Rotlichtverstoß: Rechtsbeschwerde beim OLG Hamburg

  • Wieso ist das falsch? Umfasst der geschützte Bereich der Ampel wirklich nur die Fahrbahn oder auch Radweg/Gehweg?

    Das hängt von den konkreten Gegebenheiten vor Ort ab. Bei einer Fußgängerampel mit kombinierter Streuscheibe liegt wahrscheinlich nur die Fahrbahn im geschützten Kreuzungsbereich.

  • Für den Rotlichtverstoß muss er auch die Fahrbahn nicht überqueren. Es reicht wenn er in sie einfährt.

    Ja ha, aber mir geht es darum, dass im Urteil steht, er habe trotz Rotlicht »die Straße« überquert. Bis zur Bordsteinkante war alles legal, also auch das »Überqueren« des Gehweges und des »Radweges« auf dem durchgehend gepflasterten Radweg. Mangels Haltelinie kann nur der Bordstein maßgeblich sein. Und nicht vergessen: die angeblich maßgebliche Ampel steht auf der anderen Seite der Fahrbahn!

  • Momentan sieht es alles nicht so ganz geil aus. Ich habe ein paar Anwälte angefragt, bei einem ist noch eine Antwort ausstehend, die anderen sehen entweder gar keine Erfolgsaussichten für eine Rechtsbeschwerde anhand des Urteils oder möchten gerne so viel Geld sehen, dass der finanzielle Aufwand in gar keinem Verhältnis zum Bußgeld oder meinem Interesse an der Sache steht — ich will ja nun auch nicht plötzlich zwei- bis viertausend Euro ausgeben, um anschließend vom OLG Hamburg zu hören, dass meine Rechtsbeschwerde abgewiesen wurde.

    Das Problem am Urteil ist, dass beispielsweise die fehlende Gelbphase nicht berücksichtigt wurde. Die fehlende Gelbphase ist aber ein wesentlicher Punkt dieses Sachverhaltes, denn entweder habe ich keinen vorwerfbaren Rotlichtverstoß begangen, weil die Gelbphase nunmal fehlte, oder ich war für eine Kreuzung ohne Gelbphase zu schnell, worüber wir uns ja während der Hauptverhandlung ungefähr zehn Minuten lang unterhalten haben und schließlich bei der Schrittgeschwindigkeits-Nummer aus § 3 Abs. 1 StVO und § 1 Abs. 2 StVO herauskamen.

    Dazu müsste nun eine Tatbestandsberichtigung angeregt werden, deren Frist nach meiner Kenntnis am 8. März abläuft.

    Nun ist halt die Frage: Alles selbst machen? Oder die weiße Fahne schwenken, dass die Polizei Hamburg zusammen mit der Justiz in diesem Fall gewonnen hat, obschon der Vorwurf des Rotlichtverstoßes, die komplette Kontrollsituation am Alsterglacis und das Urteil eher nicht ganz so schön sind?

    Momentan bin ich aber erst bei knapp 150 Euro, wenn ich das richtig sehe, einen Punkt gibt’s noch oben drauf, damit kann ich notfalls auch leben.

  • Dazu müsste nun eine Tatbestandsberichtigung angeregt werden, deren Frist nach meiner Kenntnis am 8. März abläuft.

    Ich bin mir nicht sicher, dass das nötig ist, da die fehlende Gelbphase aus dem Urteil hervorgeht. Wenn auch nur indirekt über Erwähnung des Typs der Ampel.

    In der Begründung ans OLG könnte man das dementsprechend wie selbstverständlich erwähnen: "In 4 m Entfernung sprang die Kombiampel von grün direkt auf rot, so dass keinerlei Reaktionszeit verblieb." oder so ähnlich. Dann merkt das OLG im Zweifel gar nicht, dass es die Diskussion um die Tatbestandsberichtigung überhaupt gab.

  • ich will ja nun auch nicht plötzlich zwei- bis viertausend Euro ausgeben, um anschließend vom OLG Hamburg zu hören, dass meine Rechtsbeschwerde abgewiesen wurde.

    Selbst wenn Du freigesprochen wirst, werden Dir aus der Staatskasse nur die RA-Kosten ersetzt, die nach dem RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) erstattet werden müssen. Das sind für die Rechtsbeschwerdeinstanz auch in schwierigen Fällen weniger als 1000 Euro (die Auskunft von @rapit im Verkehrsportal bezog sich wohl auf irgendeinen Mittelwert).

