Hannover wird "autofrei"

  • In ihrer Printausgabe berichtet die HAZ von heute (22.11.23):

    "Im gutbürgerlichen Zooviertel gehen Unbekannte gegen Regelungen der Stadtverwaltung vor, indem sie Schilder demontieren oder beschmieren. Erneut sind dort nun missliebige Parkverbotsschilder abgebaut worden, die die Stadt Hannover im Sommer an mehreren Straßen aufgestellt hatte. Sie will damit die Situation für Fußgängerinnen und Fußgänger verbessern. Nach Einschätzung der Verwaltung wäre ohne die Halteverbote ein Durchkommen auf dem Bürgersteig für Menschen mit Rollatoren, Rollstuhl oder Kinderwagen problematisch." *)


    Foto: zugeparkter Bürgersteig im Zooviertel

    In dem Zeitungstext ist von "missliebigen Parkverbotsschildern" die Rede. Mag sein, dass es einzelne Autofahrer*innen gibt, denen es missfällt, dass sie jetzt nicht mehr überall legal die Bürgersteige zuparken dürfen. Viele Menschen im Zooviertel dagegen begrüßen es ausdrücklich, dass die Verwaltung endlich etwas unternimmt, sodass mehr Platz auf den Fußwegen ist. Und auch in anderen Stadtteilen von Hannover sind die Anwohner zunehmend genervt davon, dass immer mehr, und immer größere und schwerere Autos, sowie eine zunehmende Anzahl von Wohnmobilen die Fußwege blockieren oder auch einfach nur als Blechwand die Sicht versperren.

    *) das ist der Link zur HAZ-Internetseite mit dem entsprechenden Artikel. Leider hinter Bezahlschranke:

    „Das ist Selbstjustiz“: Illegale Aktionen gegen Parkverbote und neuen Namen der Hindenburgstraße
    Ausgerechnet im gutbürgerlichen Zooviertel in Hannover gehen Unbekannte mit illegalen Aktionen gegen Parkverbote und die Umbenennung der Hindenburgstraße vor.…
    www.haz.de
  • Mag sein, dass es einzelne Autofahrer*innen gibt, denen es missfällt, dass sie jetzt nicht mehr überall legal die Bürgersteige zuparken dürfen.

    Nein , mit diesen Schildern wird nicht das Parken auf Gehwegen verboten. Das ist auch ohne Schild verboten. Sondern das Parken auf der Fahrbahn. Um sicherzustellen das der Fahrbahnverkehr nicht zu sehr durch den "ruhenden KFZ-Verkehr" behindert wird.

  • Zitat

    "Im gutbürgerlichen Zooviertel gehen Unbekannte gegen Regelungen der Stadtverwaltung vor, indem sie Schilder demontieren oder beschmieren. Erneut sind dort nun missliebige Parkverbotsschilder abgebaut worden....

    Ist dort zumindest ein Vorverfahren wegen des Anfangsverdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet worden?

    Einmal editiert, zuletzt von krapotke (22. November 2023 um 17:14)

  • Nein , mit diesen Schildern wird nicht das Parken auf Gehwegen verboten. Das ist auch ohne Schild verboten. Sondern das Parken auf der Fahrbahn. Um sicherzustellen das der Fahrbahnverkehr nicht zu sehr durch den "ruhenden KFZ-Verkehr" behindert wird.

    Hast du natürlich in dem Sinne recht, wo das Schild dasteht. Vorher war es dort aber so, dass hie und da am Fahrbahnrand geparkt wurde. Und als die Autos dann immer mehr wurden, da hat man an beiden Seiten am Fahrbahnrand geparkt. Und als dann immer mehr Autos immer breiter wurden, da hat man halbseitig auf dem Gehweg geparkt, damit die breiten Autos auch noch fahren konnten und die Fahrzeuge der Müllabfuhr durchkamen.

    Und natürlich hat nach Ansicht der Autofahrer*innen jede und jeder im Wohnviertel vollstes Verständnis dafür, dass sich das alles so entwickelt hat und ist zufrieden damit, wenn auf dem Gehweg nur noch ein schmaler Streifen bleibt, und wer anders darüber denkt, der wird halt gedisst und verächtlich gemacht. Das ist mehrheitsfähig, weil es ja kaum einen Haushalt gibt, in dem nicht mindestens ein Auto vorhanden ist. Da ist eine Auflehnung gegen das Prinzip "Auto first" quasi eine Rebellion gegen die eigene Familie. Oft genug entspricht die Anzahl der Autos jedoch der Anzahl der Haushaltsmitglieder. Und die Revolution stirbt mit dem ersten eigenen Auto:

    Das sieht dann vorne herum aus wie ein "richtiges" Auto, weil's aber nur drei Räder hat, darf man's schon mit 16 fahren.

    In den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und das Land Mecklenburg-Vorpommern schon mit 15. (Quelle: Auto Motor Sport vom 27.4.19)

    Gefährte für Führerschein AM, A1, 1b, 3 oder B: Mit 16 hinters Auto-Steuer - so geht's
    Autofahren mit 16 oder sogar noch früher ist nicht erst seit dem begleiteten Fahren möglich. Es kommt aber auf die passende Führerscheinklasse wie etwa AM, A1,…
    www.auto-motor-und-sport.de

    Hier ein Zitat: "Die Zeiten, in denen sich Jugendliche auf ihren 18. Geburtstag freuten, weil sie dann allein mit dem Auto fahren durften, gehören seit der Einführung des Begleiteten Fahrens mit 17 Jahren der Vergangenheit an. Aber mit der passenden Führerscheinklasse (AM, A1, 1b, 3 oder B) und dem dazugehörigen passenden Fahrzeug dürfen sich Jugendliche sogar noch ein Jahr früher hinter das Steuer eines vierrädrigen Gefährts setzen."

