Pinkfarbene Elefanten auf dem Rad

  • Hat eigentlich jemand einen Unterschied bemerkt, ob man als Warnwesten-Träger auf dem Rad besser wahrgenommen wird?

    Ich fahre seit dem 1. April wieder mit so einer ziemlich roten Jacke, die zwar nicht reflektiert, aber auch nachts auf Distanz noch gut zu erkennen ist. Dennoch habe ich in den letzten neun Tagen nicht ansatzweise das Gefühl bekommen, dass man mich irgendwie besser wahrgenommen hätte als im Vergleich zu meiner schwarzen Winterjacke. Insofern fühle ich mich da ein wenig in meinem Verdacht bestätigt, dass dieses Übersehen nicht primär ein Problem der dunkel gekleideten Radfahrer ist, sondern eher daran liegt, dass man im Auto einfach nicht aufpasst und stattdessen neuerdings eher mit dem Smartphone als mit dem Außenspiegeln zugange ist.

  • Beim Deutschlandfunk gibt es folgendes dazu zu lesen.

    "Es werden Motorradfahrer übersehen, es werden ganze Eisenbahnen übersehen, an Bahnübergängen."
    Kommt jetzt hätte eine Reflektion über die Ausrede "übersehen"?

    Nein, statt dessen: "Was gerade nicht ins Konzept passt, das fällt bei der Informationsverarbeitung gerade mal hinten raus."

    Der Mensch an sich ist fürs Autofahren ungeeignet? Erklärt manches.

    Positiv: Der Artikel betont mehrmals die "vorgeschriebenen" 150cm Abstand.

  • Hat eigentlich jemand einen Unterschied bemerkt, ob man als Warnwesten-Träger auf dem Rad besser wahrgenommen wird?

    Ich bin mal ein paar Tage mit so einem Ding gefahren und werde es erstmal nicht mehr tun. Die Sichtbarkeit hat leider nicht zu mehr Rücksicht geführt. Eher wurden die Sicherheitsabstände weiter reduziert, da ich ja gut sichtbar war.

  • Nein, statt dessen: "Was gerade nicht ins Konzept passt, das fällt bei der Informationsverarbeitung gerade mal hinten raus."

    Der Mensch an sich ist fürs Autofahren ungeeignet? Erklärt manches.

    Nee, so würde ich das nicht sehen. Sondern das Konzept ist »erlernt«. Generationen von Autofahrern haben in Deutschland eingetrichtert bekommen, dass Radfahrer »auf der Straße« nichts zu suchen haben. Das hat man irgendwann verinnerlicht. Und dann schlägt die selektive Wahrnehmung zu.

  • Ich trage immer, bei jeder noch so kurzen Fahrt, Warnweste (gelb, setzt sich nach meiner Erfahrung, siehe 1., im allgemeinen Geleuchte besser ab als alle anderen Farben), aus zwei Gründen:
    1. Sichtbarkeit, insbesondere in der Dämmerung - fahrt mit dem PKW in der Dämmerung und schaut Euch den Unterschied an zwischen Radfahrern mit und ohne: Die mit Weste siehst Du auf 200 Meter, die ohne oft nicht auf 20.
    2. Wenn sie mich jemals unter einem KFZ hervorziehen, soll die Rechtslage eindeutig sein - "habe ich nicht gesehen" zieht dann nicht. (Ich fragte Juristen, die fanden den Punkt valide.)
    (Das ist noch nicht alles: Ich fahre in der Dämmerung und nachts außerdem mit einer erklecklichen Anzahl an Zusatzleuchten - Motto: Lieber Weihnachtsbaum als tot.)

    Was ich nicht verstehe: Was stört, außer vielleicht modischen Fragen (?), an einer zusätzlichen Komponente passiver Sicherheit? Ist passive Sicherheit in irgendeiner Form Unsinn? In der Frage nehme ich, ähnlich wie beim Thema Fahrradhelm, oft ein generell ablehnendes Element sehr stark wahr, in vielen Statements - but why?