    Meiner Meinung nach ist eine Tatbestandsberichtigung nicht zwingend aus den von Epaminaidos genannten Gründen.

    Versuchen sollte man es natürlich trotzdem, damit das Urteil klarer wird.

    Die fehlende Gelbphase muss aber in jedem Fall thematisiert werden, weil sich nur daraus die Notwendigkeit einer Fortbildung des Rechts ergibt.

    Ich würde so formulieren: mit der "Lichtzeichenanlage für Fußgänger und Radfahrer" ist offensichtlich eine Kombiampel gemeint, in der jedes Leuchtfeld sowohl ein Radfahrer als auch ein Fußgängersymbol enthält. Es ist eine allgemein bekannte und damit offenkundige Tatsache, dass solche Ampeln keine Gelbphase haben. Es gibt keine gelb leuchtenden Fußgängersymbole. Das ergibt sich im übrigen auch aus der in § 37 ... StVO enthaltenen Vorschrift, wonach bei Fußgängern die Farbfolge grün-rot-grün ist.

    Dann müsste man möglichst ausführlich erläutern, warum diese fehlende Gelbphase immer wieder ein Problem für die Rechtsprechung der Amtsgerichte ist, um das OLG dazu zu bringen, eine Fortbildung des Rechts für geboten zu halten.

    Die in der mündlichen Verhandlung erwähnte Schrittgeschwindigkeit ist meines Erachtens auch nicht zwingend. Im Grunde hat das AG die Meinung vertreten, dass ein Rotlichtverstoß vorliegt, wenn man zum Zeitpunkt des Umschaltens von Grün auf Rot noch mindestens 4 Meter vom Überweg entfernt ist und trotzdem fährt. Ob man zu schnell für eine Bremsung war (wie bei den 24 km/h) oder ob man das mögliche Bremsmanöver einfach nicht durchgeführt hat, ist dann bei dieser Rechtsauffassung eher sekundär.

    Diese Rechtsauffassung überprüfen zu lassen, wäre dann die Aufgabe des OLG zur Fortbildung des Rechts.

  • Interessante Variante. Die hatte ich noch gar nicht auf dem Schirm. Ich bin nach Maltes Beschreibung der Verhandlung bisher davon ausgegangen, dass das Gericht bereits die Geschwindigkeit von 24 km/h im Ampelbereich als fahrlässig betrachtet.

    Leider findet sich im Urteil nichtmal eine Andeutung, worin das Gericht nun die Fahrlässigkeit sieht.

  • Ich verweise hierbei noch mal auf: OLG BB (1 Z) 53 Ss-OWi 450/11 (246/11).

    Zitat

    Das Fehlen der Urteilsgründe allein erfordert die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht zu besorgen. Das Verhandlungsprotokoll beweist, dass die schriftlich und mündlich vorgetragenen Einwände des Betroffenen gegen die Geschwindigkeitsmessung in der Hauptverhandlung erörtert worden sind, wobei insbesondere ein Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet hat und dieses in der Hauptverhandlung ebenso mündlich erörtert worden ist wie der Beschilderungsplan. [...]

    Dem Bußgeldbescheid und dem Hauptverhandlungsprotokoll sowie dem Eichschein und dem Messprotokoll ist beispielsweise des Weiteren zu entnehmen, dass die Messung mittels eines geeichten Gerätes im standardisierten Messverfahren „ES 3.0“ vorgenommen und der erforderliche Toleranzabzug in Ansatz gebracht worden ist.


    Es reicht für die Zulassung also aus, dass aus dem Protokoll, das Malte erhalten hat, hervorgeht, dass die Frage zur Geschwindigkeit erörtert wurde, das ganze muss nicht direkt aus dem Urteil hervorgehen.
    Eine Berichtigung wird es wohl eh nicht geben, das ist im Strafprozessrecht (das über § 46 OwiG Anwendung findet) nur bei ganz offensichtlichen Fehlern vorgesehen, siehe hier.

  • Ich denke auch, dass man sich auf die Berichtigung nicht versteifen sollte, auch wenn ein entsprechender Antrag eher nützen als schaden kann.

