Änderungen wegen der DSGVO

  • Wieso? Er macht sich ggf. strafbar und wird dann nach österreichichem Recht bestraft. Eben nicht.

    Hmm, okay, das mag sein. Aber was passiert denn, wenn beispielsweise ein russischer Händler gegenüber einem deutschen Kunden gegen die DSGVO verstößt? Ist die DSGVO nur einschlägig, wenn sich beide Vertragsparteien innerhalb der Europäischen Union befinden?

  • Interessanter Thread.

    Und wirklich schwierig, Datenschutz und State-of-the-Art-IT miteinander zu vereinbaren. Ich habe schon vor mehreren Jahren meine popelige Hompage mit Baukasten bei freenet (ich weiß, ich weiß, da rümpft der Kenner die Nase) gelöscht, weil die Sache mit dem Abmahnen wegen Kleinnigkeiten durch Kanzleien kam.

    Ferner finde ich den Verweis auf analoge Fotografie interessant. Sollte sie gar ein Revival über Retro-Sofortbildkameras hinaus erfahren?

    „Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ (Reichsverkehrsministerium, 1934)

  • Ich habe jetzt noch mal ein bisschen zu der ganzen Thematik recherchiert.

    Offenbar ist dem Gesetzgeber durchaus klar, dass es eine gewisse Konkurrenz zwischen der DSGVO und dem KunstUrhG gibt. Er ging aber davon aus, dass mit Art. 85 DSVGO das Verhältnis zum KunstUrhG geklärt wäre.

    Das ist meines Erachtens aber nicht so und das sehen offenbar auch viele andere Betroffene so: Das KunstUrhG enthält die seit über hundert Jahren bewährten Regelungen, inwieweit ich Fotos von Menschen oder Menschenmengen veröffentlichen darf. Dazu gibt es eine ausführliche Rechtsprechung mit hinreichender Rechtssicherheit.

    Dann kommt die DSGVO und sagt, ich möge nun aber bitte zusätzlich zu den Regelungen aus dem KunstUrhG auch Einverständniserklärungen und Prozessdokumentationen und so weiter und so fort bis hin zum Recht auf Vergessen beim Fotografieren implementieren. Ich darf also durchaus weiterhin eine Demonstration fotografieren, muss nur wegen der DSGVO Einverständniserklärungen besorgen und so weiter und so fort.

    Die Klärung der Rechtslage überlässt man dann den Gerichten. Prima. Ich halte es für vollkommen indiskutabel bei Vorschriften, über die offenbar nicht einmal ansatzweise Einigkeit bezüglich der Interpretation herrscht, die aber dann auch noch beinahe jeden Bürger betrifft, weil mittlerweile so gut wie jeder mit dem Smartphone eine Kamera dabei hat, auf eine Rechtsprechung zu warten, die womöglich noch zwei oder drei Jahre in Anspruch nimmt.

    Selbst das wäre aber für mich noch zu ertragen, wenn das Risiko nicht so groß wäre. Das angedrohte Strafmaß aus Art. 83 DSGVO lässt mit bis zu 20 Millionen Euro, bei Unternehmen bis zu vier Prozent des weltweit erzielten operativen Umsatzes vermuten, dass der Gesetzgeber auch bei Verstößen von kleinen, unbedeutenden Website-Betreibern kaum mit 250 oder 500 Euro zufrieden sein wird. In einer facebook-Gruppe war davon die Rede, dass ein fünfköpfiger Handwerksbetrieb die Auskunft erhielt, bei nachlässigem Umgang mit Kundendaten mit einem Bußgeld von mindestens 100.000 Euro rechnen zu müssen.

    Will sagen: Das Experiment herauszufinden, ob die Gerichte die Symbiose aus DSGVO und KunstUrhG so wie der Gesetzgeber interpretieren, kann im Ernstfall richtig teuer, wenn nicht sogar existenzgefährdend werden.

  • Die Maßnahmen durch die Datenschutzbehörden müssen aber auch verhältnismäßig sein. Wenn ein Unternehmen massiv, vorsätzlich und wiederholt gegen die Bestimmungen verstößt wird es (hoffentlich) teuer werden.

    Wenn bei einem kleinen privaten Forenbetreiber nicht alle Fotos gepixelt sind, sollte es, wenn überhaupt, erstmal zu einer Ermahnung kommen.

    Das reine Erstellen (Nicht Veröffentlichen) von Fotos halte ich sowieso für legal, zumindest was die EU-DSGVO angeht:

    Zitat

    Diese Verordnung findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten

    ...

    durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten

    Da soll mir erstmal jemand Beweisen, dass ich keine natürliche Person bin oder dass das nicht persönlichen Zwecken dient.

    https://dsgvo-gesetz.de/erwaegungsgruende/nr-18/


    Vorschlag: Du könntest fordern, dass keine Gesichter, KFZ-Zeichen oder ähnliche markante Merkmale erkennbar sind.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Tattoo am Oberarm, eigen-kreatives Kleid, Aufkleber auf Heckscheibe..
    sind im Zweifelsfalle dann auch schon "markante Merkmale", oder?

    https://dsgvo-gesetz.de/erwaegungsgruende/nr-26/

    Das ist Abwägungssache und wird wohl noch Gerichte beschäftigen. Und das ist eigentlich ein großes Problem hier: Rechtsunsicherheit. Niemand weiß so recht, was er darf, muss, oder nicht darf.

