arg wenig.

    Außerdem wird seine Längenausdehnung nicht berücksichtigt.

    In der letzten Spalte findet sich dann ein Radfahrer, der am Ende einer 3 Sekunden dauernden Gelbphase einfährt und dessen Längenausdehnung mit 2 Metern berücksichtigt wird. Dieser ist immer langsamer als der Kraftfahrer, aber ab 6 Metern (2 Fahrspuren) schneller als der Fußgänger.


    StreckeFußgängerRadfahrerKraftfahrer
    Geschwindigkeit
    in m/s
    1,24104
    Überfahrzeit 01 s3 s3 s
    Fahrzeuglänge006 m2 m
    3 m2,51,753,94,25
    6 m52,54,25
    9 m7,53,254,55,75
    12 m1044,86,5
    15 m12,54,755,27,25
    18 m155,55,58
    21 m17,56,255,88,75
    24 m2076,19,5
    27 m22,57,756,410,25

    Fazit: um die Zwischenzeiten für die Fahrbahnampeln kurz zu halten, rechnet die RiLSA mit zu kurzen Überfahrzeiten und Fahrzeuglängen bei Radfahrern. Radfahrer, die gegen Ende einer 3 Sekunden dauernden Gelbphase der Fahrbahnampel einfahren, erreichen mit ihrem Heck den Konfliktpunkt 2,5 Sekunden später als nach RiLSA berücksichtigt. Das kann natürlich für Behinderungen bzw. Gefährdungen sorgen, wird aber - wenn überhaupt - nur mit einem Verwarngeld sanktioniert.

    Bei einer kombinierten Fußgänger/Radfahrerampel dagegen werden die Zwischenzeiten (Zeit zwischen Grünende der einen und Beginn der Grünphase der anderen Richtung) von den Fußgängern bestimmt. Diese reichen aber ab 6 Metern Furtbreite (2 Fahrspuren) auch für einen mit 3 Sekunden Verspätung einfahrenden Radfahrer komplett aus. Lediglich bei einer Furt über eine einzelne Spur kann ein Radfahrer, der nach 3 Sekunden Rot noch einfährt, zu leichten Behinderungen führen.

    Insofern spricht nichts gegen eine 3 Sekunden dauernde fiktive Gelbphase bei einer Kombiampel Fußgänger/Radfahrer.

  • Die Bußgeldkatalogverordnung kann nicht zur Begründung fahrlässigen Verhaltens herangezogen werden. § 24 StVG erklärt ja Verstöße nur gegen Verordnungen für ordnungswidrig, die wie die StVO aufgrund von § 6 StVG erlassen wurden. Die BKatV ist aber aufgrund von § 26a StVG erlassen worden, so dass sie keine neuen Bußgeldtatbestände einführen kann, sondern nur die Bußgeldhöhe bei Taten regelt, die bereits nach anderen Vorschriften als ordnungswidrig einzustufen sind.

    § 49 III Nr. 2 StVO verweist aber auf § 24 StVG, weshalb auch sonst ein Bußgeld in Höhe bis 2000 Euro gem. § 24 II StVG angesetzt werden kann, wobei die Höhe nach § 17 OwiG bemessen wird; die BKatV bestimmt insofern nur die Höhe der Bußgelder, die durch die ahndende Behörde festgesetzt werden darf - es wird durch den VT nicht gegen die BKatV verstoßen, sondern gegen die StVO.

  • es wird durch den VT nicht gegen die BKatV verstoßen, sondern gegen die StVO.

    Genau. Wobei allerdings die Formulierungen in der BKatV es nahelegen, jedes Überfahren einer roten Ampel als Ordnungswidrigkeit einzustufen:

    Zitat
    132a Als Radfahrer in anderen als den Fällen des Rechtsabbiegens mit Grünpfeil rotes Wechsellichtzeichen oder rotes Dauerlichtzeichen nicht befolgt§ 37 Absatz 2 Nummer 1 Satz 7, 11, Nummer 2, Absatz 3 Satz 1, 2
    § 49 Absatz 3 Nummer 2
    60 €
    ...
    132a.3 bei schon länger als 1 Sekunde andauernder Rotphase eines Wechsellichtzeichens§ 37 Absatz 2 Nummer 1 Satz 7, 11, Nummer 2
    § 49 Absatz 3 Nummer 2
    100 €
    ...