    Malte: Steht in dem Protokoll denn überhaupt etwas Substanzielles drin, was nicht bereits im Urteil steht? Wenn nicht, kann man aber auf die Einspruchsschrift verweisen mit dem Foto als Anlage. Wenn die fehlende Gelbphase dann noch im Berichtigungsantrag erwähnt wird, sollte das zur Klarstellung reichen, dass diese Frage nicht einfach übersehen wurde (was dann ein Fehler im Einzelfall wäre).

    Was anderes: Hatte die Hamburger Polizei nicht mal ein Statement veröffentlicht, dass sie "Rotlichtverstöße" von Radfahrern bei fehlender Gelbphase nur verfolgt, wenn seit Umschalten auf rot 1 bis 3 Sekunden vergangen sind? Eine entsprechende Meldung sollte m.E. in der Rechtsbeschwerde belegt werden.

    Da Malte mit seinen 0,6 Sekunden darunter liegt (gehen wir mal davon aus, dass sich die 4 Meter nicht nachweislich verlängern lassen), könnte ein solche Verwaltungspraxis dazu führen, dass das Verfahren vom OLG ziemlich formlos eingestellt werden könnte, wenn das OLG diese Verwaltungspraxis als durchgängig angewandt ansieht: Siehe
    OLG Karlsruhe Beschluß vom 29.10.2004, 1 Ss 121/04

    Wenn andererseits eine 1-3 Sekunden-Praxis mit dem Opportunitätsprinzip begründet sein sollte, stellt sich zur Fortbildung des Rechts die Frage, ob sich eine solche Regelung nicht bereits aus dem Erfordernis mindestens fahrlässigen Verschuldens ergibt, d.h. ob diese Praxis nicht von der Rechtslage erzwungen ist.

  • Protokoll, das Malte erhalten hat

    Von welchem Protokoll ist denn eigentlich die Rede? Ich hatte lediglich ein vierseitiges Urteil und ein kurzes Anschreiben erhalten. Sehe ich das richtig, dass ich dieses Protokoll auch noch einmal hätte Anfordern müssen?

    Was anderes: Hatte die Hamburger Polizei nicht mal ein Statement veröffentlicht, dass sie "Rotlichtverstöße" von Radfahrern bei fehlender Gelbphase nur verfolgt, wenn seit Umschalten auf rot 1 bis 3 Sekunden vergangen sind? Eine entsprechende Meldung sollte m.E. in der Rechtsbeschwerde belegt werden.

    Das hatte Herr Wolter damals beim NDR so gesagt, ja. Die entsprechende Seite in deren Mediathek existiert nicht mehr, aber jemand hat eine Kopie bei YouTube hochgeladen.

  • Sehe ich das richtig, dass ich dieses Protokoll auch noch einmal hätte Anfordern müssen?

    Klar, automatisch geht sowas nicht. Frag mal freundlich beim Gericht nach, die sagen dir dann hoffentlich, wie das funktioniert.

    Rechtsgrundlage könnte §475 StPO sein, vielleicht auch §147.

    Nun ist halt die Frage: Alles selbst machen?

    Selbst wenn ein Anwalt 250€ pro Stunde nimmt, in 4 Stunden müsste ein Jurist sowas locker zusammenschreiben können. Vielleicht sind manche Leute einfach sehr gierig?

    Wenn du keinen Anwalt findest, der dir das für 1000€ schreibt, ist es durchaus eine Option das selbst zu machen.

    Ist etwas Aufwand, aber auch nicht uninteressant.

    Im wahrscheinlichsten Fall wird die Beschwerde nicht angenommen, dann ist das Thema erledigt.

    Vielleicht wird der Beschwerde stattgegeben, dann können wir feiern.

    Oder die Beschwerde wird beurteilt und abgelehnt, dann kommen halt nochmal 100€ oder so oben rauf; hast ja genug Unterstützung zugesagt bekommen, dafür reicht das ;)

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Mag jemand mal eine gute Vorlage für irgendeine erfolgreiche Rechtsbeschwerde raussuchen? Mir scheint, man müsse auf ein paar Formalitäten wie §344 StPO achten.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Dabei sollte der Rechtspfleger helfen können. Im Strafrecht (und OWis sind eigentlich ein Teil davon) sind die Gerichte erfrischend unformalistisch.

    Vielleicht mal vorfühlen und anfragen, ob man einen Termin vereinbaren kann, in dem man das in Ruhe besprechen kann?

