Lichtzeichenanlage Schnackenburgallee, Hamburg

  • Eine ganz beliebte Faustregel bezüglich der Gültigkeit von Ampeln lautet ja bekanntlich, dass eine Ampel nur gelte, wenn sie rechts vom Radweg stünde — Ampeln links vom Radweg wären egal. Diese Faustregeln wird offenbar auch von der Polizei verbreitet, obwohl sie in dieser Form zwar häufig zutreffen mag, aber definitiv häufig auch daneben liegt.

    Und manchmal weiß man auch nicht weiter. Hier zum Beispiel:

    Erst denkt man sich, naja, die Ampel steht links vom Radweg, es gibt keine Haltlinie, es gibt keine Signalgeber für Radlinge, also wird man wohl fahren dürfen. Ist ja offenbar egal, warum die Ampel dort steht.

    Dummerweise ist aber die Ausfahrt der rechts angesiedelten Firma signalisiert:

    Hmm. Der Witz ist ja, dass es kein grünes Licht gibt, weder bei dieser signalisierten Ausfahrt noch bei den übrigen Signalgebern für die Fahrbahn. Es gibt also rotes Licht und [Zeichen 205] . Bedeutet das, dass es auch keinen geschützten Bereich gibt, dass man also als Radling am roten Signalgeber für die Fahrbahn vorbeisausen darf und der Fahrbahnverkehr lediglich angehalten wird, damit die Lastkraftwagen aus dem Firmengelände überhaupt noch irgendwie eine Chance haben, ihre Fahrt zu beginnen? Geht man denn davon aus, dass dort eh kein Radfahrer daherkommt und deshalb das Zeichen 205 genügt?

    In der Praxis läuft es natürlich wieder so, dass man als Radfahrer auf jeden Fall anhalten sollte — denn wenn der Lastkraftwagen von rechts erstmal seine Fahrt beginnt, dann wird er auf jeden Fall nicht derjenige sein, der hier rechtzeitig bremst.

    Ist halt auch wieder ein lustiges Ratespiel: Muss man warten? Oder darf man warten? Oder wie oder was?

  • Eine ganz beliebte Faustregel bezüglich der Gültigkeit von Ampeln lautet ja bekanntlich, dass eine Ampel nur gelte, wenn sie rechts vom Radweg stünde — Ampeln links vom Radweg wären egal.

    Ja, das ist Bullshit, der sich wirklich hartnäckig hält. Er hat keinerlei Grundlage. Zur Erinnerung:

    Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten. Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten. An Lichtzeichenanlagen mit Radverkehrsführungen ohne besondere Lichtzeichen für Rad Fahrende müssen Rad Fahrende bis zum 31. Dezember 2016 weiterhin die Lichtzeichen für zu Fuß Gehende beachten, soweit eine Radfahrerfurt an eine Fußgängerfurt grenzt.

    Es gibt keine besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr. Es grenzt auch keine Radfahrerfurt an eine Fußgängerfurt. Also fall-back auf Satz 1: Lichtzeichen für den Fahrverkehr beachten.

    Eine brauchbare Eselsbrücke für die Juristerei allgemein lautet: Wenn die spezielle Vorschrift nicht gilt oder nicht gelten kann, dann gilt (wieder) die nächste allgemeine.

    Man bewegt sich von den engeren Vorschriften zu den allgemeineren Vorschriften solange zurück, bis man eine hat, die die jeweilige Situation wieder einschließt. Das ist eine der wenigen Eselsbrücken für das Recht, die wirklich fast immer funktioniert.
    Die recht wenigen Ausnahmen davon basieren meistens auf einer freien Erfindung deutscher Richter.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Eine brauchbare Eselsbrücke für die Juristerei allgemein lautet: Wenn die spezielle Vorschrift nicht gilt oder nicht gelten kann, dann gilt (wieder) die nächste allgemeine.

    Das klappt häufig, in dem konkreten Fall aber nicht.
    Denn die Situation ist ja durch den Gesetzestext abgedeckt: Der Radfahrer ist auf einer Radverkehrsführung. Denn da steht:
    "Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten."
    und nicht:
    "Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen mit besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten."

    Also nach dem Wortlaut: Die Voraussetzung (Radfahrer auf Radverkehrsführung) ist erfüllt. Daraus folgt, dass nur Fahrradampel gelten.
    Es ist damit eigentlich kein Fallback auf die allgemeinere Regelung möglich.
    Das wird noch dadurch verstärkt, dass unmittelbar dahinter noch auf eine Sondersituation eingegangen wird, in der es normalerweise keine Fahrradampel gibt.