    Zumal: Der verlinkte Artikel verzeichnet, so nehme ich das wahr, kein echtes Statement contra Warnweste, sondern vermeldet maximal eine neutrale "Wirkung", beziehungsweise findet sich da sogar den Satz: "Nur wenn der Radler eine Weste trägt, ähnlich wie sie die Polizei hat, halten Autofahrer ein paar Zentimeter mehr Abstand." Tipp: Die richtige Farbe scheint zu wirken - wenn Ihr mehr Abstand wollt, holt Euch eine Warnweste in... (Welche Farbe tragen die Radstreifen eigentlich?)

    Mein Fazit: Ich gehe davon aus, dass sowas den entscheidenden Unterschied ausmachen kann, immer noch. Dass es völlig blinde SMS-Totfahrer gibt (22% als Hausmarke aus dem Artikel), lässt mich nicht suizidal schließen, dass der Rest der Verkehrsteilnehmer (78% immerhin, selbe Quelle) keine Chance bekommen soll, mich am Leben zu lassen.

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    Ich bin der Erfinder des Käseauflaufs: Käse mit Käse überbacken.
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  • In der Frage nehme ich, ähnlich wie beim Thema Fahrradhelm, oft ein generell ablehnendes Element sehr stark wahr, in vielen Statements - but why?


    Anstelle einer Antwort ein Link mit vielen weiteren Unterlinks


    Einfach dort die jeweiligen Autorenbeiträge aufrufen. Als Beispiel ein Zitat vom Herrn Sluka:

    Ausschlaggebend für den letzten Ruck war die Erkenntnis, daß man mit Helmtragen zu einer Helmpflicht beiträgt. Wenn ein bestimmter Anteil mit Helm herumfährt, kommt das Verbot, ohne ihn zu fahren fast zwangsläufig. Das zeigen diverse Beispiele von Helm- und anderen Pflichten im Ausland, wie im Inland. Deswegen habe ich von einem auf den anderen Tag den Helm zuhause gelassen. Ein weiterer Grund ist, daß ich Wert darauf lege, Vorbild zu sein. Was ich von anderen erwarte, mache ich selbst auch. Vorbild sein bedeutet hier, klarzumachen, daß Radfahren keine gefährliche Tätigkeit ist, zu zeigen daß man dazu keinen besonderen Schutz, erst recht keinen Helm, braucht.

    Letztlich gilt für die Warnweste das gleiche: Sie stiftet (genau wie der Fahrradhelm) keinen Nutzen. Also kann nur gestifteter Schaden übrigbleiben.

    Zum Thema: Was tatsächlich etwas bringt, sind die gelben Reflektoren, die sich an während der Fahrt bewegten Teilen des Fahrrades befinden (Speichen- und Pedalreflektoren). Die machen einen Fahrradfahrer durch ihre markante Bewegung schon von weitem als solchen kenntlich, vor allem, wenn die Fahrradbeleuchtung möglicherweise schlechter erkannt werden kann. Besonders aber fällt es an unbeleuchteten Fahrrädern auf.

    Letztlich bringt also nur eine ordentliche Beleuchtung etwas. Die sollte man wirklich haben.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Sie stiftet (genau wie der Fahrradhelm) keinen Nutzen.

    Oha, generelle Diagnose mit diskutierbarem Wahrheitsgehalt... (Keine Sorge, ich komme gleich zu Gegenargumenten.) Und genau das meinte ich mit dem "but why"-Statement: Bei bestimmten Themen schwingt sofort eine Metaebene mit, die heftig aufgeladen ist. Was auch dazu gehört: Ich habe nie von der Helmpflicht gesprochen, nur vom Helmtragen - ein Unterschied, der in solchen Diskussionen oft nicht wahrgenommen wird, weil... Tja, warum eigentlich?
    (Disclaimer: Ich will auf diese Metaebene und deren Aufladung hinaus. Die Helmpflicht-Debatte kenne ich in allen Facetten und mit allen wechselseitig herangezogenen Argumenten und Statistiken in- und auswendig, das alles bitte nicht wiederholen, danke.)