    Wenn man ab einer Sekunde Rot schon den erhöhten Satz bekommt, dann liegt es ja nahe, im Bereich von 0,0 bis 0,99 Sekunden die 60 Euro zu verhängen. Das ist anscheinend ein Rechtsirrtum, dem viele staatliche Entscheidungsträger (Polizisten, Bußgeldsachbearbeiter, Richter am Amtsgericht) aufsitzen.

    Die BKatV gilt zwar nur für den Regelfall. Aber ist eine kombinierte Streuscheibe für Fußgänger und Radfahrer als Ausnahme vom Regelfall anzusehen, wenn es davon z.B. alleine in Hamburg 10.000 bis 15.000 an ca. 1000 Ampeln geben soll? (Siehe Bundesratsdrucksache 428/12 Seite 137 zur Begründung der Übergangsfrist bis zum 31.12.2016)

    Insofern würde ich diese weit verbreiteten (im Gegensatz zu reinen Radfahrerampeln) Kombi-Streuscheiben als Argument anführen, dass man auch die BKatV diesbezüglich ergänzend auslegen muss, so dass sich die Notwendigkeit einer Fortbildung des Rechts ergibt. D.h. dann müsste man die Nr. 132.a um eine virtuelle Gelbphase modifizieren und das OLG müsste diese virtuelle Gelbphase dann genauer bestimmen hinsichtlich Zeitdauer und Voraussetzungen.

  • Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Bürgeranfrage, wonach die Geschwindigkeit bei einer fehlenden Gelbphase zu verlangsamen sei:

    http://www.verkehrsportal.de/board/index.ph…st&p=1057643435

    Und eine Übersicht über ähnliche Fälle, die bereits vor den Amtsgerichten höchst unterschiedlich ausgegangen sind:

    1) Betroffener, der selber Richer am Landgericht Bielefeld ist, zieht seinen Einspruch in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Bielefeld zurück:

    https://www.westfalen-blatt.de/OWL/Bielefeld/…0-Euro-Bussgeld

    2) Betroffener wird vom Amtsgericht Münster verurteilt, allerdings wegen schlechter Erkennbarkeit der Lichtzeichenanlage zu einer niedrigen Geldbuße, die ihm eine Eintragung in das Verkehrszentralregister und damit Probezeitmaßnahmen erspart:

    http://www.verkehrsportal.de/board/index.ph…ndpost&p=487935

    3) Einstellung des Verfahrens durch das Amtsgericht in drei Fällen:

    http://www.verkehrsportal.de/board/index.ph…opic=82649&st=0


    https://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.urteil-…567d34db44.html

    Das in einem Kommentar zum Beitrag "Richter gegen Richter" (Westfalenblatt vom 28.04.18) erwähnte Verfahren AZ 191 OWi-302 Js 3174/13-407/13 vor dem Amtsgericht Bielefeld.

    4) Verzicht auf Einlegung eines Einspruchs:

    http://www.verkehrsportal.de/board/index.ph…pic=104087&st=0

  • Ich gehe dann morgen mal zum Rechtspfleger. Ich bekomme momentan nicht so ganz viel auf die Reihe, denn bekanntlich geht’s mit 30 Jahren bergab und seit nunmehr sechs Wochen plage ich mich abwechselnd mit Hexenschuss und einer hartnäckigen Erkältung herum und verbringe nunmehr schon die dritte Woche abseits von Arbeit und Fahrrad zu Hause. Das reicht, um mich auf Twitter aufzuregen und hier ein paar Beiträge zu tippen, aber ich sehe mich momentan nur mäßig in der Lage, eine sinnvolle Begründung zu formulieren. Uwe unterstützt mich da freundlicherweise großartig — schon mal einen ganz herzlichen Dank dafür!