  • Die formalen Mindestanforderungen dürften erfüllt sein, wenn die Begründung der Rechtsbeschwerde die Sätze

    "Gerügt wird die Anwendung des materiellen Rechts" sowie

    "Es wird beantragt, den Betroffenen freizusprechen"

    enthält. Bei Geldbußen bis 100€ kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur zur Fortbildung des materiellen Rechts beantragt werden sowie wegen Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs. Bezüglich der Prüfung des materiellen Rechts reicht obige Formel im Prinzip aus, auch wenn man natürlich Rechtsausführungen machen sollte, um den eigenen Standpunkt zu begründen. Anders wäre es wenn man Verfahrensrügen erhebt, dann verlangt die Rechtsprechung sehr detaillierte Begründungen, welche Verfahrensfehler das Gericht gemacht hat und was anders gelaufen wäre, wenn das Gericht anders verfahren hätte z.B. noch zusätzliche Zeugen gehört, ein Sachverständigengutachten eingeholt etc. Bezüglich Verfahrensrügen sind die OLG's also sehr pingelig. Da solche Einwendungen aber im vorliegenden Fall ohnehin unzulässig sind, braucht man sich diesbezüglich keine Sorgen machen.

    Der Antrag, welche Maßnahme das Gericht fällen soll, könnte u.U. auch entfallen, wenn klar ist, was gewollt ist. Aber warum sollte man den Freispruch nicht beantragen?

    Dass die formalen Mindestanforderungen erfüllt werden, müsste aber der Rechtspfleger bzw. der Anwalt ohnehin sicherstellen.

    Sinnvoll ist es meiner Meinung nach in jedem Fall, mal einen Entwurf für die Begründung der Rechtsbeschwerde aufzuschreiben gewissermaßen als Vorlage für den Rechtspfleger oder einen noch einzuschaltenden Anwalt.

    Das könnte thematisch wie folgt gegliedert werden:

    Zunächst die Begründung des Zulassungsantrags:

    1. Kurze Zusammenfassung/Erläuterung des Urteils: Kombiampel ohne Gelbphase, 24 km/h und 4 Meter Entfernung beim Umspringen

    2. Darstellung der Rechtsansicht des AG, warum eine Verurteilung erfolgt ist

    3. Begründung mit Belegen, warum diese Ansicht (Schrittgeschwindigkeit oder sehr niedrige Geschwindigkeit beim Annähern an eine solche Ampel) keine isolierte Einzelmeinung ist, sondern weit verbreitet ist.

    4. Auflisten von Fragen, die bezüglich der Problematik "Radfahrerampel ohne Gelbphase" klärungsbedürftig sind oder sein könnten.

    Selbst wenn man der Ansicht des AG bezüglich einer niedrigen Geschwindigkeit folgt, stellt sich ja die Frage, ob ein entsprechender Rotlichtverstoß noch als Regelfall im Sinne des Bußgeldkatalogs anzusehen ist. Weiterhin wäre grundsätzlich zu klären, ob man grundsätzlich von einer fiktiven Gelbphase von 3 Sekunden ausgehen sollte und welche Feststellungen das Gericht für eine Verurteilung bei einem kürzeren Zeitabstand treffen muss: mit dem benutzten Fahrrad am betreffenden Tag erzielbare Bremsverzögerung? Länge des Überwegs, um die Zwischenzeit zu bestimmen? Reaktionsvermögen des Radfahrers? Existenz von bedingt vereinbaren Verkehrsströmen wie Rechtsabbieger aus derselben Richtung oder entgegenkommende Linksabbieger?

    Dann die Begründung der Rechtsbeschwerde, also des eigenen Standpunkts:

    5. Argumente, warum aus Rechtsgründen keine niedrige Annäherungsgeschwindigkeit gefordert werden kann

    6. Argumente, welche negativen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit ein Runterbremsen auf Schrittgeschwindigkeit haben kann.

    7. Vergleich der "Gefährlichkeit" des Verstoßes von Malte im Gegensatz zu einem Gelblichtverstoß eines langsam fahrenden Radfahrers auf der Fahrbahn, um darzulegen, dass jedenfalls eine Ahndung nach Bußgeldkatalog grob ungerecht wäre, selbst wenn Malte zu schnell auf den Überweg zugefahren sein sollte.