    Das andere große Problem an der DSGVO ist, dass man sehr schnell in die Situation kommt, dass man mit personenbezogenen Daten umgeht und dann einen riesengroßen Aufwand treiben muss. Ich bin derzeit ernsthaft am Überlegen, ob ich für meine geschäftlichen Kontakte noch E-Mail nutzen möchte.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Was ist denn die Alternative zur Mail?

    Da die „analoge Post“ prinzipiell ähnlichen Regularien unterliegt: Keine. Theoretisch muss ich meinem Gesprächspartner ja noch einige Grundsätze meiner Datenschutzrichtlinie erklären, bevor ich seine Nummer während eines Telefonates irgendwo einspeichern darf.

  • Theoretisch muss ich meinem Gesprächspartner ja noch einige Grundsätze meiner Datenschutzrichtlinie erklären, bevor ich seine Nummer während eines Telefonates irgendwo einspeichern darf.

    Mein Telefon speichert automatisch eine Anrufliste. Damit kann ich nachvollziehen, mit wem ich wann telefoniert habe! Diese Daten müsste ich also auch löschen, sobald ich sie nicht mehr benötige. Oder ich muss mir die Einwilligung der Gesprächspartner für die dauerhafte Speicherung einholen.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Was ist denn die Alternative zur Mail?

    Mail ist teilweise alternativlos. Das Impressum meiner (geschäftlichen) Webseite muss zwingend "

    Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post," enthalten. Es wurde mal gerichtlich festgestellt, dass mit letzterem E-Mail gemeint ist.

    Die Konsequenz ist, dass ich entweder meine Webseite abschalten muss oder Aufwand treiben muss, um diese E-Mails, die ich eigentlich gar nicht haben will, zu löschen und das evt. auch zu dokumentieren.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Mit der DSGVO sind Helmkameras dann jetzt auch keine rechtliche Grauzone mehr, sondern einfach mal grundsätzlich komplett illegal, oder?

    Sehe ich nicht so, solange du die Aufnahmen für rein persönliche Zwecke machst. Und §6 Abs. 1 e) oder g) könnten hier auch anwendbar sein.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Hier ist noch ein Artikel, der sich unter anderem mit der Sache bezüglich DSGVO und Fotografie auseinandersetzt: Mein erster DSGVO Rant – Zu viele Mythen und gefährliches Halbwissen zum neuen europäischen Datenschutzrecht

    Mein Kommentar wurde leider bislang weder freigeschaltet noch beantwortet, allerdings bin ich auch nicht so recht von dem Artikel überzeugt.

    Bezüglich der Foto- und Filmthematik bezieht sich der Autor immer wieder auf einen Tweet von Jan Philipp Albrecht, der meint, das KunstUrhG hebe die DSGVO gewissermaßen auf. Das sehe ich aber nach wie vor anders und ich werde in einem Rechtsstreit wohl kaum den Tweet eines Europapolitikers zitieren können.

    Bei twitter habe ich dann noch diesen Leitfaden des Wordpress-Hosters Raidboxes gefunden.

  • Zur DSGVO gibt es noch mal eine Reihe neuer Artikel hinsichtlich der Problematik mit Fotoaufnahmen. Grundsätzlich gilt nach wie vor: Nichts genaues weiß man nicht.

    Dann hat noch jemand mal beim Bundesinnenministerium nachgefragt, das im Gegensatz zum Bundesjustizministerium offenbar auch antwortet, und man ist der Meinung, dass sich nichts ändert und alles kein Problem wäre: https://www.facebook.com/psdtutorials/p…?type=3&theater

    Aber: Jeder Satz enthält das Wort „Auslegungssache“ und der Großteil klingt nach Konjunktiven. So richtig toll ist das alles noch nicht.

  • Der Filmverband Südwest e. V. hat einen Vermerk des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit mit dem Titel „Rechtliche Bewertung von Fotografien einer unüberschaubaren Anzahl von Menschen nach der DSGVO außerhalb des Journalismus“ veröffentlicht (pdf). Fazit:

    Zitat

    Die derzeitige Rechtslage in Bezug auf Fotografien einer unüberschaubaren Anzahl von Menschen oder von Menschen als Beiwerk anderer Motive ist überwiegend unsicher. Dies beruht insbesondere darauf, dass der deutsche Gesetzgeber bisher keinen ausdrücklichen Gebrauch von der Öffnungsklausel des Art. 85 Abs. 2 DSGVO gemacht hat. Dies wäre aber im Sinne der Rechtssicherheit nötig.

    Bis dahin ist es möglich, die Datenerhebung in den meisten Fällen über Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu rechtfertigen. Eine Informationspflicht gegenüber den Abgelichteten besteht nicht. Dies ergibt sich aus Art. 11 Abs. 1 DSGVO, hilfsweise aus Art. 14 Abs. 5 lit. b DSGVO.

  • Der Hamburger Datenschutzbeauftrage meinte:

    Zitat

    Solange der deutsche Gesetzgeber nicht tätig wird, ist die Lösung aus Hamburg zu empfehlen. Pauschal gesagt heißt das, dass Aufnahmen, die zu kommerziellen oder künstlerischen Zwecken gefertigt werden, gerechtfertigt sind und eine Informationspflicht nicht besteht.

    Die gute Nachricht für alle Hobbyfotografen unter uns: im Alltag ändert sich also praktisch nichts.