    Einen Termin habe ich morgen beim Rechtspfleger nicht bekommen, ich soll dort einfach klingeln und notfalls wieder eine Weile warten. Meine Ärztin hat mir viel frische Luft und ausgedehnte Spaziergänge verordnet, aber ich glaube nicht, dass sie damit einen Aufenthalt in den Fluren im Strafjustizgebäude meinte.

  • Uwe  Malte glaubt ihr eigentlich, dass mein Argument mit §3 GG überhaupt Sinn macht?

    Aus meiner Sicht (als Nicht-Jurist) ist das nämlich immernoch der entscheidende Punkt.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Eine zulassungspflichtige Rechtsbeschwerde durchzubekommen ist immer wie ein Segeln zwischen Skylla und Charybdis: einerseits muss man argumentieren, dass eine Fortbildung des Rechts erforderlich ist, d.h. dass man nicht unter Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz alles, was die Rechtsprechung für Kraftfahrzeuge an Ampeln entwickelt hat, 1:1 auf Fahrräder übertragen kann, andererseits soll natürlich die Rechtsfortbildung im Sinne der Radfahrer ausfalllen.

    Nur durch ein Berufen auf den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 GG wird man das nicht schaffen. Letzten Endes ist Artikel 3 GG den Richtern am OLG ja auch vertraut, d.h. darauf müssen sie nicht mit der Nase gestupst werden. Und sie entscheiden dann selber, was als gleich angesehen werden muss und wann eine Ungleichheit vorliegt, die eine differenzierte Betrachtung erfordert. Überspitzt formuliert: man könnte unter Berufung auf Art. 3 GG ja auch fordern, dass Radfahrer auf Autobahnen fahren dürfen, oder dass Kraftfahrzeuge Radwege benutzen (und dann auch dort parken) dürfen.

    Wichtig bei einer Begründung erscheinen mir doch eher die Fakten, die auch ein Jurist nicht bereits aufgrund seiner Berufsroutine im Kopf hat. Das sind meiner Meinung nach z.B. die sehr geringen Anforderungen, die die StVZO an Fahrradbremsen stellt. Damit kann man einerseits begründen, dass man die KfZ-Ampel-Rechtsprechung nicht auf Fahrräder übertragen kann, andererseits führt die Anwendung dieses Arguments zu einer möglichst langen (fiktiven) Gelbphase für Radfahrer, d.h. dass die im Verhältnis zum Kfz-Verkehr niedrigere Geschwindigkeit des Radverkehrs nicht dazu führen sollte, die Dauer einer fiktiven Gelbphase auf 2 Sekunden zu begrenzen.

    Letzen Endes muss man jetzt sowieso weitersehen, wieviel Zeit sich der Rechtspfleger für das Protokoll nimmt und was da alles reinkommt.

    Rechtsausführungen darf der Betroffene auch danach noch machen, z.B. als Replik auf eine Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft.

  • Rechtsausführungen darf der Betroffene auch danach noch machen, z.B. als Replik auf eine Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft.

    BTW: Wie sind eigentlich die Fristen für solche Repliken auf die Gegenseite?

    Genauer gesagt auch in Verwaltungsgerichtsverfahren, wenn nix drunter steht ...

  • Ich muss noch berichten, was eigentlich vor gut zwei Wochen beim Amtsgericht vorgefallen ist, als ich mit der von Uwe ausgearbeiteten Begründung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde und Begründung der Rechtsbeschwerde zum Rechtspfleger gegangen bin.

    Die Kurzfassung lautet: Es ist grundlegend in die Hose gegangen. Ich habe den Antrag auf die Rechtsbeschwerde zurückgezogen und bekomme in den nächsten Tagen oder Wochen eine Rechnung für den Rotlichtverstoß und die Gerichtskosten. Der Rechtspfleger machte deutlich, dass man ohne Anwalt eigentlich gar keine Chance hat, vor dem Oberlandesgericht mit einer Rechtsbeschwerde durchzukommen.