    Und nun nochmal runter von der Metaebene... Meine ganz persönlichen Gegenargumente, die alle nichts mit Politik zu tun haben und ganz viel mit Sicherheit (man sehe mir den Pragmatismus nach):

    • Zum einen erhöhen reflektierende Elemente am Rad und an dessen Fahrer immer die Sicherheit, ich verweise zu dieser Behauptung auf Peter Viehrigs Beitrag in diesem Thread ;) Warnwesten erzeugen in all ihrer Flattrigkeit am sich ständig bewegenden Radfahrerkörper mindestens dieselbe Aufmerksamkeit wie, und das sogar auf deutlich größerer Fläche als, die Reflektoren am Rad selber. Und höher über dem Boden "angebracht" und damit in Augenhöhe von Autofahrern und auch auf größere Entfernung sichtbar als alle Reflektoren am Rad ist so eine Weste auch.
    • Für den möglichen positiven Nutzen von Helmen rufe ich Zeugen auf, die sich jeden Tag über den Unterschied informieren (müssen, das ist kein Spaß), am lebenden Objekt: Das medizinische Personal auf Unfallstationen und in Reha-Kliniken - die haben eine ziemlich klare Meinung, welchen Unterschied es macht, ob ein Kopf aus zwei Metern Höhe mit oder ohne Helm auf den Boden aufschlägt. (Ich habe mit diesen Zeugen intensiv zu tun gehabt, in meiner Zeit in BaWü.)

    Ich möchte mit einem Vorschlag schließen: Solange wir nicht die ideale Verkehrswelt haben, lasst bitte Warnwesten und Helme eine persönliche und vor allem akzeptierte Entscheidung bleiben - geht das? Auch "pinkfarbene" "Elefanten" sind nämlich einfach nur: Radfahrer.

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    Ich bin der Erfinder des Käseauflaufs: Käse mit Käse überbacken.
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  • Vielleicht noch ein paar Gegenbeispiele:

    Warnwesten (oder Reflexstreifen in gleicher Größe) sind auf Veranstaltungen der ARA vorgeschrieben. Bei Dunkelheit ohne - keine Wertung. Sehr einfache Regelung. Sorgt auch dafür, dass normalerweise alle eine Weste tragen. Das gilt in gleicher Weise für die Beleuchtung - da hab ich aber noch nie Verweigerer gesehen. Und ganz ehrlich - wenn ich Nacht um 3.45h eine Bergstraße in den Voralpen herunterfahre und irgendwo ein Auto kommen höre, dann bin ich froh um jedes Reflexelement. Weil der ganz sicher nicht mehr mit Radfahrern rechnet. Nie. Vielleicht mit einem Reh ...

    Wenn ich in der Stadt im Berufsverkehr entlangfahre sieht die Situation anders aus. Da rechnen die meisten schon mit Radlern. Ob sie schaun ist eine andere Frage. Dennoch: die neonfarbenen Westen sind vor dem bunten Hintergrund der Stadt - mit unterschiedlichen Werbetafeln, Hauswänden, Hecken, etc. - unglaublich sichtbar. Fällt immer dann auf, wenn auf meiner Strecke 10 Radler unterwegs sind und einer eine Weste trägt.

    Ob das jetzt alles zum Untergang des Abendlandes führt, wie oben beschrieben - weil dann die Westenpflicht kommt, und die Helmpflicht - lasst ich mal offen. Reißerischer Schreibstil bringt Leser und Links. Die Gegenseite stellt die Position dann so dar:

    Mir ists egal. Ich trag lieber eine Regenjacke in gelb/reflex statt schwarz oder werf mir bei Nacht eine Weste über. Den Sinn und Zweck der Speichenreflektoren versteh ich dagegen nicht. Wenn mich von der Seite ein Scheinwerfer anstrahlt bin ich entweder zu weit weg - so dass es keine Rolle spielt - oder der Reflektor rettet mich auch nicht mehr.

