Woche 45 vom 2. bis zum 8. November 2015

  • Und dann noch VICE.

    Es ist ja nun kein Geheimnis, dass man mit Online-Qualitätsjournalismus irgendwie Geld verdienen will. Das kann man so machen wie bei SPIEGEL ONLINE, wo man sich noch wenigstens etwas Mühe macht und die Kundschaft mit Inhalten auf die Seite lockt, oder wie bei FOCUS ONLINE, wo man die Kundschaft mit reißerischen Überschriften und zusammengeklöppelten Artikeln lockt. Um die Reichweite zu steigern verlinkt man diverse Artikel gerne auf facebook, wo es dann wiederum darauf ankommt, eine möglichst hohe Reichweite innerhalb des Netzwerkes zu erreichen. Es ist also wünschenswert, wenn möglichst viele Besucher mit dem Artikel interagieren, also ihn teilen oder kommentieren oder den Daumen heben.

    Und das blöde ist: Das klappt am besten bei Aufreger-Themen. Wenn man sich beispielsweise die Seiten der Hamburger Zeitungen anschaut, werden dort in der Regel nur eine Handvoll Themen behandelt: Flüchtlinge, Fußball, ein bisschen Prominenz, Olympia, ein bisschen Politik und Polizeimeldungen. Und tatsächlich auch gerne die üblichen „Radfahrer gegen Autofahrer“-Artikel — die bringen schließlich ganz besonders viele Klicks, denn fast jeder Kraftfahrer hat zu diesem Thema etwas zu sagen. Mindestens hundert Kommentare sind garantiert, das steigert die Reichweite, weil bei vielen facebook-Nutzern plötzlich der Artikel angezeigt wird mit dem Hinweis „XYZ hat einen Kommentar dazu geschrieben“.

    So ungefähr funktioniert das mit der Reichweite. Darum kann den Zeitungen eigentlich gar nichts besseres passieren als diese Flüchtlingskrise, in deren Kommentaren sich die Leute die Köpfe einschlagen. Mehr Reichweite zum Nulltarif gab es eigentlich noch nie. Und wenn dann morgens im Berufsverkehr ein Radfahrer „übersehen“ wird — hej, besser kann der Tag doch gar nicht anfangen, denn jeder hat schon mal einen Radfahrer gesehen, der ohne Speichenreflektoren gefahren ist, da ist die Reichweite ebenfalls geschenkt.

    VICE macht es nun ganz witzig und bemängelt die negativen Kommentare unter einem YouTube-Video der Critical Mass Linz, bei dem ein Audi-Fahrer durch die Masse fährt und mehrere Radfahrer zur Seite drängelt: Ein Autofahrer fährt einen Radfahrer an und wird im Netz gefeiert

    Tatsächlich hat sich der Autor hier sogar noch recht viel Mühe gegeben, um einen längeren und durchaus leicht kritischen Artikel zu schreiben.

    Dann wurde der Artikel auf facebook verlinkt und dürfte eine durchaus bedeutende Reichweite geschafft haben. Hunderte Kommentare, in denen sich Radfahrer und Kraftfahrer gegenseitig die Köpfe einschlagen, verursachen abertausende Klicks auf den Artikel und damit abertausende Werbeeinblendungen. Das dürfte sich finanziell durchaus gelohnt haben.

  • dass man mit Online-Qualitätsjournalismus irgendwie Geld verdienen will. Das kann man so machen wie bei SPIEGEL ONLINE, wo man sich noch wenigstens etwas Mühe macht und die Kundschaft mit Inhalten auf die Seite lockt, oder wie bei FOCUS ONLINE, wo man die Kundschaft mit reißerischen Überschriften und zusammengeklöppelten Artikeln lockt.

    Äääh..., Du bringst ernsthaft "Spiegel online" und "Focus" mit Qualitätsjournalismus in Verbindung? ?(

    "Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen"
    Peter Ustinov

  • Wird nur in letzter Zeit häufiger darüber berichtet, bilde ich es mir ein oder häufen sich gerade Vorfälle wie dieser hier?


