Verkehrsexperte Dennis Thering (CDU) hat mit einer Anfrage an den Senat die Bombe platzen lassen: In Hamburg ist der Radverkehrsanteil im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr gesunken.
- Weniger Radfahrer in Hamburg unterwegs
- Trotz Millionen-Investitionen: Fahrradstadt rollt rückwärts (Hass)
Okay, über die Gründe kann man jetzt lange streiten. Nach meiner Erinnerung bin ich in diesem Jahr insgesamt drei Mal solchen Kurzzeitpegel-Stellen vorbeigefahren und es war jedes Mal tendenziell schlechtes Wetter: Da kann man natürlich bei den Radverkehrszahlen keine Wunder erwarten. Ich weiß allerdings nicht, wie es bei den anderen Pegeln aussah, da wird ja in der besagten Anfrage hoffentlich noch mehr drüber stehen. Aus diesen paar Pegeln lässt sich meines Erachtens auch nur schlecht auf den tatsächlichen Radverkehrsanteil schließen; das ist ja auch immer wieder ein ganz großes Problem, wenn irgendwo in einer Straße Radverkehrsinfrastruktur geplant werden soll und man einfach nullkommaperiodekeine Zahlen hat, wie viele Radfahrer dort eigentlich unterwegs sind — die Werte des Kraftverkehrs kennt man hingegen für beinahe jede Kreuzung.
Ansonsten sehe ich tatsächlich auch die Infrastruktur als Mitverursacher eines möglichen Rückgangs des Radverkehrsanteils. Von diesen Experimenten wie der Osterstraße habe ich echt die Nase voll, die Dauerbaustelle mit der abenteuerlichen Verkehrsführung für den Radverkehr entlang der Kieler Straße hat mich in den letzten Monaten tatsächlich mehrfach in die Bahn getrieben, dazu kommt noch die zunehmende Aggressivität auf der Straße inklusive des ständigen Beschwörens eines so genannten Krieges auf der Straße.
Schade, dass die CDU jetzt wieder die Notbremse hinsichtlich des Mobilitätswandels fordert. In dem von Thering erwähnten Mobilitätskonzept steht auch nur drin, dass der Kraftverkehr auf gar keinen Fall behindert und Parkplätze nicht entfernt werden dürfen, nach Vorstellung der CDU sollen sich Radfahrer und Fußgänger wieder schmale Nebenflächen teilen. Das wird natürlich wieder für Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern sorgen, aber die kann man ja praktischerweise den lieben Radfahrern in die Schuhe schieben. Die Hamburger CDU kann aber offenbar abseits des Verkehrsthemas nicht mehr beim Stammpublikum punkten, also verspricht man den Leuten eben, ihnen die Radfahrer vom Leibe zu halten.
Für sinnvoll hielte ich es hingegen erst einmal zu überlegen, was denn jetzt die Gründe für die ganze Problematik sind. Meines Erachtens liegt das beinahe auf der Hand: Es gibt in dieser Stadt einfach zu viele Autos. Dieser Problematik kann man nicht mit noch mehr Parkplätzen und noch breiten Straßen und noch schlaueren Ampelschaltungen Herr werden, da hilft’s einfach nicht: Das klappt nicht mehr. Solange man aber nicht den Mut hat, den Flächenverbrauch des Kraftverkehrs zu begrenzen und ganz entschieden auch einmal Flächen für alternative Mobilitätsträger anzubieten, sei es der Bus, das Fahrrad oder die Eisenbahn, wird das alles nichts.
Was soll denn passieren, wenn man zwar hier und dort die Radverkehrsinfrastruktur ertüchtigt und Lücken im Radverkehrsnetz schließt, aber sich gleichzeitig angesichts der Massen an Kraftfahrzeugen, die hier täglich in die Stadt drängen, immer noch scheut zu sagen: Ja, liebe Verkehrsteilnehmer, es wäre echt geil, wenn ihr mal aufs Rad steigt.
Aber das traut man sich nicht, weil man ja niemandem das Auto wegnehmen möchte. Und dann passieren solche Dinge wie an der Hudtwalckerstraße, in der man im nächsten Jahr die Radverkehrsinfrastruktur entlang einer vielbefahrenen Veloroute ertüchtigen möchte, aber dann im Jahr 2019 etwas fertiggestellt wird, das noch nicht einmal im Jahr 2017 dem Radverkehrsanteil genügt hätte — weil man eben dem Auto keinen Platz wegnehmen möchte. Und so bleibt es dann wieder bei einer halbgaren Lösung, die dann von den radfahrenden Verkehrsteilnehmern als unzureichend, als gefährlich empfunden wird und — Schwupps! — bleibt das Fahrrad wieder im Keller.
Und man kann sich nicht immer darauf ausruhen, dass Hamburg nicht Kopenhagen oder Amsterdam wäre, sondern eine Millionenstadt mit Schwerindustrie und Hafen und ohne Autobahnring. Gerade deswegen muss doch die Herausforderung angenommen werden, den Straßenverkehr irgendwie in den Griff zu bekommen — und auch für eine Millionenstadt wie Hamburg ein tragfähiges Mobilitätskonzept zu erarbeiten, in dem nicht alles dem Kraftverkehr untergeordnet wird.