    Die Langfassung:

    Ich hatte mir am Mittwoch einen Termin für Freitag beim Rechtspfleger gebeten. Freitagabend um Mitternacht lief schließlich die Frist zur Abgabe einer Begründung ab und gegen 12:30 Uhr tauchte ich dort auf. Das erste Problem war: Der Rechtspfleger gedachte um 14 Uhr Feierabend zu machen.

    Das zweite Problem war, dass wir überhaupt nicht daran gedacht hatten, wie die Einreichung einer Begründung über den Rechtspfleger funktioniert. Der gute Mann war schier fassungslos, als ich ihm sechseinhalb ausgedruckte Seiten hinblätterte, die Uwe formuliert hatte. Zur Erklärung seiner Verfassung muss ich wohl etwas weiter ausholen: Der Rechtspfleger diente in meinen Fall dazu, dass ich auch ohne den kostenintensiven Weg über einen Rechtsanwalt eine Rechtsbeschwerde einlegen kann und die dazu notwendige Begründung über den Rechtspfleger abgebe. Der Rechtspfleger tippt die Beschwerde zusammen und prüft meine Begründung quasi Satz für Satz, schlägt Urteile nach und schaut unter Umständen auch nach, ob das zitierte Urteil überhaupt für die Beschwerde brauchbar ist. Damit soll verhindert werden, dass ganz clevere Leute ihre Rechtsbeschwerde damit begründen, dass der Beamte bei der Feststellung der eigentlichen Ordnungswidrigkeit gar keine Mütze getragen hätte. So einen Stuss muss er sich halt auch manchmal anhören, das ist sein Job, und zu seinem Job gehört auch, dass sich die Richter am Oberlandesgericht mit nicht abgeben müssen.

    Das kostet aber alles Zeit und in der Regel beginnt dieser ganze Prozess damit, dass direkt nach der Verkündung des Urteils (nicht nach der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung!) mehrere Termine beim Rechtspfleger vereinbart werden, beispielsweise einmal pro Woche nachmittags um 13 Uhr für drei Stunden. So eine Rechtsbeschwerde zu formulieren braucht halt seine Zeit. Insofern ging der Rechtspfleger wohl davon aus, dass ich an einem Freitagnachmittag auf den letzten Drücker vor Fristende wohl nicht viel mehr zur Begründung beitragen wollte als „Gerügt wird die Verletzung des materiellen Rechts“.

    Der Rechtspfleger war wirklich nach Kräften bemüht mir zu helfen, aber selbst wenn er sich jetzt den ganzen Nachmittag noch drangesetzt hätte, wären niemals die ganzen sechseinhalb Seiten zur Begründung durchgekommen. Es blieben mir also nur die Alternativen, entweder die Rechtsbeschwerde jetzt zurückzuziehen oder noch schnell etwas zu formulieren. Seiner Schätzung nach würden wir vielleicht eine halbe Seite hinbekommen, vielleicht sogar eine ganze.

    Aber: Ich war schier nicht in der Lage, die umfangreichen und ausformulierten sechseinhalb Seiten auf eine oder gar eine halbe zu schrumpfen, ohne wesentliche Teile der Begründung fallenzulassen. Darauf war ich nun gar nicht vorbereitet. Wir schnitzten noch eine Weile an einer Kurzfassung herum, aber ich sah ein: Das wird nichts.

    Angesichts des Kostenrisikos einer erfolglosen Rechtsbeschwerde, das wir in meinem Fall leider nicht so ganz beziffern konnten, ließ ich es lieber bleiben.

    Dann war ja noch das Problem, dass Uwe die Begründung wie hier im Thread mehrfach erwähnt anhand der fehlenden Gelbphase gestrickt hatte. Der Rechtspfleger merkte an, dass das aber nicht ginge, weil sich das Gericht im Urteil ja geschickt um die fehlende Gelbphase und deren Berücksichtigung herumgeschlichen hatte. Wir blätterten etwas in der Akte und fanden meinen Antrag auf die Korrektur des Urteils. Auf der Rückseite stand: „Wiedervorlage am 22. März“ Das Gericht wollte also abwarten, ob ich eine Begründung zur Rechtsbeschwerde abgebe, um dann eventuell das Urteil zu korrigieren. Ich bin mir nicht sicher, ob das so ablaufen dürfte oder nicht, aber eigentlich ging ich davon aus, dass die Korrektur nach Möglichkeit sofort erfolgen sollte, um den Aufbau der Rechtsbeschwerde zu ermöglichen.