  • Natürlich kann jeder persönlich seine Entscheidung zum Sicherheitsfetischtragen treffen. Das Argument von Bernd Sluka bezog sich vermutlich auf das Urteil zur Schadenshaftung und Helmtragen. Solange Helmtragen noch nicht allgemein gebräuchlich ist, solange muss eine unschuldug verunfallte Radfahrerin auch nicht mithaften. Rüsten sich aber alle Verkehrsteilnehmer freiwillig auf, kann all dies schnell verpflichtend werden. Bis letztendlich auch alle Bäume, Häuser usw. grell-reflektierend ausgerüstet sind und dadurch gar nichts mehr "auffällt".

  • @Kampfadler und @Nbgradler
    Das Problem ist nicht die optische Sichtbarkeit. Sondern die Wahrnehmung.
    Siehe z.B. auch Unaufmerksamkeitsblindheit. Im Auto gibt es leider viele Möglichkeiten, das die Aufmerksamkeit von Fahren des Autos abgelenkt wird. Nicht nur das Händy.
    Dazu kommt noch das Autofahrer aufgrund der Geschwindigkeit mehr Reize pro Zeiteinheit verarbeiten müssen und damit die Wahrscheinlichkeit steigt, das Information weggefiltert wird.
    Wobei die Gefahr dafür in einer belebten Stadtstraße höher ist, als auf einer einsamen, reizarmen Landstrasse. Dort ist da Problem eher, das der Autofahrer zu schnell für die Sichtverhältnisse fährt. Also der Radfahrer z.B. wegen einer Kurve nicht gesehen wird.

  • Bei den Warnwesten und der Dunkelheit haben wir noch ein weiteres Problem: Wenn der Autofahrer auf »Radfahrer/Fußgänger müssen/sollen eine Warnweste tragen« konditioniert wird, dann wird er nicht mehr so aufmerksam nach normal gekleideten Radfahrern/Fußgängern Ausschau halten, sondern nur noch auf die grellen Leuchtfarben reagieren. Die Supernovae überstrahlen dann sozusagen alle normalen Sterne.

  • Hat eigentlich jemand einen Unterschied bemerkt, ob man als Warnwesten-Träger auf dem Rad besser wahrgenommen wird?

    Nein.

    Besonders in den Wintermonaten fahre ich fast nur nachts oder in der Dämmerung durch Großstadtverkehr (teils Hochbord, teils auf der Fahrbahn).
    Bei den beiden (glücklicherweise folgenlosen) Unfällen war ich jeweils wie eine Warnbake unterwegs, es gab keine Sichtbehinderung, und dennoch wurde ich nicht wahrgenommen. Beide Male hatte ich Vorrang, und das Auto kam von rechts.

    Was im Längsverkehr auf der Fahrbahn wirkt, sind 20cm Extra-Abstand vom rechten Fahrbahnrand, so dass Autofahrer, die einen überholen wollen, richtig ausscheren müssen. Das ist auch ein Zeichen für nachfolgenden Autofahrer (die oft zu wenig Abstand zum Vordermann halten): Obacht, da ist was.

    Ich habe den Eindruck, dass Engüberholer im Allgemeinen mit voller Absicht unterwegs sind, und eine sehr genaue Vorstellung vom Abstand zwischen ihrem rechten Außenspiegel und dem linken Lenkerende haben. Leider kann man sich nur selten mit denen unterhalten.

    Bei Einmündungen / Parkplätzen muss man immer mit dem schlimmsten rechnen (bei Radwegen; auf der Fahrbahn ist es ok). Wie man gekleidet ist spielt dabei keine Rolle.

    Ich habe vor ein paar Jahren regelmäßig eine "richtige" Warnweste getragen. Das ist lästig und hilft nix.
    Allerdings achte ich auf auffällige Kleidung (Jacke gelb/schwarz; oder weißes Oberteil), um den anständigen Autofahrern eine Hilfestellung zu geben.