    Im ländlichen Raum läuft das so. Aber im Zooviertel von Hannover leben noch ein paar mehr Menschen, die dieser "Dorfidylle" nichts abgewinnen können. Und die begrüßen es, wenn die Infrastruktur für Fußgänger*innen verbessert wird, indem der Autoverkehr von den Gehwegen wieder zurückgedrängt wird. Und das ist gut so!

    Deshalb wird dann durch Beschilderung klar geregelt, dass nur auf einer Seite und nur auf der Fahrbahn geparkt werden darf.

    Noch besser wäre es natürlich, die Autos ganz rauszuwerfen.

  • Worauf ich hinaus wollte ist, dass in dem Artikel von Andreas Knie darauf hingewiesen wird, dass dieser Passus in der StVO eben nicht ganz klar definiert ist. Und dass heutige Richter eine andere Gewichtung vornehmen könnten (wenn sie denn wollten) als das in den 50er und 60er Jahren der Fall war.

    Ich lese im BVerwG-Urteil zu Bremen eigentlich keine Interpretationsspielräume bzgl. damalige (und heutige) StVO zum normalen Fahrbahnparken.

    Ein Rentnerpaar, beide mit Rollator, möchte sicher gerne nebeneinander spazieren gehen können im eigenen Wohnviertel. Das geht nicht, wenn dort die Fußwege so stark zugeparkt sind, dass nur noch ein Hintereinandergehen möglich ist, womöglich sogar nur ohne Rollator.

    Irrelevant, darum geht es im Bremer Urteil ganz und gar nicht.

  • Ich lese im BVerwG-Urteil zu Bremen eigentlich keine Interpretationsspielräume bzgl. damalige (und heutige) StVO zum normalen Fahrbahnparken.

    Als das Bundesverwaltungsgericht nun mit dem Fall des Bremer Kaufmanns betraut wurde, sollte es die Frage klären, ob Parken Gemeingebrauch sei oder nicht. Im Urteilsspruch vom 4. März 1966 heißt es im Wortlaut: „In einer stürmischen Entwicklung seit Anfang der fünfziger Jahre ist das Automobil in der Bundesrepublik (…) zu einem Gebrauchsgegenstand aller Bevölkerungskreise geworden. Diese Entwicklung hat der Staat nicht nur geduldet, sondern gefördert.“

    Angesichts des Staatsziels, die Motorisierung der Bevölkerung zu fördern, und der bereits gängigen Praxis des sogenannten Laternenparkens kamen Deutschlands oberste Ver­wal­tungs­rich­te­r:in­nen am 4. März 1966 zu folgendem Schluss: „Damit erweist sich das Abstellen von Kraftfahrzeugen über Nacht sowie an Sonn- und Feiertagen an öffentlichen Straßen als grundsätzlich den Verkehrsbedürfnissen entsprechend und damit als grundsätzlich verkehrsüblich und gemeinverträglich.“

    Quelle: taz vom 20.11.23 https://taz.de/Parkende-Autos/!5968714;moby/

    Die Feststellung des Gerichts, der Staat habe eine Entwicklung gefördert, die das Ziel hat, alle Bevölkerungskreise mit Autos zu beglücken, deutet ja bereits an, dass das vielleicht nicht besonders klug war. Aber nach dem Prinzip "Wer A sagt, der muss auch B sagen", müsse es dann ja wohl auch erlaubt sein, die vielen Millionen Fahrzeuge einfach an den Fahrbahnrand zu stellen. Dabei dürfte der große Fortschrittsoptimismus der 60er-Jahre eine entscheidende Rolle gespielt haben. Die Straßen sollten immer breiter werden, es sollte immer mehr Autobahnen mit immer mehr Fahrbahnen geben, auf denen immer schneller gefahren werden können soll. Quasi alles Ziele, an denen vollkommen rückwärtsgewandte Politiker noch heute starrköpfig festhalten. Immerhin gab es seitdem ein paar Entwicklungen, die diesen gefährlichen Zukunftsoptimismus gedämpft haben. Zum Beispiel die hohe Zahl an Todesopfern im Straßenverkehr, die dazu beigetragen haben, generelle Tempolimits innerorts und auf Landstraßen durchzusetzen, die nicht von Gerichten gekippt wurden.

    Irrelevant, darum geht es im Bremer Urteil ganz und gar nicht.

    Selbstverständlich geht es in dem Bremer Urteil letztlich auch um das Problem, dass heute Autos auf dem Bürgersteig parken und das zum Teil geduldet wird, oder aber sogar nachträglich legalisiert wird. Hätte damals das Gericht entschieden, dass es nicht erlaubt ist, Fahrzeuge im öffentlichen Straßenraum am Fahrbahnrand zu parken, dann wäre es ja möglicherweise nie so weit gekommen, dass dort immer mehr und immer breitere Fahrzeuge parken, so dass nach und nach nicht nur am Fahrbahnrand, sondern auch auf dem Gehweg geparkt wurde, sodass auf dem Gehweg nicht mehr genug Platz ist für Fußgängerverkehr, der zum Beispiel ein bequemes Aneinandervorbeigehen mit Einkaufstrolley und/oder Kinderwagen ermöglicht.

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