    Naja. Für das nächste Mal sind wir dann schlauer: Man ruft rechtzeitig den Rechtspfleger an.

    Übrigens: Wenn man das einen Anwalt machen lässt, wird man nach meiner Erfahrung kaum mit den üblichen Sätzen aus der Anwaltskostentabelle auskommen, sondern eine gesonderte Vergütung vereinbaren müssen, die nach unserer vorsichtigen Schätzung und meinen Nachfragen bei verschiedenen Anwälten im Endeffekt zwischen 3.000 und 7.000 Euro gelegen hätten. Im Erfolgsfall bekäme man aber offenbar nur die Kosten aus der Tabelle zurück, also anscheinend knappe 500 Euro (???), den Rest zahlt man dann aus der eigenen Tasche drauf fürs gute Gefühl, im Recht gewesen zu sein. Das steht natürlich in gar keiner Relation zum eigentlichen Bußgeld von 60 Euro und das ist dann wohl auch der Grund, warum es für solche Fälle bislang keine erfolgreichen Rechtsbeschwerden gibt.

    Insofern möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei Uwe für die ausführliche Begründung bedanken, auch wenn die leider im Endeffekt nicht zum Zuge kam.

    Und ich muss mir noch mal überlegen, wie ich diese medienwirksam organisierten Fahrradkontrollen der Polizei einordnen soll.

  • Übrigens: Wenn man das einen Anwalt machen lässt, wird man nach meiner Erfahrung kaum mit den üblichen Sätzen aus der Anwaltskostentabelle auskommen, sondern eine gesonderte Vergütung vereinbaren müssen, die nach unserer vorsichtigen Schätzung und meinen Nachfragen bei verschiedenen Anwälten im Endeffekt zwischen 3.000 und 7.000 Euro gelegen hätten. Im Erfolgsfall bekäme man aber offenbar nur die Kosten aus der Tabelle zurück, also anscheinend knappe 500 Euro (???), den Rest zahlt man dann aus der eigenen Tasche drauf fürs gute Gefühl, im Recht gewesen zu sein.

    So ist es, das richtet sich nach RVG.

    Anwalt ist aber ein sehr gut bezahlter Job mit deutlich dreistelligen Stundensätzen.

    Ein Anwalt wird sich also nicht mehrere Tage mit einem Fall beschäftigen, für den er nur nach RVG bezahlt wird.

    Für 500€ kriegt man max. 2-3 Stunden. Das reicht kaum mehr als sich das Urteil durchzulesen und eine Standard-Rechtsbeschwerde "Verletzt materielles Recht" zu schreiben.

    Es mag natürlich auch Anwälte geben, die einfach mal auf Geld verzichten und so ein Fall aus eigenem Interesse heraus durchziehen. Aber so jemanden müsste man dann wohl privat kennen.

    Der Vorteil vom RVG ist: Wenn man einen Prozess verliert, bezahlt man den gegnerischen Anwalt auch nur nach RVG.

    Insgesamt führst das System dazu, dass Rechtsstreitigkeiten häufig schon allein wegen der eigenen Anwaltskosten wirtschaftlich unsinnig sind, man ohne Anwalt aber deutlich schlechtere Aussichten hat.

    Wer genug Geld hat, bekommt letztlich eher Recht zugesprochen.


    Anwaltskosten waren letztlich auch der Grund, warum ich meine verlorenen Klagen nicht in die nächste Instanz gebracht hab. Für 3k€ hätte ich noch ernsthaft darüber nachgedacht, aber nicht für 30k€ was mich das im worst case hätte kosten können. Davon kann man sich viele OWIs leisten.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.