    Das Ergebnis ist natürlich unbefriedigend. Denn Radfahrer dürften dann regelmäßig bei rot über große Kreuzungen radeln.

    In einem solchen Widerspruch werden Juristen dann kreativ: Sie erforschen, was der Gesetzgeber wohl tatsächlich gewollt hat. Teilweise vollkommen unabhängig vom Wortlaut.

    Das Ergebnis in diesem Fall ist noch nicht gefestigt, läuft aber auf die Theorie vom geschützten Kreuzungsbereich hinaus: wenn es keine Fahrradampel gibt und der Radfahrer den durch eine sonstige Ampel geschützten Kreuzungsbereich quert, gilt die Fahrbahnampel. Sonst darf er fahren. Daraus entstehen natürlich wieder Zweifelsfälle. Gerade bei T-Kreuzungen ist es "oben auf dem T" nicht so eindeutig, wie weit sich der Kreuzungsbereich auf das Hochbord erstreckt.

    Wer jetzt denkt "Das steht da so doch gar nicht im Gesetz", der hat recht. Trotzdem ist es wohl das einzig sinnvolle Vorgehen. Und wir sollten uns freuen, dass sich nicht die Einstellung eines ehemaligen Verfassungsrichters durchsetzt. Der hatte gefordert, Richter sollen nicht erforschen, was der Gesetzgeber gewollt hat, sondern was der Gesetzgeber sinnvollerweise gemacht hätte. Damit hätten sich die Richter über den Bundestag gestellt.

  • Ich teile diese Auslegung nicht und halte sie auch für herbeigebogen, wobei ich diese Herbeibiegung durchaus nachvollziehen kann. Schlampige Arbeit des Gesetzgebers halt, die Eingangsvoraussetzung für selbstherrliche Jungrichter zu Übungszwecken, bevor sie sich später zu neuen Ufern, der vollendeten Rechtsbeugung, aufmachen.

    Man kann nur beachten, was vorhanden ist.

    Also nach dem Wortlaut: Die Voraussetzung (Radfahrer auf Radverkehrsführung) ist erfüllt. Daraus folgt, dass nur Fahrradampel gelten.

    Eben nicht. Auch die Lichtzeichen für "Rad Fahrende" (wirklich schauderhaftes Gendersprech) sind Voraussetzung, sonst kann man sie ja nicht beachten, womit die Gültigkeit von Satz 2 im konkreten Fall wegfällt. Sind sie vorhanden, dann gelten sie auf diesen RVA zwingend. Ausnahme von der Ausnahme: Radverkehrsführung+keine Lichtzeichen für Radfahrer+Lichtzeichen für Fußgänger+unmittelbare Angrenzung der Fußgängerfurt an Radfahrerfurt+vor 01.01.2017.

    Satz 1 wird nicht aufgehoben, sondern nur ergänzt um einen speziellen Fall und einen spezielleren Fall des speziellen Falls.
    Deshalb stellt der 31.12.2016 auch kein Problem dar. Denn danach gibt es den spezielleren Fall des speziellen Falls einfach nicht mehr. Satz 1 greift dann lediglich etwas häufiger.
    Es gilt dann für Radfahrer, wie bisher schon, generell die Fahrbahnampel, außer auf Radverkehrsführungen mit eigener Signaglisierung für den Radverkehr. Die Ausnahme von der Ausnahme fällt ab 01.01.2017 flach.

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    Peter Viehrig

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    (Andreas Müller)

  • Eben nicht. Auch die Lichtzeichen für Rad Fahrende sind Voraussetzung, sonst kann man sie ja nicht beachten, womit die Gültigkeit von Satz 2 im konkreten Fall wegfällt.

    Da sind wir schon in der Auslegung des Wortlauts. Da steht sinngemäß "Radfahrer beachten die Fahrbahnampel. Davon abweichend, müssen Radfahrer auf Radverkehrsführungen die Fahrradampel beachten". Ich verstehe diesen Wortlaut eindeutig so, dass eben auf Radverkehrsführungen eine vollkommen abweichende Regelung gelten soll - unabhängig davon, ob es überhaupt eine Fahrradampel gibt.

    Selbst Richter kommen hier ja zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das werden wir hier nicht auflösen können. Und je nach Lage vor Ort ist ja tatsächlich mal das eine, mal das andere sinnvoll.

    Ein paar Beispiele auf meinem Arbeitsweg sortiert von "ziemlich sicher anhalten" bis "ziemlich sicher nicht anhalten" (Radfahrer jeweils auf dem Radweg/Radfahrstreifen, es gibt jeweils keine Fahrradampel):

    • (heute mit Radfahrstreifen und Haltelinie statt dem Radweg)

    Wenn Du zu dem Schluss kommst, dass ein Radfahrer in allen Situation anhalten muss, dann stelle Dir die letzte Situation mit zunehmendem Abstand zur Fahrbahn vor.