  • Für den möglichen positiven Nutzen von Helmen rufe ich Zeugen auf, die sich jeden Tag über den Unterschied informieren (müssen, das ist kein Spaß), am lebenden Objekt: Das medizinische Personal auf Unfallstationen und in Reha-Kliniken - die haben eine ziemlich klare Meinung, welchen Unterschied es macht, ob ein Kopf aus zwei Metern Höhe mit oder ohne Helm auf den Boden aufschlägt. (Ich habe mit diesen Zeugen intensiv zu tun gehabt, in meiner Zeit in BaWü.)

    Ein empirischer Beleg würde genügen. Aber es gibt keinen. So einfach ist das.

    Anekdotenhafte Eindrücke von vermeintlichem Fachpersonal machen eben noch keine Empirie. Vermeintlich deshalb, weil die als Zeugen aufgerufenen Mediziner (oder Polizisten) nicht wissen und auch nicht wissen können, ob ein Fahrradhelm im konkreten Fall tatsächlich etwas gebracht hat. Die Wahrscheinlichkeit, daß er tatsächlich etwas gebracht hat, ist nunmal extrem klein. Diese Anekdoten aber hört und liest man am laufenden Meter ("Mein Freund/Bekannter/Patient lebt nur noch, hatte keine bleibenden Schäden usw. dank Helm"). Würde wenigstens ein geringer Teil von diesen Anekdoten stimmen, müßte er empirisch nachweisbar und damit also meßbar sein. Es gab mehrere Versuche solcher Nachweise dazu weltweit. Ergebnis: Nix.

    Oha, generelle Diagnose mit diskutierbarem Wahrheitsgehalt...

    Nachweisbarer Wahrheitsgehalt trifft es also besser.

    Und die Trennung zwischen Metaebene und konkretem Schutz im Einzelfall ist jedenfalls in Deutschland ebenso eine reine Mär. Siehe dazu auch das Urteil des BGH, das schon mal einen anderen Ausgang ankündigt, wenn die Heltmtragequote steigt. Und genau darauf wollte Herr Sluka hinaus, wie @Forumteilnehmer schon richtig schrieb.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Wenn Hunde meinen Weg kreuzen möchte ich, dass sie und ihre Leine auch im Dunkeln sichtbar sind.
    Wenn Jogger meinen Weg kreuzen, möchte ich, dass sie gut sichtbar sind.
    Wenn Absperrelemente auf meinem Weg sind, möchte ich, dass sie gut sichtbar sind.
    Wenn ich den Weg anderer kreuze wollen aufmerksame Wegbenutzer (seien das nun Fußgänger, Fahrradfahrer oder Autofahrer) dass ich gut sichtbar bin.

    Warnwesten sind meiner Meinung nach vor allem für Dämmerung und schlechte Sichtverhältnisse (Regen, Nebel,...) geeignet, ohne aktive Leuchtelemente nicht so sehr für die Dunkelheit.

    Wobei ich persönlich meine Warnweste eher wegen der aufgedruckten radpolitischen Botschaft (1,5m Abstand!) anziehe (vielleicht zwei mal pro Wintermonat), mein Rad ist (in der Dunkelheit) ausreichend beleuchtet.
    Stattdessen habe ich (wenn ich im Dunklen fahre) Reflektoren mit LEDs an den Armen um Abbiegen anzukündigen ("blinken"). Ob das die objektive Sicherheit erhöht weiß ich nicht, den verpassten Unfall merke ich ja idealerweise nicht, aber ich fühle mich sicherer.

  • Mein Fahrrad ist StVZO-gemäß ausgerüstet.

    An der Ortliebtasche, die ich auf der linken Seite hinten mitnehme, ist ein Reflektor. Das ist schon mehr als verlangt. Zudem habe ich hinten am Schutzblech noch einen reflektierenden Aufkleber drauf. Wer mich übersehen will, der wird das immer machen. Den kann ich auch mit Vollkörperreflektierung nicht davon abhalten.

