Der grüne Umweltsenator Jens Kerstan hat heute also den neuen Luftreinhalteplan für Hamburg präsentiert. Der komplette Plan wird offenbar erst in der nächsten Woche am 8. Mai veröffentlicht, aber die wichtigsten Eckpunkte sind schon mal ziemlich wackelig:
Es wird keine Fahrverbote geben außer auf zwei kurzen Strecken in der Stresemannstraße und in der Max-Brauer-Allee. Dort dürfen dann keine Dieselmotoren kleiner Euro 6 oder Euro VI mehr fahren. Offenbar ist aber noch nicht einmal klar wie das kontrolliert werden soll: Wird dort von jedem Fahrzeug der Fahrzeugschein kontrolliert? Das ist personell für die Hamburger Polizei überhaupt nicht machbar, da kann man angesichts des zu erwartenden Rückstaus vor den Kontrollstellen auch gleich die Straßen komplett dichtmachen. Oder macht man hin und wieder stichprobenartige Kontrollen? Dann kann man ja locker weiter mit der Dieselmaschine dort durchfahren und zahlt dann alle paar Monate mal bummelige zehn oder zwanzig Euro.
Bei SPIEGEL ONLINE ist man dennoch der Meinung, dass diese Maßnahme Schockwellen aussende. Ich bin da eher der gegenteiligen Meinung: Rot-Grün macht wieder einmal deutlich, dass weder die Automobilindustrie oder die Fahrer von Dieselmotoren etwas befürchten müssen. In ein paar Jahren wird man die Ergebnisse evaluieren und feststellen, dass die Maßnahmen nichts gebracht haben und anschließend feststellen, puh, naja, dann wird mal wieder einen netten Appell an Autofahrer und -hersteller veröffentlichen und dann ist wieder eine Weile Ruhe.
Ansonsten hat man offenbar ganz überrascht festgestellt, dass sich in Hamburgs Mitte ein Überseehafen befindet und die Schwerölmaschinen echt dreckig sein können. Geplant ist eine (!) neue Landstromanlage und Tanks mit Flüssiggas. Aber ich wette auch dort, dass die Maßnahmen recht industriefreundlich sein werden, ansonsten fahren die Reeder ihre Kähne nicht nach Hamburg, sondern zu anderen Häfen mit weniger Restriktionen.
Und noch mal zur zeitlichen Einordnung: Im Jahr 2014 hatte das Verwaltungsgericht diesen Luftreinhalteplan angemahnt. Drei Jahre später liegt der vor, in acht Jahren sollen, wenn es sehr gut läuft und die Kraftfahrer wirklich die Dieselmaschinen stehen lassen, die Grenzwerte nicht mehr überschritten werden.
Ansonsten baut man auf Freiwilligkeit und Freiwilligkeit und Freiwilligkeit: Die Pendler sollen aufs Rad oder auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, außerdem soll technischer Fortschritt zu insgesamt saubereren Motoren führen. Wie man auf die Idee kommt, dass binnen der nächsten Jahre die Dieselmaschinen wirklich nennenswert saubererer werden, wenn sowohl von der Politik als auch von den Konsumenten überhaupt gar kein Druck auf die Automobilhersteller ausgeübt wird, verstehe ich nicht. Ich hätte als fiktiver Automobilhersteller die Äußerungen Kerstans als recht beruhigend empfunden: Um eventuelle politische Maßnahmen mit strengeren Grenzwerten brauche ich mir in den nächsten Jahrzehnten keine Sorgen machen, hier ist vierfingerrautiges „Weiter so!“ angesagt.
Boah, und dann diese rotzfreche Hoffnung, die Leute möchten doch bitte dennoch aufs Rad oder auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen! Momentan bietet man Hamburger Pendlern überhaupt gar keinen Anreiz das eigene Auto zu verlassen. Radverkehrspolitische Maßnahmen werden absolut schleppend umgesetzt, auf der U5 fahren frühestens 2030 die ersten Züge, die Preise für den HVV machen den öffentlichen Nahverkehr in den meisten Gebieten nur wenig konkurrenzfähig.
Und unter dieser stinkenden Freiwilligkeitsathmosphäre sollen Radfahrer ihre Lungen hergeben und mit gutem Beispiel voranfahren?
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Ich bin echt stinksauer — aber okay, warten wir mal der Fairness halber nächsten Montag ab und schauen nach, was wirklich in diesem sagenhaften Plan steht.