    Keine Ahnung, bei welchem Punkt genau es "kippt". Aber genau das müssen Richter halt entscheiden und haben sich dafür die Theorie mit dem geschützten Kreuzungsbereich ausgedacht.

  • Ein paar Beispiele auf meinem Arbeitsweg sortiert von "ziemlich sicher anhalten" bis "ziemlich sicher nicht anhalten" (Radfahrer jeweils auf dem Radweg/Radfahrstreifen, es gibt jeweils keine Fahrradampel):

    Das ist einer der Gründe, warum ich mittlerweile lieber auf der Fahrbahn radele: Ich muß mich nicht zum Klops machen, wenn ich bei Rot halte. Ich weiß, wegen RWBPen ist das bei den gezeigten Beispielen nicht möglich. Nur beim letzten Beispiel würde ich als Radwegnutzer mit ehrlich schlechtem Gewissen vorbeischleichen, sofern ich weit und breit keine Fußgänger sähe, wäre mir dann aber eines Rotlichtverstoßes bewußt und würde ein entsprechendes Bußgeld anstandslos akzeptieren.

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    Peter Viehrig

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  • Im Normalfall dürften lediglich die Streuscheiben mit den Fußgängern drauf durch welche mit Fußgängern und Fahrrädern ersetzt werden. <X Dafür müssen keine Räumzeiten angepasst werden.

    In den seltensten Fällen wird es separate Fahrradampeln geben. Das ist nämlich wirklich (zu) aufwändig. Es geht schließlich nur um Radfahrer. Das sind diese Fußgänger, die zu faul zum laufen sind.

  • Ist halt auch wieder ein lustiges Ratespiel: Muss man warten? Oder darf man warten? Oder wie oder was?

    Aus diesem Hof kommend darf man in beide Richtungen abbiegen. Auf der Schnackenburgallee steht auch auf der gegenüberliegenden Seite eine rot-gelb-Ampel. Daneben ein Hochbordradweg. Würdest Du auf diesem Radweg anhalten, weil Du meinst, die Ampel hätte für Dich irgendetwas zu regeln? Warum soll dann die Fahrbahnampel irgendetwas für den Radfahrer in Richtung Süden zu regeln haben?

    Dann betrachte die Situation aus Sicht des Fahrers, der aus dem Gelände ausfahren will. Der sieht eine funktionierende Ampel, die rot zeigt. Also gilt sie. Dann geht sie aus. Damit gelten jetzt die Schilder. Und - Obacht! - da steht nicht nur [Zeichen 205] , sondern auch noch [Zeichen 138-10] (und das Pendant für Fußgänger) plus [Zusatzzeichen 1000-30] .

    Also: »Wenn die Ampel aus ist, dann gewähre so wie immer dem Querverkehr die Vorfahrt und pass vor allem auf Fußgänger und Radfahrer auf, die haben hier Vorrang/Vorfahrt und kommen aus beiden Richtungen!«

    Da darf der Fahrer nicht erwarten, dass Fußgänger und Radfahrer rot haben.


    Anderes Beispiel: Feuerwache Billstedt. Da wird eine Fahrbahnampel auf rot geschaltet; Rad- und Fußweg haben keine Haltelinie.

  • Drei habe ich noch:

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  • Der sieht eine funktionierende Ampel, die rot zeigt. Also gilt sie. Dann geht sie aus. Damit gelten jetzt die Schilder. Und - Obacht! - da steht nicht nur [Zeichen 205] , sondern auch noch [Zeichen 138-10] (und das Pendant für Fußgänger) plus [Zusatzzeichen 1000-30] .

    Also: »Wenn die Ampel aus ist, dann gewähre so wie immer dem Querverkehr die Vorfahrt und pass vor allem auf Fußgänger und Radfahrer auf, die haben hier Vorrang/Vorfahrt und kommen aus beiden Richtungen!«

    Mir war diese Regelung bekannt, aber ich möchte da nicht das Ergebnis einer Umfrage unter Kraftfahrern sehen :/

  • In München gibts auch so eine tolle "Zweilichtampel" an einer Stelle, die eine gewisse Totfahrgarantie hat. Die Dame mit dem Kinderanhänger hätte dort eigentlich Vorfahrt. Sie wartet aber den ganzen Strom an Fahrzeugen ab (sieht man, wenn man dem Straßenverlauf mit der Kamera folgt). Über die tolle Fortführung des Radwegs jenseits des freien Rechtsabbiegers hülle ich den Mantel des Schweigens.

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