    Ich muss zugehen, auch ich war mal auf die Sicherheitsfetischmasche reingefallen. Schon in den 90ern hatte ich mal einen Helm (250 DM!), den ich aber bald ablegte, weil unbequem. Nach der Wende, als viele Ostler hier einfielen, und vor allem bei Ausfahrten in die ex-Zone benutzte ich eine reflektierende Schärpe, die blinkende Leuchtdioden hatte. Damals vollkommen neu. Autofahrer hielten einen ungewöhnlich weiten Seitenabstand beim Überholen ein. Bei Ausfahrten auf Landstraßen oder Bundesstraßen jenseits der Zonenrandgebietsgrenze fühlte ich mich damit sicherer, und schaltete den grellen Blinkschnickschnack sogar tagsüber auf den Alleen ein.

    Aber sorry, ganz nach dem Sinn von Mikael Colville-Andersen will ich mich nicht beim Radfahren verkleiden. Alsbald werden Fußgänger folgen, wenn der Verkleidungszwang für Radfahrer durchgesetzt (erkämpft) wurde. Dann darf nicht einmal die betagte Dame auf dem Weg zum Einkauf oder zum Arzt ohne selbstblinkenden Verkleidungsschnickschnack aus dem Haus gehen. Mag ja sein, dass die jüngere Generation von heute, die mit sog. klugen Mobiltelefonen auf die Welt kommt, selbst im Alter damit kein Problem hat - ich ziehe dann lieber auf eine Hallig (solange es die noch gibt), um auf sowas verzichten zu dürfen.

  • Wenn Hunde meinen Weg kreuzen möchte ich, dass sie und ihre Leine auch im Dunkeln sichtbar sind.
    Wenn Jogger meinen Weg kreuzen, möchte ich, dass sie gut sichtbar sind.
    Wenn Absperrelemente auf meinem Weg sind, möchte ich, dass sie gut sichtbar sind.

    Daß Du das möchtest, sei Dir unbenommen. Ein Anspruch leitet sich daraus nicht ab. Hast Du wegen der dunklen Kleidung eines Joggers einen Unfall, warst Du zu schnell. Es ist Nacht, da ist es dunkel, die Fahrweise ist entsprechend anzupassen.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

    • Für den möglichen positiven Nutzen von Helmen rufe ich Zeugen auf, die sich jeden Tag über den Unterschied informieren (müssen, das ist kein Spaß), am lebenden Objekt: Das medizinische Personal auf Unfallstationen und in Reha-Kliniken - die haben eine ziemlich klare Meinung, welchen Unterschied es macht, ob ein Kopf aus zwei Metern Höhe mit oder ohne Helm auf den Boden aufschlägt. (Ich habe mit diesen Zeugen intensiv zu tun gehabt, in meiner Zeit in BaWü.)

    Ich habe allerdings nach zwei Aufenthalten im Krankenhaus das Gefühl, dass diese Personengruppe eine ordentlich verschobene Sicht auf dieses Helm-Thema hat.

    Anfang September wurde ich einigermaßen durcheinander ins Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf eingeliefert, nachdem mich ein Kraftfahrer an einer Engstelle beinahe überfahren hätte und anschließend mit der Faust ins Gesicht niederschlug. Im Krankenhaus kamen von den vielen Informationen von der Unfallstelle allerdings nur „Radfahrer“ und „bewusstlos“ an, weswegen man mir mehrfach erklärte, dass ich mit einem Helm keine Kopfschmerzen hätte. Ich gehe allerdings davon aus, dass ich mit einem Fahrradhelm zusätzlich zu der Gehirnerschütterung noch eine gebrochene Nase oder einen angeknacksten Kiefer bekommen hätte, weil der Typ seinen Schlag tiefer positioniert hätte. Dennoch bin ich auf der persönlichen Strichliste des Neurologen wohl als einer jener Radfahrer gelandet, die mit Helm keine Gehirnerschütterung bekommen hätten.