    Vor ein paar Wochen ist das hier keine zwei Minuten von meiner Haustüre entfernt passiert:

    Dagegen kann einen leider auch die beste Infrastruktur nicht schützen. Auf dem Rad ist ja ja leider gegen plötzliches um geschubst werden ohne wirksamen Schutz. Gerade auf den Boden geknallt ist man dann auch recht hilflos gegenüber Angreifern.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • Wird nur in letzter Zeit häufiger darüber berichtet, bilde ich es mir ein oder häufen sich gerade Vorfälle wie dieser hier?

    Ich hatte vor Urzeiten mal bei Radverkehrspolitik einen ähnlichen Fall verlinkt, wo allerdings jemand mit einem Kraftfahrzeug angefahren und ausgeraubt wurde, aber ansonsten habe ich von diesen Vorfällen nichts mitbekommen.

  • mit tollen Kommentaren unter dem Artikel

    Da wundert es mich auch nicht mehr, wenn sich die Verkehrsteilnehmer gegenseitig so sehr aufschaukeln, dass man dann doch plötzlich vorsätzlich überfahren wird, um dieser Plage namens Fahrrad Einhalt zu gebieten:

  • Mir stellt sich die ganze Zeit die Frage, wie man "noch nicht wieder" im Dritten Reich UND in der DDR gleichzeitig leben kann? Da sag noch einer, Geschichte wiederholt sich nicht! Wahrscheinlich hat damals jeder sein Fahrrad über die Kreuzung geschoben.

  • "Sie müssen sich es gefallen lassen, wenn die Meinung kundgetan wird!"
    Gibt immer mehr Argumente gegen "SocialMedia" und "Kommentarfunktion".
    Langsam bin ich echt dafür, dass wieder Leserbriefe-Only eingeführt wird.

    Da kann dann die Redaktion mit der eisernen Harke durchgehen und aussieben, entscheiden, ob und wenn ja, was gedruckt wird.
    Das mag am Ende tendenziös sein - doch würde so ein widerlicher Text wie oben niemals als Leserbrief erscheinen. Jetzt jedoch ist er irgendwo in den weiten des Netzes archiviert und lesbar.
    Und hat Reichweite. Bekommt vielleicht sogar Zustimmung. Und schwupps, fühlt sich Proleten-Ingo in seiner Meinung über scheißRadfahrer nicht mehr allein und hält beim nächsten Mal drauf. "Andere ja auch..."

  • Verkehrte Welt? Ein guter Artikel zum Radfahrern im Winter von der Auto-Presse: Gar keine 'Hinweise' auf Fehlverhalten, Licht, oder ähnliches, einfach nur gut dar gelegt, dass Radfahren auch im Winter Spaß machen kann. Dafür zeigt dann der ADFC in Worms, dass die Kenntnisse der Gesetzeslage veraltet sind (die 11 kg Grenze für Stecklichter wurde lange aufgehoben):

    Aber gut, die Welt steht doch nicht Kopf. Hier gibt es dann wieder totale Unkenntnis von Behörden, also doch alles beim Alten:
    Das Zeichen [Zeichen 254] verbietet da mal eben Rad fahren in einer Tempo 30 Zone. Da hätte schon mal ganz klar ein [Zeichen 239] hin gemusst für die eigentlich gewünschte Wirkung (laut Text). Dazu wird völlig ignoriert, das am Ende linksseitiger Radwege eine Querungshilfe Pflicht ist. Wobei man auf dem Foto auch nicht erkennen kann, wieso da überhaupt ein linksseitiger Radweg ist. Aber Hauptsache noch der Hinweis, Radfahrer sollen aufmerksam sein.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • Dafür zeigt dann der ADFC in Worms, dass die Kenntnisse der Gesetzeslage veraltet sind (die 11 kg Grenze für Stecklichter wurde lange aufgehoben):