    Gleich am nächsten Tag wurde ich noch einmal ambulant behandelt und hörte mir die selben Weisheiten ein weiteres Mal an.

    Nun lerne ich ja dazu und setzte mir vor dem nächsten Unfall einen Fahrradhelm auf. Im Februar kam ich wieder einigermaßen bewusstlos im UKE an, allerdings dauerte die Untersuchung so lange, dass meine Eltern aus dem anderthalb Stunden entfernten Rendsburg anreisen und gewisse Dinge wie meinen Fahrradhelm schon mal mit nach Hause nehmen konnten. Ihr könnt euch sicherlich denken, was ich mir während meines dreißigstündigen Aufenthaltes mehrfach angehört habe. Ich musste sogar noch darauf hinweisen, dass mein Helm es doch bitte in den Entlassungsbericht schaffen möge, man weiß ja schließlich nie, ob der Unfall nicht plötzlich vor dem Oberlandesgericht Schleswig verhandelt wird…

    Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass das Personal bei einigen Unfällen recht gut abschätzen kann, ob ein Helm etwas genutzt hätte oder nicht. Aber ich glaube inzwischen, dass viele Personen aus dieser Gruppe relativ vorschnell aus dem Zusammenhang „Radfahrer“ und „Gehirnerschütterung“ Dinge schließen, die dem eigentlichen Unfallverlauf nicht entsprechen.

    Und ansonsten: Ich glaube schon, dass es sinnvoll sein kann, sich als Verkehrsteilnehmer überdurchschnittlich sichtbar zu positionieren. Das sehe ich mit meiner einigermaßen knallig-roten Jacke als erfüllt an. Ich weigere mich aber zu akzeptieren, dass deutsche Städte inzwischen so gefährlich sind, dass die Polizei für die dunkle Jahreszeit sogar Fußgängern das Tragen einer Warnweste empfiehlt. Ja, unsere Infrastruktur ist ganz witzig, was beispielsweise das Verstecken von Radfahrern hinter parkenden Autos angeht. Und ich bin durchaus der Meinung, dass es für einen Kraftfahrer, der vor dem Abbiegen gewissenhaft seinen Schulterblick praktiziert, leichter ist, einen Radfahrer mit Warnweste zu erkennen als mich mit roter Jacke oder gar der schwarzen Winterjacke.

    Und ich weiß auch, dass dieses Problem der Infrastruktur weder von heute auf morgen noch von heute auf in zehn Jahren geändert wird. Aber mein momentaner Eindruck ist, dass mir eine Warnweste überhaupt nichts bringt. Ich habe an jedem meiner Räder eine Photonenkanone sondergleichen, die eigentlich jeden abbiegenden Kraftfahrer über den rechten Außenspiegel erblinden lassen müsste. Trotzdem werde ich nicht wahrgenommen — und ich habe den Eindruck, dass das daran liegt, dass gerade am Lenkrad die Unaufmerksamkeit momentan drastisch ansteigt. Wenn ich morgens zur Arbeit fahre, werde ich regelmäßig von Kraftfahrern „übersehen“, die mit ihrem Smartphone zugange sind oder erst gar keinen Schulterblick praktizieren. Ich denke, dass sind Aspekte, die man unbedingt und sofort in Angriff nehmen sollte, bevor auch hier das Gewohnheitsrecht einsetzt.

    Die Anzahl der Kraftfahrer, die mich wegen ungünstiger Sichtachsen oder wegen meiner schwarzen Jacke irgendwie „übersehen“ haben, die kann ich an einer Hand abzählen. Ganz oft war das eben nicht „übersehen“, sondern „nicht geguckt“ — und dagegen müsste man endlich mal etwas unternehmen, anstatt irgendwo die Beleuchtung der Radfahrer zu kontrollieren oder Warnwesten zu empfehlen.