    Die Stecklichter bleiben nach wie vor nur für Rennräder bis 11 kg erlaubt (StVZO §67: Lichttechnische Einrichtungen an Fahrrädern).
    Batterie oder Akkubeleuchtung ist zwar inzwischen erlaubt: [stvo]Fahrräder müssen für den Betrieb des Scheinwerfers und der Schlussleuchte mit [...] oder einer Batterie mit einer Nennspannung von 6 V (Batterie-Dauerbeleuchtung) oder einem wiederaufladbaren Energiespeicher als Energiequelle ausgerüstet sein.[/stvo].
    Aber: [stvo]Die lichttechnischen Einrichtungen müssen vorschriftsmäßig und fest angebracht sowie ständig betriebsfertig sein.[/stvo]
    Im Gegensatz zum Rennrad bis 11 kg, bei dem die Stecklichter nur mitgeführt werden müssen.

  • Fahrräder müssen für den Betrieb des Scheinwerfers und der Schlussleuchte mit [...] oder einer Batterie mit einer Nennspannung von 6 V (Batterie-Dauerbeleuchtung) oder einem wiederaufladbaren Energiespeicher als Energiequelle ausgerüstet sein..

    Kann mir eigentlich jemand erklären, wie ein Politiker auf die Idee kommt, die Nennspannung der Stromquelle in ein Gesetz zu schreiben?
    Eine Beschreibung der nötigen Helligkeit wäre doch viel sinnvoller, oder?

  • Kann mir eigentlich jemand erklären, wie ein Politiker auf die Idee kommt, die Nennspannung der Stromquelle in ein Gesetz zu schreiben?

    Hervorhebung von mir.

    Jahrzehntelange Parteimühle verursacht Hirn- und Integritätsschwund. Ab und zu gibt es natürlich Blitzstarter, das sind die, die schon vor Parteieintritt in Vorleistung gehen.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Nachtrag: Wobei das natürlich etwas ungerecht ist. Ein Politiker delegiert. Folglich war der Erfinder dieser Spezialregelung irgendein Verwaltungsbeamter.
    Die Verantwortung des damaligen Verkehrspolitikers bestand lediglich darin, diese Regelung als Gesetz einzubringen. Also im wesentlichen, sie nicht zu lesen bzw. nicht zu verstehen und anschließend einen Stoß Papier von einem Raum in den anderen zu tragen bzw. tragen zu lassen.

    Und das hat er ja offensichtlich geschafft, sonst gäbe es sie nicht. ;)

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Kann mir eigentlich jemand erklären, wie ein Politiker auf die Idee kommt, die Nennspannung der Stromquelle in ein Gesetz zu schreiben?Eine Beschreibung der nötigen Helligkeit wäre doch viel sinnvoller, oder?

    Soweit ich weiß ist diese Regelung uralt und wurde erlassen, damit Autofahrer und Kutscher nicht von den Lichtern geblendet werden und diese die damals gängigen Funzeln an Automobilen und Kutschen nicht überstrahlen.
    Da die einzig gängige Beleuchtung für Fahrräder (und alles andere) damals nun mal Glühbirnen waren ist eine Begrenzung der Spannung dann auch sinnvoll (gewesen).
    Die Helligkeit einer Glühbirne hat man halt damals mit der Spannung und Stromstärke angegeben.
    Es gab ja durchaus auch schon früher Versuche ein 12V Beleuchtungssystem zu etablieren.
    Heute macht das ganze natürlich keinen Sinn mehr. Andererseits werden Gesetze nur geändert wenn genügend Druck vorhanden. Über die Vorschrift nur Dynamoanlagen zuzulassen haben sich viele aufgeregt, über die Nennspannung nicht.

  • Interessanterweise wird bei Kraftfahrzeugen eine Nennleistung vorgegeben (neben Angaben zu Mindestbeleuchtungsstärken in Entfernung x).

    "Die Nennleistung der Glühlampe im Scheinwerfer muss 15 W betragen." §50 (6a) StVZO